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08.05.2023

Verkehrswende: Wie kann Deutschland die Klimaziele einhalten?

     

  • Gesellschaft diskutiert über mehr Klimaschutz im Verkehrssektor
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  • Forschende: umfassendes Maßnahmenpaket nötig, um Emissionsziele einzuhalten
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  • Ausgleich höherer Verkehrsemissionen durch andere Sektoren unrealistisch
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In Politik und Gesellschaft wird derzeit intensiv darum gerungen, wie der Verkehrssektor in den kommenden Jahren Treibhausgasemissionen einsparen kann. Kaum hat sich der Koalitionsausschuss geeinigt, die Emissionsziele im Klimaschutzgesetz zukünftig sektorübergreifend zu bewerten [I] und so womöglich Druck vom Verkehrssektor zu nehmen, weitet die „Letzte Generation“ ihre Straßenblockaden in Berlin auf unbestimmte Zeit aus, um die Regierung zu mehr Maßnahmen zu bewegen. Obgleich viele Vorschläge für Maßnahmen existieren, ist es bisher nicht gelungen, die Emissionen des Verkehrssektors zu senken – Effizienzgewinne wurden immer wieder durch Rebound-Effekte neutralisiert [II]. Politische Maßnahmen wie das Sofortprogramm des vergangenen Jahres reichen bislang nicht aus, um Deutschlands Verkehr auf den Zielpfad bis 2030 zu bringen [III] [IV]. Statt zu diskutieren, mit welchen Maßnahmenpaketen sich die Emissionsziele des Verkehrs noch erreichen ließen, fokussiert sich die momentane öffentliche Debatte meist auf einzelne Vorschläge. So wird über das 49-Euro-Ticket diskutiert [V] oder darüber, wie sinnvoll ein Tempolimit wäre [VI].

In dieser Science Response richten die Expertinnen und Experten den Fokus dagegen auf das große Ganze und die Frage, wie Deutschland insgesamt die Klimaziele im Verkehr erfüllen könnte. Da der Straßenverkehr fast die gesamten Treibhausgasemissionen des inländischen Verkehrssektors nach dem Klimaschutzgesetz [VII] [VIII] ausmacht, konzentrieren sich die Antworten ausschließlich auf die Emissionen des Straßenverkehrs.

Übersicht

     

  • Dr. Patrick Plötz, Leiter des Geschäftsfelds Energiewirtschaft, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe

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  • Prof. Dr. Meike Jipp, Direktorin des Instituts für Verkehrsforschung, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR), Berlin

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  • Thorsten Koska, Co-Leiter des Forschungsbereichs Mobilität und Verkehrspolitik, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH

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Statements

Die folgenden Statements sind bewusst mit Blick auf langfristige Verwendbarkeit eingeholt und können auch in Zukunft zu diesem Thema Hintergrundinformationen bieten und zitiert werden.

Dr. Patrick Plötz

„Im Verkehrsbereich hat Deutschland in den letzten beiden Jahren seine CO2-Minderungsziele nicht erreicht. Die aktuellen Maßnahmen reichen nicht aus, um diese Ziele in den kommenden Jahren einzuhalten oder die zusätzlichen Emissionen der vergangenen Jahre auszugleichen. Die Ziellücke im Verkehr ist erheblich. Derzeit haben die CO2-Flottengrenzwerte und die Förderung der E-Pkw die größte Wirkung.“

Prof. Dr. Meike Jipp

„Die Treibhausgasemissionen des Straßenverkehrs werden in den nächsten Jahren sinken. Der Hauptgrund: Wir werden mehr und mehr elektrische angetriebene Pkw, Lkw und Busse auf den Straßen sehen. Vollelektrische Fahrzeuge stoßen beim Fahren keine Treibhausgase aus. E-Autos werden seit 2020 vermehrt angeboten, da Hersteller in Europa strengere Emissionsstandards einhalten müssen. Diese Emissionsstandards werden in den kommenden Jahren sukzessive strenger, sodass Hersteller längst Kurs in Richtung Elektromobilität eingeschlagen haben. Gemeinsam mit der nationalen Förderung der E-Mobilität sind die Emissionsstandards der größte Hebel für Emissionseinsparungen.“

