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24.04.2023

Wie kommen mehr Güter auf die Schiene?

     

  • Anteil des Schienengüterverkehrs soll von 19 auf 25 Prozent steigen
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  • Forschende: Vorteil läge vor allem in der sehr guten Energieeffizienz
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  • Mehr Güterverkehr auf der Bahn aber nur möglich durch: mehr Gleise, weniger Gesetze, neue Signale, neue Kupplungen, pünktlichere Züge, mehr Kooperation mit dem Lkw
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Güter gehören auf die Schiene. Seit Jahren gehört dieser Satz fast wie ein Mantra zu Reden oder Absichtserklärungen von Politikerinnen und Politikern. Allerdings wächst der Anteil der Bahnen am Frachtverkehr trotz Liberalisierung und Wachstum einzelner Bahnanbieter seit Jahren nur sehr langsam, derzeit liegt er bei rund 19 Prozent.

Die Bundesregierung hatte sich schon in ihrem Koalitionsvertrag und erneut nach der Klausursitzung der Fraktionen darauf geeinigt, den Anteil des Schienengüterverkehrs bis 2030 auf 25 Prozent am Frachtverkehr steigen zu lassen. Dafür sieht das Koalitionspapier eine Reihe von mehr oder weniger konkreten Programmpunkten vor. Zum einen soll die Lkw-Maut um eine CO2-Komponente erhöht werden, die einem Preis von 200 Euro pro emittierter Tonne Kohlendioxid entspricht. Zum anderen soll die Planungszeit für wichtige Schienenkorridore auf vier Jahre begrenzt, die Kapazitäten der Schiene durch Digitalisierung gesteigert, Trassenpreise für den Güterverkehr sowie Gleisanschlüsse und Einzelwagenverkehr subventioniert und neue Techniken zur Automatisierung des Güterverkehrs angereizt werden [I].

Eine Analyse oder Beschreibung einer möglichen Rolle des Schienengüterverkehrs in einer klimaschonenden Logistik, die sowohl die Schwächen als auch die Stärken der Bahn berücksichtigt, fehlt jedoch, ebenso eine realistische Abschätzung der Zeiträume, die für die avisierten Maßnahmen zur Umsetzung nötig sind. Wir haben daher Forscherinnen und Forscher aus den Bereichen Eisenbahn-, Verkehrs-, und Logistikforschung sowie Verkehrsmodellierung gefragt, wie sie die Rolle des Schienengüterverkehrs einschätzen. Die Antworten der Forschenden können eine umfassende Analyse nicht ersetzten, aber gute Einblicke und Ansatzpunkte für weitere Recherchen geben.

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Markus Hecht, Leiter des Fachgebiets Schienenfahrzeuge am Institut für Land- und Seeverkehr, Technische Universität Berlin

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  • Prof. Dr. Gernot Liedtke, Fachgebiet Wirtschaftsverkehr Institut für Land- und Seeverkehr (ILS) Verkehrssystemplanung und Verkehrstelematik, Technische Universität Berlin

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  • Dr. Thomas Grube, Leiter der Arbeitsgruppe „Verkehrstechniken und Zukünftige Mobilität“ im Institut für Techno-ökonomische Systemanalyse (IEK-3), Forschungszentrum Jülich GmbH (FZJ)

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  • Dr. Agnes Eiband, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik, Dortmund

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Statements

Die folgenden Statements sind bewusst mit Blick auf langfristige Verwendbarkeit eingeholt und können auch in Zukunft zu diesem Thema Hintergrundinformationen bieten und zitiert werden.

Prof. Dr. Markus Hecht

„Leider nur eine sehr bescheidene, da der Marktanteil sehr gering ist. Das Maß Tonnenkilometer (tkm) beschönigt die Situation (Tonnenkilometer = Produkt aus transportiertem Gewicht und gefahrenem Kilometer. Je schwerer das Produkt, desto größer der Wert; Anm. d. Red.). Besser wäre, auf TEU umzurechnen (TEU = Twenty-foot Equivalent Unit, eine Standardgröße von Containern und Maß für Güterumschlagsmengen von Häfen; Anm. d. Red.), dann würde der reale Marktanteil besser abgebildet und er wäre noch viel kleiner als 18 bis 19 Prozent.“ 

