Digitales & Technologie

6. März 2018

5G – Mehr als ein Mobilfunkstandard

Der neue Mobilfunkstandard der fünften Generation, 5G, gilt als die Zukunft des Mobilfunks. Industrie und Regierungen überbieten sich mit Projekten und Prognosen. Für die kommende Bundesregierung zum Beispiel ist der Aufbau eines 5G-Netzes ein wichtiger Eckstein ihrer Digitalisierungsstrategie. Die Realität ist nüchterner: Während die Bundesnetzagentur die Versteigerung der notwendigen Frequenzen vorbereitet, legen internationale Organisationen die Mindestvoraussetzungen für den neuen Mobilfunkstandard fest. Noch ist vollkommen unklar, wo und wie viele Sendestationen gebraucht werden. Damit ist auch noch unklar, wie viel Geld künftig für die neue Infrastruktur ausgeben werden muss, und wie schnell das neue Netz ausgebaut werden kann. Zudem sind Entwicklung und Ausbau des LTE-Netzes (4G) noch gar nicht abgeschlossen. Immer deutlicher wird jedoch: In Deutschland fehlt das Rückgrat für die versprochenen Datenraten von 5G, ein Glasfasernetz mit Übertragungsraten weit im Gigabitbereich.

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Übersicht

  • Wozu 5G?
  • Die kritischen Punkte
  • Technische Vorgaben für 5G
  • Die Infrastruktur für 5G
  • Die nächsten Schritte auf dem Weg zu 5G
  • Literaturstellen, die zitiert wurden
  • Weitere Recherchequellen

Wozu 5G?

  • Zurzeit, 2018, ist LTE der gängige Mobilfunkstandard. Knapp 50 Prozent der Mobilfunkgeräte in Europa nutzen LTE [1].
  • Die Entwicklung und Einführung von LTE ist noch nicht zu Ende. Der 2011 erstmals vorgestellte, auf LTE basierende Standard LTE-Advanced (4,5G) soll Datenraten bis zu 1 Gigabit pro Sekunde (Gbit/s) ermöglichen [2]. Weitere deutliche Verbesserungen sind jedoch bei dem auf 4G basierenden Standard wahrscheinlich nicht zu erwarten.
  • Allerdings wird sowohl die Zahl mobil mit dem Netz verbundener Geräte als auch der Datenverbrauch der einzelnen Nutzer in den nächsten Jahren stark steigen:
    • 2017 wurden in Westeuropa 4,1 Gigabyte (GB) pro Monat und aktivem Smartphone  heruntergeladen.
    • 2023 könnten es bereits 28 GB sein.
    • In Nordamerika liegen die Werte noch höher: 2017 wurden 7,1 GB Daten heruntergeladen, 2023 könnten es 48 GB sein [1].
  • Für diesen Datenverbrauch und die erhöhte Anzahl von verbundenen Geräten wird das auf 4G basierende Netz nicht mehr geeignet sein.
  • Über 5G sollen jedoch nicht nur Smartphones, sondern unter anderem auch eine große Zahl von Geräten (Maschine-zu-Maschine-Kommunikation, im Kontext von Industrie 4.0 oder dem Internet der Dinge) vernetzt werden.
  • Ferner soll 5G eine störungsresistente Kommunikation mit sehr geringer Latenz (Verzögerung, in diesem Fall die Übertragungsverzögerung beim Versenden und Empfangen von Daten) für Anwendungen wie eine dezentralisierte Steuerung des Stromnetzes, Telemedizin oder automatisierten Straßenverkehr ermöglichen.

