Ebola in Uganda - Verbreitung, Impfung, Ausblick
Ausbruch des Sudan-Ebolavirus in Uganda, Hauptstadt Kampala betroffen
kein klinisch erprobter Impfstoff verfügbar, lediglich ein experimentelles Vakzin
zugelassene Impfstoffe gegen Zaire-Virusvariante voraussichtlich kaum wirksam, bekannte Eindämmungsmaßnahmen müssen schnell greifen
Im ostafrikanischen Uganda grassiert derzeit die Sudan-Variante des Ebolavirus. Der erste Fall wurde am 19. September bestätigt. Mittlerweile wurden nach offiziellen Angaben mindestens 115 Infektionen gemeldet, mindestens 32 Menschen sind gestorben. Das Virus hat derweil auch die Millionen-Hauptstadt Kampala erreicht. Dort sind mindestens 17 Menschen nachweislich infiziert [I]. Die Fallzahlen sind noch vergleichsweise gering, jedoch ist insbesondere die Ausbreitung eines solch pathogenen Erregers in einer Metropole wie Kampala mit einer hochmobilen Bevölkerung bedenkenswert. Und die Dunkelziffer dürfte stets um einige Fälle höher liegen.
Oberstarzt und Leiter, Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr, München, und Außerplanmäßiger Professor, Technische Universität München
„Der derzeitige Ebola-Sudan-Ausbruch in Uganda unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt vom Ebola-Ausbruch in Westafrika: Im Gegensatz zum Ausbruch in Westafrika im Jahr 2014 tritt Ebola in Uganda nicht zum ersten Mal auf. Bereits in den Jahren 2000 und 2011 kam es zu Ausbrüchen dieses Virus in Uganda. Außerdem traten dort andere Ebola-Viren 2007 und 2018 auf. Die ugandischen Gesundheitsbehörden sind daher nicht das erste Mal mit dieser hochansteckenden Krankheit konfrontiert. Das ist ein wesentlicher Unterschied zur Situation in Westafrika, denn dort trat Ebola vor 2013 noch nicht auf.“
„Für die Eindämmungsmaßnahmen kann dies einen großen Unterschied machen, da Erfahrung im Umgang mit der Krankheit in Uganda bereits vorhanden ist. Das ist gerade vor dem Hintergrund der ersten Fälle in der Millionenstadt Kampala von Bedeutung. Je schneller die Eindämmungsmaßnahmen hier greifen, desto schneller wird dieser Ausbruch unter Kontrolle zu bringen sein.“
„Die nun in Uganda grassierende Ebola-Sudan-Viruserkrankung verläuft, soweit wir bisher wissen, ähnlich gefährlich wie eine Infektion mit dem Ebola-Zaire-Virus. Allerdings scheint die Übertragbarkeit von Mensch zu Mensch etwas geringer zu sein. Im Gegensatz zum Beispiel zu SARS-CoV-2 übertragen sich Ebolaviren aber nicht so leicht über große Distanzen. Es braucht engeren Kontakt zu den Erkrankten. Gleichzeitig beginnt die Infektiosität erst mit dem Auftreten der ersten Symptome. Dann sind die meisten Patienten auch bereits so krank, dass sie kaum noch Kontakte zu Menschen außerhalb der Familie oder im Krankenhaus haben. Die Übertragungsrate wird dadurch reduziert, gleichzeitig besteht natürlich eine erhöhte Gefahr für das Gesundheitspersonal sich anzustecken.“
„Die aktuell in Uganda ergriffenen Maßnahmen beruhen auf den Erfahrungen aus früheren Ausbrüchen, sowohl in Uganda selbst als auch in Westafrika. Sie sind aus meiner Sicht, wenn sie konsequent weiterverfolgt werden, gut geeignet, um den Ausbruch unter Kontrolle zu bringen. Insbesondere die Diagnostikmöglichkeiten für Ebola-Sudan-Infektionen sind in Uganda gut verfügbar. Das ist eine wesentliche Voraussetzung, um Fälle zu erkennen, Kontaktpersonen isolieren und die Verbreitung einzudämmen.“
