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27.06.2023

Hitze & Dürren im Klimawandel – aktueller Stand der Attributionsforschung

     

  • Hitzewellen und Dürren in Europa werfen Frage nach Einfluss des Klimawandels auf
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  • Attributionsforschung ermöglicht solche Zuordnungen zwischen einzelnen Wetterextremen und Klimawandel
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  • Fachleute: zunehmende Hitze lässt sich deutlich auf Klimawandel zurückführen, bei anderen Wetterextremen ist es komplizierter
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  • Dr. Haustein ergänzt seine Aussagen aus 2022, Dr. Otto mit einer Ergänzung, Prof. Zscheischler und Prof. Sippel bestätigen die Gültigkeit ihrer Aussagen
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Der Sommer 2022 war in Europa ein Sommer mit extremen Hitzewellen und langanhaltenden Dürren, der schwerwiegende Folgen für die menschliche Gesundheit, Landwirtschaft und Ökosysteme hatte. Vor allem in Teilen Südeuropas – aber auch im Osten Deutschlands – begünstigt die Kombination aus Hitze und Trockenheit heftige Waldbrände. Auch in diesem Jahr sind solche Wetterlage durchaus möglich.

Die Klimaforschung konnte solche extremen Wetterereignisse lange nicht direkt mit dem Klimawandel in Verbindung bringen. Das hat sich in den vergangenen Jahren geändert, in denen sich der Forschungszweig der Attributionsforschung etablierte. Heute können Forschende beziffern, wie stark sich die Wahrscheinlichkeit, mit der Hitzewellen, Dürren, Starkregen und Wirbelstürme auftreten, durch den Klimawandel verändert. Jedoch funktioniert diese Attribution bei verschiedenen Wetterereignissen unterschiedlich gut. Warum das so ist, mit welchen Methoden die Attributionsforschung arbeitet und welche Schlüsse sie im Besonderen über den Beitrag des Klimawandels zu Hitzewellen und Dürren ermöglicht, erklären Attributionsforschende im Folgenden. Weiterführende Informationen darüber, mit welchen Strategien Regierungen, Städte und einzelne Menschen sich besser an die Hitze anpassen können, finden Sie in dieser Aussendung des SMC vom 27. Juli 2023 [I].

Die Statements sind erstmalig am 26.07.2022 verschickt worden und wurden nun aktualisiert. Die Version von 2022 ist weiterhin hier verfügbar.

Die Redaktion des SMC hat den Fachleuten folgende Fragen gestellt:

1. Bei welchen Wetterextremen ist der Einfluss des Klimawandels einfacher und bei welchen schwieriger festzustellen und warum ist das so? Mit welchen Methoden untersucht die Attributionsforschung die Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Wetterextremen?

2. Was ist über den Einfluss des Klimawandels auf terrestrische und marine Hitzewellen bekannt? Welche Entwicklung ist für die kommenden Jahrzehnte erwartet, besonders in Europa?

3. Was ist über den Einfluss des Klimawandels auf Dürren bekannt? Welche Entwicklung ist für die kommenden Jahrzehnte erwartet, besonders in Europa?

4. Welche Zusammenhänge gibt es zwischen häufigeren und stärkeren Hitzewellen, Dürren und Waldbränden? Wie deutlich lassen sich diese Zusammenhänge mittels Attributionsforschung belegen?

5. Warum hieß es aus der Forschung lange, dass Einzelereignisse sich nicht kausal auf Veränderungen des Klimas zurückführen lassen? Hat sich daran durch neuere Forschungsergebnisse etwas geändert?

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Jakob Zscheischler, Leiter der Arbeitsgruppe Compound weather and climate events, Department Hydrosystemmodellierung, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Leipzig
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  • Dr. Friederike Otto, Senior Lecturer in Climate Science, Faculty of Natural Sciences, Grantham Institute – Climate Change and the Environment, Imperial College London, Vereinigtes Königreich
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  • Dr. Karsten Haustein, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Atmosphärische Strahlung, Institut für Meteorologie, Universität Leipzig
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  • Prof. Dr. Sebastian Sippel, Juniorprofessor für Klima-Attribution, Institut für Meteorologie, Universität Leipzig 
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Statements

Die folgenden Statements sind bewusst mit Blick auf langfristige Verwendbarkeit eingeholt und können auch in Zukunft zu diesem Thema Hintergrundinformationen bieten und zitiert werden.

1. Bei welchen Wetterextremen ist der Einfluss des Klimawandels einfacher und bei welchen schwieriger festzustellen und warum ist das so? Mit welchen Methoden untersucht die Attributionsforschung die Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Wetterextremen?