„Positiv ist, dass unter Fahrdraht immer weniger mit Diesel gefahren wird, dank der nun in Deutschland weit verbreiteten spanischen Zweisystemlok EUROdual (7 MW unter Fahrdraht und 2,8 MW mit Diesel). Diese Lok wurde auf Initiative der Havelländischen Eisenbahn HVLE ohne Fördermittel in Valencia entwickelt und gebaut. Mittlerweile ist auch die Siemens Vectron Hybride, jeweils 2 MW mit Diesel und unter Fahrdraht, aus München-Allach weit verbreitet. Es fehlen nur noch im Rangierdienst Alternativen zum Diesel.“

Prof. Dr. Gernot Liedtke

„Eine wichtige Stärke des Schienengüterverkehrs im Hinblick auf eine klimaneutrale Logistik liegt in seiner im Vergleich zum Straßengüterverkehr hohen Energieeffizienz. Grund hierfür sind die vernachlässigbare Rad-Schiene-Rollreibung und der geringere Luftwiderstand langer Züge. Zudem fährt der Schienengüterverkehr zum Großteil durch Oberleitungen elektrisch und kann zunehmend mit CO2-neutralem Strom angetrieben werden. Transporte auf der Schiene zeichnen sich zusätzlich durch ein hohes Verkehrssicherheitsniveau aus.

„Es gibt aber auch systembedingte Schwächen des Schienengüterverkehrs: Nur noch wenige Produktions- und Handelsbetriebe liegen an Schienenwegen, verfügen über Gleisanschlüsse und sind so direkt für den Schienengüterverkehr erreichbar. Zudem können die meisten Aufträge von Frachtkunden gegebenenfalls den Frachtraum eines halben oder ganzen Lkw auslasten, aber nur selten einen ganzen Güterzug. Ferner ist das Be- und Entladen sowie das Zusammenstellen ganzer Züge zeit- und kostenaufwändig. Lkw lassen sich hingegen vergleichsweise schnell und kostengünstig be- und entladen und können alle Frachtkunden in der Fläche erreichen.“

„Vor diesem Hintergrund ist der Anteil des Schienengüterverkehrs dann sehr hoch, wenn große Mengen – Massengüter wie Kohle oder eine umfangreiche Anzahl an Containern aus Seehäfen – über große Distanzen transportiert werden.“

„Damit die Bahn ihre zentralen Stärken in modernen Wertschöpfungsketten ausspielen kann, ist es notwendig, Straße und Schiene zu verbinden. Dabei bringt der Lkw einzelne Paletten oder ganze Container zu einem intermodalen Umschlagsterminal, von wo aus ganze Züge zu anderen Terminals in Deutschland oder Europa fahren.“

Dr. Thomas Grube

„Der Anteil des Schienenverkehrs an der gesamten Güterverkehrsleistung betrug im Jahr 2021 in Deutschland rund 19 Prozent. Im EU-Vergleich liegt das leicht über dem Durschnitt von 17 Prozent. Deutlich höhere Anteile werden in der Schweiz mit 41 Prozent und in den Flächenländern Kanada und den USA mit 46 beziehungsweise 37 Prozent erreicht. Laut Koalitionsvertrag der Bundesregierung soll dieser Anteil bis 2030 auf 25 Prozent steigen. In der kürzlich vorgestellten ‚Gleitenden Langfrist-Verkehrsprognose‘ geht das Bundesministerium für Digitales und Verkehr von einem Anstieg der gesamten Transportleistung von 46 Prozent bis 2051 aus [1].“

„Eine verstärkte Nutzung des Schienengüterverkehrs könnte in unterschiedlicher Weise positive Wirkungen entfalten, denen aber auch Herausforderungen hinsichtlich des Ausbaus der Schieneninfrastruktur sowie der Wirkung von aktuellen Trends in der Logistik gegenüberstehen.“

„Unbestritten ist der – aufgrund der nahezu vollständigen Elektrifizierung des Schienengüterverkehrs in Deutschland – im Vergleich zum Straßengüterverkehr deutliche Effizienzvorteil, der auch im Vergleich mit effizienteren Lkw-Elektroantrieben bestehen bleiben wird. So liegt der verkehrsleistungsspezifische Strombedarf des E-Lkw rund dreimal höher als der des Oberleitungszugs.“

