Phase-III-Studie des Malaria-Impfstoffs R21/Matrix-M
Phase-III-Studie: neuer Malaria-Impfstoff zeigt Impfschutz bei Kleinkindern
gerade bei Kindern unter eineinhalb Jahren und in Gebieten mit saisonaler Malaria ist der Impfschutz hoch
laut Forschenden ist der neue Impfstoff ähnlich wirksam wie der bereits zugelassene, sie sehen aber potenziellen Vorteil in geringem Preis und großer Verfügbarkeit
Schätzungsweise erkranken jedes Jahr 200 Millionen Menschen an Malaria. 600.000 von ihnen sterben, 450.000 davon sind Kinder unter fünf Jahren [I]. Um diese Infektionskrankheit einzudämmen, ist neben Chemoprophylaxe, Mückennetzen und -sprays das Impfen ein wichtiger Ansatz. 2021 wurde von der WHO der Malaria-Impfstoff RTS,S/AS01 zur breiten Nutzung empfohlen und vielen Millionen Kindern geimpft [II]. Der Impfstoff zeigte in der Zulassungsstudie einen Impfschutz von 56 Prozent [III]. Jetzt erscheint die Phase-III-Studie eines weiteren Malaria-Impfstoffs, R21/Matrix-M, der einen Impfschutz von 68 bis 75 Prozent bei 5 bis 36 Monate alten Kindern erzielt. Die Ergebnisse erschienen im Fachjournal „The Lancet“ (siehe Primärquelle).
Direktor des Instituts für Tropenmedizin, Reisemedizin und Humanparasitologie, Universitätsklinikum Tübingen
Einordnung der Studienergebnisse
„R21/Matrix-M ist ein Impfstoff, der nun etwa ein Jahrzehnt nach der RTS,S/AS01-Impfung entwickelt wurde und eine Phase-III-Studie durchlaufen hat. In der R21/Matrix-M-Impfung wurde die Sequenz des Sporozoitenoberflächenantigens (CSP = circumsporozoite protein) von Oxforder Forschern aus dem RTS,S/AS01-Impfstoff identisch übernommen und lediglich das Adjuvans – der Hilfsstoff – leicht verändert. Es gibt tausende andere Antigene, die ebenfalls in Frage für einen Impfstoff kommen würden und die bisher ohne Erfolg ausprobiert wurden. Nur das CSP zeigte bisher einen relevanten Teilschutz. Der neue Impfstoff ist eine Kopie des RTS,S/AS01-Impfstoffes – anders gesagt: Es ist das identische Malariaantigen in einer leicht veränderten Verpackung, welchen Oxforder Forscher als großen Durchbruch anpreisen.“
„Deswegen ist es auch nicht überraschend, dass bei genauer Betrachtung dieser zum RTS,S/AS01-Impfstoff nahezu identische R21/Matrix-M-Impfstoff auch in der Verträglichkeit und Wirksamkeit sehr vergleichbar ist, wie die WHO richtig feststellt.“
Unterschiede der beiden Impfstoffe
„Den einzigen Vorteil des R21/Matrix-M-Impfstoffs, den ich bisher sehe, ist der niedrigere Preis und die größere Produktion, was bisher aber nur ein Versprechen ist. Letztlich wird der Impfstoff an die Impfallianz GAVI weitergegeben und von dort aus kostenlos verteilt. In einem bis drei Jahren werden wir sehen, ob die versprochenen Vorteile wirklich so eintreten.“
Einschätzung der Umsetzbarkeit
„Die höchste Wirksamkeit der Malaria-Impfungen findet man, wenn man in Gebieten mit saisonaler Malaria kurz vor Beginn der Malariasaison impft. Das ist allerdings nicht realistisch. Zudem gibt es viele Regionen mit ganzjähriger Malaria. Man wird dann impfen, wenn es logistisch passt. Da bei Malaria-Impfstoffen die Wirksamkeit leider schnell abnimmt, werden wir auch Auffrischungsimpfungen benötigen.“
Auswirkungen der Impfkampagne
