Datenblindflug? Deutschland und seine Corona-Kennzahlen für den Winter 2022
Bei der Erfassung der Corona-Pandemie und all ihrer Kennziffern schauten Fachleute in den vergangenen drei Jahren immer wieder neidisch nach Großbritannien. Die Strukturen des dortigen Gesundheitssystems sowie die digital stark ausgebauten Meldewege erlaubten es den Briten, stets rasch ein detailliertes Bild der Belastung durch das Coronavirus zu erstellen. Deutschland dagegen befinde sich in einem Datenblindflug, war vielerorts zu lesen. Und auch heute noch blicken viele Fachleute sowie Journalistinnen und Journalisten mit Sorge auf die Herbstwelle: Ist Deutschland bei der Datenerhebung mittlerweile gut aufgestellt? Würden wir eine neue gefährlichere Virusvariante rasch bemerken? Und mithilfe welcher Daten lassen sich zu welchem Zeitpunkt bestimmte Eindämmungsmaßnahmen rechtfertigen? Unter anderem auf diese Fragen möchte das SMC mit diesem Fact Sheet eingehen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach betonte jüngst, dass er von Grenzwerten nicht mehr viel halte und den Bundesländern stattdessen ein „Pandemieradar“ gefüllt mit diversen Kennzahlen zum Infektionsgeschehen an die Hand geben möchte. Auf dessen Grundlage sollten die Länder dann eigens entscheiden, wann sie welche Maßnahmen einführen. Was genau letztlich Inhalt dieses Datenbündels werden soll, ist noch nicht vollumfänglich kommuniziert. Eine Übersicht zu den wichtigsten Daten und ihren Erhebungsweisen erscheint uns daher für weitere Recherchen nützlich.
Den Bedarf für „ein digitales Echtzeitlagebild, das die Infektions- und Krankheitslast nach Altersgruppen sowie die Kapazitäten der Krankenhäuser auf Stadt- und Landebene differenzierter abbildet“, sah bereits der von der Bundesregierung eingesetzte Corona-Expertenrat in seinem Bericht vom 8. Juni [1]. Die Regierungsparteien haben daraufhin Vorschläge für Anpassungen des Infektionsschutzgesetzes in den Bundestag eingebracht. Am Donnerstag, 8. September, stimmt der Bundestag über diesen Gesetzentwurf ab.
Das Fact Sheet kann hier als pdf heruntergeladen werden.
wird offiziell vom Robert-Koch-Institut (RKI) regelmäßig erhoben
Ergebnisse erscheinen im RKI-Wochenbericht und werden ebenfalls über die Plattform Github öffentlich bereitgestellt [2] [3]
Stichprobe weiterhin groß genug, um Anteile abzuschätzen und neue Varianten zu erkennen
bei 4000 Sequenzierungen pro Woche würde eine Variante mit einem Anteil von 0,1 Prozent in rund 98 Prozent der Fälle direkt entdeckt
Meldeweg aber sehr lang, Daten bei Veröffentlichung zwei bis drei Wochen alt
dennoch: Wichtiger Indikator, da ohne neue Variante keine kritische Welle zu erwarten
[1] Corona-ExpertInnenrat der Bundesregierung (08.06.2022): Pandemievorbereitungen auf Herbst/Winter 2022/23. 11. Stellungnahme.
[2] Robert-Koch-Institut (31.08.2022): Wochenberichte zu COVID-19.
[3] Robert-Koch-Institut (31.08.2022): SARS-CoV-2-Sequenzdaten aus Deutschland.
[4] Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (20.05.2020): Integrales SARS-CoV-2-Abwassermonitoring. Pressemitteilung.
[5] Akkreditierte Labore in der Medizin (02.09.2022): Datenauswertung des ALM e.V. zur SARS-CoV-2-PCR-Testung der Labore.
[6] Akkreditierte Labore in der Medizin (02.09.2022): Vorträge und Publikationen.
[7] Robert-Koch-Institut (06.09.2022): Todesfälle nach Sterbedatum.
[8] Statistisches Bundesamt (06.09.2022): Sterbefallzahlen und Übersterblichkeit.
[9] Deutsche Krankenhaus-Gesellschaft (02.09.2022): Aktuelle Bettenbelegung durch bestätigte COVID-19-Patientinnen und -Patienten in Deutschlands Krankenhäusern.
[10] Nittas V et al. (2022): Long COVID Through a Public Health Lens: An Umbrella Review. Public Health Reviews. DOI: 10.3389/phrs.2022.1604501.
[11] Franco JV et al. (2022): Study protocol for evidence mapping of persistent symptoms and sequelae following SARS-CoV-2 infection and a systematic review of the epidemiology of the post-covid condition. DOI: 10.17605/OSF.IO/TKQES.
[12] Taquet M et al. (2022): Neurological and psychiatric risk trajectories after SARS-CoV-2 infection: an analysis of 2-year retrospective cohort studies including 1.284.437 patients. The Lancet Psychiatrie. DOI: 10.1016/S2215-0366(22)00260-7.
[13] Notarte KI et al. (2022): Impact of COVID-19 vaccination on the risk of developing long-COVID and on existing long-COVID symptoms: A systematic review. eClinicalMedicine. DOI: 10.1016/j.eclinm.2022.101624.
[14] Robert-Koch-Institut (02.09.2022): SARS-CoV-2 Infektionen in Deutschland.
[15] DIVI-Intensivregister (02.09.2022): Zeitreihen.
[16] Bundesgesundheitsministerium (02.09.2022): Aktueller Impfstatus.
[17] Robert-Koch-Institut (02.09.2022): COVID-19-Impfungen in Deutschland.
[18] Robert-Koch-Institut (02.09.2022): COVIMO - COVID-19 Impfquoten-Monitoring in Deutschland.
[19] Universität Erfurt (02.09.2022): COSMO - COVID-19 Snapshot Monitoring.
[20] Siegrist CA et al. (2022): Human Papilloma Virus Immunization in Adolescent and Young Adults. The Pediatric Infectious Disease Journal. DOI: 10.1097/INF.0b013e318149dfea.
[21] Imperial College London (06.09.2022): Real-time Assessment of Community Transmission (REACT) Study.