„Weiterhin ist bereits heute der Anteil erneuerbarer Energie im Stromnetz der Eisenbahn mit 65 Prozent deutlich höher als im sonstigen Strommix Deutschlands mit einem Anteil erneuerbarer von 45 Prozent. Eine vollständige Deckung des Bedarfs an Traktionsenergie durch erneuerbare Energien ist im Bereich der Bahn daher zügig umsetzbar.“

„Aufgrund des Oberleitungsbetriebs ist dabei die Elektrifizierung nicht mit dem Einsatz nennenswerter Mengen an Batterierohstoffen verbunden, der im Bereich der Elektrifizierung des Straßenverkehrs kontrovers diskutiert wird. Auch das Unfallrisiko ist auf der Schiene deutlich geringer als auf der Straße. Und schließlich ist im Vergleich zum Straßengüterverkehr der Personalbedarf deutlich geringer, wo der Fachkräftemangel aktuell mit 60.000-80.000 Lkw-Fahrern beziffert wird [2].“

„Für die Nutzung der Schiene dürfte herausfordernd sein, dass mit der Energiewende zukünftig weniger Massengüter – fossile Rohstoffe und deren Produkte – und stattdessen vermehrt Stück- und Postgüter transportiert werden. Ein vollständiger Wegfall von Massengütern fossilen Ursprungs würde eine Verminderung der Transportleistung des Schienengüterverkehrs um rund zwölf Prozent bedeuten. Dadurch werden zunehmend sogenannte Einzelwagenverkehre notwendig, die im Bereich der Bahnlogistik aufwändiger zu handhaben und somit kostenintensiver sind.“

„Neben dem Rückstand beim Ausbau der Schieneninfrastruktur sind dementsprechend auch Zug- und Zugleittechnik erneuerungsbedürftig, um Zugbildung und Zugabfertigung deutlich zu beschleunigen und die Kapazität der Schienenwege zu erhöhen. Langfristig werden durch die Technologie des autonomen Fahrens vor allem im Lkw-Verkehr Personalbedarf und Kosten gesenkt werden, was zu einem zusätzlichen Wettbewerbsdruck für den Schienengüterverkehr führen wird.“

„Insgesamt trägt die Verschiebung von Transportleistung auf die Schiene durch verbesserte Effizienz und einen frühzeitig hohen Anteil Erneuerbarer zur Verminderung der Treibhausgasemissionen bei. Dies gilt auch unter den Randbedingungen des Antriebswechsels im Straßengüterverkehr. Den positiven Effekten stehen jedoch Herausforderungen durch veränderte Güterstruktur und noch immer andauernde Engpässe beim Infrastrukturausbau gegenüber.“

Dr. Agnes Eiband

„Der Schienengüterverkehr ist ein wesentlicher Bestandteil der klimaneutralen Logistik, was den Fernverkehr angeht. Kurze Strecken unter 150 Kilometern sind nur selten logistisch sinnvoll abzubilden.“

„Der deutlich niedrigere Energieverbrauch durch die Rad-Schiene-Verbindung und der hohe Elektrifizierungsanteil bietet bereits heute einen deutlich geringeren CO2e Ausstoß gegenüber dem Lkw. Dieser Anteil wird sich auch in Zukunft noch weiter verbessern durch technische Neuerungen und die Erhöhung der erneuerbaren Energieanteile im Bahnstrommix.“

Prof. Dr. Markus Hecht

„Das liegt an dem schlecht genutzten und obendrein auch unzuverlässigen Netz, das – selbst wenn man wollte – auch nur weit unter seinen Möglichkeiten genutzt werden kann.“

„Verspätungen im Personenfernverkehr und Ausfälle von Weichen, Böschungsbrände und unbesetzte oder nicht funktionierende Stellwerke sowie langdauernde Baustellenunterbrechungen für Gleiserneuerungen und Stellwerksneubau verhindern einen verlässlichen, schnellen Güterverkehr. Fast immer ist die Straße schneller und zuverlässiger als die Schiene. Eigentlich müsste es umgekehrt sein. Die Kosten fallen über der Zeit an, die Erträge über die Entfernung und so ist die aktuelle Situation nicht nur unattraktiv für die Kunden, sondern auch ökonomisch schlecht für die Eisenbahnverkehrsunternehmen.“

