IPCC Sonderbericht über Klimawandel und Landsysteme
Vom 2. bis zum 6. August 2019 fand in Genf die 50. Plenarsitzung des Internationalen Weltklimarates (IPCC) statt. Die 195 Mitgliedsstaaten des IPCC hatten mit Verzögerung am 7. August Zeile für Zeile ihren Sonderbericht verabschiedet. Titel: „Klimawandel und Landsysteme: Ein IPCC-Sonderbericht über Klimawandel, Desertifikation, Landdegradierung, nachhaltiges Landmanagement, Ernährungssicherheit und Treibhausgasflüsse in terrestrischen Ökosystemen“ (SRCCL) (siehe Primärquelle). Der Bericht einschließlich der Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger: Summary for Policymakers, SPM, wurde am 8. August 2019 in Genf bei einer Pressekonferenz vorgestellt. Er fasst den wissenschaftlichen Kenntnisstand zusammen.
Leiterin der Arbeitsgruppe Pflanze-Atmosphäre Wechselwirkung und Leiterin der Abteilung für Ökosystem-Atmosphäre Wechselwirkung, Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU), Karlsruher Institut für Technologie, Garmisch-Partenkirchen. Prof. Arneth ist Mitautorin des vorliegenden Sonderberichtes.
Auf die Frage, welche Erkenntnisse über die Folgen des Klimawandels sich im nun vorliegenden Sonderbericht gegenüber dem vorangegangen IPCC-Bericht verändert oder manifestiert haben: „Manifestiert hat sich, dass Klimawandel – vor allem die damit einhergehenden Wetterextreme wie Hitze, Trockenheit, Flut – in vielen Regionen ein Risiko für Ernteausfälle darstellt. Nicht nur hinsichtlich der Lebensmittel, sondern auch für Holz. Und je wärmer es wird, desto höher das Risiko. Aber generell zeigt sich im Bericht, wie unglaublich komplex die Zusammenhänge sind, zwischen Landnutzung, Klimawandel, Nahrungsmittelsicherheit, Pro-Kopf Konsum und vielem mehr. Klimawandel beeinflusst Landsysteme – und Landnutzung beeinflusst den Klimawandel, mit der Emission von 23 Prozent der gesamten Treibhausgase. Da gibt es natürlich Spielraum, diese zu reduzieren, um zur Klimawandelminderung beizutragen.“
„Gleichzeitig wird aber auch diskutiert, Landökosysteme noch zusätzlich zur Kohlendioxidaufnahme zu nutzen – durch großflächigen Anbau von Bioenergie und großflächige Aufforstung. Das klingt zunächst verlockend, und das abgeschätzte Aufnahmepotenzial (und die damit einhergehende Minderung des Klimawandels) ist beträchtlich. Allerdings verbergen sich hier beträchtliche negative Nebeneffekte: Die Landfläche ist bereits jetzt zu mehr als 70 Prozent, mehr oder weniger intensiv, genutzt. Alle Maßnahmen, die Fläche benötigen, müssen diesbezüglich analysiert werden: Welche Konflikte mit bestehender Nutzung ergeben sich und können diese gelöst werden, ohne weitere Umweltproblematik zu kreieren und ohne negative Auswirkungen gerade auch auf die arme Bevölkerung weltweit? Wenn bestehende landwirtschaftliche Flächen in großem Maßstab für Bioenergie genutzt werden, dann könnte dies beispielsweise erzielt werden durch Intensivierung von Nahrungsmittelproduktion – mit wahrscheinlich negativen Auswirkungen auf zum Beispiel Wasserknappheit (Bedarf für Bewässerung), Nitratbelastung im Wasser (Überdüngung), weitere Treibhausgasemissionen (Lachgasentwicklung aus Dünger) und weiterem Verlust von Biodiversität. Die gleiche Problematik existiert auch bei großflächiger Wiederaufforstung – inklusive der Biodiversitätsproblematik, insbesondere, wenn Monokulturen angelegt werden oder Ökosysteme bewaldet würden, die natürlicherweise nicht bewaldet sind (Savannen, Grasland). Darüber hinaus zeigen viele Studien auch, dass der Wettbewerb um Fläche zu Preisanstiegen für Lebensmittel führen würde. Und Aspekte, wie sich großflächiger Anbau von Bioenergie/Aufforstung mit bestehendem Landeigentum vereinbaren lassen, ‚land-grabbing‘ und so weiter sind ebenfalls noch zu berücksichtigen.“