„Die Gefahr einer Einschleppung und Weiterverbreitung nach Europa schätze ich als eher gering ein. Reisende aus Uganda werden über die Erkrankung aufgeklärt und auf Symptome kontrolliert. Außerdem stehen in Europa und insbesondere in Deutschland sehr gute Diagnostik- und Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, sollte doch einmal ein einzelner Fall importiert werden. Für Verdachtsfälle am Flughafen München kann die Diagnostik beispielsweise jederzeit bei uns am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr erfolgen.“
„Die bislang zugelassenen Ebola-Impfstoffe wurden speziell gegen das Ebola-Zaire-Virus entwickelt. Leider unterscheiden sich die verschiedenen Viren der Ebolavirus-Familie doch stärker voneinander. Ein Impfschutz gegen Ebola-Zaire schützt daher nicht gegen eine Ebola-Sudan-Virusinfektion wie sie nun in Uganda auftritt. Ein bestimmter zugelassener Impfstoff bietet zwar auch einen Schutz gegen das Ebola-Sudan-Virus (gemeint ist Zabdeno/Mvabea von Janssen; Anm. d. Red.), allerdings erst nach einer speziellen zweiten Impfung gegen genau diesen Virusstamm. Da zwischen der ersten und zweiten Impfung acht Wochen vergehen müssen, ist dieses Konzept nicht für eine schnelle Eindämmung, wie sie jetzt in Uganda benötigt wird, geeignet.“
„Der durch die Firma Merck hergestellte, speziell gegen das Ebola-Sudan-Virus gerichtete Impfstoff ist ein Nebenprodukt der Impfstoffentwicklung gegen das Ebola-Zaire-Virus. Er wurde bislang nicht breit klinisch erprobt, auch weil es seit seiner Entwicklung bis jetzt zu keinen relevanten Ausbrüchen dieser Krankheit gekommen war. Das Konzept eines solchen Impfstoffs, der auf dem vesikulären Stomatitis-Virus beruht, hat sich aber vielfach bewährt. Er ist also aus meiner Sicht auch gegen das Ebola-Sudan-Virus sehr vielversprechend. Letztlich müssen die ugandischen Gesundheitsbehörden entscheiden, ob und wenn ja, wie ein solcher Impfstoff im aktuellen Ausbruch eingesetzt werden kann. Diese Entscheidung ist von vielen Einflussfaktoren abhängig und kann letztlich nur vor Ort getroffen werden.“
Facharzt für Innere Medizin, Tropenmedizinische Ambulanz, und Leiter der Arbeitsgruppe Infection Prevention and Control in Health Care Settings/Epidemic Preparedness, Charité – Universitätsmedizin Berlin
„Die reine Zahlendynamik in Uganda ist aktuell insgesamt noch nicht gut zu bewerten, da es in der frühen Phase des Ausbruchs häufig große Schwankungen bei den Zahlen gibt. Zum Beispiel hat die Suche nach Fällen und Infektionsketten erst begonnen und oft werden dann etliche bereits ,abgelaufene‘ Fälle noch gefunden. Hingegen sehen wir leider in den vergangenen Tagen eine relevante Zunahme neuer Fälle und darüber hinaus jetzt zunehmend Fälle in Kampala, der dicht besiedelten Hauptstadt des Landes. Das ist durchaus besorgniserregend. Bereits der Anstieg der Infektionsfälle der vergangenen Tage zeigt eine Verschlechterung an. Ich würde dabei in dieser Phase nicht so sehr auf Schwellenwerte schauen, sondern auf konkrete, absolut beunruhigende Entwicklungen – auf die räumliche Ausbreitung etwa: Ebola muss dezentral, patientennah und jeweils mit hohem logistischem Aufwand bekämpft werden. Daher ist die aktuelle aktive Übertragung an unterschiedlichen Orten sehr gefährlich, da dies die Kapazitäten der Behörden und Organisationen (aktuell vor Ort: WHO, Ärzte ohne Grenzen und andere) rasch überfordern kann. Zudem entziehen sich aktuell Personen der Nachverfolgung beziehungsweise der Isolierung, dies kann zu neuen, zu spät erkennbaren Clustern führen. Und: Es trifft mittlerweile die dicht besiedelte Hauptstadt mit einer hochmobilen Bevölkerung.“