Prof. Dr. Gernot Liedtke

„In den letzten circa 70 Jahren haben sich Produktions- und Handelsnetzwerke zusammen mit einer auf dem Straßengüterverkehr basierenden Logistik entwickelt. Das bedeutet: Die meisten Standorte von Frachtkunden liegen ‚auf der grünen Wiese‘ – oftmals in der Nähe von Autobahnausfahrten. Moderne Produktionssysteme werden Just-In-Time und Just-In-Sequence versorgt. Dies bedeutet erstens kleine Versandmengen, zweitens kurze Transportzeitanforderungen – oft über Nacht – und drittens hohe Zuverlässigkeitsansprüche an die Einhaltung vorgegebener Lieferzeitfenster. Die Schiene tut sich schwer, alle diese Ansprüche zu erfüllen.“

„Der für eine Verkehrsverlagerung am besten geeignete kombinierte Verkehr mit Containern und Sattelzuganhängern auf Straße und Schiene ist wegen der langen Umschlagszeit erst auf sehr langen Distanzen schneller als der Lkw. Viele Umschlagsterminals sind inzwischen auch hoch ausgelastet und müssten ausgebaut oder ergänzt werden. Das Schienennetz als Grundlage des Schienengüterverkehrs wird tendenziell unzuverlässiger in der Einhaltung von Lieferzeitrestriktionen, da es zunehmend Kapazitätsengpässe im Gesamtnetz und zu wenige Überholmöglichkeiten für schnellere Personenzüge gibt. Das verteuert die Transportorganisation, und die Frachtkunden können oftmals keine Verspätungen von Stunden bis hin zu ganzen Tagen tolerieren.“

Dr. Thomas Grube

„Ebenso wie Transporte per Schiff sind auch bahngebundene Gütertransporte weit überwiegend Teil des kombinierten Verkehrs mit Transporten im Vor- oder Nachlauf per Lkw sowie mehrmaligem Güterumschlag. Das bedeutet, dass zugehörige Logistikketten weniger flexibel sind als Direkttransporte über die Straße. Entsprechende Herausforderungen liegen in den Bereichen Infrastruktur und Bahnbetrieb.“ 

„Einerseits wird seit geraumer Zeit ein Ausbau der Schienenwege hinsichtlich des Streckennetzes und deren Kapazität zur Umsetzung der Verkehrsverlagerung gefordert, um vor allem die Zugänglichkeit für Transportkunden zu verbessern sowie lange Haltezeiten aufgrund des Vorrangs des Personenverkehrs zu reduzieren. Nimmt man die Zahl der Gleisanschlüsse privater Transportkunden, so hat sich deren Zahl zwischen 1994 und 2021 von 11.700 auf rund 2300 reduziert.“ 

„Andererseits erfordert der zunehmende Einzelwagenverkehr besondere Anstrengungen im Bereich der Zugbildung und -umgruppierung an den Netzknoten. Weiterhin bestehen für grenzüberschreitende Verkehre noch uneinheitliche Standards im Stromsystem sowie Engpässe durch fehlende Elektrifizierung an den Grenzübergangsstellen insbesondere in Richtung Osteuropa. Dies führt im internationalen Schienenverkehr zu einem Staffelprinzip, bei dem die Verantwortlichkeit für den Gütertransport an praktisch jedem Grenzübergang an eine andere Bahngesellschaft übergeht.“

Dr. Agnes Eiband

„Beide Systeme sind in der Kombination nötig, um die nötigen logistischen Services erhalten zu können. Der Lkw spielt seine Stärke in der Feinverteilung aus. Die Schiene ist stark in der Bündelung von Verkehren auf der langen Distanz länger als 150 Kilometer. Allerdings sehen wir in unseren Studien, dass der Bahnsektor auch bei geeigneten Transporten Aufholbedarf hat bei der Digitalisierung, der Infrastruktur, der Vereinfachung der Prozesse et cetera. Der Bahnsektor muss sich noch besser an die neuen logistischen Anforderungen der Wirtschaft anpassen.“

