Klima & Umwelt

24. November 2022

Kunststoffrecycling in Deutschland und der EU: Probleme und Lösungen

Am 30. November 2022 stellt die EU-Kommission neue Strategien für die Kreislaufwirtschaft vor [1]. Vor allem geht es um Design, Kennzeichnung und Recycling von Kunststoffprodukten: Die Kommission will erstmalig einen politischen Rahmen für „Bioplastik“ schaffen und schlägt Vorgaben für Verpackungen vor, die zu weniger Müll und besserem Recycling führen sollen. Auch der Umweltverschmutzung durch Mikroplastik will die Kommission entgegenwirken. Schließlich sollen Behauptungen über die Nachhaltigkeit von Produkten stärker geregelt und so Greenwashing verhindert werden.

Für den Übergang in eine Kreislaufwirtschaft, wie sie die EU und die Bundesregierung anstreben, muss das Recycling von Kunststoffen besser werden. In Deutschland wird noch immer über die Hälfte des Plastikmülls verbrannt. Während das Recycling von Glas und Papier schon gut funktioniert, hakt es beim Kunststoff an vielen Stellen: Oft sind Kunststoffprodukte nicht recyclingfähig oder das Recycling lohnt sich finanziell nicht. Rezyklate – recycelte Kunststoffe – sind häufig schwerer zu beschaffen als Primärmaterial aus fossilen Rohstoffen und manchmal von ungewisser Qualität. Das ist problematisch, denn Kunststoffe verursachen in der Herstellung und in der Entsorgung Umwelt- und Klimaschäden, die sich durch Recycling verringern lassen.

Dieses Fact Sheet stellt Probleme und Lösungen gegenüber: Wo klemmt es beim Kunststoffrecycling und welche Lösungsansätze gibt es? Dabei wird deutlich: Eine Kombination von Werkzeugen, die an verschiedenen Stellen im Recyclingprozess eingreifen, wäre wahrscheinlich am effektivsten.

Dieses Fact Sheet kann hier als pdf heruntergeladen werden.

Übersicht

  • Status Quo beim deutschen Kunststoffrecycling
  • Werkstoffliches Recycling und rohstoffliche Verwertung
  • Probleme: Warum wird nicht besser recycelt?
  • Lösungen: Welche Werkzeuge helfen beim Recycling?
  • Fazit
  • Literaturstellen, die zitiert wurden

Status Quo beim deutschen Kunststoffrecycling

  • 2021 wurden in Deutschland 12,4 Millionen Tonnen Kunststoff von Industrie und Haushalten verbraucht [2]; die Branchen mit dem höchsten Verbrauch waren:
    • Bau 27%
    • Verpackungen 26%
    • Elektronik 8%
    • Fahrzeuge 7%
  • es fielen 5,7 Millionen Tonnen Kunststoffabfall an; davon wurden:
    • 53% energetisch verwertet (verbrannt)
    • 46% dem Recycling zugeführt (41% in Deutschland; 5% exportiert)
    • 0,7% deponiert
    • 0,5% rohstofflich verwertet
  • Achtung: unterschiedliche Zahlen, je nachdem, wann im Prozess Mengen bestimmt werden; werden Mengenverluste bei der Vorbereitung der Abfälle fürs Recycling berücksichtigt, verringert sich der Recyclinganteil auf 35 Prozent
  • bei der Herstellung von Kunststoffprodukten wurde nur 16,3 Prozent Rezyklat eingesetzt; das entspricht 2,3 Millionen Tonnen; der Rezyklatanteil variierte stark nach Branche:
    • Bau 25%
    • Verpackungen 15%
    • Elektronik 5%
    • Fahrzeuge 6%
  • zum Vergleich: historische Zahlen mit Erläuterungen finden Sie hier [3]

