Medizin & Lebenswissenschaften

28. November 2022

Mögliche Nebenwirkungen der COVID-19-Impfstoffe

Im Winter 2020 starteten die Regierungen vieler Länder eine bis dahin beispiellose Impfkampagne. Grund war das Ende 2019 erstmals aufgetretene Coronavirus SARS-CoV-2, das zu einer Pandemie heranwuchs. Bis heute wurden weltweit über zwölf Milliarden Impfdosen verabreicht. Die Impfstoffe, allen voran die mRNA-Vakzine, wurden unüblich schnell entwickelt, was auch die Sorge schürte, die Impfstoffe könnten womöglich nicht ausreichend auf Wirksamkeit und Sicherheit getestet worden sein. Dabei hatte die Pharmabranche bereits bei den Coronaviren SARS-CoV-1 und MERS-CoV viel Erfahrung bei der Impfstoffentwicklung sammeln können. Weil die Viren damals aber keine Pandemie auslösten und schnell wieder verschwanden, brauchte es keinen Impfstoff. Die Forschung wurde zurückgefahren, aber nicht eingestellt.

Heute kann auf verschiedene Anbieter von Corona-Impfstoffen zurückgegriffen werden. Die allermeisten davon weisen eine sehr hohe und höchstwahrscheinlich auch langfristige Wirksamkeit gegen schwere Krankheitsverläufe auf, zudem einen kurzfristigen Schutz vor Infektion. Frei von Nebenwirkungen sind die Vakzine aber nicht. Das trifft auf keinen Impfstoff zu. Akute Impfreaktionen wie Rötungen, Fieber oder Schwellungen wurden bereits in den Zulassungsstudien der Hersteller beschrieben. Die Reaktionen waren in den allermeisten Fällen nicht schwerwiegend und von kurzer Dauer. Mit mehr und mehr verabreichten Impfungen in der Bevölkerung zeigten sich jedoch auch sehr seltene gesundheitliche Ereignisse nach den Impfungen, die im Rahmen der Zulassungsstudien aufgrund der Stichprobengrößen statistisch nicht auffallen konnten. Im Vergleich zu herkömmlichen Impfungen gegen andere Erreger wurde in der Notlage der Pandemie zudem sehr schnell ein großer Teil der Bevölkerung geimpft, was automatisch zu vielen Verdachtsmeldungen einer Nebenwirkung in kurzer Zeit führte.

Einige weniger dieser erst später beobachteten seltenen Impfereignisse können heute auch höchstwahrscheinlich mit den Impfungen in Zusammenhang gebracht werden, etwa die Myokarditis bei jungen Männern nach einer Impfung mit einem mRNA-Impfstoff oder bestimmte Thrombosen bei Vaxzevria von Astrazeneca. Derlei Nebenwirkungen führten auch zu aktualisierten Empfehlungen der Ständigen Impfkommission. Für viele andere Impfereignisse fehlt dagegen die Evidenz für einen kausalen Zusammenhang. Dennoch ist es für das Vertrauen in Impfungen von zentraler Bedeutung, mögliche Impfreaktionen und -nebenwirkungen detailliert zu erheben und durch vertiefte Forschungen zu prüfen, inwieweit auftretende Beschwerden tatsächlich kausal auf die Impfung zurückzuführen sind – vor allem seltene mögliche Langzeiterkrankungen wie das chronische Müdigkeitssyndrom, das mittlerweile nicht nur als Symptomatik bei Long Covid/Post Covid nach Infektion auftritt, sondern in sehr seltenen Fällen auch von Menschen nach der Impfung beschrieben wird.

Dieses Fact Sheet soll dazu dienen, einen Überblick über die derzeit bekannten und möglichen Nebenwirkungen nach COVID-19-Impfungen zu geben. Es wird zudem erläutert, wie mögliche Impfnebenwirkungen erhoben und bewertet werden. Das Fact Sheet soll auch aufzeigen, welche Schwierigkeiten bei der Definition von Impfnebenwirkungen bestehen, dass ein bestimmtes Gesundheitsereignis nach einer Impfung nicht automatisch in einem kausalen Zusammenhang zu ebendieser steht und dass eine Infektion mit einem höheren Gesundheitsrisiko verbunden ist als eine Impfung. Gleichwohl ist es nicht das Ziel dieses Fact Sheets, bestimmte Krankheitsbilder nach einer Impfung zu ignorieren, nur weil bis jetzt (noch) keine breite Evidenz dazu vorliegt. Dies regelmäßig und sorgfältig zu prüfen, ist Aufgabe der Wissenschaft und auch des Journalismus.

Das Fact Sheet erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Das ist aufgrund der schieren Masse an Publikationen nicht zu gewährleisten. Statt vieler Einzelstudien sind in diesem Fact Sheet vornehmlich systemische Übersichtsarbeiten (Reviews) zu möglichen Impfnebenwirkungen aufgeführt. Die Auswahl an Studien dient als Hilfe und Rechercheansatz für weitere Fragestellungen zu diesem Thema. Bei den berücksichtigten Impfstoffen liegt der Fokus auf jenen, die in Deutschland zugelassen sind und hierzulande am häufigsten verabreicht wurden.

Dieses Fact Sheet kann hier als pdf heruntergeladen werden.

Übersicht

  • Was sind Impfnebenwirkungen?
  • Wie häufig sind unerwünschte Impfereignisse?
  • Wie könnten bestimmte Impfereignisse entstehen?
  • Umgang mit neuen Berichten zu Impfereignissen
  • Fazit
  • Literaturstellen, die zitiert wurden

Was sind Impfnebenwirkungen?

Begrifflichkeiten

Impfreaktion/Reaktogenität

  • tritt direkt nach der Impfung auf: Rötung, Schwellung und Schmerzen an der Einstichstelle, Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Unwohlsein
  • hält ein paar Tage an
  • vor allem aus den Zulassungsstudien bekannt
  • Resultat der gewünschten Auseinandersetzung des Immunsystems mit dem Impfstoff
  • in einer aktuellen Studie mit 928 Teilnehmern aus den USA korrelierte die Häufigkeit selbstbeschriebener systemischer Symptome mit einer stärkeren Antikörperreaktion [1]

Impfnebenwirkung /-komplikation

  • tritt nach drei oder mehr Tagen nach der Impfung auf
  • alles, was über die normale Impfreaktion hinausgeht
  • bestimmte schwerwiegende mögliche Nebenwirkungen wie Myokarditis werden besonders aufmerksam beobachtet, sogenannte AESI („adverse events of special interest“)
    • erstellt von der Brighton Collaboration (BC), Teil des WHO-Projekts „Vaccine Safety Net“ (VSN), agiert als gemeinnütziges globales Forschungsnetzwerk
    • die Liste der AESI ist innerhalb der Behörden der EU abgestimmt [2]
  • meldepflichtig gegenüber dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) [3]
  • die Aufnahme und Kategorisierung von Verdachtsmeldungen erfolgt nach den ebenfalls international abgestimmten Kodierungen des Medical Dictionary for Regulatory Activities (Meddra)
  • Beispiele für seltene zum Teil schwere mögliche Nebenwirkungen: Myokarditis (Herzmuskelentzündung) Sinusvenenthrombose (Verstopfung der Hirnvenen), Guillain-Barré-Syndrom (entzündliche Erkrankung der Nerven)

Impfschaden

  • behördlich anerkannte anhaltende Gesundheitsstörung als Folge einer bleibenden Impfkomplikation
  • Versorgungsansprüche können mit einem Antrag auf Entschädigung geltend gemacht werden (Entschädigungsrecht)
  • zuständig ist das jeweilige Versorgungsamt
  • Einspruch über Sozialgerichte möglich
  • bislang werden offenbar neun von zehn Anträgen auf behördliche Anerkennung eines Impfschadens abgelehnt [4]

Post-Vac-Syndrom

  • neuartiges Krankheitsbild, das einem Long-Covid-/Post-Covid-Zustand nach Infektion ähnelt
  • am häufigsten beschriebene meist langanhaltende Symptome: Fatigue/Müdigkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, Herz-Kreislauf-Beschwerden, Bewegungsstörungen, Atemnot
  • im Medical Dictionary for Regulatory Activities (Meddra) wird das Post Vaccination Syndrome als „preferred term“ klassifiziert
  • bisher kein offiziell anerkanntes Krankheitsbild
  • Wie werden mögliche Impfereignisse erhoben?