Die kritischen Punkte

  • Eine Anbindung der Basisstationen und Antennen an ein Hochgeschwindigkeits-Datennetz sehen Experten als entscheidende Voraussetzung für 5G.
  • Ein solches Datennetz ermöglicht nach dem derzeitigen Stand der Technik nur ein Glasfasernetz.
  • Deutschland hatte zwar schon 1981 den Beschluss zum flächendeckenden Ausbau eines Glasfasernetzes gefasst, ihn jedoch nie umgesetzt. Heute hinkt es beim Glasfaserausbau hinterher [3]. Die kommende Regierung will das jetzt ändern und plant einen flächendeckenden Ausbau bis 2025.
  • Für einen Ausbau in der Fläche werden in Deutschland offenbar Frequenzen im Bereich von 700 Megahertz (Mhz) vorgesehen. Da diese jedoch nur vergleichsweise geringe Datenraten erlauben, werden vor allem in ländlichen Gegenden nicht die von 5G versprochenen hohen Übertragungsraten verfügbar sein.
  • Für einen Ausbau in Ballungszentren werden zudem auch Frequenzen im Bereich von 26 Ghz angedacht. Diese ermöglichen hohe Datenraten, jedoch nur eine kurze Reichweite und können Mauern oder Fenster nicht durchdringen.
  • Daher ist noch unklar, wie viele neue Antennen und Basisstationen für eine flächendeckende Abdeckung mit 5G benötigt werden und wie diese finanziert werden sollen.
  • Außerdem ist es fraglich, ob private Nutzer oder Infrastrukturbetreiber bei der Einführung von 5G die Notwendigkeit sehen, mehr Geld in eine höhere Datenübertragungsrate zu investieren, auch weil der LTE-Ausbau noch nicht abgeschlossen ist. Zudem gibt es zurzeit nur wenige und nicht weit verbreitete Anwendungen, wie zum Beispiel Virtual Reality, die eine so hohe Datenübertragungsrate brauchen.
  • Europa ist beim Ausbau von 5G im Vergleich zu Asien und den USA langsam. Die meisten Patente halten derzeit Unternehmen aus Südkorea und China.

Technische Vorgaben für 5G

Forschung und Standardisierung zu 5G sind noch nicht abgeschlossen. Welche technische Eigenschaften 5G wirklich haben wird und was davon 2020 bereits verfügbar sein wird, lässt sich daher nocht nicht genau sagen. Einige Eigenschaften von 5G sind aber schon jetzt klar, andere sehr wahrscheinlich. 5G ist eher als eine stetige Evolution gedacht, die auf Technologien von 4G aufbaut. Der Übergang könnte damit fließend erfolgen. Ein wichtiger Punkt dabei ist, dass das 5G-Netzwerk nicht wie bisher auf Hardware-Bauteilen mit festen, schwer zu verändernden Eigenschaften aufgebaut werden soll, sondern auf programmgesteuerten, deren Funktion sich vergleichsweise leicht ändern lässt.

Die technischen Vorgaben für 5G werden von der International Telecommunication Union (ITU) [4] und dem 3rd Generation Partnership Project (3GPP) [5] festgelegt. Bisher sind folgende Mindestanforderungen und grundlegende Eigenschaften von 5G vorgegeben:

  • Verschiedene Anwendungen im 5G-Netz können verschiedene Anforderungen an Datenübertragung, Latenz oder Datenkapazitäten haben. Diese unterschiedlichen Anforderungen sollen durch Network Slicing separat befriedigt werden. Dabei werden virtuelle Netzscheiben mit verschiedenen Eigenschaften parallel betrieben. Spezielle Anwendungen können dann auf die Netzscheibe zugreifen, die ihren Anforderungen entspricht. So soll flexibel auf die diversen Anwendungsszenarien, die 5G unterstützen soll, reagiert werden können [6].
  • Drei Anwendungen mit unterschiedlichen Eigenschaften für die entsprechende Netzscheiben hat die ITU-R (der für Funkkommunikation zuständige Sektor der ITU) definiert:
  • Enhanced Mobile Broadband (eMBB, Übertragung von großen Datenmengen mit hoher Datenübertragungsrate, zum Beispiel beim Streaming, vor allem für private Nutzer von Smartphones o.Ä.)
    • Massive Machine Type Communication (mMTC, hohe Netzkapazität, viele verbundene Geräte, zum Beispiel Industrie 4.0, Internet der Dinge)
    • Ultra-Reliable and Low-Latency Communication (URLLC, geringe Latenz, hohe Verfügbarkeit und Störfestigkeit bei geringeren Datenmengen, zum Beispiel bei kritischer automatischer Kommunikation zwischen Industriegeräten oder Kommunikation zwischen autonom fahrenden Autos) [7]
  • Die theoretisch höchstmögliche Datenübertragung bei einem einzelnen Empfangsgerät pro Basisstation und unter Laborbedingungen:
    Downlink: 20 Gbit/s, Uplink: 10 Gbit/s
    Festgelegte Mindest-Datenrate für den Endnutzer:
    Downlink: 100 Mbit/s, Uplink: 50 Mbit/s.
    Die tatsächliche Datenrate hängt aber auch von Faktoren wie der Zahl der Endgeräte pro Funkzelle ab.
  • Zum Vergleich: Bei LTE werden momentan Tarife mit bis zu 500 MBit/s angeboten. In Zukunft soll LTE-Advanced bis zu 1 Gbit/s bieten [2].
  • Generell ist für die bei den Nutzern ankommende durchschnittliche Datenübertragungsrate eine 1000-fache Verbesserung gegenüber LTE geplant [8].
  • Um diese hohen Datenübertragungsraten zu ermöglichen, soll das Frequenzspektrum für die Funkverbindungen verbreitert, mehr Sendestationen an Orten mit vielen Nutzern und Datenverkehr aufgestellt (Network Densification), sowie mehrere Antennen an der jeweiligen Sendestation und am Empfängergerät installiert werden (Massive MIMO).
  • Die Latenz – mit diesen Angaben ist die Latenz bis zur nächsten Basisstation oder zum benachbarten Gerät gemeint, nicht die Latenz, die der Nutzer beispielsweise beim kompletten Aufrufen einer Internetseite hat – soll nicht höher sein als:
    