„Bisher gingen wir davon aus, dass die Sudan-Variante des Ebolavirus etwas weniger tödlich ist als die Zaire-Spezies, die die großen Epidemien von Westafrika (2014/15) und im Kongo (2018/19) verursacht hat. Die Daten, die dies zeigen, basieren allerdings auf vergleichsweise kleinen Ausbrüchen. Aktuell gibt es kaum Gründe anzunehmen, dass diese Sudan-Spezies uns jetzt vor geringere Probleme stellen wird.“
„Vom ersten zugelassenen und zuletzt mehr als 300.000-fach verimpften Impfstoff (Ervebo von Merck) ist aktuell kaum Wirksamkeit zu erwarten, da dieser Impfstoff vor allem gegen die Zaire-Variante des Ebolavirus immunisiert. Der zweite Impfstoff (Zabdeno/Mvabea von Janssen) enthält zwar auch Sudan-Antigene, diese würden aber frühestens nach der zweiten Dosis wirksam – acht Wochen nach der ersten. Dies ist bei Notfallimpfungen in einer Epidemie, bei der man besonders gefährdete beziehungsweise möglicherweise infizierte Personen durch Impfschutz vom Rest der Bevölkerung sozusagen abriegeln will, nicht hilfreich. Gegenwärtig muss die Epidemie also mit den bewährten Methoden bekämpft werden – mit denen man allerdings auch die große Epidemie von Westafrika schließlich zum Stillstand gebracht hat.“
„Es sind zumindest drei Impfstoffkandidaten gegen die Sudan-Spezies möglicherweise wirksam, davon ist das angesprochene VSV-Sudan-Vakzin (der experimentelle Impfstoff von Merck; Anm. d. Red.) vermutlich der heißeste Kandidat, da im Grunde auf das bewährte Verfahren des zugelassenen Zaire-Impfstoffs (Ervebo) zurückgegriffen wird. Hingegen kenne ich persönlich keine Daten aus Studien an Menschen und überhaupt keine, die zeigen, wie zeitnah eine klinische Erprobung möglich sein kann.“
„Aktuell ist – unabhängig von der Impfstoffforschung – für die Epidemiebekämpfung absolut vordringlich, die bewährten Maßnahmen konsequent umzusetzen: Infizierte isolieren, Kontaktpersonen identifizieren und observieren, Gesundheitspersonal und Gesundheitseinrichtungen schützen und Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung. Ohne ein Minimum an Vertrauen der Bevölkerung in die Bekämpfungsmaßnahmen ist weiterhin mit unerkannten Infektionsketten und unkontrollierter Ausbreitung zu rechnen.“
Direktor des Instituts für Tropenmedizin, Reisemedizin und Humanparasitologie, Universitätsklinikum Tübingen
„Die Lage in Uganda ist bisher noch nicht alarmierend, aber sie spitzt sich zu. Von daher ist ein wacher und genauer Blick wichtig. Es gilt nun, jeden Ausbruch schnell zu detektieren und die Verdachtsfälle und Kranken zu finden und dann natürlich – so gut es geht – in gut eingerichteten Kliniken zu behandeln. Viel mehr kann man aktuell nicht machen. Das Virus taucht mittlerweile in vielen Teilen des Landes auf, daher kann man nicht das ganze Land einkreisen. Keiner kann sagen, wie es voraussichtlich weitergeht. Niemand weiß, ob das Ganze explodiert, sich von selbst wieder auflöst oder dahinplätschert, was aber auch einige Hundert, wenn nicht gar Tausende Fälle bedeuten würde.“
„Alle afrikanischen Staaten sind aufgrund der vergangenen Ebola-Epidemien sehr gut für derlei Ausbrüche sensibilisiert. Das heißt aber nicht, dass vor Ort auch regelmäßig Ausbruchsszenarien geprobt werden. Zudem ist die Qualität des Gesundheitssystems in Uganda leider weit von jener in Europa entfernt. Das kann bei steigenden Fallzahlen schnell zu einem medizinischen Flaschenhals führen. Die Behandlung und Isolierung von Ebola-Patienten ist sehr aufwendig. Es braucht daher nicht viele Tausende Fälle, um das ugandische Gesundheitssystem eventuell zu überlasten.“