„Klimaforscher haben bereits seit Jahrzehnten auf die Notwendigkeit hingewiesen, Treibhausgasemissionen von Verbrennung fossiler Brennstoffe zu reduzieren. An dieser Notwendigkeit hat sich natürlich nichts geändert. Und Landsysteme können da einen Beitrag leisten, mit Maßnahmen, die zeitnah umgesetzt werden können: das Beenden weiterer Waldrodung. Bodenbearbeitung, die Kohlenstoffgehalt erhöht. Düngemethoden, die Emissionen von Lachgas reduzieren. Renaturierung degradierter Ökosysteme. Reduktion von Nahrungsmittelverlusten entlang der gesamten Kette von den Produzenten bis hin zum Verbraucher. Und Verbraucher, die kritisch über den eigenen Konsum unter den Gesichtspunkten von Klima- und Umweltschutz reflektieren.“
„Die Hoffnung besteht natürlich weiterhin, dass die Politik auf die im Bericht geäußerten großen Bedenken reagiert. Der Bericht fasst ja genau aus diesem Grund potenzielle Maßnahmen zusammen, welche zeitnah umgesetzt werden können. Die Bewegungen wie Fridays for Future sind in diesem Zusammenhang sicher hilfreich.“
Wissenschaftlerin am Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit, Universität Hamburg
„Der Sonderbericht konzentriert sich auf die Wechselwirkungen zwischen Landnutzung und Klima. Die mittlere Temperatur auf der Landfläche der Erde hat sich doppelt so stark erhöht wie die globale Mitteltemperatur. Da wir Menschen vor allem an Land leben und wirken, hat dies einen besonders großen Einfluss auf uns. Wir erleben zum Beispiel mehr Wetterextreme, können aber durch Anpassung unsere Landnutzung auch mildernd auf diese einwirken.“
„Der Sonderbericht zeigt vor allem, dass der Klimawandel regional betrachtet werden muss. In einigen Regionen erlebt die Vegetation einen Aufschwung durch längere Vegetationsperioden und Stickstoffdüngung aus der Atmosphäre, in anderen wird es trockener und die Vegetation geht zurück. Ökosysteme verschieben sich, und Organismen werden, soweit sie es können, ihren bevorzugten Klimanischen hinterherwandern. Dies gilt auch für den Menschen, weshalb allgemein mit einer zunehmenden Migrationsrate zu rechnen ist.“
„Im Moment überwiegt der positive Einfluss des Klimawandels auf die Vegetation, eine größere Fläche wird grüner als brauner. Dadurch wird mehr Kohlenstoff auf Landflächen gebunden als beispielsweise durch Abholzung und Rodung freigesetzt wird. Diese Entwicklung wird allerdings nicht von Dauer sein, da immer mehr Fläche für die Landwirtschaft genutzt wird, wofür oft Ökosysteme mit großen Kohlenstoffspeichern wie Feuchtgebiete, Moore und Wälder umgewandelt werden und deren Kohlenstoff freigesetzt wird.“
„Viele der im Sonderbericht aufgezeigten Handlungsoptionen sind realistisch und umsetzbar. Ein geringerer Fleischkonsum zum Beispiel kann durch die in Deutschland angedachte Steuer auf Schweinefleisch relativ zügig umgesetzt werden. Dies verringert nicht nur direkte Emissionen aus der Tierhaltung, sondern verringert auch die landwirtschaftliche Fläche, die für die Futtermittelproduktion benötigt wird. Eine schonendere Bearbeitung des Bodens für den Erhalt von organischer Masse reich an Kohlenstoff ist ebenfalls durchführbar.“
„Um das gesetzte 2-Grad-Ziel zu erreichen, ist eine Anpassung der Landnutzung unumgänglich. Dies betrifft vor allem Kohlenstoffspeicherung in Wäldern durch Aufforstung und die Produktion von Material für Bioenergie. Bei der Bioenergieproduktion muss allerdings sehr genau auf die gesamte Bilanz geachtet werden, da die Abholzung und Aufforstung von Wäldern zum Beispiel zwar klimaneutral ist, aber keine Speicherung von Kohlenstoff mehr stattfindet. Die Verwendung von Restmasse aus anderer landwirtschaftlicher Produktion kann sich hingegen positiv auswirken.“
Senior Researcher am RFF-CMCC European Institute on Economics and the Environment (EIEE), Mailand, Italien