„Was in der Berichterstattung bisher wenig berücksichtigt wurde, ist, dass bereits Millionen Kinder den RTS,S/AS01-Impfstoff erhalten haben. Es handelt sich also nicht um den Beginn der Malaria-Impfungen. Jetzt haben wir zwar einen weiteren Impfstoff und wenn es von diesem mehr gibt, der dazu billiger angeboten wird, dann ist das ein Fortschritt. Aber dieser zweite Impfstoff ist eine minimal veränderte Kopie von RTS,S. Malaria ausrotten werden wir mit Impfkampagnen nicht können. Selbst bei einem Impfstoff mit einer Wirksamkeit von hundert Prozent könnte man Malaria nicht leicht ausrotten, da das logistische Problem das Hauptproblem ist. Die Gebiete, in denen Malaria am stärksten vorkommt, sind kaum erreichbar. Das sind beispielsweise Unruheherde dabei, wie in Nigeria, Burkina Faso, Mali oder der Demokratischen Republik Kongo. Gerade da, wo es am meisten kriselt, treten die meisten Fälle auf. Die Impfkampagnen werden allerdings sicher zu einer Reduktion der Malaria beitragen.“
Direktorin des Instituts für Internationale Gesundheit, Charité – Universitätsmedizin Berlin
Einordnung der Studienergebnisse
„Diese umfangreiche Phase-III-Studie bestätigt die initialen ausgezeichneten Effektivität-Resultate von zwischen 68 bis 75 Prozent in weiteren Regionen Afrikas, und obwohl die Folgedaten noch auf 18 Monate beschränkt sind, ist davon auszugehen, dass dieser Impfstoff einen signifikanten Mehrwert in der Malaria-Bekämpfung verkörpert. Zielgruppe der Studie waren Kleinkinder, die das höchste Risiko haben, an Malaria auch schwer zu erkranken und bei denen sich die Todesfälle konzentrieren. Die Studie untersuchte auch den Effekt einer Auffrischungsimpfung nach zwölf Monaten und sowohl die klinische Effektivität als auch die immunologischen Daten, die auf Antikörpermessungen beruhen, sind wirklich exzellent.“
Unterschiede der beiden Impfstoffe
„Die publizierten Effizienzdaten des R21-Impfstoffes (67 bis 78 Prozent) scheinen dem RTS,S-Impfstoff überlegen zu ein, wobei letztlich der längerfristige Wert eines Impfstoffes nicht nur nach Phase-III-Studien beurteilt werden kann. Um einen Impfstoff dann auch in der weiteren Bevölkerung beurteilen und vergleichen zu können, müssen weitere Phase-IV-Studien und Surveillance passieren, denn die Einführbarkeit, Verfügbarkeit und vor allem der Zeitraum der Effektivität und weitere Auswirkungen auf Malaria-Transmission spielen dabei alle eine Rolle, bevor man hier ein Fazit ziehen kann. Es ist zurzeit deshalb nicht hilfreich, endgültige Schlussfolgerungen ziehen zu wollen. Die parallele Einführung beider Impfstoffe in Kamerun zum Beispiel ist eine interessante Möglichkeit, nach Lizenz solche Fragen zu beantworten, wenn die entsprechenden Überwachungsmöglichkeiten weiterhin bestehen.“
Sicherheit der Impfstoffe
„Kleinkinder sind am meisten von schweren Fällen von Malaria bedroht, sobald der passive Schutz durch die Antikörper der Mutter nachlässt. Die Malaria-Sterblichkeit ist um den ersten Geburtstag am höchsten. Damit ist die Altersgruppe für Impfungen zwischen 5 und 17 Monaten auf jeden Fall die richtige Zielgruppe, denn umfangreicher Schutz besteht ja erst nach mehreren Dosen. Darüber hinaus induzierte der Impfstoff grade in dieser Altersgruppe die besten Immunantworten, was mit dem Schutz vor Erkrankung korreliert. Die Sicherheitsdaten, die wir bisher durch die Studien haben, beziehen sich auf circa 5000 Kinder und die veröffentlichten Sicherheitsprofile geben bei den vorhandenen Daten keinen Anlass zur Besorgnis. Seltene Nebenwirkungen, die per Definition nur bei 1 zu 10.000 oder 1 zu 1.000.000 auftreten – eben sehr selten sind – kann man damit auch in einer Phase-III-Studie nicht umfangreich genug erfassen, es sei denn als Zufallsbefund. Es ist daher wichtig, nach der Einführung aller neuen Impfstoffe gute Pharmakovigilanz-Prozeduren zu haben. Da unterscheidet sich dieser Impfstoff nicht von anderen.“
Einschätzung der Umsetzbarkeit
