Welche Rolle können synthetische Treibstoffe beim Klimaschutz spielen?
Der Verkehr muss auch einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, dringend. Was Autos angeht, geht der Trend zum Elektroauto. Trotzdem werden immer wieder auch künstlich hergestellte Treibstoffe als Alternative ins Spiel gebracht, die synthetischen Treibstoffe oder E-Fuels. Fachleute aus der Öl- und Autoindustrie betonen als Vorteil, dass damit auch die bestehenden Pkw- und Lkw-Flotten dekarbonisiert werden könnten. Außerdem gibt es Hoffnungen, Verbrenner in eine klimaneutrale Zukunft zu retten. Klima- wie Energieforscherinnen und -forscher weisen demgegenüber auf die schlechte Energiebilanz bei der Produktion dieser Treibstoffe hin, man müsste viel mehr Windanlagen und Photovoltaik für E-Fuel-Fahrzeuge aufbauen als für reine E-Autos. Außerdem wären die Treibstoffe sehr teuer.
Tatsächlich sparen synthetische Treibstoffe nach Kenntnis der Forschung wegen ihres großen Energiebedarfs am wenigsten CO2 von allen alternativen Technologien für Pkw, das zeigt dieses Fact Sheet (Tabelle 2). Es handelt sich um eine Technik, die wahrscheinlich frühestens Ende des Jahrzehnts so weit ausgebaut ist, dass sie für den Klimaschutz eine signifikante Wirkung entfaltet. Synthetische Treibstoffe bieten sich daher für die Verkehre an, für die es keine Alternative gibt: Luft- und internationale Seefahrt.
Dieses Fact Sheet kann hier als PDF heruntergeladen werden.
Synthetische Treibstoffe sind Kohlenwasserstoffe wie Benzin, Diesel, Methan oder Methanol, die allerdings aus Wasserstoff und Kohlenstoff gewonnen werden, anstatt aus Öl oder Erdgas. Die Technik zur Herstellung ist nicht neu: Im zweiten Weltkrieg deckte die deutsche Luftwaffe ihren Verbrauch aus der so genannten Kohleverflüssigung mithilfe des Fischer-Tropsch-Verfahrens. Heute soll der Kohlenstoff statt aus Braun- oder Steinkohle aus dem CO2 der Luft selbst gewonnen werden (dazu siehe unten). Der für den Klimaschutz wichtige Gedanke dabei:
In allen Fällen spielt Strom aus Erneuerbaren Energien (EE), vor allem Wind und Photovoltaik (PV), die entscheidende Rolle: mit seiner Hilfe soll der Wasserstoff aus Wasser gewonnen und auch der Kohlenstoff aus CO2-Abscheidung bereitgestellt werden. Diese Treibstoffe werden daher in Studien oft auch als strombasiert bezeichnet, im Gegensatz zu biomassebasierten oder fossilen.
Produktion alternativer Treibstoffe
Die folgende Tabelle verdeutlicht, welche Techniken als Ersatz für klassische Verbrennungsmotoren derzeit diskutiert werden, und wie viele Produktionsschritte notwendig sind, bis ein Auto mit dem Treibstoff losfahren kann. Zum Vergleich haben wir die Angaben für Brennstoffzellen- und Batterieautos ergänzt.
Wie viel CO2 lässt sich durch synthetische Treibstoffe, Brennstoffzellen- oder Batterieautos im Vergleich zum klassischen Verbrenner einsparen?
In der Literatur finden sich zu dieser Fragstellung kaum leicht nachvollziehbare Darstellungen. Die beste fanden wir in der RESCUE-Studie [5, S. 84], sie gibt jedoch nur an, wie viel Energie in Form synthetischer Treibstoffe pro kWh erneuerbaren Stroms erzeugt werden kann. Um zu ermitteln, wie viel CO2 damit beim Autofahren im Prinzip gespart werden könnten, haben wir die Daten nach der Europäischen Empfehlung für Simulationsrechnungen [12] auf den Verbrauch von PKW umgerechnet. Die Empfehlung legt dabei Werte für zukünftige Fahrzeuge der Kompaktklasse auf dem Technologielevel von 2025 zu Grunde. Wichtig: Das Ergebnis zeigt keine tatsächlichen Werte (dafür erscheinen alle Vorgaben durch die Literatur etwas optimistisch), sondern Verhältnisse – man kann erkennen, welche Technik am meisten CO2 pro eingesetzter kWh einspart. Zum Vergleich haben wir wiederum die Daten für Brennstoffzellen- und Batterieautos hinzugefügt.
Welche weiteren Vor- und Nachteile synthetischer Kraftstoffe werden in der Wissenschaft diskutiert?
Welche Menge an synthetischen Treibstoffen ist für den Klimaschutz nötig?
Auf diese Frage hat die Wissenschaft keine eindeutige Antwort. Das wäre aber wichtig, weil die Technik teuer ist und nur mit Subventionen aufgebaut werden könnte [4] [10]. Damit nicht zu viel (Steuer-)Geld ausgegeben wird für eine Technik, die nach kurzer Zeit wieder obsolet ist (stranded investments), wäre es dringend nötig, den Bedarf möglichst genau einzugrenzen.