Dr. Patrick Plötz

„Es gibt einige wichtige Maßnahmen, die kurz- oder mittelfristig eine signifikante Wirkung erzielen können und die wir unbedingt umsetzen sollten. Dazu zählen die umweltfreundliche Gestaltung der Dienstwagensteuer, die Einführung eines Tempolimits und die anhaltend starke Förderung von Elektro-Pkw und -Lkw. Diese Maßnahmen haben kurz- und mittelfristig große Wirkung. Das Tempolimit allein kostet nichts, reduziert Stau und kompensiert einen erheblichen Teil der Zielverfehlung 2022.“

Prof. Dr. Meike Jipp

„Die EU hat sich auf eine Verschärfung der Emissionsstandards für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge geeinigt. Für schwere Nutzfahrzeuge ist eine Verschärfung absehbar. Damit ist sichergestellt, dass immer mehr elektrische Fahrzeuge neu zugelassen und die Emissionen des Straßenverkehrs in Deutschland dementsprechend Schritt für Schritt zurückgehen werden. Dieser regulative Rahmen ist der zentrale Hebel für die Reduktionen von Treibhausgasen bis zum langfristigen Ziel der Klimaneutralität 2045. Emissionsstandards allein werden die Emissionen jedoch nicht schnell genug absenken können. Deshalb braucht es flankierend zu den Emissionsstandards weitere Maßnahmen.“

„Die Förderung von E-Mobilität beschränkt sich auf eine vom Staat finanzierte Reduktion des Anschaffungspreises vollelektrischer Fahrzeuge. Ergänzende, den Bundeshaushalt nicht belastende Maßnahmen könnten die relativen Preisunterschiede zwischen Verbrennern und vollelektrischen Fahrzeugen weiter verringern beziehungsweise umkehren. Ähnlich dem bestehenden Förderregime könnte außerdem die Anschaffung bestimmter Fahrzeuge, zum Beispiel besonders effizienter, bevorzugt gefördert werden.“

„Gemessen am Fahrzeugbestand werden jährlich nur wenige neue Fahrzeuge neu zugelassen. Deshalb werden wir über Jahre hinweg hauptsächlich Verbrenner-Pkw und -Lkw auf den Straßen sehen. Einen großen Hebel haben somit Maßnahmen, die auf einen effizienteren Betrieb dieser Verbrenner abzielen.“

„Da der öffentliche Verkehr deutlich energieeffizienter betrieben wird als der Pkw, braucht es im Personenverkehr eine Verlagerung hin zu mehr Bus und Bahn. Das Deutschlandticket ist ein großer Schritt hin zu einer attraktiveren Nutzung des ÖPNV. Wichtig ist, dass finanzielle Rahmenbedingungen sicherstellen, dass Verkehrsbetriebe aufgrund geringerer Einnahmen ihr Angebot nicht verkleinern müssen. Für eine Verlagerung braucht es neben einem attraktiven ÖPNV auch Maßnahmen, die der Dominanz des Pkw ein Stück weit entgegenwirken.“

„Im Güterverkehr muss parallel zur Elektrifizierung von Lkw eine Verlagerung auf die energieeffiziente Schiene und das Binnenschiff erfolgen. Preisliche Maßnahmen wie die Lkw-Maut wirken in die gewünschte Richtung. Wichtig ist, dass Rahmenbedingungen und Infrastrukturen geschaffen werden, damit die Schiene und das Binnenschiff das verlagerte Verkehrsaufkommen schultern können.“

Thorsten Koska

„Die europäischen Flottengrenzwerte sind ein starkes Instrument mit großem Einfluss auf die Hersteller von neuen Pkw – sowohl auf den Anteil von Elektrofahrzeugen als auch auf die CO2-Emissionen von konventionellen Fahrzeugen. Um die Emissionen der Neufahrzeuge stärker zu senken und ihre Effizienz zu erhöhen, ist eine weitere Reform dieser Grenzwerte sinnvoll. Zwar ist gerade erst im Rahmen dieser Regulierung der Ausstieg aus fossilen Verbrennern bis 2035 beschlossen worden. Allerdings gibt für die Jahre bis dahin noch ein großes Potenzial, durch Verschärfung der Grenzwerte die Marktanteile von E-Fahrzeugen zu erhöhen und die Verbräuche und damit CO2-Emissionen von Benzin- und Dieselfahrzeugen zu senken. Bei E-Fahrzeugen fehlt bislang zudem ein Anreiz für besonders effiziente, also kleine und leichte Fahrzeuge, da diese derzeit unabhängig von ihrem Energieverbrauch als Nullemissionsfahrzeuge angerechnet werden.“