„In dem nun vorliegenden Sonderbericht zeigt sich, dass die Auswirkungen des Klimawandels schon deutlich messbare Einflüsse vor allem in den Bereichen Gesundheit (vor allem durch Hitzewellen) und Landwirtschaft haben. Dieser Bezug zu bereits sichtbaren Effekten und klare Aussagen im Sinne einer Zuordnung zur globalen Erwärmung sind in dieser wissenschaftlich dokumentierten Art eine neue Erkenntnis des Berichts.“
„Die globale Ernährungssicherheit und der Klimawandel werden zum ersten Mal in einer differenzierten Weise analysiert, die Klimafolgen, Anpassungsmaßnahmen und die Folgen von Klimapolitik gemeinsam berücksichtigt. Neben der Reduzierung der Erträge durch Klimaveränderungen und Schädlinge werden auch die negativen Einflüsse von niedrigem Wachstum und Ungleichheit thematisiert. Daneben wird berücksichtigt, dass auch vor allem der Umstieg auf Biokraftstoffe und Bioenergie ebenfalls die Ernährungssicherheit gefährden kann.“
„Der aktuelle Sonderbericht gibt einen sehr guten Überblick über die vielseitigen und verbundenen Auswirkungen des Klimawandels für unsere Lebensbedingungen, Nahrungsmittelversorgung und natürliche Umwelt. Da der Bezug auch zur Klimaveränderung der jüngeren Vergangenheit klar dargestellt wird, wird es damit schwieriger für die Politik, die konsequente Reduzierung von Treibhausgasen zu verzögern. Vielmehr sollte der Bericht genügend solide Argumente liefern, wieso die unmittelbaren positiven Effekte der schnellen Dekarbonisierung unserer Ökonomie sich auch in der nahen Zukunft zeigen werden. Insbesondere die klaren Aussagen zur Gefährdung der landwirtschaftlichen Erträge in den tropischen Breiten und die stärkere lokale Erwärmung in kühleren Ländern lassen hoffen, dass für die nächste Runde des Pariser Abkommens Nationen ihre Ambitionen verstärken werden.“
Leiter des Forschungsbereiches Ozeanzirkulation und Klimadynamik, Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR), Kiel
„Der Sonderbericht hebt erneut hervor, dass sich die Landregionen etwa doppelt so schnell erwärmen wie der weltweite Durchschnitt. Das zeigt, dass schleunigst gehandelt werden muss, um etwa unabsehbare Folgen für die Welternährung abzuwenden. Selbst bei der Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit, wie im Pariser Klimaabkommen vereinbart, werden die Temperaturen über den allermeisten Landflächen um deutlich mehr als zwei Grad steigen. Damit werden Temperaturen über 40 Grad in Deutschland in den kommenden Jahrzehnten immer wahrscheinlicher.“
Institut für Meteorologie und Klimaforschung, Süddeutsches Klimabüro, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Eggenstein-Leopoldshafen
„Der Bericht zeigt ganz klar die weiterhin große Bedeutung der Landnutzung beim Thema Klimawandel. Der Anteil der Landwirtschaft, Forstwirtschaft und weiteren Landnutzungsaktivitäten beträgt, wie auch in den letzten IPCC-Berichten, etwa 23 Prozent der gesamten anthropogenen Treibhausgasemissionen. Das bedeutet, dass der Hebel in diesem Bereich groß ist und sich mit Klimaschutzmaßnahmen in der Landnutzung ein Großteil der Ursachen des anthropogenen Klimawandels reduzieren lässt.“
„Der Bericht zeigt, dass bereits bei einem globalen Temperaturanstieg von 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit die Folgen für die Wasserverfügbarkeit, Waldbrandgefahr, Permafrost-Abbau sowie Ernährungssicherheit erheblich sind. Da die Temperaturen seit dem vergangenen IPCC-Bericht weiterhin angestiegen sind und aktuell bereits bei knapp einem Grad mehr liegen, hat sich der Handlungsdruck ebenfalls erhöht. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Anpassung an den Klimawandel. Dabei kann ein nachhaltiger Umgang mit Land- und Forstwirtschaft – wie beispielsweise das Verhindern oder Reduzieren des Waldabbaus – nicht nur den Ausstoß von Treibhausgasen verringern, sondern auch unvermeidbare Folgen des Klimawandels reduzieren.“
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Energie und Klimaschutz, Öko-Institut e.V.