Export von Kunststoffabfällen

  • Deutschland exportiert große Mengen Kunststoffabfall; Abwärtstrend erkennbar [4]:
    • 2010: 1,5 Millionen Tonnen
    • 2020: 1 Million Tonnen
    • 2021: 700.000 Tonnen; Rückgang unter anderem wegen gestörter Lieferketten [5]
  • wichtige Abnehmerländer: Malaysia, Niederlande, Türkei, Polen
  • 2018 stoppte China Importe von Plastikmüll; seit 2021 ist der Export von unsortiertem und verschmutztem Plastikmüll aus der EU verboten
  • exportierte Abfälle gelten in Deutschland als recycelt; auch wenn nicht sichergestellt werden kann, dass sie nicht auf Deponien oder in der Umwelt landen

Geltende Regulierungen

  • wichtige EU-weite Vorgaben, Strategien und Ziele:
    • EU-Kreislaufwirtschafts-Aktionsplan [1]; neue Strategien kommen am 30.11.2022
    • EU-Verpackungsrichtlinie [6]; ab 2030 müssen 55 Prozent der Kunststoffverpackungen recycelt werden und alle Verpackungen sollen wiederverwendbar oder recycelbar sein
    • EU-Einwegplastikrichtlinie [7]; seit 2021 sind in der EU einige Einwegplastik-Produkte verboten (wie Strohhalme, Einwegteller, Wattestäbchen)
    • seit 2021 Exportverbot von unsortiertem und verschmutzen Plastikmüll
    • seit 2021 müssen Mitgliedsstaaten Abgaben auf nicht-recycelten Plastikmüll an EU zahlen
  • die wichtigsten deutschen Gesetze:
    • Kreislaufwirtschaftsgesetz [8]
    • Verpackungsgesetz [9]; ab 2022 müssen 63 Prozent der Kunststoffverpackungen dem Recycling zugeführt werden; Pfandpflicht für fast alle Einwegflaschen
    • Gesetzentwurf vom 02.11.2022: ab 2025 müssen Hersteller von Einwegplastikprodukten in Fonds einzahlen, um sich an Kosten für Entsorgung von Abfällen zu beteiligen [10]

„Bioplastik“

  • „Bioplastik“ umfasst biologisch abbaubare und biobasierte Kunststoffe; weniger als ein Prozent der weltweit produzierten Kunststoffe, Tendenz steigend [11]
  • biologisch abbaubare Kunststoffe können in speziellen Anlagen kompostiert werden; werden aber in aller Regel nicht kompostiert oder recycelt, sondern verbrannt; keine ökologischen Vorteile gegenüber konventionellem Kunststoff [12]
  • biobasierte Kunststoffe werden aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt; können teilweise recycelt werden; können – aber müssen nicht – biologisch abbaubar sein
  • ökologische Vorteile von biobasiertem Kunststoff sind umstritten [13]; ökologischer Effekt hängt davon ab, ob Abfälle/Pflanzenreste oder speziell angebaute Feldfrüchte genutzt werden
  • am 30.11.2022 schlägt EU-Kommission erstmalig politischen Rahmen für Bioplastik vor [1]

Werkstoffliches Recycling und rohstoffliche Verwertung

  • man unterscheidet zwischen werkstofflichem Recycling und rohstofflicher Verwertung [14]; die folgenden Kapitel beschäftigen sich nur mit werkstofflichem Recycling, da dieses standardmäßig zum Einsatz kommt

Werkstoffliches Recycling

  • beim werkstofflichen Recycling werden Kunststoffabfälle mechanisch aufbereitet:
    • Verfahren wie Sieben, Windsichtung oder Magnetismus trennen Nicht-Kunststoffe ab
    • Kunststoffsorten werden mithilfe von Nahinfrarotspektroskopie getrennt
    • durch Wäsche werden Lebensmittelreste, Etiketten und Kleber entfernt
  • teils kommen auch Lösemittel zum Einsatz, die beigefügte Chemikalien („Additive“) abtrennen
  • es entsteht ein Rezyklat in gemahlener Form oder als Granulat
  • chemische Polymer-Struktur der Kunststoffe bleibt dabei unverändert; es kommt jedoch zu Mengen- und Qualitätsverlusten