„Mit einer Umgestaltung der Besteuerung von Kraftfahrzeugen können starke Anreize für die Kund:innen von Neufahrzeugen gesetzt werden. Ein Bonus-Malus-System kann dabei emissionsarme Fahrzeuge – also insbesondere E-Fahrzeuge – fördern, während Fahrzeuge mit hohen Emissionen durch deutlich höhere Steuern weniger attraktiv werden. Die Lenkungswirkung der heutigen Kfz-Steuer ist aufgrund der insgesamt niedrigen Steuersätze zu gering, um hier einen maßgeblichen Einfluss auszuüben. Besser wäre es, mit einer einmaligen Neuzulassungsteuer bereits beim Kauf eines Fahrzeugs einen starken Anreiz zu setzen, wie dies in vielen anderen europäischen Ländern praktiziert wird. Wenn für Verbrenner mit hohem Verbrauch beim Kauf mehrere tausend Euro Neuzulassungssteuern fällig werden, würden deren Verkaufszahlen sinken, während mehr Niedrigemissionsfahrzeuge verkauft würden. Das Bonus-Malus-System kann dabei aufkommensneutral gestaltet werden, sodass die Förderung besonders emissionsarmer Fahrzeuge durch die zusätzlichen Steuereinnahmen finanziert wird.“

„Gewerblich zugelassene Fahrzeuge, darunter unter anderem Dienstwagen, machen mit rund 64 Prozent im Jahr 2022 einen Großteil der Neuzulassungen von Pkw in Deutschland aus. Sie werden oft schon nach kurzer Zeit weiterverkauft und prägen damit auch die Zusammensetzung des Gebrauchtwagenmarktes. Damit hat die Besteuerung von Dienstwagen einen großen Einfluss darauf, welche Pkw in Deutschland gefahren werden. Bislang ermöglicht die Dienstwagenregelung den Unternehmen, Fahrzeuge unabhängig von ihren spezifischen Emissionen von der Steuer abzusetzen. Private Nutzungsanteile müssen nur pauschal mit relativ geringen Sätzen versteuert werden. Eine Kopplung der Absetzbarkeit an den CO2-Ausstoß und eine Erhöhung der Besteuerung würden dazu beitragen, die Emissionen der gewerblich neu zugelassenen Fahrzeuge zu senken.“

„Neben den Instrumenten, die in Richtung der Anschaffung emissionsärmerer Neufahrzeuge wirken, ist es wichtig, auch die Phase der Fahrzeugnutzung zu adressieren. Eine stärkere Erhöhung des CO2-Preises als bislang vorgesehen kann mehrere Wirkungen entfalten: Sie führt dazu, dass weniger mit dem Auto gefahren wird, dass emissionsärmere Autos gefahren werden und dass das Fahrverhalten spritsparender wird. Eine ähnliche Wirkung auf gefahrene Kilometer und Fahrzeugwahl hat eine fahrleistungsabhängige Pkw-Maut, die nach Höhe der spezifischen Emissionen gestaffelt ist. Ein schnell umsetzbares Instrument, das die Emissionen je gefahrenem Kilometer senkt, ist zudem ein Tempolimit auf Autobahnen.“

Dr. Patrick Plötz

„Synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels, werden bis mindestens 2030 nicht in relevanten Mengen zur Verfügung stehen. Sie können daher in mittelbarer Zukunft keinerlei relevanten Beitrag zum Klimaschutz im Straßenverkehr leisten. Trotzdem sind sie langfristig wichtig für Flugzeuge und Schiffe. Die Wirkung eines Ausbaus öffentlicher Ladeinfrastruktur für E-Pkw wird oft überschätzt. Wir brauchen mittelfristig vor allem mehr Schnelllader, aber ein Großteil wird bereits ohne Förderung gebaut.“

Prof. Dr. Meike Jipp

„Die Reduktion der Emissionen des Straßenverkehrs fußt auf drei Säulen: Erstens, durch die Verbesserung beziehungsweise Elektrifizierung der Antriebe der Fahrzeuge. Zweitens, durch die Verlagerung, das heißt den Umstieg auf den Umweltverbund also öffentlicher Verkehr, Rad und Fuß beziehungsweise den Güterzug und das Binnenschiff. Drittens, durch die Vermeidung von Straßenverkehr zum Beispiel durch die vermehrte Durchführung virtueller Meetings.