Prof. Dr. Jakob Zscheischler

„Bei Hitzeextremen ist der Einfluss des Klimawandels sehr klar und wir können mittlerweile sagen, dass quasi jede Hitzewelle durch den Klimawandel in ihrer Intensität verstärkt wurde. Da Hitzewellen Ereignisse sind, die am oberen Rand der Temperaturverteilung stattfinden, lässt sich dieser Zusammenhang recht einfach herstellen: Ein Verschieben der Temperaturverteilung hin zu höheren Temperaturen führt zu häufigeren und intensiveren Hitzewellen. Dementsprechend werden Kältewellen seltener.“

„Für Starkniederschläge wissen wir auch recht gut, dass sie durch eine Erhöhung der mittleren Temperatur intensiver und häufiger werden, da eine wärmere Atmosphäre mehr Wasser aufnehmen kann, welches dann bei einem Niederschlagsereignis als Regen fällt.“

„Für Dürren ist der Zusammenhang generell schwieriger. Einerseits hält die wärmere Atmosphäre mehr Wasser, was im globalen Mittel zu erhöhtem Niederschlag führt. Auf der anderen Seite entziehen hohe Temperaturen dem Boden mehr Wasser durch Verdunstung, was in vielen Regionen häufiger zu trockenen Böden führt.“

„Für Stürme ist der Zusammenhang mit dem Klimawandel schwächer und schwieriger herzustellen.“

„Um den Einfluss des Klimawandels abzuschätzen, vergleicht man in der Regel Modellsimulationen mit und ohne anthropogenen Einfluss. Kommen die Wetterextreme in den Simulationen mit menschlichem Einfluss häufiger vor, können wir einen Zusammenhang zwischen dem menschengemachten Klimawandel und Wetterextremen herstellen. Alternativ können wir auch sehr lange Messreihen analysieren, um zu sehen, ob sich die Häufigkeit von Wetterextremen über die Zeit verändert hat.“

Dr. Friederike Otto

„Attributionsforscher finden heraus, ob und wenn ja wie sehr der menschengemachte Klimawandel die Intensität und Häufigkeit bestimmter Wetterereignisse verändert – jetzt und in der Zukunft. Aber vor allem jetzt, denn der Klimawandel ist hier und ob er in der Zukunft ähnlich wie jetzt ist oder schlimmer wird, hängt davon ab, wie viele Treibhausgase wir in Zukunft emittieren. Der Klimawandel beeinflusst verschiedene Extreme verschieden stark (Details hier [1]): Eine Hitzewelle, die ohne Klimawandel ein Jahrhundertereignis gewesen wäre, ist jetzt normaler Sommer. Eine Jahrhundertflut ist jetzt im Schnitt einmal in 50 Jahren zu erwarten. Andere Ereignisse wie Dürren verändern sich in manchen Regionen gar nicht. Kältewellen sind deutlich seltener. Wie gut man diese Änderungen mit Hilfe der Attributionsforschung quantifizieren kann, hängt von der Qualität der Daten – Beobachtungen und Modelle – ab. Bei guter Datenlage kann man auch kleine Änderungen gut quantifizieren, bei schlechter kann man auch die Änderungen der Hitze nur grob abschätzen.“

Dr. Karsten Haustein

„Hitzewellen sind mittlerweile sehr leicht zu attribuieren – also dem Klimawandel zuzuordnen –, da fast immer ein klares Änderungssignal in den Daten zu finden ist. Anders sieht es bei Starkregenereignisse, Überflutungen und Dürreperioden aus, wo der Zusammenhang oftmals nur schwer herzustellen ist. Das liegt einerseits daran, dass solche Ereignisse generell seltener auftreten, aber insbesondere daran, dass die natürliche Schwankungsbreite – beispielsweise bei Starkregen – im Vergleich zur menschengemachten Änderung riesig ist.“

„Die Daten beziehungsweise Methoden, die zur Herstellung des Zusammenhangs verwendet werden, sind einerseits langjährige Beobachtungszeitreihen und andererseits Klimamodellsimulationen. Mit statistischen Verfahren lassen sich die Veränderungen in der Auftretenshäufigkeit von Extremereignissen quantifizieren. Wenn Beobachtungs- und Modellsimulationsdaten gleiche Ergebnisse liefern, spricht man von einem vertrauenswürdigen Ergebnis. Für Hitzeextreme ist das fast immer der Fall.“

Prof. Dr. Sebastian Sippel

„In der Klimaforschung werden Trends oder Variabilität in Klimavariablen – wie Temperatur oder Niederschlag – konzeptionell als eine Kombination aus interner Variabilität (,internal variability‘) und extern angetriebenen Veränderungen (,forced response‘) gesehen. Die interne Variabilität bezeichnet Variabilität, die durch interne Wechselwirkungen im System selbst zustande kommt. Beispielsweise ist die atmosphärische Zirkulation – also das Muster von Hoch- und Tiefdruckgebieten an einem bestimmten Tag oder in einer bestimmten Woche – überwiegend von interner Variabilität beeinflusst. Interne Variabilität schließt räumliche und zeitliche Schwankungen des Klimasystems auf sehr kurzen Zeitskalen ein – also das Wetter –, aber auch saisonale, jährliche, oder mehrjährige Schwankungen. Interne Variabilität wird beispielsweise durch atmosphärische Zirkulationssysteme hervorgerufen – wie die für Europa relevante nordatlantische Oszillation – oder durch Wechselwirkungen zwischen dem Ozean und der Atmosphäre, wie das auf globaler Skala wichtige Phänomen ,El Niño‘ im Pazifik.“

„Demgegenüber stehen extern angetriebene Veränderungen im Klimasystem, hervorgerufen zum Beispiel durch anthropogene Emissionen von Treibhausgasen oder Aerosolen, aber auch durch natürliche Faktoren wie Vulkanausbrüche oder Veränderungen in der Sonnenintensität, die durch ihre Wirkung die Energiebilanz des Planeten verändern und so eine Änderung in Klimavariablen wie Temperatur, Feuchtigkeit oder Niederschlag bewirken.“

