Zum Hauptinhalt springen
15.03.2022

Suche nach einem universellen COVID-19-Impfstoff

Impfungen gegen das Coronavirus haben maßgeblich dazu beigetragen, die Pandemie weitgehend unter Kontrolle zu bekommen. Eine vollständige Impfung samt Booster schützt gesunde Menschen vor schweren Krankheitsverläufen, die nach Infektionen mit den derzeit grassierenden Virusvarianten entstehen können. Allerdings deuten mehrere Studien darauf hin, dass die Antikörperspiegel im Blut von Geimpften auch wieder abnehmen, womit es vermehrt zu Durchbruchinfektionen und auch zu Krankenhauseinweisungen kommen kann, selbst wenn der Schutz vor schwerer und tödlicher Erkrankung bisher bestehen bleibt [I] [II].

Die Grenzen der Schutzwirkung der bisherigen SARS-CoV-2-Impfstoffe deuten darauf hin, dass sie künftig durch Impfstoffe der zweiten Generation ersetzt werden sollten, die einen breiteren und nachhaltigeren Immunschutz induzieren [III]. So würde ein universeller Impfstoff gegen Coronaviren, idealerweise vor diversen SARS-CoV-2-Varianten und sogar künftig entstehenden Coronaviren Schutz bieten, die bereits zirkulieren oder potenziell von Tieren auf den Menschen überspringen und künftige Pandemien verursachen könnten. Auch für die am Donnerstag anstehende Debatte um eine allgemeine Impfpflicht spielt die Aussicht auf Impfstoffe der nächsten Generation eine Rolle.

Weltweit läuft die Forschung zu derlei universellen Impfstoffen. So entwickelt das Walter Reed Army Institute in den USA einen Proteinimpfstoff, der theoretisch Schutz vor mehreren SARS-verursachenden Betacoronavirus-Varianten bieten soll. Das Vakzin beruht auf dem Eiweiß-Molekül Ferritin. Dieses formt sich selbst zu einem kugelartigen Gebilde mit 24 Seiten, an denen je ein Spike-Protein einer Virusvariante chemisch angeheftet werden kann. Der Impfstoff zeigte in Tierversuchen eine breite Antikörperantwort gegen mehrere SARS-CoV-2-Varianten sowie SARS-CoV-1 [IV]. Eine erste klinische Phase-I-Studie wurde inzwischen gestartet [V].

Ein Team an der Universität von North Carolina setzt derweil bei ihrem Impfstoffkandidaten auf sogenannte chimäre Spike-Proteine, die Abschnitte von drei verschiedenen Sarbecoviren kombinieren sollen, zu denen auch SARS-CoV-2 gehört. Die Forschenden testeten den Impfstoff an Mäusen und beobachteten eine entsprechende Antikörperantwort gegen mehrere Sarbecoviren [VI].

In der Influenza-Forschung versucht man seit Jahrzehnten einen entsprechenden universellen Impfstoff gegen zirkulierende Virusvarianten zu entwickeln. Im Gegensatz zu Viren, die systemische Infektionen verursachen, zum Beispiel Masern, Röteln und Pocken, infizieren Atemwegsviren wie SARS-CoV-2 und Influenzaviren in erster Linie Epithelzellen auf Schleimhautoberflächen. So kommen sie nur begrenzt in Kontakt mit der systemischen Immunabwehr. Sie rufen daher bei milden Verläufen eine unvollständige und lediglich vorübergehende schützende Immunität hervor, wodurch sich Reinfektionen häufen. Ein ähnlicher Effekt kann bei den bisher zugelassenen Corona-Impfungen beobachtet werden, wenn die induzierten Antikörpertiter mit der Zeit wieder abnehmen und eine Reinfektion in den Atemwegen nicht direkt abgewendet werden kann. Zudem mutieren diese RNA-Viren rasch und bringen so ständig neue Virusvarianten hervor, die von der Immunabwehr nicht mehr komplett erkannt werden.