Zulassungsstudien

  • die meisten der heute bekannten Impfkomplikationen/-nebenwirkungen wurden bereits im Rahmen der Zulassungsstudien beobachtet

BNT162b2 (Comirnaty) von Biontech/Pfizer [5]

  • bei einer Untergruppe der 43.252 Studienteilnehmer wurden lokale oder systemische „unerwünschte Ereignisse“ und Informationen über die Verwendung von Schmerzmitteln sowie fiebersenkenden Medikamenten sieben Tage nach der Impfung durch ein elektronisches Tagebuch abgefragt
  • zusätzlich konnten alle Teilnehmenden selbstständig solche Ereignisse melden; dies war bis zu einem Monat, beziehungsweise bei schweren „unerwünschten Ereignissen“, bis zu sechs Monate nach Verabreichung der zweiten Impfdosis möglich

mRNA-1273 (Spikevax) von Moderna [6]

  • 30.420 Probanden wurden innerhalb von sieben Tagen nach der Impfung aufgefordert, lokale oder systemische „unerwünschte Ereignisse“ zu beschreiben
  • unaufgefordert konnten „unerwünschte Ereignisse“ bis zu 28 Tage nach einer Impfung gemeldet werden, außerdem wurden schwerwiegende und medizinisch betreute Ereignisse in einem Zeitraum von 759 Tagen beobachtet

AZD1222 (Vaxzevria) von Astrazeneca [7]

  • lokale und systemische „unerwünschte Ereignisse“ wurden von einer Untergruppe der 32.451 Studienteilnehmer innerhalb von sieben Tagen nach der Impfung angefordert
  • dazu konnten alle Probanden selbstständig innerhalb von 28 Tagen nach der Impfung „unerwünschte Ereignisse“ melden, schwerwiegende Ereignisse, medizinisch betreute unerwünschte Ereignisse und unerwünschte Ereignisse von besonderem Interesse wurden während eines Zeitraums von 730 Tagen nach der Impfung beobachtet.

Definition unerwünschte Ereignisse

  • „unerwünschte Ereignisse“: ungünstige Veränderungen des Gesundheitszustands, einschließlich abnormaler Laborbefunde, die bei den Studienteilnehmern während der klinischen Prüfung oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach der Prüfung auftreten [8]
  • „schwerwiegende unerwünschte Ereignisse“ (SAE): Ereignisse, die zum Tod führen, einen stationären Krankenhausaufenthalt oder eine Verlängerung des Krankenhausaufenthalts erforderlich machen, lebensbedrohlich sind, zu einer anhaltenden oder erheblichen Behinderung/Invalidität führen oder eine angeborene Anomalie/einen Geburtsfehler zur Folge haben [8]
  • andere wichtige medizinische Ereignisse können auf der Grundlage eines angemessenen medizinischen Urteils ebenfalls als schwerwiegende unerwünschte Ereignisse betrachtet werden, wenn die Gesundheit eines Studienteilnehmers gefährdet ist und ein Eingreifen erforderlich ist, um ein genanntes Ergebnis zu verhindern [8]

Meldung an Gesundheitsbehörden

  • bei einem zeitlichen Zusammenhang von Nebenwirkungen und Impfung besteht zunächst nur ein Verdacht, dass die Impfung der Auslöser sein könnte
  • Ärzte sind berufsrechtlich und nach Infektionsschutzgesetz dazu verpflichtet, Verdachtsfälle an die zugehörige Arzneimittelkommission und an das Gesundheitsamt zu melden
  • der Verdacht auf eine Impfkomplikation wird ausgehend von Ärztinnen und Ärzten in Deutschland vom Gesundheitsamt als Spontanmeldung an das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und die zuständige Landesbehörde weitergeleitet [9]
  • einen Verdacht einer „über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung“ äußert der jeweilige Arzt
  • Bürger haben ein Recht darauf, einen Verdacht auf Nebenwirkungen von Arzneien oder Impfstoffen bei den Behörden zu melden; eigenständig per Online-Formular oder schriftlich per Post [10]
  • zusätzlich erhält das PEI Meldungen der Arzneimittelkommissionen der deutschen Ärzteschaft und der Apotheker, der Europäischen Arzneimittelbehörde (Ema) sowie der Hersteller
  • darüber hinaus hat das PEI bis Ende September 2022 Verdachtsmeldungen über die Smartphone-App SafeVac 2.0 erhalten
  • es spielt laut PEI keine Rolle, aus welcher Quelle die Verdachtsmeldung stammt; Mehrfachmeldungen werden zu einem Fall zusammengefasst
  • die Eingabe der Meldungen in die Datenbank des PEI erfolgt durch medizinisch geschultes Personal, um zum Beispiel auch Fake-Meldungen erkennen zu können
  • wichtig: die an das Paul-Ehrlich-Institut (spontan) gemeldeten Nebenwirkungen stehen nicht automatisch in einem kausalen Zusammenhang zur Impfung, sondern zunächst nur in einem zeitlichen. Für eine Bewertung der Häufigkeiten von Nebenwirkungen ist ein Vergleich mit den Basisrisiken der Erkrankungen in der Bevölkerung zu ziehen. Dazu müssen diese natürlich bekannt sein (siehe Abschnitt zu observed/expected)

ICD-Codes

  • gegenüber den Krankenkassen müssen Ärzte ihre gestellten Diagnosen zur Abrechnung mit einem bestimmten Schlüssel angeben, dem sogenannten ICD-Code
  • die Codes dienen zur international einheitlichen Klassifizierung von medizinischen Diagnosen
  • werden von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegeben
  • langwieriger Prozess, nur einmal jährlich Aktualisierung möglich
  • für die vielfältigen Symptome, die im Rahmen einer Impfung auftreten können, gibt es keine differenzierten Codes
  • häufig verwenden Mediziner bei einem Verdacht auf eine Impfnebenwirkung zum Beispiel die Abrechnungsziffern T88.1 („Sonstige Komplikation nach Impfung“) oder Y59.9 („Komplikation durch Impfstoffe oder biologisch aktive Substanzen/Unerwünschte Nebenwirkung von Impfstoffen“); derartige Komplikationen sind jedoch nicht meldepflichtig
  • seit April 2021 können Ärzte den Code U12.9 vergeben: „Unerwünschte Nebenwirkungen bei der Anwendung von COVID‐19‐Impfstoffen, nicht näher bezeichnet“ [11]
    • U12.9 ist ein sogenannter Sekundärcode, er darf nicht alleinstehen, sondern erfordert immer einen Primärcode zur Bezeichnung des eigentlichen Krankheitsbilds
    • zum Beispiel: U12.9 + G93.3 („chronisches Müdigkeitssyndrom“) oder I40.9 („akute Myokarditis, nicht näher bezeichnet“)
    • wichtig: ICD-Codes dienen nicht der Kategorisierung möglicher Impfnebenwirkungen, sie sind ein Abrechnungsinstrument; keine Kausalität zwischen Diagnose und Impfung, keine Angabe zur Schwere der mutmaßlichen Nebenwirkung

Wie häufig sind unerwünschte Impfereignisse?

