Ein Jahr Einwegplastik-Verbot – was hat es gebracht?
Einwegplastik-Verbot in der EU gilt seit einem Jahr
ökologischer Nutzen des Verbots umstritten
Experten: starke Signalwirkung des Verbots auf Industrie, Ersatzprodukte aber meist nicht umweltfreundlicher
Seit einem Jahr sind in der EU einige Produkte aus Einwegplastik verboten. Einwegbesteck und Einwegteller, Strohhalme und Wattestäbchen aus Plastik sowie Lebensmittelverpackungen und Becher aus Styropor dürfen seitdem nicht mehr verkauft werden. In Deutschland ist zudem seit 2022 die Ausgabe von Plastik-Einkaufstüten im Handel verboten. Sind solche Verbote gut für die Umwelt – oder eher Symbolpolitik?
Abteilungsleiter Circular Economy, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, Wuppertal
„Das EU-Einwegplastik-Verbot war ein sehr klares Signal, dass das Konzept der Wegwerf-Produkte aus Plastik in dieser Form nicht länger akzeptiert werden konnte, weil es massive Umweltbelastungen mit sich bringt – sowohl mit Blick auf die Verschmutzung der Umwelt als auch auf die CO2-Emissionen in der Herstellung dieser Produkte.“
„Die Industrie hat verstanden, dass die Europäische Kommission auch zu massiven Markteingriffen in Form von Produktverboten bereit ist und dies auch von der Bevölkerung mitgetragen wird – die Produktverbote wurden auch in der breiten Bevölkerung sehr positiv aufgenommen. Dementsprechend ist in vielen Bereichen tatsächlich ein Umdenken erkennbar: Die Industrie sucht intensiv nach Alternativen zu Einwegplastik, weil das so von den Kund*innen eingefordert wird. Über die verbotenen Produkte hinaus hat die Einwegplastik-Richtlinie also auch eine intensive Debatte darüber angestoßen, wo der Einsatz von Kunststoff tatsächlich sinnvoll ist.“
„Leider werden den Verbraucher*innen dabei auch vermeintlich umweltfreundliche Alternativen angeboten, die mit Blick auf den gesamten Lebenszyklus der Produkte kein Stück besser abschneiden. Gerade im Verpackungsbereich gibt es zunehmend Kombinationen aus Papier und Pappe mit Kunststoffen, die auf den ersten Blick ökologisch erscheinen, das Recycling der Verpackung aber massiv erschweren. Hier ist der Gesetzgeber dringend gefordert, für mehr Transparenz zu sorgen und die Verbraucher*innen bei ihren Konsumentscheidungen zu unterstützen: Was ist wirklich sinnvoll und was ist reines Greenwashing? Auf europäischer Ebene sollte daher auch dringend diskutiert werden, nicht nur Einwegprodukte aus Plastik in den Blick zu nehmen, sondern insgesamt klare Anreize für den Ausstieg aus der Wegwerf-Gesellschaft zu setzen. Beim Verbot einzelner Produkte sollte dabei auch immer mitbedacht werden, auf welche Alternativprodukte der Markt vermutlich ausweichen wird. Notwendig wäre daher die umfassende Beteiligung der Industrie an den konkreten Umweltkosten, die ihre Produkte verursachen – von Zigarettenkippen bis hin zu Textilien, die leider auch immer stärker als Einwegprodukt genutzt werden.“
Leiter des Fachgebietes Ressourcenmanagement und Abfalltechnik, Fachbereich Bauingenieur- und Umweltingenieurwesen, Universität Kassel
„Das Verbot von Einwegkunststoff-Produkten der EU (nach Artikel 5 der Richtlinie 2019/904) führt in Deutschland potenziell zu einer geringen Reduktion des Kunststoffabfall-Aufkommens aus Privathaushalten von etwa 0,4 Kilogramm pro Einwohner und Jahr [1]. Das entspricht im Vergleich etwa 1,6 Prozent der jährlichen Kunststoffverpackungs-Abfallmenge aus Privathaushalten. Davon abgesehen adressiert die Richtlinie auch Einweg-Getränkebecher und Take-Away-Verpackungen aus Kunststoff hinsichtlich einer Verbrauchsminderung (diese Produkte sind nicht verboten, die Richtlinie verpflichtet aber EU-Länder, den Verbrauch davon bis 2026 deutlich zu verringern [I]; Anm. d. Red.). In Bezug auf das Aufkommen und die Verwertung von Kunststoffabfällen spielen diese Einwegkunststoff-Produkte aber insgesamt eine eher untergeordnete Rolle [2].“