4 ms bei eMBB (zum Beispiel für Streaming) und
    1 ms bei URLLC (zum Beispiel bei kritischer Kommunikation zwischen Industriegeräten).
  • Zum Vergleich: Die Latenz liegt bei LTE zumeist bei circa 15 ms, [9] kann aber oft auch bis zu 40 ms betragen [7].
  • Angestrebt sind 1.000.000 Geräte per km². Inwiefern diese Zahl realisitisch ist, lässt sich derzeit nicht schätzen.

Die Infrastruktur für 5G

Während die Standardisierung der Technik einigermaßen organisiert voranschreitet, wird noch diskutiert, wer die Kosten für den Aufbau der Infrastruktur trägt.  Bei den hohen Ansprüchen an die Datenraten bei 5G ist eine Anbindung der Basisstationen an das Glasfasernetz praktisch unverzichtbar. Zwar sind auch andere Alternativen möglich, um die Netzabdeckung auszudehnen, wie die Funkverbindung zwischen Basisstationen, allerdings würden solche Alternativen die Datenübertragungsraten stark senken.

  • Bei den Basisstationen wird zwischen verschiedenen Arten von Sendezellen mit unterschiedlichen Eigenschaften unterschieden:
  • Macrozellen
    • Sollen im niedrigen Frequenzberich einen Zellradius von maximal 50 Kilometern im ländlichen und suburbanen Raum abdecken.
    • Dieser Frequenzbereich hat zwar eine große Reichweite, aber eine niedrige Bandbreite. Die durch diesen Frequenzbereich bereitgestellte Datenrate kann daher die höheren für 5G angepeilten Datenübertragungsraten kaum erreichen.
  • Microzellen
    • Sollen mit einem Zellradius von bis zu zwei Kilometern vor allem in Innenstädten verwendet werden.
  • Pico- und Femtozellen
    • Lokale Hotspots mit vielen Nutzern sollen durch ein Netz von Picozellen (Reichweite um 100 Meter) und Femtozellen (Reichweite ähnlich eines WLAN-Routers, höchstens 20-30 Meter) versorgt werden. So sollen alle Nutzer die hohen Datenraten von 5G nutzen können.
    • Da diese Zellen hohe Frequenzbereiche verwenden, ist die Datenrate hoch, dafür aber die Reichweite und die Objektdurchdringung gering.
    • Sollen dabei auch Stromanschlüsse in existenter Infrastruktur wie Ampeln oder Lampen verwenden, um die Kosten der Einrichtung zu senken.
  • Als zu verwendende Frequenzen sind momentan die Bänder um 700 MHz (für eine großflächige Abdeckung mit vergleichsweise geringen Übertragungsraten) sowie 2 GHz, 3,5 GHz und 26 GHz (für eine lokale Abdeckung mit hohen Datenübertragungsraten) im Gespräch [10].
  • In Zukunft könnten auch noch höhere Frequenzen für 5G eingesetzt werden, im Gespräch sind 38 GHz und 42 GHz [1].
  • Aufgrund der hohen Anzahl benötigter Basisstationen, vor allem in städtischen Gebieten, wo an Hotspots viele Pico- und Femtozellen installiert werden müssen (Network Densification), und dem nötigen Ausbau des Glasfasernetzes werden hohe Kosten anfallen. Der Ausbau des Glasfasernetzes soll zumindest zum Teil durch die Versteigerung der Frequenzen im 2 und 3,6 GHz-Bereich gedeckt werden [11].
  • Es lässt sich im Februar 2018 kaum seriös einschätzen, wie viele neue Basisstationen wirklich errichtet werden müssen.
  • Wichtig ist jedoch, dass alle Basisstationen, auch die kleinsten, über einen eigenen Glasfaseranschluss verfügen müssten, um die anvisierten, hohen Datenraten auch erreichen zu können.
  • Angesichts der Verbreitung von LTE (50 Prozent der Endgeräte in Europa), der langsamen Evolution von 5G sowie des schleppenden Breitbandausbaus zumindest in Deutschland scheint offen zu sein, wie schnell Infrastrukuturanbieter die mit dem Ausbau verbundenen Kosten durch neue 5G-Verträge und höhere Preise für Zugänge wieder einspielen können.