Zulassungsstudien

BNT162b2 (Comirnaty) von Biontech/Pfizer [5]

  • die Reaktogenität wurde in einer Gruppe von 8183 Teilnehmenden untersucht:
    • insgesamt gab es unter den Impfstoffempfängern mehr lokale Reaktionen als in der Placebo-Gruppe
    • am häufigsten leichte bis moderate Schmerzen an der Einstichstelle (78 Prozent bei jungen Probanden, 66 Prozent der älteren Probanden)
    • weniger häufig Rötungen oder Schwellungen
    • nach der zweiten Impfung nahmen lokale Impfreaktionen nicht zu
    • systemische Impfreaktionen traten häufiger bei jungen Impfstoffempfängern (16 bis 55 Jahre) und nach der zweiten Dosis auf
    • am häufigsten Müdigkeit und Kopfschmerzen (59 und 52 Prozent bei jungen Probanden; 51 und 39 Prozent bei älteren Probanden)
    • andere Impfreaktionen waren Schüttelfrost, Diarrhö, Muskel-, und Gelenkschmerzen
    • schwerwiegende Ereignisse, starke Müdigkeit und Kopfschmerzen ausgenommen, traten bei weniger als zwei Prozent nach der zweiten Impfung auf
    • Fieber trat bei 16 Prozent der jungen und bei elf Prozent der älteren Impfstoffempfänger auf
  • Nebenwirkungen wurden an 43.252 Teilnehmenden untersucht:
    • insgesamt gaben 27 Prozent der Impfstoffempfänger und zwölf Prozent der Placebo-Gruppe Nebenwirkungen an
    • dazu gehörte Lymphadenopathie; 64 Impfstoffempfänger (0,3 Prozent) und sechs Placeboempfänger (<0,1 Prozent) berichteten über vergrößerte Lymphknoten; weitere in der Packungsbeilage aufgeführte Nebenwirkungen sind Fazialisparese (≥ 1/10 000, < 1/1 000), Überempfindlichkeitsreaktionen (≥ 1/1 000, < 1/100) und Lethargie (≥ 1/1 000, < 1/100) [12]
    • es gab vier Fälle von schweren Nebenwirkungen; Schulterverletzung, Lymphadenopathie, Arrhythmie, Parästhesien (Kribbeln oder Taubheit) im Bein
    • die Inzidenz „schwerwiegender unerwünschter Ereignisse“ war in der Impfstoff- und der Placebogruppe jedoch statistisch unauffällig: 0,6 beziehungsweise 0,5 Prozent.

mRNA-1273 (Spikevax) von Moderna [6]

  • Impfreaktionen und -nebenwirkungen wurden an 30.420 Teilnehmern untersucht:
    • es gab mehr lokale Impfreaktionen unter Impfstoffempfängern als in der Placebo-Gruppe (88,6 gegenüber 18,8 Prozent); dazu gehörten Schmerzen, Rötungen, Schwellungen und Lymphadenopathie; diese lösten sich im Schnitt innerhalb von 3,2 Tagen wieder auf
    • systemische Impfreaktionen traten ebenfalls häufiger nach Impfung auf (79,4 gegenüber 36,5 Prozent) und hielten im Durchschnitt 3,1 Tage an; dazu gehörten Fieber, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Muskel- und Gelenkschmerzen, Unwohlsein und Schüttelfrost
  • sowohl lokale als auch systemische Impfreaktionen traten bei jüngeren Teilnehmern (18 bis <65 Jahre) häufiger auf als bei älteren (≥65 Jahre)
  • der Schweregrad der Impfreaktionen nahm nach der zweiten Dosis unter den Impfstoffempfängern zu
  • die Zahl der gemeldeten Nebenwirkungen war unter Impfstoffempfängern und in der Placebogruppe ähnlich
    • Nebenwirkungen von Grad 3 (definiert als Ereignisse, die die tägliche Aktivität des Teilnehmers verhindern und intensive therapeutische Intervention erfordern) traten bei 1,5 Prozent der Impfstoffempfänger und bei 1,3 Prozent der Placebogruppe auf
    • schwerwiegende Nebenwirkungen bei jeweils 0,6 Prozent; Hypersensitivität (1,5 gegenüber 1,1); Fazialisparese (beide <0,1 Prozent)
    • Nebenwirkungen, die mit dem Impfstoff oder Placebo in Verbindung gebracht werden konnten, zeigten sich bei 4,5 Prozent der Teilnehmer in der Placebogruppe und bei 8,2 Prozent der Impfstoffempfänger; die häufigsten davon waren Müdigkeit (1,2 Prozent und 1,5) und Kopfschmerzen (0,9 und 1,4)
    • die Zahl schwerer Nebenwirkungen, die im Zusammenhang mit der Behandlung standen, war in der Impfgruppe (71 Teilnehmer [0,5 Prozent]) höher als in der Placebogruppe (28 Teilnehmer [0,2])
    • die Häufigkeit der Nebenwirkungen wurde durch das Alter nicht beeinflusst

AZD1222 (Vaxzevria) von Astrazeneca [7]

  • die Reaktogenität wurde in einer Subgruppe mit 3000 Teilnehmern untersucht:
    • bei 74,1 Prozent der Impfstoffempfänger und bei 24,4 Prozent der Placebogruppe traten Impfreaktionen auf
    • 92,6 Prozent der Impfreaktionen waren in ihrer Intensität mild oder moderat
    • sie klangen in der Regel nach ein bis zwei Tagen wieder ab
  • Nebenwirkungen wurden bei 11.972 Teilnehmenden untersucht:
    • insgesamt meldeten 40,6 Prozent der Impfstoffempfänger und 29,7 Prozent der Placebogruppe Nebenwirkungen
    • die häufigsten unerwünschten Ereignisse, die bei mindestens fünf Prozent der Teilnehmer innerhalb von 28 Tagen in beiden Gruppen auftraten, waren allgemeine Schmerzen, Kopfschmerzen, Schmerzen an der Injektionsstelle und Müdigkeit
    • in beiden Gruppen traten innerhalb von 28 Tagen bei 0,5 Prozent schwerwiegende Nebenwirkungen auf (bei Impfstoffempfängern: Neuropathie und Taubheitsgefühl)
    • Nebenwirkungen von besonderem Interesse (AESI) traten in beiden Gruppen mit ähnlichen Inzidenzen auf; neurologische (0,5 Prozent und 0,4 Prozent); vaskuläre (0,1 und <0,1); hematologische (<0,1)
    • insbesondere die Häufigkeit von tiefen Venenthrombosen (<0,1 Prozent in beiden Gruppen), Lungenembolien (<0,1 in beiden Gruppen), Thrombozytopenie (<0,1 in der AZD1222-Gruppe und keine in der Placebo-Gruppe) und Immunthrombozytopenie (keine in der AZD1222-Gruppe und <0,1 Prozent in der Placebogruppe) war gering und in den Gruppen ähnlich
    • in beiden Gruppen gab es keine Fälle von Thrombose mit Thrombozytopenie, zerebraler Venensinusthrombose oder venöser Thrombose an ungewöhnlichen Stellen

Erhebungen nach der Zulassung

  • bedeutende Limitation der Zulassungsstudien: sehr seltene Impfereignisse zeigten sich aufgrund der kleinen Kohorten und des kurzen Beobachtungszeitraums nicht
  • erst mit steigenden Impfzahlen wurden bestimmte sehr seltene Impfereignisse wie Myokarditis oder Sinusvenenthrombosen sichtbar

Aktueller Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts [3]

  • das PEI fasst in seinen aktuellen Sicherheitsberichten seit Beginn der Impfkampagne in Deutschland am 27.12.2020 Meldungen über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen zusammen:

Tabelle 1: Melderate unerwünschter Reaktionen von besonderem Interesse (AESI) bezogen auf 100.000 Impfungen

Internationales Review zu unerwünschten Impfereignissen bei Comirnaty, Juli 2022 [13]