„Die Herausforderung für den Straßenverkehr ist so groß, dass wir alle drei Strategien brauchen. Hierbei sollte vor allem berücksichtigt werden: Allein mit Anreizen erzielt man nur einen geringen Effekt beziehungsweise dauern nachhaltige Mobilitätsverhaltensänderungen länger.“

Dr. Patrick Plötz

„Um ausreichenden Klimaschutz im Verkehr zu erreichen, brauchen wir vereinfachend gesagt: alles, überall, gleichzeitig und sofort. Gleichzeitig müssen wir eine umfassende Verkehrswende einleiten, um das Ziel einer verstärkten Nutzung von Bussen, Bahnen, Fahrrädern, Homeoffice und Carsharing zu erreichen. Diese Veränderungen wirken jedoch nur langsam und langfristig, und tragen zu einer noch stärkeren Emissionsreduktion nach 2030 bei. Hierfür müssen wir Infrastrukturen abseits der Straßen schaffen und klimaschädliche Subventionen aufheben.“

„Es ist wichtig, bei allen Maßnahmen darauf zu achten, dass nicht nur die Maßnahme an sich, sondern auch deren Ausgestaltung und die Wechselwirkung mit anderen Maßnahmen und Rahmenbedingungen einen erheblichen Einfluss auf ihre Akzeptanz und Wirkung haben. Um die Ziele im Verkehrsbereich bis 2030 zu erreichen, müssen daher in allen Dimensionen – also Verkehrsvermeidung, Verkehrsverlagerung und alternative Antriebe – umfangreiche Maßnahmen umgesetzt werden.“

Prof. Dr. Meike Jipp

„Um die Klimaziele im Verkehr einzuhalten, brauchen wir viele ambitionierte Maßnahmen, die gleichzeitig wirken. Wir brauchen als wichtigsten Hebel eine schnelle Elektrifizierung des Straßenverkehrs. Die Regierung hat sich im Personen- und Güterverkehr ambitionierte Ziele gesetzt, die es zu erreichen gilt. Neben der schnellen Elektrifizierung braucht es Rahmenbedingungen für einen effizienteren Betrieb der verbleibenden Verbrenner im Bestand. Neben dieser sogenannten Verbesserung braucht es eine Verlagerung von der Straße auf die Schiene, um dem prognostizierten Wachstum des Straßenverkehrs entgegenzuwirken. Wichtig wird außerdem die Vermeidung von Verkehr sein, etwa durch virtuelle Meetings oder stadtplanerische Maßnahmen für kürzere Wege. Unsere Projektionen zeigen jedoch, dass die Klimaziele im Verkehr eine große Herausforderung bleiben, selbst wenn ambitionierte Maßnahmen ergriffen werden.“

Thorsten Koska

„Die Analysen des Expertenrats für Klimafragen zeigen, dass die bisher vom Verkehrsministerium vorgeschlagenen Maßnahmenpakete bei weitem nicht ausreichen, um die Klimaziele im Verkehrssektor einzuhalten. Dies zeigt, dass nicht allein eine Verbesserung der Fahrzeuge ausreicht, sondern insbesondere auch die Verkehrsverlagerung von Verkehrsmitteln mit hohen Emissionen wie Auto und Flugzeug auf den Umweltverbund aus Bus und Bahn, Rad- und Fußverkehr sowie Sharingmobilität und eine Reduzierung des Verkehrs notwendig ist, um die Ziele einhalten zu können.“

„Für eine Verkehrsverlagerung ist dabei insbesondere ein deutlich ambitionierterer und schnellerer Ausbau des Öffentlichen Verkehrs in der Fläche mit Netz- und Taktverdichtung notwendig. Hierfür müssen unter anderem Schienennetze erweitert und digitalisiert, neue Angebote vom Schnellbus über Straßenbahnen bis zum Regional- und Fernzugverkehr geschaffen und der Deutschlandtakt beschleunigt umgesetzt werden.“

„Im ländlichen Raum und in Stadtrandlagen können On-Demand-Angebote den ÖPNV flexibel ergänzen. Verbindliche Angebotsstandards und zusätzliche öffentliche Mittel können die Umsetzung ermöglichen. Eine Priorisierung des ÖPNV, Fuß- und Radverkehrs im Straßenverkehrsrecht ermöglicht eine schnellere und einfachere Planung von durchgängigen, sicheren Wegenetzen einschließlich neuer Formen wie Radschnellwege oder geschützte Radstreifen in den Kommunen.“