„Der Bericht weist mehr als frühere Berichte auf die Wechselwirkungen zwischen Maßnahmen zur THG-Minderung (THG: Treibhausgase; Anm. d. Red.), Anpassung an den Klimawandel und nachhaltiger Entwicklung hin. Das ist ein ganz wichtiger Fortschritt, denn es hilft nicht, wenn andere wichtige Nachhaltigkeitsziele, wie Schutz der Biodiversität, für vermeintlich notwendige Umwandlungen von Land im Namen des Klimaschutzes geopfert werden. Besonders kritisch betrachtet der Bericht Maßnahmen, die erfordern, dass großflächig Land beansprucht wird, etwa für Bioenergie.“
„Es gibt eine ganze Reihe von Maßnahmen, die ohne großflächige Umwandlung von Land auskommen. Dazu zählen eine schonendere Bodenbearbeitung in der Landwirtschaft, die Erneuerung von degradierten Wäldern und der Schutz von Moorböden. Aber auch verringerte Verschwendung von Lebensmitteln und eine nachhaltigere Ernährung. Der Bericht liefert damit mehr Optionen als jemals zuvor, die ohne Risiken sofort angegangen werden können, um THG-Emissionen zu verringern und Landnutzung insgesamt nachhaltiger zu machen. Es gibt damit weniger Ausreden als jemals zuvor für die Politik zu handeln.“
außerordentlicher Professor am Institut für Soziale Ökologie, Department für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Universität für Bodenkultur Wien (BOKU), Wien, Österreich
„Der Bericht zeigt, dass die Herausforderungen für Landsysteme noch größer sind als angenommen. Die Erderhitzung ist an Land viel größer als im weltweiten Durchschnitt, das heißt: Land ist besonders stark betroffen. Die Auswirkungen der Erderhitzung sind bereits eindeutig nachweisbar und werden sich in absehbarer Zukunft verschärfen. Die Risiken sind besonders groß in Szenarien mit hohem Bevölkerungszuwachs und starker Erwärmung.“
„Der Bericht bietet ein differenziertes Bild über die Chancen und Herausforderungen, die mit landbasierter Mitigation – Kohlenstoffspeicherung in Ökosystemen oder Bereitstellung von Bioenergie, mit oder ohne Kohlenstoffabscheidung und -speicherung – verbunden sind. Die meisten Szenarien, in denen die Erderhitzung auf 1,5 bis 2,0 Grad Erwärmung begrenzt wird, benötigen erhebliche Landflächen, bis zu 7 Millionen Quadratkilometer, für Bioenergieproduktion gekoppelt mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung. Zum Vergleich: Das wäre fast die Hälfte der globalen Ackerfläche im Jahr 2000 von 15,2 Millionen Quadratkilometern.“
„Manche dieser landbasierten Maßnahmen bieten eine Reihe von ökologischen Vorteilen, etwa die Erhaltung oder Restaurierung von Moorflächen sowie der Schutz von natürlichen und naturnahen Wäldern. Diese speichern nicht nur viel Kohlenstoff, sondern haben auch einen hohen Wert für die Biodiversität. Ihre Erhaltung hätte auch soziale und ökonomische Vorteile und relativ geringe Kosten. Derartige Maßnahmen sollten prioritär verfolgt werden. Der Bericht zeigt, dass solche Maßnahmen, richtig implementiert, viele Co-Benefits und relativ geringe Risiken mit sich bringen.“
„Die Nutzung von Treibhausgas-Reduktionspotenzialen durch Ernährungsumstellung ist ebenfalls prioritär. Der Bericht zeigt, dass das Ernährungssystem beinahe ein Drittel der gesamten anthropogenen Treibhausgasemissionen verursacht. Alleine die Vermeidung von Lebensmittelverlusten könnte bis zu zehn Prozent der THG-Emissionen einsparen. Diese Bereiche sollten vorrangig angegangen werden, auch deshalb, weil sie geringe Kosten und hohe Gesundheits-Co-Benefits haben würden.“