„Menschen in Malaria-endemischen Gebieten wünschen sich keinen Impfstoff dringender als gegen diese Krankheit, die sie persönlich und in ihren Familien immer noch tagtäglich erfahren. Damit sehe ich keine größeren Schwierigkeiten bezüglich Akzeptanz, insbesondere wenn weniger Fälle im direkten Umkreis entstehen und damit der Einfluss dieser Impfung unmittelbar spürbar wäre. So ist es mit Impfungen gegen Meningitis und Pneumonie auch verlaufen.“
„Natürlich stellen zusätzliche Impfungen auch zusätzliche finanzielle und logistische Belastungen für das nationale Impfprogramm da, wie wir ja auch bei COVID-19 gesehen haben, aber diese ,platforms‘ sind in der Verabreichung von Impfstoffen auch in den ländlichen Gegenden sehr geschult und alle notwendigen Schritte wie die Kühlkette und Impfregister sind bereits aufgebaut.“
„Der Impfstoff ist wie alle anderen Kinderimpfungen auch bei zwei bis acht Grad aufzubewahren, deshalb sehe ich bezüglich der Verabreichung keine größeren Probleme als bei anderen Routine-Impfungen im frühen Kindesalter. Es muss allerdings noch geprüft werden, ob es Interaktionen mit Impfungen des Routineprogramms geben könnte, denn es wäre vorzuziehen, einen Malaria-Impfstoff in das bereits bestehende Impfprogramm einzugliedern, sodass keine zusätzlichen Besuche eingerichtet werden müssen, denn das erhöht die Komplexitäten für das Gesundheitswesen und auch die Familien. Diese Resultate stehen zurzeit noch aus.“
Auswirkungen der Impfkampagne
„Fast jede Minute stirbt nach wie vor ein Kind unter fünf Jahren an Malaria. 2022 gab es 249 Million Malaria Falle auf der Welt mit 608.000 Toten, 76 Prozent bei Kindern unter fünf mit Schwerpunkt um das erste Lebensjahr. Trotz Bettnetzen und saisonaler Chemoprophylaxe bleiben diese Zahlen erschreckend, und ein effektiver Impfstoff bleibt der langerwartete notwendige Schritt nach vorne zur Malariabekämpfung. Mit einer Effektivität des R21 Impfstoffes von zwischen 67 und 76 Prozent – je nach regionalen Unterschieden – ist damit ein einschlägiger Fortschritt für Krankenhausfälle und Todesfälle im Kindesalter zu erwarten.“
Professor der Abteilung Parasitologie, Zentrum für Infektiologie, Universitätsklinikum Heidelberg
„Im Jahre 1898 schrieb Robert Koch über seine Forschung in Tansania: ,Man begegnet in den Tropen gelegentlich Leuten, welche sich Jahre lang in denselben und auch in Malariagegenden aufgehalten haben und niemals malariakrank wurden. Solche Menschen müssen mehr oder weniger immun gegen Malaria sein. Ich möchte [...] die Hoffnung aussprechen, dass [...] bei der tropischen Malaria eine künstliche Immunität dermaleinst zu erreichen sein wird.‘ Nach jahrzehntelanger Forschungsarbeiten mit unzähligen Versuchen an Vögeln, Nagetieren, Affen und Menschen, viel verfrühter Hoffnung und vielen Enttäuschungen ist nun seit 2021 ein erster Impfstoff gegen Malaria von der Weltgesundheitsorganisation zugelassen. Ein zweiter Impfstoff ist seit 2023 ebenfalls empfohlen. Beide Impfstoffe bestehen aus den gleichen Proteinen, einem Protein des Hepatitis-B-Virus und einem Protein des Malaria-Erregers, spezifischer, einem Oberflächenprotein der Form des Malaria-Erregers, das von Stechmücken übertragen wird. Diese Formen, Sporozoiten, werden von Stechmücken in die Haut übertragen, wandern durch die Haut und dringen in ein Blutgefäß ein, um dann im Blutstrom zur Leber transportiert zu werden und dort in Leberzellen einzudringen und sich zu vermehren. Nach erfolgreicher Vermehrung kehren die Parasiten in der Form von Merozoiten in die Blutbahn zurück und befallen rote Blutzellen. Die Vermehrung in diesen führt ultimativ zu den Symptomen der Malaria. Dieses Verständnis des Infektionsverlauf ist wichtig, um die Wirkung der im Moment zugelassenen Impfstoffe gegen Malaria zu verstehen. Die von der Impfung induzierten Antikörper verhindern