Die Entwicklung universeller Impfstoffe gegen Coronaviren steht noch am Anfang. Welche Impfstoffkandidaten letztlich beim Menschen eine Immunität gegen mehrere virale Proteinantigene von Virusvarianten auslösen und sowohl ein langfristiges humorales als auch ein zelluläres Immungedächtnis erzeugen könnten, ist bisher nicht genau absehbar. Wie die Erfolgsaussichten im Falle einer Impfung gegen SARS-CoV-2 und andere Coronaviren einzuschätzen und welche Schwierigkeiten mit der Entwicklung solcher Impfstoffe verbunden sind, bewerten im Folgenden Forschende unterschiedlicher Disziplinen.

Die Redaktion des SMC hat den Fachleuten folgende Fragen gestellt:

1. Welche der aktuellen Forschungsansätze für einen universellen COVID-19-Impfstoff bewerten Sie als vielversprechend?

2. Wie unterscheidet sich die Entwicklung derlei Impfstoffe im Vergleich zu jener der bereits bekannten Vakzine? Wo liegen die Schwierigkeiten?

3. Welches Ziel soll verfolgt werden? Sollen auch Infektionen verhindert werden oder weiterhin vornehmlich Hospitalisierungen?

4. Inwiefern könnte ein universeller Impfstoff auch für bereits vollständig geimpfte Personen einen Mehrwert liefern?

5. Wie bewerten Sie die aktuelle Forschung zu Impfstoffen, die das Immunsystem direkt in den Schleimhäuten stärken? Welche Rolle könnten solche Impfstoffe für die globale Impfstrategie spielen?

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Carlos A. Guzman, Leiter der Abteilung Vakzinologie und Angewandte Mikrobiologie, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI), Braunschweig

  •  

  • Prof. Dr. Peter Kremsner, Direktor des Instituts für Tropenmedizin, Reisemedizin und Humanparasitologie, Universitätsklinikum Tübingen

  •  

  • PD Dr. Sebastian Ulbert, Abteilungsleiter Impfstoffe und Infektionsmodelle, Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI), Leipzig

  •  

Statements

Die folgenden Statements sind bewusst mit Blick auf langfristige Verwendbarkeit eingeholt und können auch in Zukunft zu diesem Thema Hintergrundinformationen bieten und zitiert werden.

1. Welche der aktuellen Forschungsansätze für einen universellen COVID-19-Impfstoff bewerten Sie als vielversprechend?


Prof. Dr. Carlos A. Guzman

„Für die Entwicklung eines universellen oder breiteren Impfstoffs können verschiedene Strategien angewandt werden. Ein vereinfachter Ansatz wäre die Einarbeitung von Oberflächenproteinen (Spikes) aus verschiedenen Varianten. Dies könnte zu einem suboptimalen Schutz führen gegen neu auftretende Viren, die neue Mutationen tragen, welche die Neutralisierungskapazität von Antikörpern, die durch eine frühere Infektion oder Impfung stimuliert wurden, verringern – wie wir es bei Omikron beobachten. Alternativ können Impfstoffe Spikes zusammen mit anderen viralen Antigenen enthalten, die den Schutz fördern und kompensieren, wenn Viren mit stark mutierten Spikes auftauchen. Eine elegantere Strategie wäre die Verwendung von Mosaik-Spikeproteinen (ein Mischspikeprotein, das aus Proteinabschnitten verschiedener Varianten besteht; Anm. d. Red.) oder anhand von Computersimulationen abgeleiteten synthetischen Derivaten von Spikeproteinen, die in der Lage sind, breit neutralisierende Antikörper zu stimulieren, die frühere, bestehende und potenziell neue Varianten erkennen. Es wäre auch möglich, eine konzeptionell andere Strategie umzusetzen, nämlich einen Impfstoff zu entwickeln, der auf zellulärer Immunität statt auf neutralisierenden Antikörpern beruht.“