Prof. Dr. Markus Hecht

„Zunächst müsste der Personenfernverkehr sowohl zuverlässiger werden als auch Züge mit höherer Kapazität nutzen, insbesondere Hochgeschwindigkeitsdoppelstöcker. Güterzüge sollten kurzfristig konfliktfreie oder zumindest konfliktarme Fahrpläne erhalten. Verspätungsverursacher, egal ob im Personen- oder Güterverkehr, sollten pünktlichen Zügen Vortritt geben, auch wenn das Güterzüge sind. Sperrpausen für Infrastrukturreparatur sollten pönalisiert werden.“

„Die Digitale Automatische Kupplung mit deren Folgeinnovationen wie automatische Bremsprobe, EP-Bremse (Elektro-Pneumatische Bremse, ermöglicht gleichzeitiges Ansprechen aller Bremsen am Zug und damit kürzere Bremswege wie auch schnelleres Anfahren; Anm. d. Red.) und Diagnose sollten die betrieblichen Stillstandszeiten erheblich reduzieren und so die Umläufe beschleunigen, im Wagenladungsverkehr und im Ganzzugsverkehr.“

„Verschleißabhängige Trassenpreise sollten die Häufigkeit von Infrastrukturbaustellen reduzieren helfen.“

Prof. Dr. Gernot Liedtke

„Es kann eine Reihe von technisch-systemischen sowie institutionellen Maßnahmen ergriffen werden, die zum einen auf eine Ausweitung und qualitative Verbesserung des Angebots und zum anderen auf die Stimulierung der Nachfrage abzielen. Zunächst gilt es, die zuverlässig nutzbaren Kapazitäten im Schienennetz und bei den Umschlaganlagen zu erhöhen. Engpässe und Lücken müssen identifiziert und Kapazitäten ausgebaut werden.“

„Durch die Automatisierung und Parallelisierung des Umschlags von Gütern im kombinierten Verkehr könnten die Gesamttransportzeiten erheblich verkürzt und somit die Attraktivität der Angebote des kombinierten Verkehrs gesteigert werden. Hierbei könnte die Etablierung eines Linienzugkonzepts zwischen aufkommensstarken Transportregionen mit einem schnellen und automatisierten Umschlag von Gütern einen guten Startpunkt darstellen und zu einer Erhöhung des Anteils des Schienengüterverkehrs beim Transport höherwertiger Konsumgüter beitragen. Der Anteil dieser höherwertigen Konsumgüter am Güterverkehrsaufkommen nimmt stetig zu und ist wegen der vergleichsweise hohen Zahlungsbereitschaft der Frachtkunden für entsprechende Transportdienstleistungen ein besonders lukratives Marktsegment der Logistik – auch für die Bahn.“

„Zudem kann durch institutionelle Maßnahmen eine verursachergerechte Belastung der Verkehrsträger im Hinblick auf die Klimawirkungen hergestellt und dadurch die Attraktivität des Schienengüterverkehrs und des Kombinierten Verkehrs gegenüber dem klimaschädlicheren, reinen Straßengüterverkehr gesteigert werden. Insgesamt wird es darauf ankommen, die Stärken des Schienengüterverkehrs in ein aus Straße und Schiene bestehendes Gesamtsystem einzubringen.“

Dr. Thomas Grube

„Kernelemente eines richtungsweisenden Ausbaus des Schienengüterverkehrs liegen in den Bereichen Netzausbau und Automatisierung. Mit Bezug auf den Netzausbau sind sowohl die Reaktivierung stillgelegter Strecken als auch Streckenneubau sowie die Ertüchtigung der Grenzübergangsstellen notwendig. Vorhandene Trassen müssen bezüglich ihrer Kapazität erweitert werden, was durch zusätzliche Gleise und Ausweichgleise erreicht werden kann – nicht zuletzt, um eine bessere Entkopplung von Personen- und Güterverkehr umzusetzen. Neue Infrastrukturelemente müssen flächendeckend für zukünftige Zuglängen geeignet sein. Auch verkürzte Zugfolgezeiten durch den Einsatz verbesserter Zugleittechnik tragen zur Erhöhung der Trassenkapazitäten bei.“

„Darüber hinaus sollte die Zahl der Netzzugangspunkte im Sinne von Gleisanschlüssen für Unternehmen und Gewerbegebiete wieder ausgebaut werden. Weiterhin sind sowohl im Inland als auch an den Grenzübergangsstellen weitere Zugbildungsanlagen notwendig, die zur Reduktion von Abfertigungszeiten und Kosten über einen hohen Automatisierungsgrad verfügen müssen.“