„Die großflächige Umwandlung fruchtbaren Landes für Kohlenstoffspeicherung oder Bioenergieproduktion birgt große Potenziale, aber auch hohe Risiken. Der Bericht zeigt sehr deutlich, wie groß die Herausforderung ist, derartige Maßnahmen so zu implementieren, dass Risiken vermieden oder zumindest eingegrenzt werden und Vorteile gut genutzt werden können. Dies erfordert ein hohes Maß an Sorgfalt in Form von guter, faktenbasierter Planung und Kooperation. Die Implementierung muss flexibel und begleitet von robusten Monitoringinstrumenten erfolgen, um Risiken für Ernährungssicherheit und ökologische Risiken bis hin zu einer Verfehlung der intendierten THG-Reduktionsziele in einem akzeptablen Rahmen zu halten.“
„Eine aktuelle Studie aus unserem Haus [1] zeigt, dass die Frage, ob Wiederverwaldung (‚natural succession‘) oder Bioenergie bei Ersatz von Fossilenergie die größeren Vorteile für das Klima bietet, stark von den Technologien der Bioenergieverwendung sowie von den jeweiligen geographischen und Kontext-Gegebenheiten abhängt. Diese Studie konnte leider im Bericht nicht mehr berücksichtigt werden, sie wurde erst nach dem cut-off date publiziert. Die Ergebnisse zeigen, dass Bioenergie nicht immer der bestmögliche Beitrag zum Klimaschutz ist, der durch Nutzung einer verfügbaren Fläche erzielt werden kann. Da die Co-Benefits von natürlicher Sukzession erheblich sein können (zum Beispiel positive Wirkungen auf Biodiversität), sollte die Abwägung zwischen ‚natural climate solutions‘ und Bioenergie jedenfalls kontextspezifisch und sorgfältig getroffen werden.“
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Oxford Martin Programme on the Future of Food, Oxford Martin School, Social Science Division, Universität Oxford, Vereinigtes Königreich
„Der aktuelle Sonderbericht unterstreicht die katastrophalen Auswirkungen, die der Klimawandel schon ab einer Erwärmung von 1,5 Grad haben kann. Neu ist der spezielle Fokus auf unser Land- und Agrasystem. Der Klimawandel und nicht nachhaltige Bodenbearbeitung können laut Report massive Auswirkungen auf unser Leben und Lebensmittelsystem haben, zum Beispiel durch eine höhere Anzahl an extremen Wetterereignissen wie Dürre und Hitzewellen, und Vorsorgungsengpässe in der Lebensmittelversorgung.“
„Der IPCC-Report macht klar, dass es eines grundlegenden Wandels bedarf, wie wir unser Land nutzen und welche Lebensmittel wir darauf anbauen. Ohne eine Änderungen zu einer gesünderen und Resourcen schonenden Ernährungsweise, die weit weniger tierische Lebensmittel beinhaltet, gibt es kaum eine Chance, den Klimawandel ausreichend zu begrenzen. Nicht nur bietet eine auf mehr pflanzliche Produkte gestützte Ernährung ein großes Potenzial zur direkten Verminderung von Treibhausgasen, die ansonsten in der Tierhalten anfielen. Aber eine Änderung in der Ernährungsweise ist auch nötig, um genügend Weidefläche für den Anbau von Bioenergiepflanzen und zur Aufforstung bereit zu stellen – Maßnahmen, die ebenfalls für eine ausreichende Vermeidung des Klimawandels nötig sind.“