die Bewegung der Sporozoiten in der Haut und dadurch das Eindringen in die Leber. Sie verhindern also die Infektion des Menschen. Wenn die Antikörper aber nicht perfekt wirken und die Sporozoiten nicht an der Infektion der Leber hindern, kommt es zu einer Infektion der roten Blutzellen, ohne dass die Impfung vor den Symptomen schützt. Der 2021 zugelassene und der 2023 ebenfalls empfohlene zweite Impfstoff schützen in klinischen Studien, je nach Studienort und Studiendesign, zu circa 30 bis 75 Prozent vor einer Infektion. Die beiden Impfstoffe unterscheiden sich dadurch, dass der zweite einen höheren Anteil des Proteins aus Malariaparasiten hat, besseren Schutz gibt, sowie billiger und in größeren Mengen herzustellen ist. Außerdem werden die Impfstoffe mit unterschiedlichen Adjuvanzien gemischt, wobei beide auf speziellen natürlichen Saponinen – zum Beispiel Seifenstoffe des Efeus – aufbauen. Alle bisherigen Studien deuten darauf hin, dass die Impfstoffe eine Rolle in der Malariakontrolle spielen werden. Allerdings zeigen auch alle Studien, dass die bisherigen Kontrollmethoden der Stechmücken-Bekämpfung und der medikamentösen Behandlung weiterhin mindestens so wichtig bleiben werden wie die Impfstoffe. Die beiden Impfstoffe stellen daher also eine erste wichtige – und durchaus historische – Errungenschaft auf dem Gebiet der Malaria-Impfung dar, werden alleine aber nicht zur Ausrottung der Malaria führen können. Neuere Medikamente, neuere Insektizide und auch bessere Impfstoffe, sowie eine Verbesserung der Gesundheitssysteme in den betroffenen Ländern werden dazu unumgänglich bleiben.“
Einordnung der Studienergebnisse
„Die Ergebnisse sind interessant und zeigen eine etwas bessere Wirkung als der erste Impfstoff von circa 70 Prozent (gegenüber circa 50 Prozent). Es ist wichtig, dass der zweite Impfstoff relativ schnell hergestellt und getestet werden konnte und mindestens so gut ist wie der erste Impfstoff, eventuell sogar besser, was allerdings noch zusätzlicher langfristiger Studien bedarf. Die Ergebnisse zeigen, dass ein guter Schutz schon nach drei Impfungen möglich ist und dass sich dieser Schutz mittels einer vierten Impfung verlängern lässt. Die Frage ist nun, wie lange dieser anhält.“
Unterschiede der beiden Impfstoffe
„Der zweite Impfstoff (R21) kann billiger und in größeren Mengen hergestellt werden und zeigt in den Studien eine etwas bessere Schutzwirkung. Die Studien sind im Moment noch nicht komplett vergleichbar, da mit dem ersten Impfstoff mehr Studien durchgeführt wurden, inklusive jene die zeigen, dass die Schutzwirkung mit der Zeit nachlässt. Der zweite Impfstoff scheint circa 20 Prozent besser zu funktionieren, aber leider zeigten die meisten Studien immer zuerst eine recht gute Impfwirkung, die dann in weiteren Studien geringer wurde. Wohl auch deshalb ist die WHO vorsichtig und schätzt die Wirkung von beiden Impfstoffen ähnlich ein.“
Sicherheit der Impfstoffeundefined
„Aus der Studie geht hervor, dass die Unverträglichkeiten ähnlich zu denen einer anderen Impfung sind. Darüber hinaus kann ich als Biochemiker keine weiteren Aussagen machen, das sollte ein Tropenmediziner tun.“
Einschätzung der Umsetzbarkeit
„Die Impfstoffe werden sicher zuerst in Regionen/Ländern zum Einsatz kommen, in denen die Infrastruktur gut ist, zum Beispiel Ghana, Kenia und der Senegal. In Gegenden, die aufgrund von Regenfällen, schlechter Infrastruktur oder Bürgerkriegen schwer zugänglich sind, wird das natürlich nicht besser klappen als die andere Krankheitsversorgung. Zur Skepsis der Bevölkerung kann ich keine ausreichende Antwort geben, da es ja nicht ,die Bevölkerung‘ gibt, sondern sehr große Unterschiede, je nach Region, Kultur und Religion. Generell ist allerdings zu vermerken, dass es in Ländern, in denen Kinder häufig an Infektionserkrankungen sterben, deutlich weniger Skepsis gegen Impfungen gibt als in wohlhabenden Ländern.“