Prof. Dr. Peter Kremsner

„Bisher hat kein Ansatz den entscheidenden Erfolg gebracht. Hervorzuheben wäre sicherlich der Versuch des Walter Reed Army Institute of Research des US-Militärs. Dort wird versucht, mithilfe von Trägerproteinen möglichst viele Antigensequenzen des Coronavirus abzudecken.“

PD Dr. Sebastian Ulbert

„Grundsätzlich werden zwei Strategien verfolgt: Bei der einen Strategie beinhalten die Impfstoffe Teile mehrerer unterschiedlicher Coronaviren oder Teile, die bei vielen Coronaviren ähnlich sind. Diese werden auf einmal verimpft. Dadurch wird das Immunsystem gleich mit mehreren Viren vertraut gemacht. Bei der anderen Strategie wird nacheinander gegen verschiedene einzelne Coronaviren geimpft. Dies führt durch die natürliche Reifung des Immunsystems ebenfalls zu einem Schutz gegen eine Vielfalt an Coronavirus-Varianten. Beide Ansätze sind noch in einem sehr frühen Stadium, es gibt bisher vor allem Daten aus Tierversuchen. Erst nach langfristigen klinischen Studien am Menschen kann bewertet werden, welche Strategie wirklich zu einem universellen Schutz führen kann. Es ist allerdings absehbar, dass diese Impfstrategien aufwendiger und damit auch teurer sein werden als die momentan eingesetzten Impfstoffe gegen COVID-19.“

2. Wie unterscheidet sich die Entwicklung derlei Impfstoffe im Vergleich zu jener der bereits bekannten Vakzine? Wo liegen die Schwierigkeiten?


Prof. Dr. Carlos A. Guzman

„Wenn verschiedene Spikes verwendet werden, ist es wichtig, dass die Immunreaktionen die ‚Zielregionen‘ in den neuen Antigenen umfassen – anstatt Gedächtnisreaktionen gegen gemeinsame Regionen aus den ‚alten Spikes‘ zu fördern, um so die sogenannte Antigenerbsünde zu überwinden (bevorzugte Aktivierung bereits vorhandener Gedächtniszellen). Bei Impfstoffen, die auf verschiedenen Antigenen basieren, ist es von entscheidender Bedeutung, eine optimale Immunantwort gegen alle verschiedenen Antigene zu gewährleisten, was in Anbetracht von Problemen wie Immundominanz nicht immer gegeben ist. Bei der Verwendung synthetischer Antigene stellt sich vor allem die Frage, ob die Vorhersagen über die Wirksamkeit gegen potenzielle neu auftretende Varianten korrekt sind, wenn sich das Virus auf natürliche Weise weiterentwickelt.“

Prof. Dr. Peter Kremsner

„Das Problem dabei ist: Man muss ja eigentlich vorher wissen, welche Variante wohl demnächst endemisch wird. Das weiß man aber nicht. Man kann es vermuten, so wie es etwa auch bei der Entwicklung von Influenza-Impfstoffen der Fall ist, aber mit Gewissheit kann man es nicht sagen. In mehreren Jahrzehnten Influenza-Forschung ist es bisher nicht gelungen, einen universellen Impfstoff herzustellen, der alle neuen Varianten erfasst – und wirken würde. Und wenn es jetzt zum Beispiel keine neuen Coronavirus-Varianten gibt, Omikron sich also erst einmal völlig durchsetzt und allein bleibt, braucht es eigentlich nur einen angepassten Omikron-Impfstoff.“