„Auch zum Ziel der Reduktion von Kunststoffeinträgen in die Meere kann das Einwegkunststoff-Verbot nur einen geringen Beitrag leisten – global gesehen würde das Verbot in der EU laut einer Studie zu einer Abnahme von weniger als 0,06 Prozent führen [3]. Grund dafür ist, dass Kunststoffabfälle aus der EU heutzutage aufgrund der geordneten Entsorgung und Verwertung in der Regel nicht im Meer landen und die größten Kunststoffeinträge in anderen Teilen der Welt stattfinden.“
„Die stoffliche Verwertungsquote (stoffliche Verwertung bedeutet Recycling; Anm. d. Red.) der verbotenen Einwegkunststoff-Produkte liegt nur bei etwa zehn Prozent [1], da diese in der Praxis kaum einem Recycling, sondern in der Regel einer Verbrennung zugeführt werden. In vielen Fällen werden aber die alternativen Produkte nur zu einem geringen Anteil recycelt – beispielsweise kunststoffbeschichtete Papiere – und weisen oft höhere Eigengewichte und damit einen größeren Materialverbrauch auf. Sofern Einwegkunststoff-Produkte lediglich durch andere Einwegprodukte ersetzt werden, ist dies generell kritisch zu sehen, da per se keine Erhöhung der Ressourceneffizienz gegeben ist. Vermeidungs- und Wiederverwendungsansätze weisen dahingehend größere Potenziale auf. In Bezug auf Mehrweg-Alternativen spielt insbesondere eine ausreichend hohe Anzahl an Nutzungszyklen eine entscheidende Rolle. Ob sich die Substitution eines Kunststoffstrohhalms beispielsweise durch einen Glasstrohhalm lohnt, hängt insbesondere davon ab, wie viele Nutzungen der Glasstrohhalm während seines Produktlebens erfährt. Wird dieser nur selten genutzt, bevor er entsorgt wird, ist er nicht umweltfreundlicher als die Einwegkunststoff-Alternative.“
„Das Einwegkunststoff-Verbot betrifft zwar nur geringe Mengen, hat jedoch insgesamt die öffentliche Aufmerksamkeit für das Problem der Wegwerfprodukte geschärft. Auch die verpflichtende Kennzeichnung von Einwegkunststoff-Produkten war ein Schritt in die richtige Richtung. Die Diskussion sollte allerdings nicht nur beschränkt auf Kunststoffe, sondern generell für Einwegprodukte geführt werden, um in Sinne der Kreislaufwirtschaft Abfälle zu vermeiden. Wenn Produkte das Lebensende erreicht haben und zu Abfall werden, gilt weiterhin, dass die getrennte Sammlung und die zielorientierte Verwertung die besten Voraussetzungen für eine ökologische Kreislaufwirtschaft sind.“
Fachbereichsleiter Industrie und Produkte, Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu)
„Die Identifikation der im Rahmen der Einwegplastik-Richtlinie verbotenen Produkte referenziert auf eine Analyse der ‚Top-Litter-Items‘ (die am häufigsten gefundenen Abfallprodukte an Stränden in der EU; Anm. d. Red.) [4]. Diese Analyse ist nicht repräsentativ für den gesamten EU-Raum. Auch werden primär Produkte verboten, für die es bereits heute etablierte Alternativen gibt. Die direkte Auswirkung ist somit begrenzt und die Umsetzung gesamtwirtschaftlich realisierbar – auch wenn einzelne, direkt betroffene Unternehmen das gegebenenfalls anders beurteilen.“