„Der Bericht spricht klar an, was nun in der Politik geschehen muss, um die nötigen Maßnahmen zur Bewältigung des Klimawandels und der nachhaltigen Bodenbearbeitung zu erreichen. Politische Entscheidungsträger müssten endlich anfangen, abteilungsübergreifend und zusammen mit der Zivilgesellschaft zu arbeiten, um die Weichen für eine umfassende Änderung hin zu einem nachhaltigen Landwirtschaftsystem zu stellen. Insbesondere sollten Gesundheits-, Landwirtschafts-, und Umweltpolitik stärker verzahnt werden, um eine nachhaltige Landwirtschaft zu fördern und eine gesunde und pflanzlichere Ernährung für jeden Bürger zu ermöglichen. Zu den konkreten Maßnahmen zählen die Unterstützung von Methoden nachhaltiger Landwirtschaft, die Aktualisierung von Ernährungsrichtlinien im Hinblick auf den Umwelteinfluss unseres Ernährungssystems, wie auch das Schaffen von finanziellen Anreizen für eine nachhaltige Ernährung, zum Beispiel durch Anpassung der Mehrwertsteuer oder der Besteuerung von tierischen Lebensmitteln mit gleichzeitigem Ausgleich für Geringverdiener.“
Inhaberin des Lehrstuhls für Physische Geographie und Landnutzungssysteme, Department für Geographie, Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), München
„Der Bericht zeichnet ein äußerst detailliertes Bild davon, welche Auswirkungen der Klimawandel auf die Vegetationsbedeckung der Erde hat — und wie Vegetationsveränderungen den Klimawandel beschleunigen oder abschwächen können. Während Grundlagen des Klimawandels, Klimafolgen und Maßnahmen zur Reduktion des Klimawandels in den sonstigen Sachstandsberichten des Weltklimarates getrennt sind, wird hier ein umfassendes Bild innerhalb eines Berichts gegeben — das spiegelt die untrennbaren Beziehungen zwischen Mensch, Land und Klima klar wider.“
„Ein Highlight ist für mich die Erweiterung der Diskussion der Klimaeffekte von Aufforstung und anderen Landnutzungsänderungen: Während der politische Fokus allein auf dem Aspekt der CO2-Aufnahme liegt, fasst der Bericht die Nebeneffekte zusammen, die Wälder auf die Wasser- und Energiebilanz haben. Und die, idealerweise, auch ganz lokal dem Klimawandel entgegenwirken können. Während der Fokus der Öffentlichkeit lange auf Entwaldung und Ausdehnung landwirtschaftlicher Flächen lag, diskutiert der Bericht, wie stark auch die Art der Bewirtschaftung der Wälder, Weide- und Ackerflächen Einfluss auf Erträge, Klima, Wüstenausdehnung und Erosion hat. Relevant ist also nicht allein, dass wir 70 Prozent der eisfreien Landoberfläche nutzen, sondern immer mehr auch, in welcher Art und Weise wir dies tun.“
„Der Sonderbericht stellt klar, dass die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels substanzielle Änderungen erfordert: schnelle Umstellungen im Energiesystem und unseren Lebensgewohnheiten, oder großer Einsatz von Negativemissionstechnologien wie großräumige Aufforstung oder Biomasseplantagen. Die Alternative ist ein Klimawandel, den der Bericht drastisch beschreibt, mit Zunahme von Feuern in borealen Wäldern, von Dürren im Mittelmeerraum und anderen Extremwetterereignissen, die die Nahrungsmittelsicherheit zunehmend gefährden. Welchen Pfad auch immer wir beschließen einzuschlagen: Gesellschaft wie Umwelt werden in Zukunft ganz anders aussehen, als wir sie bisher kennen.“
Leiter der AG Klimawandel und Extremereignisse, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH (UFZ), Leipzig
„Dieser Sonderbericht ist der Ergänzungsbericht zum SR1.5 (Sonderbericht 1,5°C globale Erwärmung; Anm. d. Red.), das heißt in der Beantwortung der durch den SR1.5 aufgeworfenen Fragen das Land betreffend. Der SR1.5 entwirft Mitigation-/Adaptation-Optionen, die tief in die Landnutzung eingreifen (Stichworte: Negativemissionen, BECCS (Biomasseverbrennung mit Kohlenstoffdioxidabscheidung; Anm. d. Red.)) und die nur im Zusammenhang mit anderen Herausforderungen der Landnutzungsentwicklung wie Biodiversität, Wüstenausbreitung und Ernährungssicherung ganzheitlich zu beantworten sind. Darauf zielt dieser Sonderbericht.“