„Das Ziel der Attributionsforschung ist, die Wirkung von extern angetriebenen Veränderungen oder einzelnen Faktoren – also zum Beispiel Treibhausgasen – auf eine Klimavariable oder ein bestimmtes Extremereignis vor dem Hintergrund von interner Variabilität im Klimasystem zu quantifizieren. Die Stärke beziehungsweise Signifikanz von Attributionsaussagen – insbesondere von Einzelereignissen, aber das gilt auch für Trend-Attribution – hängt deshalb vor allem von zwei Faktoren ab: einerseits von der Magnitude der extern angetriebenen Veränderung und andererseits von dem Ausmaß der internen Variabilität der entsprechenden Variable auf der gewählten räumlichen und zeitlichen Betrachtungsskala – also vom Signal-Rausch-Verhältnis (das ,Rauschen‘ sind in diesem Fall die natürlichen Schwankungen von etwa Hitze, Trockenheit oder Niederschlag, die es auch ohne Klimawandel geben würde, und das ,Signal‘ ist der Einfluss des Klimawandels; Anm. d. Red.). Die Quantifizierung dieser beiden Größen setzt jedoch voraus, dass die physikalischen Zusammenhänge gut genug verstanden sind und bei Modellstudien durch die Modelle richtig simuliert werden und dass Beobachtungsdaten in guter Qualität und für einen längeren Zeitraum zur Verfügung stehen. Aus diesen Gründen ist der Einfluss des Klimawandels auf bestimmte Wetterextreme – wie Temperaturextreme – leichter herzustellen als zum Beispiel für Trockenheit. Eine qualitative Übersicht und weitergehende Erläuterungen finden Sie hier [3].“

„Methoden zur Attribution von einzelnen Wetterextremen sind darauf konzipiert, festzustellen, ob der anthropogene Klimawandel die Häufigkeit oder die Intensität eines bestimmten Ereignisses oder Ereignistyps verändert hat. Die meisten Attributionsstudien von Wetterextremen stützen sich auf mindestens zwei verschiedene Methoden: Einerseits sind dies meist Modellsimulationen, in denen das Klima eines bestimmten Jahres oder Saison – zum Beispiel des Sommers 2022 – sehr häufig nachsimuliert wird, mit minimal veränderten, zufälligen Startbedingungen. Diese Simulation wird dann mit sehr ähnlichen Simulationen für einen ,hypothetischen Sommer 2022‘ verglichen, wie er ohne eine anthropogen erhöhte CO2-Konzentration stattgefunden haben könnte. Dabei läuft das Klimamodell in der gleichen Konfiguration, aber mit vorindustrieller CO2-Konzentration. Aus dem Vergleich der statistischen Verteilungen der aufgetretenen Extremereignisse in den Simulationen mit und ohne CO2-Anstieg kann dann die Änderung in der Häufigkeit oder in der Intensität des jeweiligen Ereignistyps berechnet werden.“

„Eine zweite häufig verwendete Methode ist die Analyse von Beobachtungsdaten mit Hilfe von Extremwertstatistik, in der Trends in Extremereignissen statistisch und zum Beispiel in Abhängigkeit der global gemessenen Erwärmung – als Proxy für das ,extern angetriebene Signal‘ – analysiert werden. Eine wissenschaftliche Dokumentation dieser Methoden ist verfügbar [4] und die beiden beschrieben Methoden werden regelmäßig zur Attribution von Wetterextremen angewendet, zum Beispiel durch die World Weather Attribution Initiative.“

„Weiterhin werden in der wissenschaftlichen Community derzeit weitere Methoden für die Attribution von Wetterextremen entwickelt, zum Beispiel im EU-Projekt XAIDA (,Extreme Events: Artificial Intelligence for Detection and Attribution‘). Dies beinhaltet zum Beispiel Modellsimulationen in denen gezielt die Zirkulation – also das ,Wettergeschehen‘ – eines bestimmten Ereignisses nachsimuliert wird, aber die CO2-Konzentration oder andere externe Faktoren variiert werden können, so dass aus den Unterschieden dieser Simulationen – zum Beispiel mit und ohne CO2-Anstieg – direkt auf die Intensitätsänderung des Extremereignisses durch den entsprechenden Faktor geschlossen werden kann. Diese Herangehensweise wird als ,Storyline‘ bezeichnet und wurde beispielhaft für den europäischen Hitzesommer 2003 und die Hitzewelle 2010 über Westrussland gezeigt [5].“

2. Was ist über den Einfluss des Klimawandels auf terrestrische und marine Hitzewellen bekannt? Welche Entwicklung ist für die kommenden Jahrzehnte erwartet, besonders in Europa?