Auswirkungen der Impfkampagne
„Die Impfung wird in den Regionen eine Relevanz haben, in denen kontrolliert geimpft werden kann, wobei ein breiter Schutz sicher geringer sein wird als in den Studien. Ich würde mit einem Beitrag von circa 20 Prozent gesunkener Sterblichkeit/Krankenhausaufenthalte durch schwere Malaria rechnen, was in der Größenordnung der Benutzung von Bettnetzen liegt, jedoch unter der Relevanz der Insektizide.“
Leiter des Zentrums für Tropen- und Reisemedizin, Abteilung für Infektionserkrankungen am Universitätsklinikum, University of Amsterdam, Niederlande
Einordnung der Studienergebnisse
„Die Ergebnisse dieser Studie bestätigen frühere Studien, die eine vergleichbar hohe Effektivität des Impfstoffes zeigten. ‚Hohe Effektivität’ bedeutet im Falle eines Malariaimpfstoffes, wie auch in dieser Studie, dass deutlich mehr als 50 Prozent der Geimpften vor einer Malaria geschützt werden können. Der wichtigste Effekt ist aber vor allem, dass die Anzahl von schweren Verläufen und Malariatoten drastisch vermindert wird. Bei Malariaimpfstoffen ist zu erwarten, dass aufgrund der viel komplizierteren Bauweise der Malariaparasiten im Vergleich zum Beispiel gegenüber einem Masernvirus keine ‚sterilisierende Immunität‘, das heißt, keine beinahe 100-prozentige Erkrankungsrisikoverminderung, zu erwarten ist. Das wird sich auch nicht mit folgenden Generationen des Impfstoffes verändern. Dies sollte aber nicht dazu führen, den Nutzen dieser Impfstoffe zu unterschätzen: Hinzugefügt an ein gutes Malariakontrollmaßnahmenpaket – inklusive Schlafen unter imprägnierten Bettnetzen, präventive Behandlung von Malaria in der Spätschwangerschaft und früher korrekter Diagnose und Behandlung – können Malariaimpfstoffe zu einem über-additiven Effekt führen. Das heißt, sie können den entscheidenden Unterschied machen in der deutlichen Reduzierung von Malariafällen über einen längeren Zeitraum in einer malaria-endemischen Reduktion. Eine Reduktion der Anzahl von Fällen führt dann wiederum zu einer niedrigeren Rate von Malariaerreger-tragenden Moskitos, was dann wiederum das Risiko für jeden Einzelnen und ganze Regionen senkt.“
Unterschiede der beiden Impfstoffe
„Der neue Impfstoff ‚R21/Matrix-M’ ist vergleichsweise eng mit dem bereits zugelassenen RTS,S-Impfstoff verwandt, das heißt, es gibt Gemeinsamkeiten im Grundbauplan, aber mit Modifikationen, die in den entsprechenden Studien zu Schutzraten führen, wie sie mit dem bewährten RTS,S-Impfstoff im Durchschnitt nicht erreicht wurden. Das bedeutet aber nicht, dass bei einem Einsatz im großen Maßstab der ‚neue’ dem ‚alten’ Impfstoff grundsätzlich überlegen ist, da viele Einflussfaktoren den direkten Vergleich zwischen Studien einschränken, zum Beispiel kleine Unterschiede in der Malariaepidemiologie an den jeweiligen Studienorten, kleine Altersunterschiede, kleine Unterschiede im Studiendesign. Nur wenn in einer gemeinsamen Studie beide Impfstoffe im Vergleich gegeneinander getestet werden, könnte man Aussagen hierüber treffen, welcher Impfstoff – in genau dem Setting, in dem die Studie durchgeführt wird – dem anderen eventuell überlegen ist: Diese Studien gibt es bisher nicht. Allerdings ist diese Frage bis zu einem gewissen Grad müßig, weil wir mehrere Impfstoffe benötigen, um den exorbitanten Bedarf decken zu können. Dies gelingt nicht mit einem Impfstoff von nur einem Hersteller. Von daher werden in jedem Fall beide – und nach Möglichkeit bald weitere – dringend benötigt.“