Die nächsten Schritte auf dem Weg zu 5G

Trotz dieser Probleme sagt der Ericsson Mobility Report zum Ende von 2023 eine Milliarde 5G Verträge und eine Abdeckung von über 20 Prozent der Weltbevölkerung durch 5G voraus [1].

  • Nachdem die ITU bereits erste technische Vorgaben zu 5G aufgestellt hat, soll zwischen 2018 und 2020 die Festlegung der für 5G benötigten Funkschnittstellen stattfinden [12].
  • 3GPP arbeitet zur Zeit an der Veröffentlichung „Release 15“, die unter anderem Leistungsparameter zu 5G festlegen soll. Die finale Version soll am 14. September 2018 fertiggestellt sein [13].
  • Über die für 5G benutzten Frequenzen gibt es zwar schon fortgeschrittene Pläne, die endgültige Festlegung soll aber erst auf der Weltfunkkonferenz 2019 erfolgen [14].
  • Die kommerzielle Einführung von 5G soll ab 2020 beginnen.
  • Ob 5G zu diesem Zeitpunkt bereits alle der festgelegten technischen Vorgaben erfüllt, ist noch offen.
  • In Südkorea wurde zu den Olympischen Winterspielen 2018 testweise ein 5G Netz betrieben.
  • In den USA wird seit kurzem diskutiert, ob der Staat den Aufbau eines 5G Netzes selbst in die Hand nehmen soll.
  • In der EU gibt eine Satzung der europäischen Kommission vor, dass bis 2025 alle Stadtgebiete und alle wichtigen Straßen- und Bahnverbindungen in den EU-Mitgliedsstaaten mit einer 5G-Anbindung versorgt sein sollen. Bis 2020 soll pro Mitgliedsstaat mindestens eine Großstadt auf gewerblicher Grundlage mit 5G ausgerüstet werden [15].

Literaturstellen, die zitiert wurden

[1]     Ericsson Mobility Report (2017).
[2]     International Telecommunications Union (2017): Detailed specifications of the terrestrial radio interfaces of International Mobile Telecommunications-Advanced (IMT-Advanced). S. 3.
[3]    Bertelsmann Stiftung (2017): Deutschland investiert zu wenig in Glasfaserausbau. Pressemeldung vom 10.05.2017.
[4]    International Telecommunication Union: About International Telecommunication Union (ITU).
[5]    3GPP: About 3GPP.
[6]    5G PPP Architecture Working Group (2017):View on 5G Architecture (Version 2.0). S. 15ff.
[7]    3GPP (2016): The path to 5G: as much evolution as revolution. A personal view by Keith Mallinson.
[8]    Kaleem Z et al. (2015): Architecture and features for 5G mobile personal cell. International Conference on Information and Communication Technology Convergence (ICTC). DOI: 10.1109/ICTC.2015.7354518.
[9]    Andrews JG et al. (2014): What Will 5G Be? arXiv:1405.2957. S. 2.
[10]    Bundesnetzagentur (2016): Orientierungspunkte Bereitstellung von Frequenzen für den Ausbau digitaler Infrastrukturen.
[11]    Bundesnetzagentur (n.a.): Konsultationsentwurf zur Anordnung und Wahl des Verfahrens zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz für den drahtlosen Netzzugang.
[12]    International Telecommunication Union: ITU towards “IMT for 2020 and beyond”.
[13]    3GPP: Release 15.
[14]    Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2016): Tagesordnung der Weltfunkkonferenz 2019. Punkt 1.13.
[15]    Pressemitteilung der Europäischen Kommission (2016): Lage der Union 2016: Europäische Kommission ebnet den Weg für den Ausbau und die Verbesserung der Internetanbindung – zum Nutzen aller Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen.

Weitere Recherchequellen

Veröffentlichungen der Bundesnetzagentur zu 5G.
Details zum aktuellen Stand von 3GPP Release 15.