Prof.​​​​​​​ Dr. Jakob Zscheischler

„Sowohl terrestrische als auch marine Hitzewellen kommen wegen des Klimawandels wesentlich häufiger vor und sind wesentlich intensiver. Solange die Treibhausgas-Emissionen nicht auf null sind, werden sich Hitzewellen in Zukunft immer weiter verstärken und immer häufiger vorkommen.“

Dr. Friederike Otto

„Der Klimawandel ist ein absoluter Game Changer: Das, was früher seltene Ereignisse waren, sind jetzt gewöhnliche Sommer. Das, was ohne Klimawandel unmöglich gewesen wäre, sind jetzt die neuen Extremereignisse. Ob diese auch zu gewöhnlichen Ereignissen werden, liegt in unserer Hand und hängt davon ab, bei welcher globalen Mitteltemperatur wir Netto-Null-Emissionen erreichen.“

Dr. Karsten Haustein

„Hitzewellen nehmen sowohl über Land als auch in den Ozeanen zu. Insbesondere über Land haben sich die Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten von Hitzeepisoden drastisch erhöht. Teilweise finden wir ein um den Faktor 10 bis 100 erhöhtes Risiko für die heißesten Ereignisse. Da der global beobachtete Temperaturanstieg von circa 1,2 bis 1,3 Grad vollständig menschengemacht ist, kann jede statistisch nachweisbare Änderung auch entsprechend dem Menschen zugeschrieben werden.“

„In Europa wird die Anzahl der Hitzewellen in den kommenden Jahrzehnten weiter drastisch zunehmen. Richtig gefährlich sind lange Hitzeperioden wie im Jahr 2003. Sollte sich eine solche Wetterlage wiederholen – mit Temperaturen, die etwa ein Grad höher liegen würden als noch vor 20 Jahren – wären die gesundheitlichen Risiken immens. Daher braucht es frühzeitige Anpassung. Die kurzen Phasen mit besonders starker Hitze in den vergangenen Sommern sollten Warnung genug sein, uns rechtzeitig mit Anpassungsmaßnahmen zu befassen. Marine Hitzewellen haben gleichfalls um ein Vielfaches zugenommen. Dies gefährdet einerseits die ozeanische Biodiversität und macht andererseits extreme Wärmeanomalien – wie gegenwärtig im nordatlantischen Raum zu beobachten –wahrscheinlicher. Insbesondere im Zusammenspiel mit El Niño sind neue Rekord-Anomalien bei den Ozeantemperaturen quasi unumgänglich. Inwiefern die gesetzlich seit 2020 vorgeschriebene Filterung von Schiffsemissionen – und damit die Verringerung von kühlenden Sulfat-Partikeln – die Temperaturen zusätzlich nach oben treibt, ist gegenwärtig noch offen.“

Prof. Dr. Sebastian Sippel

„Wie oben beschrieben ist im Vergleich mit anderen Extremereignissen der Einfluss des Klimawandels auf Hitzeextreme – oder auch die Abnahme von Kälteextremen – gut dokumentiert. Gründe dafür sind, dass sich der Klimawandel unmittelbar auf die Temperatur auswirkt, das Signal-Rausch-Verhältnis recht hoch ist, Modelle diese Zusammenhänge gut wiedergeben und für Regionen wie Mitteleuropa recht lange Beobachtungsdaten existieren. Der Weltklimarat IPCC schreibt daher im Sechsten Sachstandsbericht (AR6) [6], dass es praktisch sicher ist, dass die Häufigkeit und Intensität von heißen Temperaturextremen – einschließlich Hitzewellen – seit 1950 auf globaler Skala angestiegen ist und die von Kälteextremen abgenommen hat. Dies gilt auch auf regionaler Skala, wo über 80 Prozent der vom IPCC-Bericht erfassten Regionen ähnliche Änderungen zeigen, die mindestens als wahrscheinlich evaluiert wurden. Ähnliches gilt für marine Hitzewellen, deren häufigeres Auftreten im Sechsten Sachstandsbericht als ,sehr wahrscheinlich‘ evaluiert wurde (mehr Informationen hierzu in [7]).“

„Die Attributionsforschung hat in den vergangenen Jahren sehr viele extreme Hitzewellen evaluiert und regelmäßig gezeigt, dass die Zunahme der Intensität und Häufigkeit auch für Einzelereignisse belegt werden kann. Es ist daher davon auszugehen, dass auch bei in Zukunft auftretenden, individuellen Hitzewellen der anthropogene Klimawandel zur Zunahme von Intensität und Häufigkeit beiträgt. Es ist aber zu bedenken, dass nicht der Klimawandel allein Hitzeextreme verursacht, denn insbesondere Extremereignisse kommen durch die Überlagerung von atmosphärischer Variabilität und dem externen Signal zustande (wie in Frage 1 geschildert). Zum Beispiel sind Hitzewellen in Mitteleuropa häufig durch stationäre Hochdrucklagen geprägt [8]. Diese führen zu Erwärmung durch Einstrahlung und absinkende Luftmassen und eventuell zu zusätzlicher Heranführung warmer Luftmassen und können gegebenenfalls durch Trockenheit der Böden oder der Vegetation weiter verstärkt werden. Trends in Hitzeextremen in Mitteleuropa über die vergangenen Jahrzehnte sind stärker ausgeprägt als in anderen Regionen der mittleren Breiten – etwa den USA – und neueste Forschungen zeigen, dass diese verstärkten Trends auf Veränderungen in der großskaligen, atmosphärischen Zirkulation zurückzuführen sind [9].“

„Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Zunahme von Hitzerekorden und ,pulverisierten‘ Rekorden. Einzelne Orte beziehungsweise Messstationen sind von starker atmosphärischer Variabilität geprägt. In einem stationären Klima ohne Klimawandel läge bei 100 Jahren Messdaten die Wahrscheinlichkeit für einen neuen Rekord in einem Jahr bei 1 zu 100. Durch das zusätzliche externe Erwärmungssignal liegt diese Wahrscheinlichkeit jedoch deutlich höher. Durch die Kombination von historischer Variabilität und Erwärmung können alte Rekorde sogar sehr deutlich übertroffen (,pulverisiert‘) werden [10]. Zum Beispiel wurde im Jahr 2021 ein Temperaturwert von 49,6 Grad Celsius im Dorf Lytton in Westkanada festgestellt – was den vorherigen Kanada-weiten Rekord um 4,6 Grad übertroffen hat. Auch in West- und Mitteleuropa wurden im Juli 2022 alte Temperaturrekorde teils deutlich übertroffen. Deshalb müssen Pläne für die gesellschaftliche Anpassung an Hitze (Gesundheit, Infrastruktur) auch für die nähere und mittelfristige Zukunft die Möglichkeit für deutlich übertroffene Rekorde und bisher ungesehene Temperaturen mit einbeziehen.“

3. Was ist über den Einfluss des Klimawandels auf Dürren bekannt? Welche Entwicklung ist für die kommenden Jahrzehnte erwartet, besonders in Europa?


Prof.​​​​​​​ Dr. Jakob Zscheischler

„In Südeuropa nimmt die jährliche Niederschlagsmenge ab, dort haben wir jetzt schon häufigere und intensivere Dürren als noch vor 100 Jahren. In Nordeuropa nimmt die Niederschlagsmenge eher zu. In Zentraleuropa sehen wir bisher keine starken Veränderungen und die Klimamodelle sind sich bezüglich der Zukunft relativ unsicher. Aber auch ohne Änderungen im Niederschlagsmittel kommen trockene Böden häufiger vor, da die höheren Lufttemperaturen dem Boden durch Verdunstung Wasser entziehen.“  

Dr. Friederike Otto

„Im Mittelmeerraum sind Dürren häufiger geworden, im Rest Europas nicht. Allerdings sind auch in Zentral- und Osteuropa die Auswirkungen von Dürre dramatischer – durch die höheren Temperaturen und die Begradigung von Flüssen.“

Dr. Karsten Haustein

„Die Klimaerwärmung erhöht die Verdunstung, während gleichzeitig mehr Feuchte in der Luft gehalten werden kann. Dies führt in vielen Regionen – auch in Deutschland – zu zunehmender Austrocknung der Böden, die immer seltener durch gelegentliche Starkniederschläge im Sommer ausgeglichen werden kann. Klimamodelle liefern uns aufgrund ihrer groben Modellauflösung in dieser Hinsicht noch keine optimalen beziehungsweise konsistenten Ergebnisse. Dennoch ist aus physikalischer Sicht ziemlich klar, dass das Risiko von Dürreperioden – insbesondere in den sowieso schon trockeneren Gebieten – drastisch zunehmen wird. Die anhaltende Dürre von 2018 bis 2020, sowie die neuerliche Dürre in 2022 sind Belege dafür. Auch dieses Jahr sehen wir in Teilen Deutschlands seit Anfang Mai schon wieder eine langanhaltende Dürreperiode. Zwar ist die große Hitze bisher ausgeblieben, der rekordwarme Nordatlantik könnte jedoch auch in dieser Hinsicht noch für unschöne Überraschungen sorgen. Selbstredend werden auch wieder feuchtere Jahre kommen, aber dass Dürrephasen häufiger werden, ist ziemlich sicher, was langfristig Folgen für den Grundwasserspiegel auf regionaler Ebene haben kann.“

Prof. Dr. Sebastian Sippel

„Trockenheit ist ein komplexes Phänomen, das eine über längeren Zeitraum bestehende unterdurchschnittliche Wasserverfügbarkeit bezeichnet und das durch ein Niederschlagsdefizit und/oder durch erhöhte Verdunstung (‚Evapotranspiration‘) oder Wasserentnahme entsteht. Trockenheit wird daher je nach Fragestellung und Anwendung über teils verschiedene Indikatoren definiert: Dies kann (vereinfacht) das akkumulierte Niederschlagsdefizit oder die Trockenheit der Luft sein, wie es beim ,Dampfdruckdefizit‘ der Fall ist. Meist wird aber die Wasserbilanz über den Niederschlag und die Verdunstung mit einbezogen – also zum Beispiel Niederschlag minus Verdunstung, akkumuliert über einen relevanten Zeithorizont – oder Trockenheit wird über den Bodenwassergehalt definiert, welcher relevant für Ökosysteme ist.“

„Je nach Indikator ist die Datengrundlage verschieden. Insbesondere für Verdunstung und Bodenfeuchte sind verfügbare Messzeitreihen eher kurz und räumlich beschränkt. Darum unterscheiden sich Klimamodelle je nach Indikator teils erheblich in der Simulation von Trockenheit, auch in Zukunftsprojektionen. Niederschlagsdefizite werden durch großskalige, atmosphärische Variabilität ausgelöst und zeigen oft hohe interne Variabilität, selbst auf langen Zeitskalen. Wechselwirkungen zwischen der Landoberfläche und der Atmosphäre können zu Niederschlagsdefiziten beziehungsweise Trockenheit beitragen. Daher ist eine direkte Attribution von anthropogenem Einfluss auf Niederschlagsänderungen auf regionaler Skala häufig schwierig und Gegenstand aktueller Forschung. So wurde zum Beispiel der Niederschlagstrend hin zu stärkerer Trockenheit im Südwesten der USA Veränderungen der atmosphärischen Zirkulation zugeordnet [11]. Im Sechsten Sachstandsbericht des IPCC [6] wird daher nur in einzelnen Regionen eine Attribution von anthropogenem Einfluss auf Zu- oder Abnahme von Niederschlagsdefiziten beschrieben. Für Europa zeigen Klimaprojektionen, dass mittlere Sommerniederschläge in Südeuropa abnehmen und in Nordeuropa eher zunehmen werden – jedoch sind die Modelle teils unsicher.“