„Sharing-Angebote wie Car-, Bike-, Lastenrad- und Scooter-Sharing ermöglichen die Ergänzung des Öffentlichen Verkehrs und fördern damit den Umstieg vom Auto, müssen aber flächenhaft öffentlich gefördert werden, um auch außerhalb großer Städte ein attraktives Mobilitätsangebot bereitzustellen. Mithilfe von Mobilstationen und integrierten digitalen Mobilitätsplattformen, die die Buchung aus einer Hand zulassen, kann so der Umstieg vom eigenen Auto auf den Umweltverbund für viele attraktiver gemacht werden.“

„Im Güterverkehr kann ein beschleunigter Ausbau des kombinierten Verkehrs, die Automatisierung von Verladeprozessen, der Ausbau des Schienennetzes und die Reaktivierung von Gleisanschlüssen eine Verlagerung vom Lkw auf die Schiene fördern – wenn zugleich durch deutlich höhere Lkw-Maut und die weitere Senkung von Trassenpreisen entsprechende Anreize gesetzt werden.“

„Zu einer Reduzierung des Verkehrs kann eine verkehrssparsame Stadt- und Raumplanung beitragen: Kürzere Wege zum Einkaufen oder zur Arbeit lassen sich unter anderem durch eine Verkehrserzeugungsabgabe fördern, die eine Ansiedlung auf der grünen Wiese unattraktiver machen. Das Netz von Schulen, Krankenhäusern und anderen öffentlichen Einrichtungen müsste verdichtet statt ausgedünnt werden.“

„Durch die Förderung virtueller Mobilität lassen sich Wege vermeiden – ein Recht auf Homeoffice beziehungsweise mobiles Arbeiten in geeigneten Berufsfeldern kann die Potenziale zur Verkehrsreduzierung, die bereits in der Pandemie sichtbar wurden, dauerhaft heben. Hierzu kann unter anderem auch die Förderung von Co-Working-Spaces im ländlichen Raum beitragen.“

„Zur Verkürzung von Lieferketten für eine Einsparung von Güterverkehr kann eine Förderung regionaler Wirtschaftsstrukturen ebenso wie eine deutlich höhere Lkw-Maut beitragen.“

Dr. Patrick Plötz

„Es ist weder aus Gründen des Klimaschutzes noch im Hinblick auf die europäischen Zielvorgaben sinnvoll, höhere Verkehrsemissionen durch Einsparungen in anderen Sektoren auszugleichen. Verkehr und Gebäude müssen zusammen ein Ziel erreichen, andernfalls drohen hohe Strafzahlungen seitens Deutschlands (im Rahmen der europäischen Effort Sharing Regulation; Anm. d. Red.). Eine verzögerte Verkehrswende kann zudem die Innovations- und damit die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands in Frage stellen, wenn der Wandel woanders schneller voranschreitet.“

Prof. Dr. Meike Jipp

„Wichtig ist zu verstehen, dass das Bundes-Klimaschutzgesetz in der aktuell geltenden Fassung einen Budgetansatz verfolgt. Das heißt, dass nicht nur das Ziel für 2030 erreicht werden muss, sondern auch die Ziele für die Jahre bis 2030. Sollte dies nicht der Fall sein, so verschärft sich das Ziel für das Jahr 2030 entsprechend. Neben dem Verkehr sehen sich die anderen Verbrauchssektoren, und auch der Energiesektor, aktuell großen Herausforderungen gegenüber. Wenn keine weiteren Maßnahmen ergriffen werden, erscheint es wenig plausibel, dass die zu erwartenden Zielverfehlungen des Verkehrs in den nächsten Jahren durch die anderen Sektoren ausgeglichen werden können.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Dr. Patrick Plötz: „Es liegen keine Interessenkonflikte vor.“

Thorsten Koska: „Es liegen keine Interessenkonflikte vor.“

Alle: Keine Angaben erhalten.

Weiterführende Recherchequellen

Agora Verkehrswende (2018): Klimaschutz im Verkehr: Maßnahmen zur Erreichung des Sektorziels 2030.
Ältere Studie, die daher neue Entwicklungen, etwa der EU-Klimapolitik, noch nicht abbildet. Die Studie zeigt jedoch übersichtlich, wie stark die Emissionsminderungen nicht nur vom Typ, sondern auch von der konkreten Ausgestaltung der gewählten Maßnahmen abhängt.