Keine Studie hat übrigens bis jetzt einbezogen, dass weltweit immer mehr Länder den Verkauf und später den Gebrauch von Verbrenner-Fahrzeugen ab 2025/30/35 verbieten wollen. Davon können auch Fahrzeuge betroffen sein, die mit synthetischen Treibstoffen betrieben werden.
Woher kommt der Kohlenstoff für die synthetischen Treibstoffe?
Das ist ein weiterer wichtiger Faktor, damit synthetische Treibstoff den Klimawandel nicht verschärfen.
Wie teuer werden die synthetischen Treibstoffe?
Studien gehen in der Regel davon aus, dass der Preis pro Liter für synthetische Treibstoffe auf Dauer zum Teil erheblich über denen für die fossile Variante liegen wird.
Wann können wir synthetisches Benzin an der Tankstelle zapfen?
Kein Produktionsverfahren ist zum derzeitigen Zeitpunkt im industriellen Verfahren einsatzbereit. Forscher rechnen daher damit, dass die ersten großen Anlagen erst ab Mitte des Jahrzehnts gebaut werden [11].
Die Diskussion um synthetische Treibstoffe findet unter einem erheblichen Zeitdruck statt: Wenn es das Ziel der Politik in Europa ist, die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, um eine katastrophale Klimaerhitzung zu vermeiden, verbleiben nur noch wenige Jahre, um die Treibhausgasemission gesenkt zu haben. Da erscheint es sinnvoll/plausibel, auf einen Technologiewettbewerb, der noch gar nicht begonnen hat, zu verzichten und stattdessen den Einsatz unterschiedlicher Treibstoffe durch politische Entscheidungen zu priorisieren und vor allem auf die zu setzen, die am meisten CO2 vermeiden. Zumal immer mehr Nationen dazu übergehen, die Zulassung von Verbrennern ab einem bestimmten Jahr zu verbieten. Technisch wäre es sinnvoll, den Einsatz von synthetischen Treibstoffen stark zu begrenzen zugunsten von Batterie- und Brennstoffzellenfahrzeugen [4] [5]:
[1] Agora Verkehrswende et al. (2018): Die zukünftigen Kosten strombasierter Brennstoffe.
[2] Prognos (2020): Kosten und Transformationspfade für strombasierte Energieträger. Endbericht zum Projekt „Transformationspfade und regulatorischer Rahmen für synthetische Brennstoffe“, Studie im Auftrag des Bundesministers für Wirtschaft und Energie.
[3] Robinius M et al. (2020): Wege für die Energiewende. Kosteneffiziente und klimagerechte Transformationsstrategien für das deutsche Energiesystem bis zum Jahr 2050. Schriften des Forschungszentrums Jülich, Reihe Energie & Umwelt / Energy & Environment, Bd. 499.
[4] Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRA) (2017): Umsteuern erforderlich: Klimaschutz im Verkehrssektor. Sondergutachten November 2017.
[5] Purr K et al. (2020): Wege in eine ressourcenschonende Treibhausgasneutralität – RESCUE-Studie. BMU Climate Change 36/2019.
[6] Sterchele P et al (2020): Wege zu einem klimaneutralen Energiesystem. Die deutsche Energiewende im Kontext gesellschaftlicher Verhaltensweise. Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE, Freiburg.
[7] Gerbert P et al (2018): Klimapfade für Deutschland. Studie der Boston Consulting Group und Prognos, in Auftrag gegeben durch den Bundesverband der Industrie (BDI).
[8] Nationale Plattform Zukunft der Mobilität NPM (2019): Elektromobilität. Brennstoffzelle. Alternative Kraftstoffe – Einsatzmöglichkeiten aus technologischer Sicht. 1. Kurzbericht der AG2 – Alternative Antriebe und Kraftstoffe für nachhaltige Mobilität.
[9] NPM (2020): Einsatzmöglichkeiten unter realen Rahmenbedingungen. 2. Kurzbericht der AG2.
[10] NPM (2019): Wege zur Erreichung der Klimaziele 2030 im Verkehrssektor. Zwischenbericht 03/2019, Arbeitsgruppe 1 – Klimaschutz im Verkehr.
[11] NPM (2020): Werkstattbericht alternative Kraftstoffe – Klimawirkungen und Wege zum Einsatz alternativer Kraftstoffe. Arbeitsgruppe 1 – Klimaschutz im Verkehr.
[12] European Comission: JEC Tank to Wheels Report v5 Passenger Cars.
[13] IPCC (2018): Global Warming of 1.5°C.
[14] Agora (2019): Klimabilanz von Elektroautos. Einflussfaktoren und Verbesserungspotenzial.
[15] EU-Parlament und EU-Rat (21.12.2018): Richtlinie (EU) 2008/2001 des europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Neufassung). Amtsblatt der europäischen Union.
Einleitung angepasst am 10.01.2023