„Für Trockenheit – im Gegensatz zu einem Niederschlagsdefizit allein – spielt jedoch auch Verdunstung eine sehr große Rolle. Der atmosphärische Verdunstungsbedarf und somit in den meisten Regionen die tatsächliche Verdunstung nimmt mit einer Temperaturerhöhung zu, da wärmere Luft mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann (der atmosphärische Verdunstungsbedarf ist die Fähigkeit der Atmosphäre, Wasser aus dem Boden aufzunehmen; Anm. d. Red.). Dieser Mechanismus führt dazu, dass der anthropogene Klimawandel Trockenheit – im Sinne der Wasserverfügbarkeit – verstärken kann. Deshalb hat der Weltklimarat im Sechsten Sachstandsbericht festgestellt, dass ,anthropogener Klimawandel über einen Anstieg der Evapotranspiration zu einem Anstieg in landwirtschaftlicher und ökologischer Trockenheit beigetragen hat (mittleres Vertrauen)‘ [6]. So wurde beispielsweise für die Trockenheit im Südwesten der USA gezeigt, dass die anthropogene Erwärmung über erhöhte Verdunstung zu einer Verschärfung der Trockenheit beigetragen hat [12]. Für Mitteleuropa hat eine Analyse von Messdaten und Modellen in der Schweiz ergeben [13], dass erhöhte Verdunstung in den letzten Jahren deutlich zu den Trends zu mehr Trockenheit beigetragen hat. Für die Zukunft ist davon auszugehen, dass global mehr Regionen von landwirtschaftlicher oder ökologischer Trockenheit betroffen sein werden (,hohes Vertrauen‘ laut IPCC [6]). In Europa soll dies vor allem den Mittelmeerraum, und West- und Mitteleuropa betreffen. Wie oben beschrieben wird dieser Anstieg zu einem großen Teil durch erhöhten atmosphärischen Verdunstungsbedarf ausgelöst.“

„Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass Trockenheit und Hitze häufig gemeinsam auftreten (,compound events‘), mit häufig starken Auswirkungen auf Gesellschaft und Ökosysteme. Das gemeinsame Auftreten ist bedingt durch klimatologische Aspekte – Hochdrucklagen im Sommer führen zu lokaler Erwärmung und trockenen Bedingungen – sowie durch Land-Atmosphäre-Wechselwirkungen, durch die Hitze und Trockenheit interagieren. Dies zu berücksichtigen ist insbesondere für zukünftige Anpassungsstrategien wichtig. So hat eine kürzlich erschienene Studie gezeigt, dass – trotz relativ großer Modellunsicherheiten in Bezug auf Niederschlagstrends in Europa – zukünftige Niederschlagsdefizite wegen der starken Erwärmung sehr häufig zu gleichzeitigen Trocken- und Hitzeperioden führen werden [14].“

4. Welche Zusammenhänge gibt es zwischen häufigeren und stärkeren Hitzewellen, Dürren und Waldbränden? Wie deutlich lassen sich diese Zusammenhänge mittels Attributionsforschung belegen?


Prof.​​​​​​​ Dr. Jakob Zscheischler

„Generell befördern Hitze und Dürre Waldbrände, aber es benötigt auch brennbares Material und etwas, das den Waldbrand entzündet. Zum Beispiel ein Blitz oder, wie in den meisten Fällen, Fahrlässigkeit. Hitze und Dürre führen dann dazu, dass sich der Waldbrand weiter ausbreiten kann. Diesen Zusammenhang kann man schon recht gut nachweisen, beispielsweise bei den großen Waldbränden in den vergangenen Jahren in Kalifornien.“

Dr. Friederike Otto

„Deutlich, wenn die Datenlage gut ist. Feuerwetter besteht im Wesentlichen aus hohen Temperaturen, wenig Niederschlag und Wind. Auch wenn Änderungen in den beiden letzten Komponenten oft gering sind, ist die Waldbrandgefahr allein durch den dramatischen Anstieg extremer Hitze deutlich gestiegen, und zwar fast überall. Im Mittelmeerraum besonders stark, da dort eine Abnahme des Niederschlags hinzukommt.“

Dr. Karsten Haustein

„Mehr Hitze sorgt für mehr Verdunstung und somit bei gleichbleibendem Niederschlag für trockenere Böden. Selbst mehr Niederschlag in Summe muss nicht weniger Dürre bedeuten, da die Anzahl trockener Tage zunimmt – bei gleichzeitiger Zunahme der Niederschlagsintensität, wenn es mal regnet. Die Gefahr, dass die Sommer zusätzlich sogar regenärmer werden, steigt insbesondere in Ostdeutschland weiter an. Mit zunehmender Dauer der Trockenphasen nimmt selbstredend auch das Waldbrandrisiko zu. Kommt dann noch Wind dazu – was im Sommer bei trockenen Wetterlagen sehr häufig ist –, wird es kritisch.“