Auf die Frage, wie die Sicherheit der Impfstoffe für Kleinkinder ab einem Alter von fünf Monaten zu bewerten ist:
„Hoch. Alle bisherigen Studien haben keine wesentlichen Bedenken hinsichtlich der Impfstoffverträglichkeit und -sicherheit zu Tage gefördert. Jede Impfung kann allerdings Nebenwirkungen, wie Schmerz an der Injektionsstelle, Unwohlsein, eventuell eine fieberhafte Reaktion und so weiter, hervorrufen. Diese können als ‚gesunde Reaktion’ auf die Impfung gesehen werden, da ja eine Auseinandersetzung mit einem Erreger simuliert wird, die dann eine gewünschte Immunreaktion und damit den Aufbau eines Widerstandes gegen eine ‚echte‘ Infektion in Gang setzt.“
Einschätzung der Umsetzbarkeit
„Der Bedarf an Impfstoffen ist enorm und kann in dem Maße wie benötigt selbst bei Einsatz beider Impfstoffe sicher in den kommenden Jahren nicht zur Gänze gedeckt werden. Die Finanzierung von Massenimpfprogrammen und überhaupt des gesamten Cocktails von Malariaschutzmaßnahmen erfordert erhebliche Mittel und langanhaltenden politischen Willen. Schwere Erreichbarkeit mancher Regionen sehe ich nicht als größtes Problem; gerade Impfprogramme sind von allen Interventionsmaßnahmen noch am ehesten unter schwierigen Bedingungen zu organisieren. Allerdings nützt das Einführen einer Impfung als Einzelmaßnahme im Falle der Malaria herzlich wenig: Erst wenn Zugang zu imprägnierten Bettnetzen, frühzeitiger korrekter Diagnose und prompter adäquater Behandlung gut geregelt sind, kann die Impfung ihren vollen additiven Effekt entfalten. Impfskepsis ist ein Phänomen in allen Kulturen zu allen Zeiten und kann nur durch sachgerechte und gute Aufklärung begegnet werden. Malaria wird in Endemiegebieten als Ursache von großem Elend erlebt. Hier ist – bei guter Kommunikation von Seiten der jeweiligen nationalen Gesundheitsdienste – mit großer Akzeptanz zu rechnen. Ein psychologisches Problem beim Malariaimpfstoff ist, dass über die Wirksamkeit keine individuelle, sondern nur eine Gruppenaussage getroffen werden kann: Wir können nicht garantieren, dass das geimpfte Kind keine Malaria mehr bekommt. Wir können aber davon ausgehen, dass, wenn es Malaria bekommt, das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf – und damit einer Krankenhausaufnahme – oder gar Tod drastisch reduziert ist. Darüber hinaus können wir davon ausgehen, dass – gemittelt – die Anzahl der Malariafälle insgesamt in einer Gemeinschaft geimpfter Kinder (Schule, Dorf) sich auf zumindest ungefähr die Hälfet vermindern wird.“
Auswirkungen der Impfkampagne
„Auf die genannten Punkte wirken sich beide Malariaimpfstoffe deutlich positiv auf: Das heißt, dass sich neben der Gesamtzahl an Fällen insbesondere die Anzahl an schweren Fällen deutlich bis drastisch reduziert. Als alleinige Maßnahme ist keine hohe Wirksamkeit zu erwarten. Allein zu impfen, nützt wenig, wenn nicht gleichzeitig gute andere Präventiv- und Behandlungsinfrastruktur besteht. Aber als zusätzliche, ergänzende Maßnahme ist selbst ein über-additiver Effekt zu erwarten.“
Leiter der Arbeitsgruppe Protozoen-Immunologie, Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM), Hamburg
Einordnung der Studienergebnisse
„R21/Matrix-M zeigt eine hohe Schutzwirkung bei Kindern bis drei Jahren gegen klinische Malaria. Die Schutzwirkung von etwa 75 Prozent erreicht beziehungsweise übertrifft die von der WHO geforderte Effizienz.“
Unterschiede der beiden Impfstoffe
„Im Vergleich zu RTS,S/AS01 mit einer Schutzrate von 56 Prozent weist R21/Matrix-M eine deutlich höhere Schutzrate von 75 Prozent auf. Dabei ist der Endpunkt in beiden Studien vergleichbar. Neben der höheren Effizienz ist R21/Matrix-M auch wesentlich kostengünstiger zu produzieren.“