Rohstoffliche Verwertung

  • bei der rohstofflichen Verwertung werden die Rohstoffe, aus denen Kunststoff besteht, zurückgewonnen; noch in der Entwicklung; wird (noch) nicht in größerem Maßstab angewandt, da der Energieaufwand extrem hoch ist
  • Begriff umfasst verschiedene thermochemische Verfahren, durch die die Polymerketten, aus denen Kunststoffe bestehen, aufgespalten werden; ein Beispiel ist die Pyrolyse
  • Endprodukte sind synthetisches Öl oder Gas; daraus können neue Kunststoffe hergestellt werden; synthetisches Gas kommt auch in der Stahlproduktion als Reduktionsmittel zum Einsatz
  • manchmal wird der Begriff „chemisches Recycling“ für die rohstoffliche Verwertung benutzt; ob es sich um „echtes“ Recycling handelt, ist jedoch strittig, da nicht die Ausgangsprodukte – Kunststoffe – wiederhergestellt werden
  • im Verpackungsgesetz gilt rohstoffliche Verwertung nicht als Recycling; laut Koalitionsvertrag der Bundesregierung soll sich das ändern

Probleme: Warum wird nicht besser recycelt?

Nicht-recyclingfähiger Kunststoff

  • nicht alle Kunststoffe sind recyclingfähig
  • vor allem Verbundstoffe, die aus mehreren Materialien bestehen, sind schwer zu recyceln; die verschiedenen Materialien können nicht/nur aufwendig getrennt werden; das kann zum Beispiel Getränkekartons oder dünne Plastikfolien betreffen
  • auch schwarzes Plastik lässt sich nur schwer recyceln, da es in Sortieranlagen oft nicht richtig erkannt und zugeordnet wird
  • aktuell gibt es kaum Anreize für Hersteller, Kunststoffprodukte so zu designen, dass sie einfach zu recyceln sind, da sie die Kosten hierfür tragen, ohne selbst davon zu profitieren

Unsaubere Sortierung von Kunststoffabfällen

  • wird Kunststoffabfall nicht in der gelben Tonne, sondern im Restmüll entsorgt, wird er in aller Regel nicht recycelt, sondern verbrannt
  • außerdem ist es schwierig, gemischte Kunststoffabfälle sortenrein zu trennen; ein Grund ist die große Vielfalt an Kunststoffsorten und Additiven; eine Studie aus 2021 identifizierte rund 10.000 chemische Substanzen – Grundstoffe (Monomere) und Additive – die in der globalen Kunststoffproduktion eingesetzt werden [15]
  • durch unsaubere Sortierung entstehen gemischte Rezyklate von geringerer Qualität

Qualitätsmängel und Verfügbarkeit

  • laut einer Befragung von Akteuren aus der Verpackungs-Industrie aus 2019 sind die drei größten Hemmnisse für den Einsatz von Rezyklat [16]:
    • geringe Verfügbarkeit: nicht genug hochwertiges Rezyklat auf dem Markt
    • (optische) Eigenschaften: Farbgebung und Geruch von Rezyklaten machen diese unattraktiv für Hersteller; leuchtend weiße oder bunte Verpackungen lassen sich aus Rezyklat oft nicht herstellen; Verpackungen mit Rezyklatanteil sind häufig gräulich
    • Qualitätsmängel: oft erfüllen Rezyklate nicht die Produkt-Anforderungen; sie sind etwa nicht ausreichend haltbar oder widerstandsfähig
  • Kosten von Rezyklat sind der Befragung zufolge für viele Verpackungs-Hersteller kein Hemmnis