„Bei den Waldbränden in Schweden 2018 haben wir keinen direkten Zusammenhang mit dem Klimawandel gefunden, was aber eher der dünnen Datenlage geschuldet war. Keine klare Aussage treffen zu können, heißt nicht, dass es den Zusammenhang nicht dennoch gibt. Es dauert nur länger, bis man ihn sicher nachweisen kann. Generell steigt sowohl Dürre- als auch Waldbrandgefahr mit jedem Zehntel Grad globaler Erwärmung weiter an.“

„Die kanadischen Waldbrände, die gegenwärtig für weltweite Schlagzeilen sorgen – insbesondere durch die apokalyptischen Bilder aus New York City –, können schon eher mit dem anthropogenen Klimawandel in Zusammenhang gebracht werden. So ist der westkanadische Raum schon heute einem deutlich höheren Risiko für Waldbrände ausgesetzt als in der Vergangenheit, auch wenn eine exakte Quantifizierung des menschengemachten Anteils noch aussteht. Was bereits feststeht ist, dass die Waldbrände auf natürliche Art durch Blitzschläge im Zusammenhang mit Gewitteraktivität entstanden sind. Interessanterweise schlagen Blitze oftmals abseits des eigentlichen Gewitterregens ein, was bei trockenen Bodenverhältnissen sofort zu Waldbränden führt.“

Prof. Dr. Sebastian Sippel

„Waldbrände sind ein komplexes Phänomen, bei dem unterschieden werden muss zwischen meteorologischen Bedingungen, die Waldbrände fördern (,Feuerwetter‘), dem direkten Auslöser des Feuers, der Verfügbarkeit von brennbarem Material und anderen Faktoren wie Landnutzungsänderungen und Management. Eine aktuelle Übersichtsstudie beschreibt die Komplexität und das Zusammenspiel der verschiedenen Faktoren, die zu Waldbränden führen können [15]. Meteorologische Bedingungen spielen dabei eine zentrale Rolle für das Auftreten und die Ausbreitung von Bränden und die folgenden Ausführungen (wie auch die meisten Attributionsstudien) beziehen sich daher auf das Auftreten von Feuerwetter.“

„Meteorologische Bedingungen, die Brände begünstigen, sind das gleichzeitige Auftreten von Hitze, geringer Luft- und Bodenfeuchte und Wind [15]. Diese Bedingungen werden häufig unter einem ,Feuerwetter-Index‘ zusammengefasst. Wie auch bei Hitze und Trockenheit gehen Bedingungen für Feuerwetter aus einem Zusammenspiel von interner Variabilität und externen Veränderungen hervor und die Beziehung zwischen meteorologischen Bedingungen und Feuerrisiko ist abhängig vom Typ des Ökosystems. Im Sechsten Sachstandsbericht des IPCC wird mit ,mittlerem Vertrauen‘ angegeben, dass Bedingungen für Feuerwetter in einigen Regionen häufiger geworden sind – zum Beispiel Südeuropa, Australien und den USA –, diese Bedingungen in bestimmten Regionen mit stärkerer Klimaerwärmung häufiger werden und gleichzeitige Hitze-Trockenheit Extremereignisse in fast allen Landregionen zunehmen werden [6]. In [15] finden Sie eine Kurzzusammenfassung über verschiedene Attributionsstudien von Bränden der letzten Jahre in Nordamerika, Australien und Europa. Diese zeigt, dass das häufigere Auftreten und die erhöhte Intensität von Bedingungen für Feuerwetter in vielen Regionen nachweisbar ist – und dieser Trend mit weiterer Klimaerwärmung anhält. Eine Attributionsstudie aus 2016 zeigt, dass der anthropogene Klimawandel über eine Temperaturerhöhung und erhöhtes Dampfdruckdefizit – da wärmere Luft mehr Feuchtigkeit halten kann, erhöht sich die Differenz zwischen Sättigung und tatsächlicher Luftfeuchte – zu erhöhtem Brandrisiko beigetragen hat [16]. Eine weitere Attributionsstudie zeigt für die Brände in Australien im australischen Sommer 2019/20, dass das Risiko für extremes Feuerwetter durch den anthropogenen Klimawandel zugenommen hat – bedingt ebenso durch direkte und indirekte Effekte des Temperaturanstiegs [17]. In beiden Studien spielt jedoch natürliche Klimavariabilität ebenfalls eine sehr große Rolle für das Auftreten von Feuerwetter.“

5. Warum hieß es aus der Forschung lange, dass Einzelereignisse sich nicht kausal auf Veränderungen des Klimas zurückführen lassen? Hat sich daran durch neuere Forschungsergebnisse etwas geändert?