  • 21 Studien eingeschlossen
  • ausschließlich reale Überwachungsstudien mit mindestens 100.000 geimpften Teilnehmenden
  • kardiovaskulär: von allen Ereignissen das Herz-Kreislauf-System betreffend wird nur die Myokarditis (oder Myoperikarditis) in sechs von sechs Studien mit der Impfung in Verbindung gebracht
    • das allgemeine Risiko einer Myokarditis innerhalb von 30 Tagen nach einer Impfdosis liegt demnach zwei- bis vierfach höher als bei Ungeimpften; Überschuss 0,3 bis 3 Fälle pro 100.000 Menschen
    • das Risiko ist bei jüngeren Männern nach der zweiten Dosis am größten; ein Anstieg um das Drei- bis Neunfache; Überschuss bis zu 14 Fälle pro 100.000 Menschen
  • Gürtelrose: in einzelnen Studien aus Hongkong und Israel wird ein bis zu fünffach erhöhtes Risiko für Herpes Zoster beschrieben; andere Untersuchungen aus den USA und Israel zeigten dagegen keinen signifikanten Unterschied zwischen Geimpften und Ungeimpften
  • Thrombosen: kein eindeutiger Zusammenhang erkennbar; interessanterweise wurde Comirnaty vereinzelt eher mit antithrombotischen Wirkungen in Verbindung gebracht
  • neurologische Erkrankungen: kein eindeutiger Zusammenhang erkennbar; eine Studie aus Israel sieht ein um 21 Prozent erhöhtes Risiko für Taubheitsgefühle oder Kribbeln, eine weitere Untersuchung aus Israel sieht dagegen keinen Zusammenhang
  • Sterblichkeit: bis zu 80 Prozent geringeres Sterberisiko bei Geimpften bis 70 Jahre; britische Studie verzeichnet sogar ein um etwa 60 Prozent geringeres Risiko für eine Nicht-COVID-19-Mortalität (möglicher Effekt des „gesunden Impfstoffs“: gesunde Personen lassen sich statistisch häufiger impfen als ungesunde, haben daher insgesamt ein verringertes Krankheits- und Sterberisiko)
  • sonstige Ereignisse:
    • einzelne Studien stellten ein erhöhtes Risiko für Appendizitis (1,4-fach) und Lymphadenopathie (2,4-fach) fest
    • das Risiko für Anämie (1,21-fach) und akute Nierenschäden (1,56-fach) war dagegen gesenkt
    • im Gegensatz dazu stellten US-Forscher keinen Zusammenhang zwischen Comirnaty und Appendizitis fest
    • Studie aus Hongkong zeigte ein 1,42-fach verringertes Risiko für hepato-renale (akute Nierenschädigung, akute Leberschädigung und Pankreatitis) und respiratorische (akutes Atemnotsyndrom) Erkrankungen (auch hier möglicher Effekt des „gesunden Impfstoffs“)

US-Review zu seltenen Impfereignissen bei mRNA-Impfstoffen, August 2022 [14]

  • insgesamt 46 Artikel ausgewertet
  • kardiovaskulär: 28 Artikel berichten über insgesamt 90 Patienten, die mit Myokarditis nach einer mRNA-Impfung diagnostiziert wurden
    • bei 5,1 Millionen geimpften Individuen gab es 136 Fälle von Myokarditis
    • 91 Prozent der Fälle waren männlich und 76 Prozent waren unter 30 Jahre alt
    • die Impfung ist mit einem erhöhten Risiko für Myokarditis assoziiert, allerdings ist das Risiko für eine Myokarditis nach einer Impfung geringer als nach einer Infektion
  • Thrombozytopenie: kein eindeutiger Zusammenhang erkennbar; wenige Fälle gemeldet, manche mit Vorerkrankungen
  • allergische Hypersensitivität: 26 Artikel; insgesamt geringe Assoziation von Anaphylaxie mit Impfstoffen
    • Prävalenz für anaphylaktische Reaktionen auf Comirnaty und Spikevax beträgt durchschnittlich 5,58 pro eine Million Personen; höher bei Comirnaty
    • Prävalenz für non-anaphylaktische Reaktionen beträgt durchschnittlich 89,53 pro Million; höher bei Spikevax
    • Risikofaktoren: weiblich, andere Allergien, Asthma
  • neurologische Erkrankungen: sechs Studien zeigen keinen eindeutigen Zusammenhang
    • wenige Berichte über Krampfanfälle (0,99 pro 100.000 Personen), vorwiegend bei älteren Menschen mit Vorerkrankung, Guillain-Barré-Syndrom (0,43/100.000), transverse Myelitis (0,28/100.000) und aseptische Meningitis
    • in Fragebögen gaben 3,1 Prozent eine Veränderung der Empfindlichkeit im Gesicht an und Einzelfälle berichten über Schmerzen im Mund
  • dermatologische Reaktionen: Hautausschläge, Rötungen und Juckreiz an der Injektionsstelle und Alopecia areata sind mögliche Nebenwirkungen, am häufigsten bei Frauen mittleren Alters; die Nebenwirkungen sind selbstlimitierend und erfordern in der Regel keine therapeutischen Maßnahmen
    • seltene Berichte über schwerwiegende dermatologische Reaktionen wie Pityriasis rosea ohne bestätigten kausalen Zusammenhang zur Impfung
    • wichtig: Häufigkeitsbegriffe in Studien sind meist nach dem Medical Dictionary for Regulatory Activities (Meddra) definiert und werden so auch in den Beipackzetteln der Impfstoffe genutzt: Sehr häufig (≥ 1/10), häufig (≥ 1/100, < 1/10), gelegentlich (≥ 1/1 000, < 1/100), selten (≥ 1/10 000, < 1/1 000), sehr selten (< 1/10 000), nicht bekannt (Häufigkeit auf Grundlage der verfügbaren Daten nicht abschätzbar) [12]

Systematische Durchsuchung der Datenbanken Medline, Embase, Science Citation Index, Cochrane Central Register of Controlled Trials, London School of Hygiene and Tropical Medicine COVID-19 vaccine tracker nach randomisierten klinischen Studien, Juli 2022 [15]

  • 42 Datensätze mit 20 Impfstoffen, die mit verschiedenen Technologien hergestellt wurden
  • Fieber: das Gesamtrisiko (Risk Ratio [RR]) über alle untersuchten Impfstoffe war in den Impfstoffgruppen im Vergleich zur Placebogruppe 4,21-fach höher; die mRNA-Vakzine wiesen die höchste RR auf, vor allem nach der zweiten Dosis
  • Müdigkeit (Fatigue): Gesamt-RR bei 1,69; vor allem nach der zweiten Dosis
  • Kopfschmerzen: Gesamt-RR 1,59; höchste Rate bei zweiter Dosis mRNA-Impfstoff
  • lokale Schmerzen: Gesamt-RR nach jeder Dosis 3,30; höchstes Risiko bei mRNA-Impfstoffen
  • Rötungen: Gesamt-RR nach jeder Dosis 3,71; höchstes Risiko bei zweiter Dosis Protein-Impfstoff
  • Schwellung: Gesamt-RR 4,23; keine Signifikanz bei inaktivierten Impfstoffen; höchstes Risiko bei zweiter Dosis Protein-Impfstoff

Review und Meta-Analyse aus China von 26 Studien zur Sicherheit von Impfstoffen, November 2021 [16]

  • unerwünschte Nebenwirkungen traten mit einer Inzidenzrate von 1,5 Prozent auf
  • schwere Nebenwirkungen mit 0,4 pro 10.000, 0,1 Todesfälle pro 10.000
  • zu den Nebenwirkungen gehörten zum Beispiel Fatigue und Muskelschmerzen
  • im Vergleich zur Kontrollgruppe traten in der Impfstoffgruppe mehr Nebenwirkungen auf, allerdings waren diese meist mild und vorübergehend

Meta-Analyse von Studien zur Impfstoffsicherheit und Real-World-Daten des US-amerikanischen Vaccine Adverse Event Reporting System (VAERS), August 2021 [17]

  • Daten von 86.506.742 verabreichten Dosen aus Studien zu Thrombosen, 603.862.888 aus Studien zu Myokarditis, 11.936 Teilnehmer in der Real-World-Analyse
  • insgesamt 36 Arten von Nebenwirkungen beobachtet, acht davon traten bei mehr als 50 Prozent der Impfungen auf; darunter Schmerzen, Schwellungen, Fieber, Müdigkeit, Schüttelfrost, Muskelschmerzen, Gelenkschmerzen und Kopfschmerzen
  • nach der zweiten Impfdosis traten Nebenwirkungen häufiger auf
  • schwere Nebenwirkungen traten sehr selten auf: Thrombosen nur nach Vektorimpfstoffen (21 bis 75 Fälle pro eine Million Geimpfter), Myokarditis sowohl nach Vektor- als auch nach RNA-Impfstoffen (zwei bis drei Fälle pro eine Million Geimpfter)

Kanadisches Review von 46 Studien zum Risiko von Myokarditis nach einer Grundimmunisierung mit mRNA-Impfstoffen, Juli 2022 [18]

  • junge erwachsene Männer (18 bis 29 Jahre) haben nach einer mRNA-Impfung mit 28 bis 147 Fälle pro einer Million Impfungen das höchste Risiko einer Myokarditis
  • bei Verwendung eines Pfizer-Impfstoffs anstelle eines Moderna-Impfstoffs und einem Abstand von mehr als 30 Tagen zwischen den einzelnen Dosen könnte das Risiko geringer ausfallen