Informationsdefizite

  • Informationsdefizite seitens der Hersteller, Recyclingunternehmen und Konsumenten behindern effektives Recycling von Kunststoffen [17]:
    • Hersteller: Qualität von Rezyklaten oft unklar, da Angaben zu Beschaffenheit und Reinheit fehlen; Verfügbarkeit von Rezyklaten ist intransparent und variiert, sodass es aufwendiger zu beschaffen ist als Neumaterial
    • Recyclingunternehmen: fehlende Informationen zur Zusammensetzung von gemischten Kunststoffabfällen und beigefügten Additiven; Informationen darüber, wo und in welchen Mengen Abfälle anfallen, sind nur begrenzt verfügbar
    • Konsumenten: fehlende Informationen zum Rezyklatanteil und zur Recyclingfähigkeit von Produkten; Angaben sind zwar teils vorhanden, aber oft uneindeutig und nicht einheitlich [18]; beispielsweise ist die Angabe „kompostierbar“ auf Kunststoffprodukten irreführend, da diese in aller Regel nicht kompostiert werden

Downcycling

  • für eine echte Kreislaufwirtschaft mit geschlossenen Kreisläufen müssten Produkte ohne Qualitätsverlust recycelt werden
  • Realität sieht anders aus: da werkstoffliches Recycling zu Qualitätsverlust führt, werden Rezyklate oft zu Produkten mit geringeren Qualitätsanforderungen verarbeitet, die nicht mehr recyclingfähig sind; diese Abwärtsspirale bezeichnet man als Downcycling
  • in der Baubranche lag der Rezyklat-Einsatz 2021 mit 25 Prozent vergleichsweise hoch [3]; Grund: Kunststoffprodukte wie Fußbodenbeläge, Fensterrahmen oder Rohre haben geringe Qualitätsanforderungen
  • bei Verpackungen war der Rezyklat-Einsatz mit 15 Prozent deutlich geringer
  • Einsatz von Rezyklat für Lebensmittelverpackungen besonders schwierig; hier darf nur Rezyklat eingesetzt werden, das ebenfalls aus Lebensmittelverpackungen stammt, um Kontamination mit schädlichen Chemikalien zu verhindern.; aktuell ist nur Rezyklat aus PET-Flaschen zugelassen, da dessen Reinheit durch das Pfandsystem garantiert ist

Gegenüberstellung: Probleme und Lösungen beim Kunststoffrecycling

Die Tabelle stellt die im Fact Sheet diskutierten Probleme beim Kunststoffrecycling (Spalten) und die Lösungsansätze (Zeilen) gegenüber. Die Kreuze geben an, welche Lösungsansätze für welche Probleme zentral sein könnten – ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Dabei wird deutlich: Am effektivsten wäre eine Kombination aus verschiedenen Lösungsansätzen.

Lösungen: Welche Werkzeuge helfen beim Recycling?

Recyclingquoten

  • Idee: gesetzliche Mindestquote, die vorgibt, welcher Anteil von bestimmten Kunststoffabfällen recycelt werden muss
  • Zweck: verpflichtet Abfallunternehmen, mehr zu recyceln; sorgt für bessere Sortierung und höhere Verfügbarkeit von Rezyklat
  • aktueller Stand: in Deutschland müssen laut Verpackungsgesetz ab 2022 mindestens 63 Prozent der Kunststoffverpackungen dem Recycling zugeführt werden
  • mögliche Erweiterung: eine gesetzliche Recyclingquote wäre auch für andere Kunststoffabfälle denkbar und sinnvoll; bisher existiert sie in Deutschland und der EU nur für Verpackungen
  • Schwierigkeiten: Mindestquoten stellen derzeit nicht sicher, dass das Rezyklat tatsächlich Neumaterial in der Herstellung ersetzt

