COP15: 30 Prozent Schutzgebiete bis 2030
30 Prozent der Land- und der Meeresoberfläche bis 2030 unter Schutz stellen, um dem dramatischen Verlust der Artenvielfalt entgegenzuwirken – dieses Ziel steht auf der UN-Biodiversitätskonferenz COP15 zur Debatte [I]. Das Ziel ist höchst ambitioniert: Bislang stehen nur rund 17 Prozent des Landes und sieben Prozent der Meere unter Schutz. Ob und unter welchen Bedingungen sich die Weltgemeinschaft auf das sogenannte 30x30-Ziel einigt, ist fraglich. Die COP15 startet am 7. Dezember in Montréal, Kanada.
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Das Transkript können Sie hier als pdf herunterladen.
Das SMC hat am Ende des Press Briefings Katrin Böhning-Gaese, Almut Arneth (mit Blick auf den Naturschutz an Land) und Thomas Brey (mit Blick auf den Meeresschutz) gefragt, wie wichtig und realistisch das 30x30-Ziel ist. Die Antworten stellen wir Ihnen nachfolgend als Statements zur Verfügung.
Direktorin Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Frankfurt am Main, und Professorin am Institut für Ökologie, Evolution und Diversität der Goethe-Universität Frankfurt am Main und virtuelle Teilnehmerin an der COP15
„Wenn wir das 30x30-Ziel mit gut gemanagten und gut verbundenen Gebieten nicht umsetzen, dann wäre dieser Weltnaturgipfel wirklich gescheitert. Das ist für mich das Minimalziel, das erreicht werden muss.“
„Das 30x30-Ziel muss sich überall bemerkbar machen. In manchen Ländern des globalen Südens sind sogar die Prozentsätze geschützter Gebiete, auch wenn das zum Teil nur auf dem Papier steht, größer als die 30 Prozent. Idealerweise würde man das in allen Ländern umsetzen. Nochmal die Ermutigung: Dieses Ziel muss vor allen Dingen in Ländern des globalen Südens mit hoher Biodiversität umgesetzt werden. Die finanzielle und administrative Unterstützung hierfür muss aus Ländern des globalen Nordens kommen.“
Leiter der Sektion Funktionelle Ökologie, Fachbereich Biowissenschaften, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), Bremerhaven, und Stellvertretender Direktor, Helmholtz-Institut für Funktionelle marine Biodiversität an der Universität Oldenburg
„Wir werden das nicht hinkriegen. Ich spreche aus meiner Erfahrung im Antarktisgeschäft, in welchem ich seit fast zehn Jahren im Naturschutz tätig bin und versuche, ein Schutzgebiet im Weddellmeer zu errichten. Wir sehen, dass es aufgrund der Widerstände, die vor allem aus Asien und aus Russland kommen, keinen Erfolg haben wird. Es müssten sich auf wunderbare Weise die geopolitischen Kräfteverhältnisse ganz überraschend verschieben, damit eine Einigung erzielt werden kann. Da unten würden wir durch die Größe der Gebiete die Prozente bekommen, die uns fehlen. Was wir in Europa und den USA als Vorreiter in Sachen Meeresumweltschutz vielleicht tun sollten, ist, ein bisschen demütiger zu sein. Wir sollten nicht glauben, dass wir die Weisheit mit Löffeln gefuttert haben und dass nur wir wissen, wie es richtig ist. Vielleicht müssen wir den anderen besser zuhören und kommen dann weiter, denn momentan ist alles blockiert und nichts bewegt sich.“
Leiterin der Arbeitsgruppe Modellierung Globaler Landökosysteme und Leiterin der Abteilung Ökosystem-Atmosphäre Interaktionen, Institut für Meteorologie und Klimaforschung Atmosphärische Umweltforschung, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
„Die Widerstände sind auch auf dem Land sehr, sehr groß. Auch wenn wir nur von 17 auf 30 Prozent Schutzgebiete hochmüssen. Möglich ist es, aber nur mit unterschiedlichsten Akteuren, die zusammenspielen. Das sind Regierungen, die Subventionen endlich umleiten müssen, insbesondere in der Land- und Forstwirtschaft. Das sind wir als Verbraucherinnen und Verbraucher, die mitziehen und mitspielen müssen. Außerdem stimme ich Herrn Brey zu: Wir sollten eben nicht in alle Welt gehen und versuchen, unsere europäischen Werte auch anderswo hinzutragen. Wir sollten vor unserer eigenen Haustür kehren und zeigen, dass wir vorangehen, bevor wir mit dem Finger auf andere zeigen.“
Weiterführende Recherchequellen
United Nations Convention to Combat Desertification (UNCCD): Global Land Outlook.
Kapitel 1.3.5. Protected Areas fasst wichtige Daten und Zusammenhänge zu Naturschutzgebieten (an Land) zusammen.
Riffreporter: Countdown Natur.
Das journalistische Projekt enthält diverse Berichte und Analysen rund um die COP15.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Convention on Biological Diversity (05.07.2021): First Draft Of The Post-2020 Global Biodiversity Framework.
Dieser Entwurf beinhaltet die 21 Naturschutz-Ziele, die auf der COP15 beschlossen werden sollen. Das 30x30-Ziel ist ,Target 3‘, auf Seite 6 des Entwurfs.
[II] Henry RC et al. (2022): Global and regional health and food security under strict conservation scenarios. Nature Sustainability. DOI: 10.1038/s41893-021-00844-x.
Prof. Dr. Katrin Böhning-Gaese
Direktorin Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Frankfurt am Main, und Professorin am Institut für Ökologie, Evolution und Diversität der Goethe-Universität Frankfurt am Main und virtuelle Teilnehmerin an der COP15
Prof. Dr. Thomas Brey
Leiter der Sektion Funktionelle Ökologie, Fachbereich Biowissenschaften, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), Bremerhaven, und Stellvertretender Direktor, Helmholtz-Institut für Funktionelle marine Biodiversität an der Universität Oldenburg
Prof. Dr. Almut Arneth
Leiterin der Arbeitsgruppe Modellierung Globaler Landökosysteme und Leiterin der Abteilung Ökosystem-Atmosphäre Interaktionen, Institut für Meteorologie und Klimaforschung Atmosphärische Umweltforschung, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)