Axen J et al. (2020): Crafting strong, integrated policy mixes for deep CO2 mitigation in road transport. Nature Climate Change. DOI: 10.1038/s41558-020-0877-y.
Zusammenfassung der Evidenz für verschiedene Maßnahmen zur Minderung von Emissionen im Verkehrssektor. Als wichtigste Maßnahmen werden Emissionsstandards für Treibstoffe und Flotten sowie Förderung von Null-Emissions-Fahrzeugen identifiziert. Eine Kombination mit Preismechanismen wie CO2-Preisen und Maßnahmen zur Minderung des Verkehrsaufkommens wird empfohlen. Das SMC hat die Studie bei Veröffentlichung als Research in Context von Expertinnen und Experten einschätzen lassen.

Koch N et al. (2022): Attributing agnostically detected large reductions in road CO2 emissions to policy mixes. Nature Energy. DOI:10.1038/s41560-022-01095-6.
Empirische Analyse von Maßnahmenpaketen, um Emissionen im Verkehr zu mindern. Ergebnis: Erfolgreiche Maßnahmenpakete erhöhen einerseits die Kosten des Autofahrens, etwa über CO2-Steuern, was das Fahrverhalten beeinflusst, und ändern andererseits über Steuern oder Subventionen die Investitionsentscheidung beim Autokauf.

Levi S et al. (2021): Analyse: Klimaschutz und Verkehr – Zielerreichung nur mit unbequemen Maßnahmen möglich.
Analyse in Rahmen des vom BMBF-geförderten Ariadne-Projekts, welche Maßnahmen wie viel bringen, welches Maßnahmenpaket notwendig für erfolgreichen Klimaschutz im Verkehr wäre und wie stark die öffentliche Zustimmung – auch nach Parteipräferenzen differenziert – zu den verschiedenen Maßnahmen ist. Ergebnis: Unabhängig von der Verteilungswirkung haben die wirkungsstärksten Maßnahmen geringere Zustimmung. Nur diejenigen Maßnahmen mit mehrheitlicher Zustimmung umzusetzen, senkt die Emissionen nicht genug.

Umweltbundesamt (23.03.2023): Klimaschutz im Verkehr.
Vorschlag für ein Maßnahmenpaket, mit dem sich die Klimaziele im Verkehr erreichen lassen könnten. Wechselwirkungen zwischen den Maßnahmen werden explizit gemacht und Schätzwerte für die Minderungspotentiale einzelner Bausteine werden genannt. Eine Linkliste unter dem Text verweist auf detailliertere Dokumente zu den einzelnen Maßnahmen.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Koalitionsausschuss (28.03.2023): Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung.

[II] Expertenrat für Klimafragen (04.11.2022): Zweijahresgutachten 2022.
Abbildung 49 zeigt, dass Effizienzgewinne im Verkehr durch mehr Fahrten neutralisiert wurden. Rückgang der Emissionen in den Zahlen seit 2000 liegt nur am vermehrten Tanken im Ausland.

[III] Expertenrat für Klimafragen (25.08.2022): Prüfbericht zu den Sofortprogrammen 2022 für den Gebäude- und Verkehrssektor.
Fazit für den Verkehrssektor auf Seite 83.

[IV] Umweltbundesamt (11.02.2022): Projektionsbericht 2021 für Deutschland.
Fazit zur projizierten Entwicklung der Treibhausgasemissionen des Verkehrs auf Seite 270.

[V] Science Media Center (2023): Klimaschutz beim Verkehr: Welche Rolle kann das Deutschlandticket spielen?. Science Response. Stand: 03.02.2023.

[VI] Science Media Center (2023): Tempolimit: 130 km/h könnte großen ökonomischen Nutzen entfalten. Research in Context. Stand: 20.04.2023.

[VII] Bundesministerium der Justiz (18.08.2021): Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG).
Spezifizierung der jeweiligen Sektoren in Anlage 1.

[VIII] Umweltbundesamt (15.03.2023): Berechnung der Treibhausgasemissionsdaten für das Jahr 2022 gemäß Bundesklimaschutzgesetz. Begleitender Bericht.
Anteil des Straßenverkehrs an den Verkehrsemissionen ersichtlich aus Abbildung 5.