„Im Vergleich zu den IPCC AR (IPCC-Assessment Report, AR; Anm. d. Red.) zeigt sich: methodologische Konstanz (Stichwort: ‚All-land-based-approach‘ statt ‚Zerfledderung‘ in den älteren AR), das heißt Fortentwicklung des AFOLU (‚Agriculuture, forestry and other land use‘)-Ansatzes sowie eine konsequente Anwendung des risikobasierten Ansatzes (AR5) bei der Bestimmung von ‚tolerablen‘ globalen Erwärmungsgraden unter Berücksichtigung von Möglichkeiten der Anpassung (Risikominderung) in den verschiedenen Weltregionen im Sektor AFOLU. Neu war für mich die Betonung der ‚Unvorhersehbarkeit‘ von Gefahren für die Landnutzung und, damit einhergehend, der fehlenden Möglichkeit zur Anpassung. Irritierend und zugleich Neugier erweckend fand ich die Weiterentwicklung des ‚All-land-based-approach‘ zu einem integrierten Stadt-Land-Ansatz in diesem Bericht. Um zu einem abschließenden Urteil dazu zu kommen, benötige ich den vollständigen Bericht; zunächst melde ich einige Vorbehalte zu den diesbezüglich in der SPM gemachten Aussagen an, zum Beispiel zum Potenzial von Urban Gardening.“
„Erkennbar ist das ‚Ringen‘ im SR um die Bestimmung der Netto-Senkenleistung der Natur in der Reaktion auf den Klimawandel. Er steht jetzt fest, er ist auf 6 GT CO2 pro Jahr beziffert, aber die Unsicherheit ist hoch (± 2,6 GT CO2 pro Jahr) und die Stabilität bei verstärktem Klimawandel zweifelhaft. Das kann man in der Tradition der früheren AR sehen, dann wäre es ein Fortschritt im Sinne der Klärung einer vormals offenen Frage; man kann es aber auch im Kontext der Forderungen des IPBES nach Anerkennung der Ökosystemdienstleistungen sehen, dann wäre es ein Beitrag zur Kohärenz.“
„Der Bericht hat ein eigenes Kapitel zu ‚Near-term Action‘ (D), das ganz klar macht, dass ambitionierter Klimaschutz in allen Sektoren (Stichwort: ‚across sectors‘) vorrangig ist. Insofern gibt es das Signal zu einem Aufbruch beim Climate Summit und bei COP25. Der SR betont an verschiedenen Stellen die Möglichkeit von Irreversibilitäten, Verluste von Landökosystemfunktionen und -dienstleistungen (zum Beispiel in Deutschland, Seiten 4/5). Ich sehe aber hier nicht sehr viel Konkretes. Das einschlägige Kapitel C (‚Adaptation und Mitigation‘) fällt eher kurz aus und weist tendenziell auf die Schwierigkeiten einer ‚All-land-based-policy‘. Es verweist damit meines Erachtens eher auf die anderen Sektoren (Energie, Verkehr, Verstädterung, Konsum und so weiter); eine ‚Landnutzungswende‘ sehe ich nicht daraus erwachsen. Gestärkt werden die Synergien einer klimaorientierten Land-, Forstwirtschaft und Flächennutzung mit anderen Nachhaltigkeitszielen wie Verhinderung von Wüstenausbreitung und Armutsbekämpfung. Auch habe ich nach der Lektüre etwas weniger Sorgen, dass Negativemissionsszenarien mit einer nachhaltigen AFOLU nicht vereinbar sind.“
Professorin am Center für Klimasystem-Modellierung, Institut für Atmosphäre und Klima (IAC), Department Umweltsystemwissenschaften, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ), Zürich, Schweiz
„Der IPCC SR-Land-Bericht zeigt, dass nachhaltige Landnutzung eine zentrale Rolle in der Bewältigung der jetzigen Klimakrise innehat.“