Südkoreanische Analyse von Daten der WHO-Datenbank „Vigibase“ bezüglich Sinusvenenthrombose (CVT) als Impfnebenwirkungen von Comirnaty, Spikevax und Vaxzevria, Mai 2022 [19]

  • unter 1.730.636 Berichten gab es 1513 Fälle von CVT; 620 (0,05 Prozent) nach Comirnaty, 136 (0,01 Prozent) nach Spikevax, 757 (0,13 Prozent) nach Vaxzevria

Analyse der Europäischen Arzneimittelagentur Ema zu möglichen Menstruationsstörungen nach mRNA-Impfstoffen, Juni 2022 [20]

  • der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (Prac) bewertete im Juni dieses Jahres alle verfügbaren Daten, einschließlich Erkenntnissen aus der Literatur und Fällen von Amenorrhoe, die Eudravigilance nach der Verabreichung von Comirnaty und Spikevax gemeldet wurden
  • der Prac kam zu dem Schluss, dass es keine ausreichenden Beweise für einen kausalen Zusammenhang zwischen den COVID-19-Impfstoffen Comirnaty und Spikevax und dem Ausbleiben der Menstruation gibt
  • die deutschen Spontanerfassungsdaten liefern derzeit ebenfalls kein Risikosignal [3]
  • Ende Oktober empfahl der Prac dennoch, dass schwere Menstruationsblutungen als Nebenwirkung unbekannter Häufigkeit der mRNA-COVID-19-Impfstoffe Comirnaty und Spikevax in die Produktinformationen aufgenommen werden sollten [21]
  • die Impfstoffhersteller Biontech/Pfizer und Moderna sind vonseiten der Ema aufgefordert, weitere Hinweise in die nächsten regelmäßigen aktualisierten Sicherheitsberichte (PSUR) für Comirnaty und Spikevax mit aufzunehmen
  • einer jüngst erschienenen Studie zufolge wird die Impfung mit einer geringen und wahrscheinlich vorübergehenden Veränderung der Länge des Menstruationszyklus in Verbindung gebracht, jedoch nicht mit einer Veränderung der Dauer der Menstruation [22]

US-Review zu Long-Covid-Zustand nach Impfung, August 2022 [23]

  • 17 Studien ausgewertet
  • Einfluss einer Impfung vor einer Infektion: in sechs Studien wurde festgestellt, dass die Impfstoffe das Risiko von Long Covid bei Personen mit leichtem bis mittelschwerem COVID-19 verringern (im Vergleich zu Long-Covid-Fällen ohne vorherige Impfung)
  • Einfluss einer Impfung nach einer Infektion: sieben Studien zeigen eine Verbesserung von Long-Covid-Symptomen nach einer nachträglichen Impfung, vier Studien zeigen keine Verbesserung oder sogar eine Verschlechterung der Symptome
  • Limitation: in den eingeschlossenen Studien wurde keine einheitliche Definition für Long Covid benutzt; einige Studien orientierten sich an der Definition für „post-COVID condition“ nach WHO, andere beobachteten Symptome nur für den ersten Monat nach der Infektion
    • „Post-COVID“ laut WHO: Symptome, die mindestens zwei Monate anhalten und in der Regel drei Monaten nach Infektion eintreten [24]

Auswertung selbstbeschriebener Impfereignisse aus der „Yellow-Card“-Datenbank des Vereinigten Königreichs, September 2022 [25]

  • monatlich aktualisiert
  • 173.381 Meldungen zu Verdachtsfällen von Nebenwirkungen von mRNA-Impfstoffen; 246.393 Meldungen zu Vaxzevria von Astrazeneca
  • die meisten Berichte beziehen sich auf die bereits bekannten Impfreaktionen und allgemeine Symptome wie eine grippeähnliche Erkrankung, Kopfschmerzen, Schüttelfrost, Müdigkeit, Übelkeit, Fieber, Schwindel, Schwäche, Muskelkater und schneller Herzschlag; insgesamt stehen diese Meldungen nicht im Zusammenhang mit schwereren Erkrankungen
  • seltene Nebenwirkungen sind schwere allergische Reaktionen, Fazialisparese und Myokarditis (vor allem bei jungen Männern)
  • möglicher Zusammenhang von zerebraler Sinusvenenthrombose, transverser Myelitis, Immunthrombozytopenie und Guillain-Barré-Syndrom mit Astrazeneca; Vaxzevria nicht empfohlen für Menschen mit vergangenem Kapillarlecksyndrom
  • kein Risiko für das Entstehen eines Kapillarlecksyndroms bei mRNA-Impfstoffen, allerdings potenzieller Zusammenhang von Spikevax mit erneutem Aufflammen eines bereits vorhandenen Kapillarlecksyndroms
  • kein Zusammenhang von Impfstoffen mit Menstruationsstörungen
  • seltene Fälle von starken Schwellungen des Gesichts oder Gliedmaßen nach Impfung mit Comirnaty
  • Meldung Long-Covid-ähnlicher Symptome äußerst selten, zum Beispiel: Fatigue (238), Malaise (94), Depression (5), Schlaflosigkeit (15), kognitive Dysfunktionen (2), Lethargie (32)
    • wichtig: von Betroffenen selbstbeschriebene Impfereignisse können nicht eins zu eins zum Vergleich des Sicherheitsprofils der COVID-19-Impfstoffe herangezogen werden, da viele (persönliche) Faktoren die Meldung beeinflussen

US-Review zu allergischen Reaktionen auf SARS-CoV-2-Impfstoffe, Oktober 2022 [26]

  • im Schnitt aller Impfstoffe circa ein Ereignis pro eine Million Impfungen; beginnend innerhalb der ersten Stunde nach Impfung
  • mRNA-Impfstoffe sind häufiger mit allergischen Reaktionen assoziiert als andere Impfstoffe; sie enthalten das aus anderen Produkten bekannte Allergen Polyethylenglycol (PEG) als Trägerstoff, das mit seltenen anaphylaktischen Reaktionen assoziiert ist
  • Patienten mit schweren allergischen Reaktionen nach COVID-19-Impfungen hatten meistens in der Vergangenheit bereits allergische Reaktionen auf andere Allergene
  • die häufigsten Symptome einer Hypersensitivität nach verschiedenen Kategorien:
    • Hautsymptome: Hautrötung, Juckreiz, Urtikaria und Angioödem
    • Atemwegssymptome: Nasenausfluss, Nasenverstopfung, Veränderung der Stimmqualität, Stridor, Husten, Keuchen und Dyspnoe
    • Kardiovaskuläre Symptome: Ohnmacht, Synkope, veränderter mentaler Status, Herzklopfen und Hypotonie
    • Magen-Darm-Symptome: Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfall
  • schwerste allergische Reaktionen äußern sich in einer Anaphylaxie; lässt sich frühzeitig mit Epinephrin behandeln
  • angstbedingte Reaktionen auf Impfungen können eine Anaphylaxie nachahmen
  • Reaktionen mit Eigenschaften einer Anaphylaxie: 7,91 Ereignisse pro eine Million Impfdosen in einer Meta-Analyse von Fällen allergischer Reaktionen auf mRNA-Impfstoffe
    • in den meisten Fällen, die als Anaphylaxie eingestuft und behandelt wurden, stellte sich im Nachhinein heraus, dass dies nicht der Fall war, und die Patienten haben die zweite Dosis ohne Probleme erhalten
  • virale Vektorimpfstoffe verursachen noch seltener schwere allergische Reaktionen; <0,5 Fälle pro eine Million verabreichter Dosen des Janssen-Impfstoffs; dienen als Alternative bei bekannten Allergien

Deutsch-schweizerischer Vergleich gesundheitlicher Ereignisse bei Kindern nach COVID-19- und Nicht-COVID-19-Impfungen, Oktober 2022 [27]