Sicherheit der Impfstoffe
„Die aktuellen Daten mit einer hohen Anzahl an geimpften Kindern zeigen eine gute Verträglichkeit. Die Nebenwirkungen waren zwischen der R21/Matrix-M und der Kontrollgruppe (Tollwut-Impfung) in Häufigkeit und Schweregrad vergleichbar gering.“
Einschätzung der Umsetzbarkeit
„Grundsätzlich haben viele afrikanische Länder das sogenannte ,Expanded Programme of Immunization‘ etabliert. Ziel ist es, gegen alle Krankheiten zu impfen, für die ein wirksamer Impfstoff verfügbar ist. Zu diesem Zweck haben die entsprechenden Länder viel Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung geleistet und auch entsprechende Infrastrukturen geschaffen. In diesen Ländern wird es recht einfach sein, den neuen Malariaimpfstoff zu implementieren. Natürlich gibt es eine ganze Reihe von afrikanischen Ländern, in denen dies aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen schwerer sein wird. Wie dies am effektivsten geschehen kann, ist auch Gegenstand der sogenannten ,Implementationsforschung‘. Dies ist ein recht neuer Forschungszweig und ist zum Beispiel am Bernhard-Nocht-Institut neu eröffnet worden.“
Auswirkungen der Impfkampagne
„Das von der globalen Gesundheitspolitik angestrebte Ziel ist eine Welt ohne Malaria. Bisher ist auf diesem Weg durch konsequente Vektorkontrolle und medikamentöse Behandlung schon sehr viel erreicht worden. Ein effizienter Impfstoff gegen Malaria ist dabei ein weiterer wesentlicher Baustein, Malaria zu kontrollieren und zu eliminieren. Dies ist umso wichtiger, da regelmäßig Resistenzen gegen Malariamedikamente auftreten. Schon jetzt gibt es viele afrikanischen Länder, in denen die Inzidenz der Malaria sehr stark gesunken ist. Aber auch in diesen Ländern muss ständig ein Wiederaufflammen der Malaria befürchtet werden. Auch hier könnte ein Malariaimpfstoff eine wichtige Rolle spielen.“
„Ich habe von niemanden Geld gekriegt, war aber im RTS,S-Konsortium.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte, da ich an dieser Studie nicht beteiligt war.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.”
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
„Es besteht kein Interessenkonflikt.“
Primärquelle
Datoo MS et al. (2024): A Phase III Randomised Controlled Trial Evaluating the Malaria Vaccine Candidate R21/Matrix-M™ in African Children. The Lancet. DOI: 10.1016/S0140-6736(23)02511-4.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Robert Koch-Institut (2015): Malaria RKI-Ratgeber. Stand: 23.04.2015.
[II] Weltgesundheitsorganisation (2024): Malaria vaccines (RTS,S and R21). Stand 17.01.2024.
[II] RTS,S Clinical Trials Partnership (2015): Efficacy and safety of RTS,S/AS01 malaria vaccine with or without a booster dose in infants and children in Africa: final results of a phase 3, individual randomised, controlled trial. The Lancet. DOI: 10.1016/S0140-6736(15)60721-8.
Prof. Dr. Peter Kremsner
Direktor des Instituts für Tropenmedizin, Reisemedizin und Humanparasitologie, Universitätsklinikum Tübingen
Prof. Dr. Beate Kampmann
Direktorin des Instituts für Internationale Gesundheit, Charité – Universitätsmedizin Berlin
Prof. Dr. Friedrich Frischknecht
Professor der Abteilung Parasitologie, Zentrum für Infektiologie, Universitätsklinikum Heidelberg
Prof. Martin Grobusch
Leiter des Zentrums für Tropen- und Reisemedizin, Abteilung für Infektionserkrankungen am Universitätsklinikum, University of Amsterdam, Niederlande
PD Dr. Thomas Jacobs
Leiter der Arbeitsgruppe Protozoen-Immunologie, Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM), Hamburg