„Viel gewichtiger sind die indirekten Auswirkungen der Richtlinie. Bereits mit dem ersten Entwurf hat innerhalb der kunststoffverarbeitenden Branche eine breite Diskussion eingesetzt, die deutlich über den Gegenstand der Richtlinie hinausgeht.“
„Grundsätzlich müssen wir die Ergebnisse dieser Diskussion differenziert betrachten. Auf der einen Seite sehen wir Akteure, die sich aktiv mit den Umweltwirkungen ihrer Produkte auseinandersetzen und an langfristigen Optimierungen zur Erhöhung der Umweltverträglichkeit arbeiten. Diese zeigen Bemühungen, den Materialeinsatz zu reduzieren, das Material in sehr engen Kreisläufen zu nutzen oder nach alternativen Rohstoffen zu suchen – wie biobasierten Rohstoffen oder Rohstoffen aus einer chemischen oder sonstigen physikalischen Aufbereitung anderer Kunststoffabfälle.“
„Auf der anderen Seite sehen wir aber auch viel Aktionismus im Zusammenhang mit der Richtlinie. Treiber ist dabei der Ausstieg aus dem Kunststoffprodukt um jeden Preis und ohne eine wissenschaftlich fundierte Analyse der Umweltfolgen.“
„Oftmals werden dann leichtgewichtige – also eigentlich materialreduzierte – Kunststoffprodukte durch deutlich schwerere, faserbasierte Alternativen ersetzt, die teilweise wieder mit Kunststoff ausgestattet sein müssen, um überhaupt den Produktanforderungen zu entsprechen. Dabei wird oft außer Acht gelassen, dass natürlich auch mit der Forstwirtschaft – aus der ja die Fasern für das Verpackungsmaterial kommen – Umweltfolgen einhergehen. Insbesondere dann, wenn Plantagenholz verwendet wird und damit eine direkte oder indirekte Landnutzungsänderung einhergeht, oder wenn keine zertifiziert nachhaltige Forstwirtschaft betrieben wird und wir somit nachteilig in die CO2-Speicherfähigkeit der Wälder eingreifen. Die Umweltauswirkungen der Forstwirtschaft oder des Biomasseanbaus sehen wir besonders in der Bewertung der Auswirkungen auf die Biodiversität. Daher ist es wichtig, auch bei der Umweltbewertung nicht monothematisch auf ein Umweltproblemfeld zu schauen, sondern einen multikriteriellen Ansatz – beispielsweise eine Ökobilanz – zur Bewertung der verschiedenen Alternativen zu nutzen.“
„Die Ökobilanz hat als Bewertungsinstrument den Vorteil, dass sie sowohl den Materialfluss als auch den Energiefluss eines Systems betrachtet. Fragen der Materialwahl sowie der Recyclingfähigkeit – also der Kreislaufführung – sind in der Regel ein wichtiger Bestandteil der in einer Ökobilanz betrachteten Systemräume und können somit sachgerecht und transparent bewertet werden.“
„Statt eines Verbotes ausgewählter Produkte hätten wir uns aus Sicht der wissenschaftlichen Produktbilanzierung eine mehr in die Zukunft gerichtete Auseinandersetzung mit der Thematik der Verpackungsabfälle und anderer Einwegprodukte gewünscht. Denkbar wäre eine Strategie oder Roadmap, die auf wissenschaftlich fundierte Analysen aufbaut und mit funktionalen Steuerungselementen flankiert ist. Diese könnte einerseits den Ausstieg aus den aus Umweltsicht unerwünschten Produkten forcieren, anderseits aber auch eine Transformation der Märkte hin zu den gewünschten Produkten und Lösungen unterstützen.“
„Es ist für alle Beteiligten am Ende des Tages schwer zu beurteilen, ob die Richtlinie mehr sinnvolle und durchdachte Lösungen und Optimierungsbemühungen in die Diskussion gebracht hat oder ob die dem Aktionismus geschuldeten, ökobilanziell nicht immer zielführenden Umstellungen überwiegen. Medial nehmen wir in der Regel den Aktionismus deutlich stärker wahr. Es fehlen aus unserer Sicht aber valide Daten zur Evaluation der Wirksamkeit der Richtlinie.“
Senior Researcher, Ressourcen & Mobilität, Öko-Institut e.V.