  • 7800 Kinder unter fünf Jahren untersucht
  • bewertet wurde die Sicherheit der Impfstoffe anhand von Selbstberichten der Eltern
  • zum Studienzeitraum war die Impfung von Kindern aufgrund der fehlenden Zulassung nur off-label möglich
  • die Häufigkeit von Symptomen wie Schmerzen/Rötungen an der Einstichstelle, Fieber oder muskuloskelettale Symptome war nach der Impfung mit Comirnaty vergleichbar mit jener nach der Impfung gegen andere Erreger
  • eine erhöhte Häufigkeit von Symptomen an der Injektionsstelle wurde bei Kindern im Alter von über 24 bis unter 60 Monaten festgestellt, denen zehn Mikrogramm Comirnaty verabreicht wurde
  • lediglich bei zwei Kindern (0,03 Prozent) hielten die Symptome länger als 90 Tage an, zehn Kinder kamen ins Krankenhaus (0,1 Prozent)
    • wichtig: die Europäische Arzneimittelbehörde hat am 19.10.2022 die mRNA-Impfstoffe auch für Kleinkinder empfohlen, allerdings mit einer geringeren Dosis: drei statt 30 Mikrogramm bei Comirnaty, 25 statt 100 Mikrogramm bei Spikevax [28]

Observed-versus-Expected-Analyse

Durchführung

  • eingehende Verdachtsmeldungen auf Impfnebenwirkungen werden unter anderem vom PEI auf ein sogenanntes Risikosignal hin untersucht
  • bei derlei Observerd-versus-Expected-Analysen wird die Häufigkeit der nach Impfung gemeldeten unerwünschten Ereignisse mit den statistisch zufälligen erwartenden Häufigkeiten in einer vergleichbaren (nicht geimpften) Bevölkerung verglichen
  • ergibt sich eine signifikant höhere Zahl an Verdachtsfallmeldungen für ein Ereignis nach Impfung, als es statistisch zu erwarten wäre, geht das PEI von einem Risikosignal aus
    • wichtig: ein Risikosignal ist trotz eines klaren Hinweises nicht als Bestätigung eines Risikos zu verstehen

Observed-versus-Expected-Analyse des PEI ausgewählter unerwünschter Impfereignisse [3]

  • für Schlaganfall, Myokardinfarkt und Lungenembolie ergab sich für keinen der zugelassenen COVID-19-Impfstoffe ein Risikosignal
  • die Zahl der Meldungen einer Sinus-/Hirnvenenthrombose war nach der Impfung mit Vaxzevria signifikant höher als der Erwartungswert, nicht aber für die anderen vier in Deutschland zugelassenen Impfstoffe
  • ein Risikosignal besteht demnach auch bei der Immunthrombozytopenie nach Vaxzevria und Jcovden; für Comirnaty ist der Wert bis 14 Tage nach der Impfung signifikant erhöht, nicht jedoch im Abstand von 30 oder 42 Tagen
  • ein Vergleich der Zahl der gemeldeten Verdachtsfälle von Nebenwirkungen mit tödlichem Ausgang bis 30 Tage nach Impfung mit der im gleichen Zeitraum statistisch zufällig zu erwartenden Anzahl der Todesfälle (Daten des Statistischen Bundesamts) ergab für keinen der fünf hierzulande zugelassenen COVID-19-Impfstoffe ein Risikosignal
  • bei 120 von insgesamt 3023 gemeldeten tödlichen Verdachtsfällen liegt dem aktuellen PEI-Sicherheitsbericht zufolge ein wahrscheinlicher ursächlicher Zusammenhang mit einer COVID-19-Impfung vor

Post-Vac-Verdachtsmeldungen an das PEI [3]

  • zunehmend Meldungen über Long-Covid-ähnliche Beschwerden, die als chronisches Erschöpfungssyndrom (ME/CFS), posturales Tachykardiesyndrom (POTS) oder Post-Vac bezeichnet wurden
  • laut Nebenwirkungsdatenbank des PEI: bis 06.07.2022 insgesamt 472 Meldungen über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen mit Codierung als „CFS“, „Post-Vac“, „POTS“ und „Post-COVID-19“
    • die Prävalenz für ME/CFS in der Bevölkerung liegt nach Angaben des Instituts für medizinische Immunologie der Berliner Charité bei 0,3 bis 0,5 Prozent [29]
  • Vergleich mit Nebenwirkungsdatenbank Eudravigilance der Europäischen Arzneimittelagentur Ema: 54,6 Prozent der Meldungen zu ME/CFS, Post-Vac, POTS und Post-COVID-19 im europäischen Wirtschaftsraum stammen aus Deutschland
    • wichtig: das PEI merkt diesbezüglich einen Berichts-Bias an: Deutschland habe nicht rund 55 Prozent der Impfungen im europäischen Wirtschaftsraum durchgeführt, daher könne von einer unverhältnismäßig hohen Berichterstattung hierzulande ausgegangen werden

Nebenwirkungen nach Impfung versus Infektion

Israelischer Vergleich des Risikos für gesundheitliche Ereignisse nach Grundimmunisierung und nach SARS-CoV-2-Infektion, September 2021 [30]

  • Evaluierung israelischer Gesundheitsdaten von jeweils 884.828 geimpften und ungeimpften Probanden
  • pro 100.000 Personen kommt es bei Geimpften im Vergleich zu Ungeimpften durchschnittlich zu 2,7 Myokarditisfällen mehr
  • eine SARS-CoV-2-Infektion ist im Vergleich zu Nichtinfizierten mit einem deutlich erhöhten Risiko für Myokarditis (11 pro 100.000) assoziiert
  • Datennachreichung nach Alter: nach der Impfung war das Risiko für Myokarditis vor allem bei jungen männlichen Jugendlichen und Erwachsenen (16 bis 39 Jahre) erhöht, mit einer Häufigkeit von 8,62 Ereignissen pro 100.000 Personen; nach der Infektion war das Risiko in beiden Alterskategorien (<40 und ≥40 Jahre) und sowohl bei männlichen als auch weiblichen Jugendlichen und Erwachsenen erhöht, mit 11,54 überschüssigen Ereignissen pro 100.000 Personen bei jungen männlichen Jugendlichen und Erwachsenen [31]
  • auch das Risiko für andere teils schwerwiegende Symptome ist nach einer Infektion erhöht; im Vergleich dazu ist das Risiko für die gleichen Symptome nach einer Impfung geringer als bei Ungeimpften, beispielsweise [30]:
    • Herzrhythmusstörungen: pro 100.000 Personen 166,1 Fälle mehr bei SARS-CoV-2-Infizierten im Vergleich zu Nichtinfizierten beziehungsweise 6,1 Fälle weniger bei Geimpften gegenüber Ungeimpften
    • Venenthrombose: 42,96 Fälle mehr bzw. 1,1 Fälle weniger
    • Lungenembolie: 61,72 Fälle mehr bzw. 1,5 Fälle weniger
    • Intrakranielle Blutungen: 7,6 Fälle mehr bzw. 2,9 Fälle weniger
    • Thrombozytopenie: 39 Fälle mehr bzw. 0,6 Fälle weniger

Britische Studie zum Risiko für Myokarditis nach einzelnen Impfdosen von Biontech/Pfizer, Moderna oder Asztrazeneca und nach einer SARS-CoV-2-Infektion, August 2022 [32]

  • insgesamt ist das Myokarditis-Risiko demnach nach einer SARS-CoV-2-Infektion höher als nach einer COVID-19-Impfung
  • auch nach mehreren Impfdosen bleibt das Risiko für Geimpfte insgesamt gering
  • für junge Männer ist das Risiko einer Myokarditis nach der Impfung jedoch höher als nach einer SARS-CoV-2-Infektion, insbesondere nach einer zweiten Dosis des Moderna-Impfstoffs (97 gegen 16 Fälle pro eine Million)

Britische Studie zu neurologischen Leiden nach Impfung und Infektion, Oktober 2021 [33]

  • leicht erhöhtes Risiko für eine Krankenhauseinweisung wegen des Guillain-Barré-Syndroms, der Bellschen Lähmung und wegen myasthenischer Störungen bei Menschen, die mit Vaxzevria (Astrazeneca) geimpft wurden; zum Beispiel Guillain-Barré-Syndrom: pro zehn Millionen Geimpfte 38 zusätzliche Fälle
  • bei Comirnaty-Impfungen leicht erhöhtes Risiko für Krankenhauseinweisungen wegen eines Schlaganfalls (pro zehn Millionen Geimpfte 60 zusätzliche Fälle)
  • deutlich höheres Risiko für alle beobachteten neurologische Folgen nach einem positiven SARS-CoV-2-Test, zum Beispiel: Guillain-Barré-Syndrom: pro zehn Millionen Menschen 145 zusätzliche Fälle