Rezyklat-Quoten

  • Idee: gesetzliche Mindestquote, die vorgibt, wie viel Rezyklat bei der Herstellung bestimmter Kunststoffprodukte eingesetzt werden muss
  • Zweck: Einsatz von Rezyklat erhöhen; könnte verhindern, dass Rezyklat vorrangig für Produkte mit geringen Qualitätsanforderungen genutzt wird und so Downcycling verringern
  • aktueller Stand: Rezyklat-Quote für PET-Einwegflaschen in der EU und Deutschland; müssen ab 2025 zu mindestens 25 Prozent aus Rezyklat bestehen und ab 2030 zu 30 Prozent [7]
  • Selbstverpflichtungen von rund 500 Unternehmen weltweit; Coca-Cola und PepsiCo wollen bis 2025 mindestens 25 Prozent Rezyklat nutzen; Nestlé 30 Prozent [19]
  • mögliche Erweiterungen: breitere Anwendung der gesetzlichen Rezyklat-Quote denkbar; etwa für alle Verpackungen oder andere Einsatzbereiche wie die Baubranche
  • Schwierigkeiten: bei Lebensmittelverpackungen ist der Einsatz von Rezyklat bisher schwierig: aktuell nur Rezyklat aus dem PET-Pfandsystem zugelassen (siehe „Downcycling“)
  • unklar, was als Rezyklat gelten soll; nur Abfälle aus Haushalten oder auch Kunststoffreste aus Industrieprozessen

Bepreisung mangelhafter Recyclingfähigkeit

  • Idee: Bepreisung von schwer oder nicht-recyclingfähigen Kunststoffprodukten [20]
  • Zweck: setzt Anreize für recyclingfreundliches Produktdesign
  • aktueller Stand: EU-Abgabe auf Plastikabfälle seit 2021 („Plastiksteuer“); Mitgliedsstaaten müssen pro Tonne nicht-recycelter Kunststoffabfälle 80 Cent an die EU zahlen; allerdings treiben die Staaten diese Kosten bislang nicht bei den Herstellern ein; so verfehlt die Abgabe ihre beabsichtigte Wirkung [20]
  • mögliche Erweiterung: Bepreisung ließe sich über die Gebühren regeln, die Verpackungshersteller an die dualen Systeme zahlen (Abfallunternehmen wie der Grüne Punkt, die Verpackungen sammeln und entsorgen); bisher hängen Gebühren nur von Masse und Material ab; laut Verpackungsgesetz soll auch Recyclingfähigkeit berücksichtigt werden
  • alternativ könnte Bepreisung über einen Fonds organisiert werden [20]; Inverkehrbringer von Verpackungen zahlen in Fonds ein; Inverkehrbringer recyclingfreundlicher Verpackungen erhalten einen Teil zurück; laut Koalitionsvertrag plant die Bundesregierung ein solches Fondsmodell
  • Schwierigkeiten: transparente und einheitliche Kriterien für die Recyclingfähigkeit von Produkten notwendig (siehe „Recyclingzertifikate“); sowie gemeinsame Regeln, nach denen die dualen Systeme die Gebühren bestimmen

Recyclingzertifikate

  • Idee: einheitliche Zertifikate, die Informationen über die Recyclingfähigkeit und den Rezyklat-Gehalt eines Produktes enthalten [14]
  • Zweck: standardisierte Zertifikate sind notwendig, um die Recyclingfähigkeit von Produkten zu bepreisen (siehe „Bepreisung von Recyclingfähigkeit“)
  • Recyclinglabel auf Produkten könnten Konsumenten helfen, nachhaltige Kaufentscheidungen zu treffen; Anreiz für umweltfreundliches Verpackungsdesign
  • Aktueller Stand: verschiedene Anbieter und Initiativen entwickeln Zertifikate für Rezyklat-Gehalt und Recyclingfähigkeit von Kunststoffprodukten; Beispiele: das Unternehmen cyclos-HTP, die Industrie-Initiative RecyClass, die „Normungsroadmap Circular Economy“ des Deutschen Instituts für Normung (DIN)
  • am 30.11.2022 schlägt die EU-Kommission Regulierung für Behauptungen über die Nachhaltigkeit von Produkten vor [1]
  • Schwierigkeiten: damit Recyclingzertifikate und -label ihre Wirkung entfalten, müssten sie auf verbindlichen, einheitlichen Kriterien beruhen

