Potenzielle Immunisierung gegen RSV für gesunde Säuglinge
Eine einzige Dosis des monoklonalen Antikörpers Nirsevimab bietet einer aktuellen Studie im „New England Journal of Medicine“ (siehe Primärquelle) zufolge bei Säuglingen einen guten Schutz gegen das respiratorische Synzytial-Virus (RSV). Die Wirksamkeit des Präparats gegen RSV-bedingte Infektionen der unteren Atemwege gaben die Forschenden mit 74,5 Prozent an. Insgesamt wurden 1490 Säuglinge untersucht: 994 wurden der Nirsevimab-Gruppe und 496 der Placebo-Gruppe zugewiesen. RSV-Infektionen traten bei zwölf Säuglingen (1,2 Prozent) in der Nirsevimab-Gruppe und bei 25 Säuglingen (5) in der Placebo-Gruppe auf. Die Wirksamkeit gegen Hospitalisierung lag bei 62,1 Prozent.
Leiter der pädiatrischen Infektiologie und Immunologie, Kinderklinik und Poliklinik, Universitätsklinikum Würzburg
„Die Ergebnisse sind bedeutsam und belegen die Wirksamkeit einer Prophylaxe mit Nirsevimab gegen RSV-Atemwegsinfektionen vor allem bei Säuglingen im ersten Lebenshalbjahr, eine Infektionskrankheit gegen die bisher bei gesunden, reifgeborenen Säuglingen keine effektive Prophylaxe oder Therapie zugelassen ist.“
„Palivizumab wird aufgrund der begrenzten Wirksamkeit und der hohen Kosten vor allem für sehr kleine Frühgeborene und andere Hochrisikopatienten empfohlen. Zu den Kosten von Nirsevimab wird in der Studie keine Aussage getroffen. Allerdings ist der Aufwand relativ hoch: Um eine Krankenhausaufnahme zu verhindern, die zum Beispiel in der Studie bei 1,6 Prozent der mit Placebo behandelten Säuglinge auftrat, müssten 50 bis 60 gesunde Säuglinge mit Nirsevimab behandelt werden. Abhängig von den Kosten des Medikaments kann das ein erheblicher finanzieller Aufwand sein.“
Auf die Frage, wie das Risiko der Nebenwirkungen von Nirsevimab im Vergleich zum Risiko von RSV-Infektionen zu bewerten ist:
„Für eine validierte Bewertung ist es noch zu früh, die vorliegenden Daten reichen hierfür nicht aus. Letztlich ist die Studie zu klein, um die aufgetretenen Todesfälle in einen kausalen Zusammenhang mit der Behandlung mit Nirsevimab zu bringen, das heißt, es könnte auch Zufall gewesen sein. Hier sind im nächsten Schritt deutlich größere Studien erforderlich. Insgesamt verlaufen die Erkrankungen von den meisten der mit RSV ins Krankenhaus aufgenommenen Säuglingen ohne schwere Komplikationen, relativ häufig muss Sauerstoff für einige Tage gegeben werden, ein kleiner Teil der Säuglinge benötigt eine Unterstützung bei der Atmung, Todesfälle kommen bei gesunden Säuglingen extrem selten vor.“
„Die vorliegende Studie kann die Verhinderung schwerer letaler oder beatmungspflichtiger RSV- Erkrankungen nicht belegen, da sie als Studie hierfür zu wenig Probanden aufgenommen hat. Damit kann die Wirksamkeit gegenüber seltenen beziehungsweise extrem seltenen Erkrankungen hier nicht belegt werden. Es werden hierzu wesentlich größere Studien benötigt, um sicher zu belegen, dass auch diese Erkrankungen verhindert werden können und wie hoch dann der Aufwand hierfür ist.“
„Wir beziehen Drittelmittel von der Firma Janssen für wissenschaftliche Forschung im Bereich der Atemwegserkrankungen.“
Primärquelle
Hammitt LL et al. (2022): Nirsevimab for Prevention of RSV in Healthy Late-Preterm and Term Infants. New England Journal of Medicine. DOI: 10.1056/NEJMoa2110275.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Liese J et al. (2018): Prophylaxe von schweren Erkrankungen durch Respiratory Syncytial Virus (RSV) bei Risikokindern. S2-Leitlinie. AWMF online.
[II] Madhi SA et al. (2020): Respiratory Syncytial Virus Vaccination during Pregnancy and Effects in Infants. New England Journal of Medicine. DOI: 10.1056/NEJMoa1908380.
Prof. Dr. Johannes Liese
Leiter der pädiatrischen Infektiologie und Immunologie, Kinderklinik und Poliklinik, Universitätsklinikum Würzburg