Französische Studie zum Multisystem-Entzündungssyndrom bei Kindern, April 2022 [34]

  • bis Januar 2022 wurden dieser Studie zufolge 8.113.058 mRNA-Impfstoffdosen an 4.079.234 Kinder zwischen 12 und 17 Jahren verabreicht
  • bei zwölf von ihnen trat nach der Impfung das Multisystem-Entzündungssyndrom (MIS-C) auf
  • alle Kinder erholten sich
  • in acht Fällen wurde kein Hinweis auf eine frühere SARS-CoV-2-Infektion gefunden
  • Melderate: 1,5 pro 1.000.000 Impfdosen versus 113 pro 1.000.000 Kindern, die mit SARS-CoV-2 infiziert waren

Kohortenstudie aus den USA zu Long Covid nach Durchbruchsinfektionen, Mai 2022 [35]

  • Kohortenstudien untersuchen über einen bestimmten Zeitraum hinweg, die Auswirkungen eines bestimmten Einflusses, der sich zwischen den beobachteten Gruppen unterscheidet
  • hier wurde die Beteiligung von Impfung und Infektion am Risiko für Long Covid analysiert
  • verglichen wird das Auftreten von langanhaltenden Symptomen bei geimpften und ungeimpften Infizierten sowie bei Personen ohne Infektion
  • insgesamt über 13 Millionen Teilnehmer, mehrere teils historische Kontrollgruppen
  • im Vergleich zu Kontrollgruppen ohne Infektion zeigen Teilnehmer mit Durchbruchsinfektion ein höheres Sterberisiko und ein höheres Risiko für Folgeerkrankungen
  • im Vergleich zu Ungeimpften mit Infektion ist das Sterberisiko und die Wahrscheinlichkeit für Folgeerkrankungen (bis zu sechs Monate) von geimpften Teilnehmern mit Durchbruchsinfektion geringer
  • eine Impfung verringert demnach das Risiko für Long Covid, während eine Infektion das Risiko erhöht

Wie könnten bestimmte Impfereignisse entstehen?

Autoimmun-Syndrome

  • vermutlich verursacht durch molekulare Mimikry: die mit dem Impfstoff verabreichten Antigene können strukturelle Ähnlichkeiten zu spezifischen menschlichen Proteinen aufweisen
  • dadurch könnte es zu Kreuzreaktionen kommen; die ausgebildete Immunantwort gegen SARS-CoV-2 richtet sich fälschlicherweise gegen körpereigene Proteine
  • das Resultat sind Autoimmunerkrankungen
  • dazu gehören unter anderem Thrombozytopenie, autoimmune Lebererkrankungen und das Guillain-Barré-Syndrom [36]
  • ein kausaler Zusammenhang für diese Hypothese konnte bisher nicht erbracht werden [37]
  • bei Post Covid konnten bereits erste antinukleäre Autoantikörper nachgewiesen werden; diese richten sich gegen körpereigene Zellkerne [38]

Multisystemisches Entzündungssyndrom (MIS) [39]

  • tritt in sehr seltenen Fällen nach Infektionen auf, eher bei Kindern; es gibt aber auch einige Berichte zu MIS nach Impfungen; bisher nur Hypothese, keine kausalen Belege
  • Symptome: körperweite Entzündung; Kreislaufschock, Herzstörungen, Hautausschläge und häufig hohe Entzündungsmarker; vereinzelt beobachtet als Weiterentwicklung eines „COVID-Arms“ (Rötung und Schwellung der Injektionsstelle)
  • Pathophysiologie nicht eindeutig; Dysregulation des Immunsystems (Aktivierung und Vermehrung von bestimmten T-Zellen; SARS-CoV-2-Spikes können vermutlich mit diesen T-Zellen interagieren und Zytokinsturm könnte dann zu Multiorganstörung führen
  • behandelbar mit intravenöser Kortikosteroidtherapie [38]

Myokarditis [40]

  • kausaler Mechanismus bisher nicht geklärt
  • in einer Studie mit 40 bestätigten Fällen von Myokarditis nach einer SARS-CoV-2-Infektion wurden Autoantikörper (gegen interleukin-1-Rezeptor-Antagonisten) im Blutplasma quantifiziert
  • Autoantikörper wurden bei Myokarditis-Patienten, aber nicht bei gesunden Kontrollpersonen gefunden
  • spezielle Autoantikörper richten sich gegen den Interleukin-1-Rezeptor-Antagonisten, der normalerweise Entzündungsreaktionen hemmt und begünstigen somit die Wirkung entzündungsfördernder Botenstoffe
  • Bildung der Autoantikörper durch Anlagerungen am Interleukin-1-Rezeptor-Agonisten; Grund für Anlagerungen bisher ungeklärt

Gürtelrose [41] [42]

  • Grund könnte eine Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus‘ (VZV) sein
  • die vorübergehende Herabregulierung der VZV-spezifischen T-Zell-Immunität zum Ausgleich der SARS-CoV-2-spezifischen T-Zell-Antworten während der Impfung oder der natürlichen Infektion könnte es dem VZV ermöglichen, sich zu reaktivieren

Thrombozytopenie nach Vaxzevria (Astrazeneca) [43] [44]

  • vermutet wird als Reaktion auf die im Impfstoff enthaltenen adenoviralen Antigene die Bildung von Antikörpern gegen den Thrombozytenfaktor 4
  • in der Folge werden vermutlich Signalkaskaden ausgelöst, die zu einer massiven Thrombozytenaktivierung führen

Umgang mit neuen Berichten zu Impfereignissen

  • Die Lesegewohnheiten von Forschenden entwickeln sich im Laufe einer langen Sozialisation hin zu einer spezifischen Fachkompetenz. Dabei bleiben bestimmte Autorinnen und Autoren, Publikationen und Zeitschriften tendenziell unbeachtet, ohne allzu große Irrtums-Risiken einzugehen (Information Overload Avoidance)
  • Dieses selektive Wahrnehmen ist normaler Bestandteil aller Wissenschaft, wo in Publikation auch radikale, aber ungeprüfte Hypothesen zirkulieren sollen, die Evidenz für diese aber erst in der Gemeinschaft der kompetenten Forschenden diskutiert und eingeordnet wird
  • In medizinischen Fachzeitschriften erscheinen daher immer wieder Fallberichte (Case Reports) von Forschenden, in denen über unerwartete und schwere Nebenwirkungen in Einzelfällen oder kleineren Fallserien berichtet wird
  • Fallberichte auch über seltene unerwünschte Ereignisse nach COVID-19-Impfungen sind in der Medizin eine anerkannte Möglichkeit, Fachkollegen auf eigene Beobachtungen hinzuweisen und Hypothesen vorzustellen. Einen kausalen Beweis für den behaupteten Zusammenhang zwischen Impfung und schweren Nebenwirkungen können publizierte Fallberichte allerdings grundsätzlich nicht erbringen
  • Eine beliebte neuere Form, kritische Meinungen zu Impfnebenwirkungen in der medizinischen Literatur zu veröffentlichen sind sogenannte Narrative Reviews, also Übersichtsartikel, die bestimmte Phänomene und Hypothesen über mögliche Nebenwirkungen von COVID-19-Impfungen diskutieren, ohne dass Autorinnen und Autoren eigene Ergebnisse präsentierten
  • Oft erscheinen diese Artikel in von Forschenden mit domainspezifischer Expertise eher wenig beachteten Zeitschriften, die in der Fachcommunity keine Rolle spielen. In „Fringe”-Zeitschriften kann jedwede wissenschaftlich aussehende Publikation gegen geringes Entgelt veröffentlicht werden, meist sogar ohne qualifizierte Begutachtung
  • Manchmal kommt es auch zu Publikationen von fachfremden Forschenden in Zeitschriften, in denen diese Experten Einfluss auf das Begutachtungsverfahren nehmen können. So können abweichende Meinungen mitunter in renommierten wissenschaftlichen Zeitschriften landen – ohne strenges Peer Review
  • So stellten deutsche pensionierte Pathologen zu Beginn der Corona-Pandemie im Internet Behauptungen zu angeblichen Obduktions-Befunden auf, die sich in unabhängigen und begutachteten pathologischen Untersuchungen bisher nicht bestätigen ließen und nicht offiziell und für Dritte in den verwendeten Methoden nachvollziehbar publiziert wurden. Internetforen, die sich auf solche Quellen berufen, sind mit Vorsicht zu betrachten [45]
  • In klinischen Studien werden zugunsten der Verständlichkeit Daten zusammengefasst. Die rohen Patientendaten werden meist nicht kommuniziert, was manchen Kritikern zufolge zu einem Informationsverlust führt. Die Forderung nach einer Herausgabe der sogenannten patient-level data kam auch im Zuge der Debatte um Nebenwirkungen nach COVID-19-Impfungen immer wieder auf [46]. Zulassungsbehörden und auf Nachfrage auch Forschende können patient-level data bei berechtigtem Forschungsinteresse und unter Beachtung bestimmter Regeln auswerten