„Während Aufforstung und die Produktion von Bioenergie helfen könnten, das globale CO2-Budget neutraler zu machen, können sie gleichzeitig auch Landdegradation verursachen oder die globale Produktion von Nahrungsmittel gefährden. Diese Risiken müssen alle sorgfältig ausgewogen werden.“
„Ich erkläre keine Interessenskonflikte zu haben, da ich nicht Autor des Berichts bin.“
„Ein enger Kollege von mir, Prof. Karl-Heinz Erb, mit dem ich auch viel publiziert habe, war unter den Lead Authors des Berichtes. Er taucht aber nicht als Autor des SPM auf.“
„Keine Interessenkonflikte, aber eine Mitarbeiterin in der Autorenliste.“
„Ich bin Sprecher für REKLIM Topic 7: Risk analysis and risk management for integrated climate strategies; in dieser Funktion: Beteiligung als IPCC-Reviewer für AR4, AR5 und SREX; Mitwirkung bei den IPCC Inventory Guidelines, und im Nationalkommittee des IPCC. Ich erkläre keine Interessenkonflikte!“
„Ich bin eine koordinierende Hauptautorin des 6ten Großbericht des Weltklimarats (der 2021 rausgegeben wird) und war auch eine Hauptautorin des IPCC Spezialberichts zur 1,5°C Klimaerwärmung, der 2018 herausgegeben wurde.“
Alle anderen: Keine Angaben erhalten.
Primärquelle
Literaturstellen, die von den Expert:innen zitiert wurden
[1] Kalt G et al. (2019): Natural climate solutions versus bioenergy: Can carbon benefits of natural succession compete with bioenergy from short rotation coppice? GCB Bioenergy. 2019;00:1–15. DOI: 10.1111/gcbb.12626.
Prof. Dr. Almut Arneth
Leiterin der Arbeitsgruppe Pflanze-Atmosphäre Wechselwirkung und Leiterin der Abteilung für Ökosystem-Atmosphäre Wechselwirkung, Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU), Karlsruher Institut für Technologie, Garmisch-Partenkirchen. Prof. Arneth ist Mitautorin des vorliegenden Sonderberichtes.
Dr. Livia Rasche
Wissenschaftlerin am Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit, Universität Hamburg
Dr. Johannes Emmerling
Senior Researcher am RFF-CMCC European Institute on Economics and the Environment (EIEE), Mailand, Italien
Prof. Dr. Mojib Latif
Leiter des Forschungsbereiches Ozeanzirkulation und Klimadynamik, Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR), Kiel
Dr. Hans Schipper
Institut für Meteorologie und Klimaforschung, Süddeutsches Klimabüro, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Eggenstein-Leopoldshafen
Dr. Hannes Böttcher
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Energie und Klimaschutz, Öko-Institut e.V.
Prof. Dr. Helmut Haberl
außerordentlicher Professor am Institut für Soziale Ökologie, Department für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Universität für Bodenkultur Wien (BOKU), Wien, Österreich
Dr. Marco Springmann
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Oxford Martin Programme on the Future of Food, Oxford Martin School, Social Science Division, Universität Oxford, Vereinigtes Königreich
Prof. Dr. Julia Pongratz
Inhaberin des Lehrstuhls für Physische Geographie und Landnutzungssysteme, Department für Geographie, Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), München
Prof. Dr. Reimund Schwarze
Leiter der AG Klimawandel und Extremereignisse, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH (UFZ), Leipzig
Prof. Dr. Sonia I. Seneviratne
Professorin am Center für Klimasystem-Modellierung, Institut für Atmosphäre und Klima (IAC), Department Umweltsystemwissenschaften, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ), Zürich, Schweiz