PD Dr. Sebastian Ulbert

„Bisher war die Wahl des Antigens, also der zentralen Komponente eines Impfstoffs, vergleichsweise einfach. Aus früheren Forschungen zu Coronaviren wusste man, dass das Spike-Protein bei diesen Viren zu einer schützenden Immunität führt. Es reichte also, das Spike-Protein von SARS-CoV-2, oder die genetische Information dafür, in den Impfstoff einzubauen. Bei einem universellen Coronavirus-Impfstoff muss die Entwicklung des zentralen Antigens neu aufgerollt werden. Je nach Ansatz muss die Sequenz des Antigens aus mehreren Viren zusammengesetzt oder es müssen verschiedene Proteine zusammengemischt werden. Die ausgelöste Immunantwort muss dann auch gegen verschiedene Coronaviren beziehungsweise Varianten effektiv sein, also nicht nur gegen ein Zielvirus. Dabei muss auch verhindert werden, dass Antikörper gegen eine Virusvariante überdurchschnittlich stark, gegen eine andere aber nur sehr schwach gebildet werden. Denn dies führt zu unausgeglichenen Immunantworten und könnte mit einer wirksamen Schutzwirkung interferieren. All diese Punkte müssen in komplexen präklinischen und klinischen Studien untersucht werden, was die Entwicklung wesentlich aufwendiger, risikoreicher und letztendlich teurer macht.“

3. Welches Ziel soll verfolgt werden? Sollen auch Infektionen verhindert werden oder weiterhin vornehmlich Hospitalisierungen?


Prof. Dr. Carlos A. Guzman

„Es ist klar, dass Impfstoffe einen schweren Krankheitsverlauf mit Klinikaufenthalt verhindern können, was der Schlüssel zur Verringerung der Auswirkungen der Pandemie sind. Dies ist das absolute Minimum. Es wäre jedoch höchst wünschenswert, das Wirkungsspektrum von neuen Impfstoffen zu erweitern. Es sollten Impfstoffe entwickelt werden, die alle Formen von symptomatischen Erkrankungen wirksam verhindern, wie dies auch bei anderen durch Impfung vermeidbaren Infektionskrankheiten der Fall ist. Das Tüpfelchen auf dem i wären Impfstoffe, die von vornherein in der Lage sind, Infektionen zu verhindern oder zu reduzieren und damit die Übertragung des Virus auf gesunde Kontaktpersonen zu verringern. In jedem Fall wäre es ein klarer Vorteil, wenn diese Impfstoffe der zweiten Generation langanhaltende Schutzreaktionen mit Immungedächtnis fördern könnten, sodass eine häufige Auffrischung unnötig wäre.“

Prof. Dr. Peter Kremsner

„Grundsätzlich geht mit Impfstoffen beides. Der individuelle Schutz sollte zunächst einmal im Vordergrund stehen, also der Schutz vor schweren Krankheitsverläufen und Tod. Global betrachtet wäre ein Schutz vor Infektion natürlich ideal, weil man damit ja die schweren Erkrankungen verhindert und gleichzeitig die Virusverbreitung stark eindämmt.“

PD Dr. Sebastian Ulbert

„Viren wie SARS-CoV-2 sind respiratorische Viren, die sehr leicht die oberen Atemwege infizieren. Dafür sind sie durch die Evolution perfekt ausgerüstet. Auf der anderen Seite benötigt das Immunsystem einige Zeit, bis es in den Schleimhäuten der Atemwege effektiv gegen Krankheitserreger vorgehen kann. Impfstoffe wirken ausschließlich über das Immunsystem. Und daher ist es fraglich, ob man mit einem Impfstoff, egal ob gegen ein Coronavirus oder gegen mehrere, überhaupt einen langanhaltenden Schutz vor einer reinen Infektion erreichen kann. Aber wenn eine Infektion nicht zu einer schweren Erkrankung führt, ist sie aus immunologischer Sicht auch nicht problematisch. Unser Immunsystem reagiert daher auf respiratorische Viren vor allem mit einem Schutz vor schwerer Erkrankung, und genau dieser kann und soll mit einem Impfstoff erreicht werden.“