Ökodesign-Standards

  • Idee: Standards für ökologisches Design beziehungsweise für „Design for Recycling“ von Kunststoffprodukten.
  • Zweck: könnte die Recyclingfähigkeit von Produkten aus Kunststoff erhöhen; könnte helfen, Produkte einheitlicher zu gestalten, was die Sortierung erleichtert
  • aktueller Stand: Ökodesign-Richtlinie für Elektrogeräte in der EU seit 2009; Mindestanforderungen an Energieeffizienz von Kühlschränken, Waschmaschinen, etc.
  • die EU-Verpackungsrichtlinie [6] nennt wesentliche Anforderungen für Verpackungen: möglichst klein und leicht, recyclingfähig/wiederverwendbar, keine Gefahrenstoffe; Anforderungen sind jedoch vage formuliert
  • mögliche Erweiterung: Ökodesign-Richtlinie auf Kunststoffe ausweiten und bindende Mindestanforderungen an die Recyclingfähigkeit, den Einsatz von Chemikalien und die Langlebigkeit von Kunststoffprodukten definieren [21]
  • am 30.11. schlägt die EU-Kommission stärkere Anforderungen an das Design von Kunststoffverpackungen vor [1]
  • Schwierigkeiten: verschiedene Kunststoffprodukte müssen sehr unterschiedliche Anforderungen erfüllen; Vereinheitlichung – etwa von Verpackungen – ist in der Praxis nicht immer vorteilhaft

Pfandsysteme

  • Idee: durch Pfandsysteme werden Kunststoffabfälle sortenrein gesammelt
  • Zweck: sorgt für Rezyklat von hoher Reinheit und Qualität; wirkt so dem Downcycling entgegen
  • aktueller Stand: Pfandsystem in Deutschland seit 2003 für PET-Flaschen; 2022 wurde die Pfandpflicht auf fast alle Einwegflaschen aus Kunststoff ausgeweitet
  • für einige Produkte aus der Baubranche – etwa Böden aus Polyvinylchlorid (PVC) – gibt es freiwillige Rücknahmesysteme, ohne dass auf die Produkte Pfand gezahlt wird [22]
  • mögliche Erweiterung: Pfandsystem könnte auf andere Produktgruppen ausgeweitet werden; etwa To-Go-Verpackungen von Gastronomiebetrieben oder Elektrogeräte [23]
  • Ausweitung von Rücknahmesystemen im Bausektor für Produkte wie Bodenbeläge oder Rohre halten Forschende für sinnvoll [22]
  • Schwierigkeiten: Erweiterung des Pfandsystems auf neue Produktgruppen erfordert große Investitionen in Infrastruktur wie Pfandautomaten und einheitliche Produktcodes
  • gesammelte Produkte müssen aus einheitlichen Materialien bestehen; im Bausektor durch lange Lebzeiten der Produkte schwer zu realisieren

Digitale Produktpässe

  • Idee: digitale „Steckbriefe“, die Daten zum gesamten Lebenszyklus eines Produktes enthalten: verwendeten Rohstoffe, Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit [24]
  • Zweck: Transparenz für Hersteller, Konsumenten sowie Abfallunternehmen, die dadurch Kunststoffabfälle besser sortieren könnten
  • Aktueller Stand: Bundesregierung und EU streben die Einführung digitaler Produktpässe an [25]; ressourcenintensive Produkte wie Elektrogeräte stehen im Fokus, doch auch ein Einsatz für Kunststoffverpackungen ist angedacht
  • aktuell werden digitalen Wasserzeichen erprobt; werden von Sortieranlagen erkannt und verweisen auf fürs Recycling relevante Informationen; Beispiel: Initiative HolyGrail 2.0; digitale Produktpässe sind eine Weiterentwicklung dieser Idee
  • Schwierigkeiten: Zusammensetzung von Kunststoffprodukten ist meist Geschäftsgeheimnis; potenzielle Schwierigkeiten mit dem Datenschutz; technische Umsetzung ist herausfordernd