„Der nun in Uganda auftretende Sudan-Typ des Ebolavirus hat schon länger keine Ausbrüche mehr ausgelöst. Dass das Virus nun in Uganda wieder auftritt, ist aber auch nicht überraschend. Die Ebola-Erreger ,ruhen‘ quasi in den Reservoir-Tieren, springen irgendwann auf den Menschen über und können dann auch eine Epidemie auslösen. Mitunter ist zwar zu hören, dass der Sudan-Typ etwas weniger tödlich sei, aber ich halte diese Annahme für vermessen. Die Letalität liegt bei etwa 50 Prozent. Die Übertragungsrate ähnelt der von anderen Ebolaviren.“
„Zudem gibt es keine guten Medikamente. Gegen das Zaire-Ebolavirus gibt es monoklonale Antikörper, aber die wirken selbst beim Zaire-Typ nur eingeschränkt. Gegen den Sudan-Typ könnten sie womöglich nutzlos sein oder schlechter wirken. Denn die bisher bekannten krankmachenden Ebolaviren sind sich zwar schon ähnlich, weil Ebola ein vergleichsweise stabiles Virus ist, aber die Unterschiede sind schon so deutlich, dass für eine bestimmte Variante entwickelte monoklonale Antikörper gegen eine andere Variante vermutlich deutlich weniger wirksam sind. Das Gleiche gilt für die Impfungen. Die zwei zugelassenen Impfstoffe gegen das Zaire-Ebolavirus versprechen – Stand jetzt – weniger Wirksamkeit gegen den Sudan-Stamm – beziehungsweise: es fehlen einfach Daten dazu.“
„Der nun in den Gefrierschränken von Merck gefundene Impfstoff gegen den Sudan-Stamm ist in präklinischer Entwicklung gewesen. Es gibt keine Untersuchungen an Menschen. Sollte sich die tödliche Krankheit bald rasant verbreiten, würde man natürlich zu jedem rettenden Strohhalm greifen, den man finden kann. Da könnte auch dieser experimentelle Impfstoff eine Rolle spielen. Der Impfstoff wurde bisher aber nur an Affen getestet. Das sagt gar nichts aus, was das Beispiel Remdesivir eindrücklich zeigt: Das Mittel wies im Affenmodell eine 100-prozentige Wirksamkeit gegen Ebola auf, aber im Menschen war die Wirkung null – im Gegenteil, wir haben sogar eher eine schädliche Wirkung – wenn gemeinsam verabreicht mit Antikörpern – beobachtet.“
„Es wäre nun wichtig, rasch mehrere Phase-1-Prüfungen am Menschen am besten in Uganda mit den verfügbaren Impfstoffkandidaten zu starten. Derlei Untersuchungen sind innerhalb kurzer Zeit möglich, wenn die regulatorische Behörde die vorklinischen Versuche als ausreichend einstuft. Diese sagen viel mehr aus als Tierversuche. In kürzester Zeit würde man so eine verträgliche und auch sichere Dosis definieren können, die dann breitflächig eingesetzt werden könnte – mit Hoffnung auf Erfolg.“
„Drittmittel von (in alphabetischer Reihenfolge) BMBF, BMGF, DFG, EDCTP, EU, IMI, Land Baden-Württemberg, NIH, Sanofi/Quintiles, Wellcome Trust, WHO.“
Alle anderen: Keine Angaben erhalten.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] World Health Organization Africa (23.10.2022): Ebola Virus Disease in Uganda.
[II] Cohen J (23.10.2022): Merck locates frozen batch of undisclosed Ebola vaccine, will donate for testing in Uganda’s outbreak. Science. Nachrichtenbericht.
[III] Merck (25.10.2022): Merck Responds to Sudan Ebolavirus Outbreak in Uganda with Plans to Produce and Donate Investigational Vaccine Doses for IAVI’s Vaccine Development Program. Pressemitteilung.
Prof. Dr. Roman Wölfel
Oberstarzt und Leiter, Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr, München, und Außerplanmäßiger Professor, Technische Universität München
Dr. Maximilian Gertler
Facharzt für Innere Medizin, Tropenmedizinische Ambulanz, und Leiter der Arbeitsgruppe Infection Prevention and Control in Health Care Settings/Epidemic Preparedness, Charité – Universitätsmedizin Berlin
Prof. Dr. Peter Kremsner
Direktor des Instituts für Tropenmedizin, Reisemedizin und Humanparasitologie, Universitätsklinikum Tübingen