4. Inwiefern könnte ein universeller Impfstoff auch für bereits vollständig geimpfte Personen einen Mehrwert liefern?


Prof. Dr. Carlos A. Guzman

„In der Praxis zeigt sich, dass selbst vollständig geimpfte Personen dem Risiko von Durchbruchsinfektionen ausgesetzt sind, insbesondere solchen, die durch stark mutierte Varianten verursacht werden. Dies und der beobachtete schnelle Rückgang des Impfschutzes machen Auffrischungsimpfungen erforderlich. Ein universeller oder breiter angelegter Impfstoff würde einen besseren Schutz gegen potenziell neu auftretende mutierte Virusstämme bieten und Auffrischungsimpfungen oder zumindest häufige Auffrischungen überflüssig machen.“

Prof. Dr. Peter Kremsner

„Solche Impfstoffe könnten den Schutz natürlich noch einmal verstärken – und das mit einem einfachen Impfschema. Wir brauchen keine Impfstoffe mehr, die lediglich mit dem Stachelantigen des Originalvirus (Wuhan-Variante) arbeiten. Das ist nämlich variabel und verändert sich mit neuen Varianten. Wir haben jetzt mehr als 30 zugelassene Impfstoffe weltweit, viele funktionieren sehr gut. Die reichen aus. Der Fokus auf das Stachelantigen war zu Beginn richtig und einfach, denn SARS-CoV-2 ist was sein Genom angeht ein Micky-Mouse-Virus, also nicht sehr komplex im Vergleich zu Malariaparasiten zum Beispiel. Jetzt müssen wir aber weitergehen. Wir sehen ja heute schon, dass die gängigen Impfstoffe nicht mehr ausreichend gegen milde Verläufe schützen.“

PD Dr. Sebastian Ulbert

„Ein universeller Impfstoff bietet dem Immunsystem in aller Regel eine größere Vielfalt an Antigenen an. Daher kann der Schutz nochmals ausgeweitet werden auf neue Varianten, mit denen man sich später vielleicht einmal infiziert. Allerdings führt auch die wiederholte Gabe desselben Impfstoffs – also zum Beispiel der momentan eingesetzten COVID-19-Vakzine – zu einer Diversifizierung der Immunantwort. Das heißt, es werden bei einer späteren Infektion mit Virusvarianten Antikörper und T-Zellen gebildet, welche nach der Impfung noch nicht nachweisbar waren. Das nennt man die Reifung der Immunantwort, ein ganz normaler Prozess nach einer Infektion. Unser Immunsystem geht bereits davon aus, dass es eventuell später einmal Infektionen mit Varianten desselben Virus antreffen wird. Inwieweit sich diese immunologischen Prozesse durch die Gabe eines universellen Impfstoffs noch verstärken lassen, ist bisher nicht klar. Das muss in Studien an Genesenen oder Geimpften herausgefunden werden.“

5. Wie bewerten Sie die aktuelle Forschung zu Impfstoffen, die das Immunsystem direkt in den Schleimhäuten stärken? Welche Rolle könnten solche Impfstoffe für die globale Impfstrategie spielen?


Prof. Dr. Carlos A. Guzman

„Die Entwicklung eines Schleimhautimpfstoffs würde es ermöglichen, nicht nur den Schutz vor symptomatischen Erkrankungen, sondern auch vor Infektionen zu fördern. Schleimhautimpfstoffe können eine starke lokale Gedächtnisimmunreaktion auslösen, die das Virus bei Kontakt mit einem empfänglichen Wirt rasch inaktivieren kann. Dies blockiert die Infektion und wirkt sich massiv auf die Virusübertragung auf gesunde Kontaktpersonen aus. Ein typisches Beispiel für einen Impfstoff, der eine solche Reaktion hervorruft, ist der orale abgeschwächte Impfstoff gegen Poliomyelitis (Kinderlähmung), der den Grundstein für Impfkampagnen zur Ausrottung der Krankheit bildete.“