Fazit

  • kein einzelner Lösungsansatz kann die Herausforderungen beim Kunststoffrecycling überwinden [26]; verschiedene Lösungsansätze ergänzen und bedingen einander; Kombination wäre erfolgsversprechend:
    • Mindestquoten sorgen für bessere Sortierung und höhere Verfügbarkeit von Rezyklat
    • Bepreisungsmodelle setzen Anreize für umweltfreundliches Verpackungsdesign
    • für die Bepreisung sind einheitliche Zertifikate notwendig
    • Richtlinien für ökologisches Design schaffen Standards für Recyclingfähigkeit
    • Pfandsysteme sorgen für Rezyklat von hoher Qualität
    • Digitalisierung schafft die Informationsbasis für Kreislaufwirtschaft
  • viele der hier vorgestellten Ansätze werden in Deutschland und der EU politisch diskutiert
  • oft beschränken sich Regulierungen auf Kunststoffverpackungen; andere relevante Sektoren wie die Bau-, Automobil- oder Elektronikbranche werden meist nicht berücksichtigt
  • Kunststoffrecycling spart Ressourcen und verringert Umweltschäden durch die Herstellung von Kunststoff [27] und den Eintrag von Plastikmüll in die Umwelt; aber: noch wichtiger ist die Vermeidung von Kunststoffabfällen, etwa durch den Einsatz von Mehrwegsystemen; auch hierzu gibt es Ansätze und Regulierungen, die dieses Fact Sheet jedoch ausklammert

Literaturstellen, die zitiert wurden

[1] Europäische Kommission: Circular economy action plan.

[3] Umweltbundesamt (11.01.2021): Kunststoffabfälle.

[5] Süddeutsche Zeitung (09.01.2022): 2021 Weniger Plastikmüll aus Deutschland exportiert.

[6] Europäische Union (2018): Packaging and packaging waste.
Die EU-Verpackungsrichtlinie

[7] Europäische Union (2019): Richtlinie über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt.
Die EU-Einwegplastik-Richtlinie

[8] Bundesumweltministerium (2021): Kreislaufwirtschaftsgesetz.

[9] Umweltbundesamt (27.12.2021): Änderungen im Verpackungsgesetz zum 1. Januar 2022.

[11] European Bioplastics (2021): Bioplastics market data.
Die dargestellten Daten stammen von European Bioplastics, einem Interessensverband der europäischen Bioplastik-Industrie.

[12] Umweltbundesamt (04.02.2020): Biobasierte und biologisch abbaubare Kunststoffe. Umweltbundesamt.

[13] Spierling S et al. (2018): Bio-based plastics - A review of environmental, social and economic impact assessments. Journal of Cleaner Production. DOI: 10.1016/j.jclepro.2018.03.014.

[14] Vogel J et al. (2020): Chemisches Recycling. Umweltbundesamt.

[15] Wiesinger H et al. (2021): Deep Dive into Plastic Monomers, Additives, and Processing Aids. Environmental Science & Technology. DOI: 10.1021/acs.est.1c00976.

[16] Gesellschaft für Verpackungsforschung (2019): Hemmnisse für den Rezyklateinsatz in Kunststoffverpackungen.

[17] Wilts H et al. (2017): Digitale Kreislaufwirtschaft Die Digitale Transformation als Wegbereiter ressourcenschonender Sto­ffkreisläufe. Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie.

[19] Ellen MacArthur Foundation (2021): The Global Commitment 2021 Progress Report.

[24] Götz T et al. (2021): Der Digitale Produktpass als Politik-Konzept. Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie.

[25] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (2021): Auf einen Klick: Produktpass. Lückenloser Lebenslauf.

[27] Science Media Center (2021): Plastikproduktion verursacht enorme Treibhausgas-Emissionen. Research in Context. Stand: 02.12.2021.