„Die Einführung der EU-Richtlinie zu Einweg-Kunststoffen bringt mehrere positive Effekte für die Umwelt. Neben dem in der Öffentlichkeit vielfach diskutierten Verbot von einzelnen Produkten – wie Trinkhalmen oder Einweg-Besteck – wurden Anforderungen an das Produktdesign eingeführt. Beispielsweise müssen Verschlüsse von Einweg-Kunststoffflaschen fest mit der Flasche verbunden sein, so dass sie nicht mehr so leicht in die Umwelt gelangen. Die Richtlinie schreibt weiterhin auch vor, dass PET-Flaschen ab 2025 zu mindestens 25 Prozent aus Recycling-Kunststoff bestehen müssen.“
„Häufig wurden die Einwegplastikprodukte durch Produkte aus Naturmaterialien ersetzt, wie beispielsweise Trinkhalme aus Bambus, Besteck aus Holz oder Teller aus Pappe – manchmal auch durch dauerhafte Materialien, beispielsweise Trinkhalme aus Metall. Für die Umwelt stellen solche Produkte eine wesentliche Verbesserung dar, da sie im Gegensatz zu Plastikprodukten seltener in die Meere getragen werden und im Fall von Naturmaterialien in der Umwelt abbaubar sind.“
„Mit der Richtlinie wurde eine sogenannte erweiterte Herstellerverantwortung für bestimmte Kunststoffprodukte eingeführt. Demnach müssen sich die Hersteller an den Kosten zu beteiligen, die diese Produkte verursachen, wenn sie in die Umwelt gelangen. In Deutschland ist dieser Teil der Richtlinie zurzeit noch im Gesetzgebungsverfahren, da für die Umsetzung ein nationales Gesetz eingeführt werden muss. Es gibt allerdings ein konkretes Beispiel, wo dies bereits umgesetzt wird: Das Bundesumweltministerium hat einen Vertrag mit dem Naturschutzbund (NABU) und den Herstellern von Fischfanggeräten – zum Beispiel Netzen – geschlossen, nach dem die Hersteller die Kosten für die Reinigung von Häfen durch den NABU übernehmen.“
„Das Verbot war ein wichtiges Signal gegen die Plastikverschmutzung der Umwelt, insbesondere der Meere. Eine sinnvolle Ergänzung wäre ein EU-weites Pfandsystem für Einwegplastik-Produkte, wie es in Deutschland bereits für Getränkeverpackungen besteht. Dies würde einen starken Anreiz für Verbraucher*innen schaffen, die Produkte nach Verwendung wieder dem Recycling zurückzuführen. Weiterhin wäre es sinnvoll, die erweiterte Herstellerverantwortung auch auf andere Kunststoffprodukte auszuweiten.“
„Es besteht kein Interessenkonflikt.“
„Ich habe keine Interessenkonflikte.“
Alle anderen: Keine Angaben erhalten.
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Schmidt S et al. (2021): The multidimensional effects of single-use and packaging plastic strategies on German household waste management. Waste Management. DOI: 10.1016/j.wasman.2021.06.003.
[2] Naturschutzbund Deutschland (2018): Einweggeschirr und To-Go-Verpackungen. Abfallaufkommen in Deutschland 1994 bis 2017.
[3] Herberz T et al. (2020): Sustainability Assessment of a Single-Use Plastics Ban. Sustainability. DOI: 10.3390/su12093746.
[4] Addamo AM et al. (2017): Top marine beach litter items in Europe. A Review and Synthesis Based on Beach Litter Data. MSFD Technical Group on Marine Litter. DOI: 10.2760/496717.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Europäische Union (2019): Single-use plastics ban.
[II] Ehrlinspiel M et al. (2022): Strafsache Strohhalm: was Verbote von Einweg-Kunststoffprodukten wirklich bringen; Fakten, Standpunkte, Analysen. Bericht der Röchling Stiftung, Wider Sense und des Wuppertal Instituts.
[III] Europäische Kommission: Circular economy action plan.
Dr. Henning Wilts
Abteilungsleiter Circular Economy, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, Wuppertal
Prof. Dr. David Laner
Leiter des Fachgebietes Ressourcenmanagement und Abfalltechnik, Fachbereich Bauingenieur- und Umweltingenieurwesen, Universität Kassel
Benedikt Kauertz
Fachbereichsleiter Industrie und Produkte, Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu)
Jürgen Sutter
Senior Researcher, Ressourcen & Mobilität, Öko-Institut e.V.