„Schließlich ist ein erfolgreicher und wirksamer Ausbau des Schienengüterverkehrs abhängig von den staatlich zugesprochenen Finanzmitteln. Im europäischen Vergleich der Investitionen in Schieneninfrastruktur fällt Deutschland deutlich zurück. Kernelemente der Automatisierung, die aktuell an ersten Standorten umgesetzt werden, sind zum Beispiel die Digitale Automatische Kupplung (DAK), automatisierte Güterwagendiagnose und die automatisierte Bremsprobe. Solche Digitalisierungsmaßnahmen vereinfachen und beschleunigen die Betriebsabläufe im Schienengüterverkehr erheblich.“ 

„Darüber hinaus trägt die Digitalisierung der Angebotsseite zum Abbau von Nutzungshürden bei. Beispielsweise wird dadurch die notwendige Kopplung an den Lkw-Verkehr vereinfacht. Bei allen Infrastrukturmaßnahmen ist zur Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren auch die Gesetzgebung gefordert.“

Dr. Agnes Eiband

„Nur durch die Verlagerung von Transporten, die heute noch nicht auf der Schiene fahren, kann diese Zahl erreicht werden. Die Qualität der Dienstleistung, hier definiert als Pünktlichkeit und Transparenz, ist laut unserer Studien sehr wichtig, um diese neuen Verkehre zu gewinnen. Um die Pünktlichkeit zu verbessern, ist es notwendig, die Infrastruktur deutlich leistungsfähiger zu gestalten: durch den Ausbau von Hauptstrecken und die Verdichtung des Taktes durch moderne Signalisierung. Transparenz wird insbesondere seitens der Verlader nachgefragt, unter anderem Track-and-trace, das durch Digitalisierung vorangetrieben werden kann.“

Prof. Dr. Markus Hecht

„Die 200 Euro pro Tonne CO2 bedeuten eine Verteuerung des Liters Diesel um 0,54 Euro. Das ist sehr positiv, da es Vermeidungsanreize für den Dieselverbrauch liefert. Sattelauflieger werden mehr auf die Schiene drängen, falls es dafür Kapazität gibt. Ich halte den Transport von Sattelaufliegern mit Taschenwagen für zielführender als den Bau von Gleisanschlüssen, da die Lkw-orientierte Verladeinfrastruktur dieselbe bleibt, ob auf der Straße oder im kombinierten Verkehr gefahren wird.“

„Digitalisierung sowie Automatisierung im Rangier- und Fahrbetrieb ist voranzutreiben. Das kann die Branche intern nicht stemmen.“

Prof. Dr. Gernot Liedtke

„Die laut aktuellem Koalitionsbeschluss zu erhöhende CO2-Komponente der Lkw-Maut ist nach unseren Berechnungen geeignet, den Marktanteil der Schiene im Güterverkehr um circa zehn Prozent zu steigern. Voraussetzung ist allerdings, dass die Kapazität im Umschlag und auf den Schienenwegen entsprechend erhöht wird. Die Digitalisierung im Betrieb hilft natürlich, um bestehende Kapazitäten besser auszunutzen und/oder die Zuverlässigkeit und Planbarkeit für Frachtkunden zu erhöhen. Wenn die Kapazitäten jedoch ausgereizt sind, helfen dynamische Planungsprozesse nur noch wenig und ändern an der Überlastungssituation nichts.“

„Momentan fehlt allerdings noch eine Vision für ein Gesamtkonzept, bei dem der Schienengüterverkehr ohne größere Brüche in die moderne Logistik integriert werden kann. In einer solchen Vision eines multimodalen Transportsystems wird es für Frachtkunden irrelevant, ob das Transportgut einen Großteil des Weges auf der Schiene oder auf der Straße zurückgelegt hat. Sofern eine solche Vision Realität wird, könnte der Schienengüterverkehr einen Marktanteil oberhalb von 25 Prozent oder gar 30 Prozent erreichen – er wäre dann ein perfekter Ersatz zum reinen Straßenverkehr.“