Fazit

  • Präzise Unterscheidung der Begrifflichkeit wichtig: Impfreaktionen, Impfnebenwirkungen und Impfschäden sind nicht dasselbe; solange eine Kausalität nicht nachgewiesen ist, empfiehlt sich stets der Zusatz „mögliche“ Impfnebenwirkung
  • Gewünschte Impfreaktionen sind in den allermeisten Fällen mild und von kurzer Dauer, können aber für die Geimpften dennoch irritierend sein, zum Beispiel Fieberreaktionen
  • Sehr seltene Impfereignisse (etwa einer von 100.000 Fällen) zeigten sich in den Zulassungsstudien aufgrund der kleinen Kohorten und des kurzen Beobachtungszeitraums noch nicht
  • Die spontane Meldung eines Verdachts auf Impfnebenwirkung obliegt meist dem behandelnden Arzt
  • Ein gemeldetes gesundheitliches Ereignis nach einer Impfung steht nicht automatisch in einem kausalen Zusammenhang, sondern zunächst lediglich in einem zeitlichen
  • Die dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) gemeldete Zahl an Verdachtsfällen von Impfnebenwirkungen und Tod überschreitet in den allermeisten Fällen nicht die ohnehin erwartete Häufigkeit der gemeldeten Krankheitsbilder
  • Umfänglich beschriebene Impfnebenwirkungen wie Myokarditis oder bestimmte Thrombosen wurden durch die bestehenden Überwachungssysteme frühzeitig erkannt, sind mittlerweile bekannt und in den Beipackzetteln der Impfstoffe aufgeführt
  • Studien und Sicherheitsberichten zufolge sind schwere unerwünschte Nebenwirkungen oder Tod nach einer COVID-19-Impfung extrem selten
  • Eine SARS-CoV-2-Infektion ist mit einem höheren Risiko für Folgesymptome verbunden als eine Impfung gegen den Erreger
  • Das jüngst häufig beschriebene Post-Vac-Syndrom nach Impfung ist kein anerkanntes Krankheitsbild; über die genauen Ursachen gibt es Theorien aber bisher keine eindeutigen Zusammenhänge
  • Das Post-Vac-Syndrom wird in der Fachliteratur oft auch mit dem chronischen Erschöpfungssyndrom (CFS/ME) oder dem posturalen Tachykardiesyndrom (Pots) gleichgesetzt
  • Einzelne Spezial-Ambulanzen und -institute widmen sich der Erforschung und Behandlung dieser Krankheitsbilder
  • Für Deutschland besteht bei Post-Vac womöglich ein Melde-Bias aufgrund einer durch soziale Medien und Medienberichte (hyper)sensibilisierten Gesellschaft, die die Aufmerksamkeit für dieses Long-Covid-ähnliche Krankheitsbild bei Patientinnen und Patienten erhöht haben. Ähnliche Effekte sind auch von anderen Impfnebenwirkungen bekannt, zum Beispiel im Fall der Narkolepsie nach einer Schweinegrippeimpfung
  • Dennoch gibt es teils plausible Hypothesen darüber, wie in sehr seltenen Einzelfällen bestimmte Krankheitsbilder wie Autoimmun-Syndrome oder Hyperinflammation nach einer COVID-19-Impfung entstehen könnten
  • Derlei Berichte helfen bei der Erstellung von Leitlinien für die klinische Bewertung und Behandlung möglicher Manifestationen nach einer Impfung
  • Etwaige unentdeckte genetische Vorerkrankungen oder Anomalien können sich auf die Immunreaktion nach einer Impfung oder Infektion auswirken. Womöglich sind einige schwer an Post Covid oder Post-Vac Erkrankte genetisch „vorgeschädigt“. Zudem sollte bei mutmaßlichen Post-Vac-Patientinnen und -patienten stets die Möglichkeit einer unbemerkten stillen Infektion (asymptomatisch) mit SARS-CoV-2 oder auch einem anderen Erreger in Betracht gezogen werden
  • Studien zeigen, dass COVID-19-Impfungen das Risiko für Long Covid/Post Covid senken
  • Alle Impfstoffe und Arzneimittel haben Nebenwirkungen, diese müssen stets gegen den erwarteten Nutzen bei der Verhütung von Krankheiten abgewogen werden; der Nutzen der COVID-19-Impfstoffe ist im Vergleich zu einer Infektion mit dem Erreger als sehr hoch einzuschätzen
  • Weltweit melden teils sehr unterschiedliche Gesundheitssysteme mögliche Impfnebenwirkungen, sodass nicht davon auszugehen ist, dass neue Risikosignale unentdeckt bleiben
  • Die Veröffentlichung kleinerer Studien oder Fallberichte zu sehr seltenen möglichen Impfnebenwirkungen ist in der Wissenschaft ein anerkanntes Mittel, um Fachkolleginnen und -kollegen auf etwas aufmerksam zu machen, eine Kausalität ergibt sich daraus aber nicht
  • Sogenannte Fringe-Paper bieten eine Plattform für besonders kontroverse Hypothesen („fringe science“), meist ohne strenges Peer Review. In weiten Teilen der Fachcommunity haben entsprechende Publikationen aber keine Bedeutung
  • In klinischen Studien werden zugunsten der Verständlichkeit Daten zusammengefasst, was Kritikern zufolge zu einem Informationsverlust führen kann; Forderung nach der Herausgabe der vollständigen patient-level data
  • Die Evidenz für ungeprüfte Hypothesen wird erst in der Gemeinschaft der kompetenten Forschenden diskutiert und eingeordnet

Literaturstellen, die zitiert wurden

[1] Hermann EA et al. (2022): Association of Symptoms After COVID-19 Vaccination With Anti–SARS-CoV-2 Antibody Response in the Framingham Heart Study. Jama Network Open. DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2022.37908.

[4] Mitteldeutscher Rundfunk (05.10.2022): Corona-Impfschäden: Bisher mindestens 20 Klagen gegen Hersteller von Corona-Impfstoffen. Medienbericht.

[5] Fernando PP et al. (2020): Safety and Efficacy of the BNT162b2 mRNA Covid-19 Vaccine. The New England Journal of Medicine. DOI: 10.1056/NEJMoa2034577.

[6] Baden LR et al. (2021): Efficacy and Safety of the mRNA-1273 SARS-CoV-2 Vaccine. The New England Journal of Medicine. DOI: DOI: 10.1056/NEJMoa2035389.

[7] Falsey AR et al. (2021): Phase 3 Safety and Efficacy of AZD1222 (ChAdOx1 nCoV-19) Covid-19 Vaccine. The New England Journal of Medicine. DOI: 10.1056/NEJMoa2105290.

[8] U.S. National Library of Medicine (11.10.2022): Help „Adverse Events“.

[9] Paul-Ehrlich-Institut (02.06.20.12): Bulletin zur Arzneimittelsicherheit.

[10] Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte & Paul-Ehrlich-Institut (11.10.2022): Online-Meldung von Nebenwirkungen.

[11] Kassenärztliche Bundesvereinigung (20.11.2020): Praxisnachrichten – WHO legt neue Kodes für Post-COVID-19-Zustände fest.

[12] European Medicines Agency (11.10.2022): Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels Comirnaty.

[14] Oueijan RI et al. (2022): Rare Heterogeneous Adverse Events Associated with mRNA-Based COVID-19 Vaccines: A Systematic Review. Medicines. DOI: 10.3390/medicines9080043.

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[29] Charité – Universitätsmedizin Berlin (16.11.2022): Chronisches Fatigue Syndrom (CFS) / Myalgische Enzephalomyelitis (ME).

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