Prof. Dr. Peter Kremsner

„Eine große, denn sie könnten den Erreger dort packen, wo er am frühesten mit uns in Kontakt kommt. Die Impfung könnte dann per Nasenspray oder oral erfolgen. Die Viren würden direkt im Nasen-Rachen-Raum bekämpft und könnten sich dort nicht festsetzen. Doch auch hier gilt: Zielt der Impfstoff nur auf das Stachelantigen des Originalvirus (Wuhan-Virus) ab, ist er gegen neue Varianten zwar nicht nutzlos, aber in seiner Wirkung eingeschränkt.“
 
PD Dr. Sebastian Ulbert

„Ein ganz klarer Vorteil von solchen Schleimhaut- oder mukosalen Impfstoffen ist deren einfache Gabe ohne Injektion. Dies vereinfacht globale Impfkampagnen enorm, wie man zum Beispiel an der Polio-Schluckimpfung gesehen hat. Möglich ist auch, dass durch die Induktion einer Immunantwort direkt in den Atemwegen der Schutz vor einer Infektion beziehungsweise Weitergabe der Viren verlängert wird. Allerdings ist dieser Schutz nach einer natürlichen Infektion mit SARS-CoV-2 auch nur vorübergehend, daher wird ein solcher Impfstoff wahrscheinlich ebenfalls nur eine vorübergehende Wirksamkeit induzieren. Vor allem aber muss der Impfstoff besonders stabil sein, damit er in den Schleimhäuten überhaupt vom Immunsystem erkannt wird. Daher bestehen die bisher erfolgreich auf diesem Weg verabreichten Impfstoffe – etwa gegen Polio oder Grippe – aus abgeschwächten, aber aktiven Viren, welche eine symptomlose Infektion verursachen. Diese können gut in die Zellen der Schleimhäute eindringen, aber sie vermehren sich nur geringfügig und werden schließlich vom Immunsystem eliminiert. Bei einem so ansteckenden Erreger wie SARS-CoV-2 ist der Einsatz aktiver Viren erst möglich, wenn Stämme entwickelt wurden, die absolut sicher in der Anwendung sind. Die meisten der bisherigen Forschungsansätze konzentrieren sich daher auf Proteine, RNA oder Virusvektoren. Ob sich mit diesen Impfstoffen durch die Verabreichung über die Atemwege ein länger anhaltender Schutz vor schwerer Erkrankung als durch eine Injektion induzieren lässt, ist bisher nicht klar. Auch dazu bedarf es Studien mit Freiwilligen.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

PD Dr. Sebastian Ulbert: „Interessenkonflikte habe ich keine.“

Alle anderen: Keine Angaben erhalten.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Ferdinands JM et al. (2022): Waning 2-Dose and 3-Dose Effectiveness of mRNA Vaccines Against COVID-19–Associated Emergency Department and Urgent Care Encounters and Hospitalizations Among Adults During Periods of Delta and Omicron Variant Predominance — VISION Network, 10 States, August 2021–January 2022. Morbidity and Mortality Weekly Report (MMWR). CDC. DOI: 10.15585/mmwr.mm7107e2.

[II] Pajon R et al. (2022): SARS-CoV-2 Omicron Variant Neutralization after mRNA-1273 Booster Vaccination. The New England Journal of Medicine. DOI: 10.1056/NEJMc2119912.

[III] Li H et al. (2021): Novel attempts launched toward universal Sarbecovirus vaccine. Cell Research. DOI: 10.1038/s41422-021-00556-z.

[IV] Joyce MG et al. (2021): A SARS-CoV-2 ferritin nanoparticle vaccine elicits protective immune responses in nonhuman primates. Science Translational Medicine. DOI: 10.1126/scitranslmed.abi5735.

[V] ClinicalTrials.gov (2021): SARS-COV-2-Spike-Ferritin-Nanoparticle (SpFN) Vaccine With ALFQ Adjuvant for Prevention of COVID-19 in Healthy Adults.

[VI] Martinez DR et al. (2021): Chimeric spike mRNA vaccines protect against Sarbecovirus challenge in mice. Science. DOI: 10.1126/science.abi4506.