Prof.​​​​​​​  Dr. Jakob Zscheischler

„Ein Einzelereignis hat statistisch die Wahrscheinlichkeit null. Deswegen ging man lange davon aus, dass man nicht viel über den Einfluss des Klimawandels auf Einzelereignisse sagen kann. Worüber sich aber etwas sagen lässt, ist, wie der Klimawandel die Wahrscheinlichkeit für ein Wetterextrem – welches in einem bestimmten Gebiet über einen bestimmten Zeitraum mit einer Intensität von mindestens X auftritt – verändert. Also zum Beispiel eine Hitzewelle in Sachsen, bei der die Tageshöchsttemperaturen über drei Tage mindestens 30 Grad Celsius betragen. Letzten Endes werden also keine kausalen Aussagen über einzelne Ereignisse gemacht, sondern über Ereignisklassen. Diese Erkenntnis hat vor 20 Jahren die Attributionsforschung begründet.“

Dr. Friederike Otto

„Weil die Methoden und Tools, das zu tun, nicht erfunden waren. Sie sind es jetzt, die Aussage ist also falsch. Aber natürlich haben sich Intensität und Häufigkeit nicht bei jedem Extremereignis verändert – welche sich wie sehr verändert haben, kann man zum Beispiel hier nachlesen [2].“

Dr. Karsten Haustein

„Ein einzelnes Extremereignis ist erstmal immer nur eine Manifestation von Wetter. Das kann theoretisch unter vielen Klimabedingungen auftreten. Was sich ändert, ist die Häufigkeit bestimmter Wetterlagen, wie Hitze- und Niederschlagsextremen. Daher kann man in der Regel nur von geänderten Wahrscheinlichkeiten sprechen. Manche Extreme – wie beispielsweise die Rekordhitze in Kanada im Sommer 2021 oder das Überschreiten der 40 Grad Celsius im Vereinigten Königreich im Juli 2022 – sind wiederum so weit jenseits des Erwartbaren, dass sie ohne den menschlichen Einfluss quasi nicht möglich gewesen wären. In solchen Fällen liegt es nahe, dass die Hitzewelle auch ohne Klimawandel gekommen wäre, aber eben zwei bis drei Grad kühler ausgefallen wäre. So wird deutlich, dass Ereignisse, die heute zur Hitzewelle werden, ohne Klimawandel recht erträglich und moderat geblieben wären. Insofern können wir zumindest in den extremsten Fällen von Hitze schon jetzt sagen, dass bestimmte Ereignisse (im Prinzip) kausal menschengemacht sind. Für die große Masse der Extremereignisse handelt es sich jedoch um ein statistisches Problem, dem wir mit der Abschätzung geänderter Auftretenswahrscheinlichkeiten beikommen.“

Prof. Dr. Sebastian Sippel

„Wie schon in Frage 1 und 2 beschrieben, entstehen Hitzewellen durch atmosphärische Variabilität und werden durch Klimaveränderungen in Häufigkeit und Intensität verstärkt. Deshalb ist es korrekt, dass sich im komplexen Klimasystem keine Hitzewelle ausschließlich dem Klimawandel zuschreiben lässt. Aber mit Hilfe von Attributionsmethoden lässt sich die Zunahme von Häufigkeit und Intensität von Hitzewellen – wie oben beschrieben – selbst für Einzelereignisse dem Klimawandel zuschreiben. Diese Attribution von Einzelereignissen hat sich in den letzten Jahren sehr stark weiterentwickelt.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Dr. Karsten Haustein: „Keinerlei Interessenkonflikt meinerseits.“

Prof. Dr. Sebastian Sippel: „Ich habe keine Interessenkonflikte.“

Alle anderen: Keine Angaben erhalten.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Clarke B et al. (2022): Über Extremwetter und den Klimawandel berichten. Ein Leitfaden für Medien.

[2] Clarke B et al. (2022): Extreme weather impacts of climate change: an attribution perspective. Environmental Research: Climate. DOI: 10.1088/2752-5295/ac6e7d.

[3] National Academies of Sciences, Engineering and Medicine (2016): Attribution of extreme weather events in the context of climate change. National Academies Press.
Die vom Experten angesprochene Übersicht finden Sie auf Seite 8, Figure S.4.

[4] Philip S et al. (2020): A protocol for probabilistic extreme event attribution analyses. Advances in Statistical Climatology, Meteorology and Oceanography. DOI: 10.5194/ascmo-6-177-2020.

[5] van Garderen L et al. (2021): A methodology for attributing the role of climate change in extreme events: a global spectrally nudged storyline. Natural Hazards and Earth System Sciences. DOI: 10.5194/nhess-21-171-2021.

[6] Seneviratne SI et al. (2021): Chapter 11: Weather and climate extreme events in a changing climate. Climate Change 2021: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. DOI: 10.1017/9781009157896.013.

[7] Fox-Kemper B et al. (2021): Chapter 9: Ocean, Cryosphere, and Sea Level Change. Climate Change 2021: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. DOI: 10.1017/9781009157896.011.
Informationen zu marinen Hitzewellen finden Sie in Box 9.2.

[8] Zschenderlein P et al. (2019): Processes determining heat waves across different European climates. Quarterly Journal of the Royal Meteorological Society. DOI: 10.1002/qj.3599.

[9] Rousi E et al. (2022): Accelerated western European heatwave trends linked to more-persistent double jets over Eurasia. Nature Communications. DOI: 10.1007/s00382-020-05233-2.

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Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Science Media Center (2023): Was tun bei Hitze in der Stadt? Langfristige und kurzfristige Strategien. Science Response. Stand: 27.06.2023.

Weitere Recherchequellen

Chand SS et al. (2022): Declining tropical cyclone frequency under global warming. Nature Climate Change. DOI: 10.1038/s41558-022-01388-4.
Diese Studie untersucht die Häufigkeit tropischer Zyklone im 20. Jahrhundert und findet einen eindeutig rückläufigen Trend, mit Ausnahme des Nordatlantiks.