„Insofern sind die Maßnahmen der Koalition ein guter Startpunkt, um eine Verkehrsverlagerung auf die Schiene zu unterstützen, auch wenn die Wirkungen momentan eher begrenzt sein dürften. Dafür müssen der Logistiksektor und eine innovationsorientierte Wirtschaftspolitik aber gleichfalls ihren Beitrag leisten, um unter Nutzung der Schiene dem Ideal einer nahezu klimaneutralen und ressourcenschonenden Transportlogistik näherzukommen.“

Dr. Thomas Grube

„Bei der Umsetzung der genannten Maßnahmen ist stets der zeitliche Aspekt der Umsetzung zu beachten. Eine kurzfristige Erhöhung der Transportleistung im Bahngüterverkehr scheint aufgrund der aktuell hohen Kapazitätsauslastung nur in geringem Umfang möglich zu sein. Die erforderlichen Anstrengungen zum Ausbau des Streckennetzes sind aufgrund absehbar hoher Vorlaufzeiten und des Zeitbedarfs der baulichen Umsetzung eher mittel- bis langfristig wirksam. Der Einsatz der neuen europaeinheitlichen Zugleittechnik (ETCS) könnte bereits mittelfristig zur Kapazitätserhöhung beitragen, da weniger bauliche Maßnahmen erforderlich sind. Allerdings zeigt die Historie der Umsetzung, dass auch hier mit Jahrzehnten zu rechnen ist. Erste Initiativen zu ETCS gehen auf die 1980er Jahre zurück. Deutschland hat aktuell rund 320 Streckenkilometer mit ETCS-Ausrüstung in Betrieb.“

„Eine Bepreisung der CO2-Emissionen von Lkw erhöht zwar deren Transportkosten signifikant. Jedoch ist aufgrund der zuvor genannten Rahmenbedingungen insbesondere im Hinblick auf die hohe Auslastung der Schieneninfrastruktur kurzfristig nur eine geringfügige Verschiebung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene zu erwarten. Eher würde eine erhöhte CO2-Bepreisung im Straßengüterverkehr zu einem schnelleren Antriebswechsel von fossil betriebenen Verbrennungsmotoren hin zu Elektro‑Lkw mit Batterie und Brennstoffzellen führen, wie er darüber hinaus auch Gegenstand der Flottengrenzwertregulierung in der EU ist.“

„Da erwartet werden kann, dass die zunächst deutlich höheren Gesamtkosten der Elektro-Lkw langfristig unter die Kosten heutiger Dieselantriebe sinken, wäre ein Effekt der CO2-Bepreisung auf den modalen Shift auch nur kurz- bis mittelfristig wirksam.“

„Dementsprechend sind der Kapazitätsausbau des kombinierten Verkehrs einerseits sowie der Abbau technischer und regulatorischer Hindernisse im grenzüberschreitenden Schienengüterverkehr andererseits wirkungsvollere Verlagerungsmaßnahmen.“

„Ein Indiz für Letzteres ist der Anteil der Schiene am Transitgüterverkehr in Deutschland. Dieser liegt mit 13 Prozent deutlich unter dem inländischen Durchschnitt von 19 Prozent. Gründe dafür sind landesspezifische Zulassungen der Lokomotiven, die einen Lokwechsel praktisch nach jedem Grenzübertritt erfordern, sowie spezielle Anforderungen an den Lokführer, welche unter anderem Sprachkenntnisse des jeweiligen Landes sowie eine Schulung auf die jeweilige Strecke beinhalten – Regelungen, die im Lkw-Verkehr unvorstellbar wären.“

Dr. Agnes Eiband

„Durch die Maßnahmen werden verschiedene Prozesse angestoßen. Wir erleben hier zum Beispiel, dass Unternehmen und Kommunen vermehrt eine Überprüfung anfragen, ob ihre Straßentransporte geeignet sind für den Schienentransport beziehungsweise für welche Form des Schienengüterverkehrs.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Alle: Keine Angaben erhalten.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Intraplan et al. (2023): Gleitende Langfrist-Verkehrsprognose 2021-2022. Im Auftrag des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr.

[2] Deutscher Bundestag (2022): Experten: Es fehlen bis zu 80.000 Lkw- und Busfahrer. Bericht über die öffentliche Anhörung von Sachverständigen am 26.09.2022.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung. Ergebnis des Koalitionsausschusses vom 28.03.2023.