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28.09.2023

Umverteilung von Dünger könnte Stickstoff-Problem lösen und Welternährung sichern

     

  • Stickstoffbelastung durch Düngung könnte verringert werden, ohne globale Ernteerträge zu gefährden
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  • dafür müsste etwa in Ostasien und Westeuropa weniger und in Subsahara-Afrika mehr gedüngt werden
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  • laut Forschenden ist der Ansatz theoretisch richtig, aber praktisch nicht umsetzbar
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Würde der Einsatz von synthetischem Düngemittel global umverteilt, könnte das gleich zwei Probleme lösen: Einerseits könnte die Stickstoffbelastung der Umwelt in Regionen, in denen viel gedüngt wird – dazu zählt auch Westeuropa – massiv verringert werden. Andererseits könnten die globalen Ernteerträge durch mehr Düngung in Regionen wie Subsahara-Afrika ansteigen und so die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung gesichert werden. Das sind die Ergebnisse einer Studie von Forschenden des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), die am 28.09.2023 im Fachjournal „Communications Earth & Environment“ erschienen ist (siehe Primärquelle).

Die Forschenden betrachten die drei wichtigsten Getreidesorten Mais, Weizen und Reis und den Zeitraum von 2015 bis 2030. Mithilfe eines vom KIT entwickelten biogeochemischen Modells untersuchen sie, wo mehr und wo weniger gedüngt werden müsste, um entweder die Stickstoffbelastung zu senken oder den Ernteertrag zu steigern.

Den Studienergebnissen zufolge könnte der Einsatz von synthetischem Düngemittel um etwa ein Drittel sinken, ohne dass global betrachtet die Erträge sinken. Dabei würden die Lachgasemissionen (N2O) um ein knappes Drittel und die Nitrateinträge (NO3) um über die Hälfte sinken. Die Nitratbelastung des Sickerwassers wäre in diesem Szenario fast überall unterhalb des kritischen Grenzwertes von 2,5 Milligramm Stickstoff pro Liter, während sie aktuell auf 40 Prozent der betrachteten Ackerfläche den Grenzwert überschreitet. Andererseits könnte – bei gleichbleibendem Einsatz von Düngemittel – der globale Ernteertrag der drei Getreidesorten um 15 Prozent ansteigen.

Dafür müssten Landwirtinnen und Landwirte in Regionen, in denen die Stickstoffbelastung aktuell hoch ist, weniger Düngemittel verwenden. Das betrifft vor allem Ostasien und Nordamerika, aber auch Westeuropa. Hier würden dadurch die Erträge leicht sinken. Zugleich müssten Landwirtinnen und Landwirte vor allem in Subsahara-Afrika und Eurasien deutlich mehr düngen. In diesen Regionen ist der Ertrag pro Fläche aktuell häufig viel niedriger als etwa in Europa oder Ostasien. Durch höhere Nährstoffeinträge könnte diese Ertragslücke geschlossen werden. Das würde die Ertragsverluste in anderen Regionen mehr als ausgleichen, schreiben die Forschenden. Allerdings würde es so zu Verschiebungen in der Produktion kommen, die wirtschaftliche Auswirkungen hätten.

Das SMC hat Forschende gefragt, welche praktischen Hürden es dabei gibt, den Einsatz von Düngemittel dort zu verringern, wo er zu hoher Stickstoffbelastung in der Umwelt führt, und dort zu erhöhen, wo Ertragslücken bestehen.

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Regina Birner, Leiterin des Lehrstuhls Sozialer und institutioneller Wandel in der landwirtschaftlichen Entwicklung, Hans-Ruthenberg Institut für Tropische Agrarwissenschaften, Universität Hohenheim
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  • Dr. Stefan Sieber, Leiter der Arbeitsgruppe Nachhaltige Landnutzung in Entwicklungsländern, Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF), Müncheberg
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  • Dr. Christoph Müller, Leiter der Arbeitsgruppe zu Landnutzung und Resilienz, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Potsdam
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  • Dr. Adrian Müller, Wissenschaftlicher Mitarbeiter imAgrar- und Ernährungssysteme, Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Schweiz
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Statements

Prof. Dr. Regina Birner

Leiterin des Lehrstuhls Sozialer und institutioneller Wandel in der landwirtschaftlichen Entwicklung, Hans-Ruthenberg Institut für Tropische Agrarwissenschaften, Universität Hohenheim

Relevanz der Ergebnisse

„Die Modellierungsergebnisse sind sicherlich sehr interessant und relevant. Ich denke, es ist gut zu wissen, dass man das gleiche Ertragsniveau mit einem um ein Drittel reduzierten Düngeraufwand global aufrechterhalten könnte. Aus ökonomischer Sicht stellt sich allerdings die Frage: „So what?“ Es wird ja schon lange politisch versucht, in den Regionen, wo zu viel Stickstoff eingesetzt wird, die Menge zu reduzieren – siehe die Debatte um die Düngeverordnung hier in Deutschland – und in Regionen, in denen zu wenig Dünger eingesetzt wird – wie Subsahara-Afrika –, die Einsatzmenge zu erhöhen. Die Alliance for a Green Revolution in Africa und zahlreiche staatliche Dünger-Subventionsprogramme streben das an. Diese Anstrengungen sind auf Grund ökonomischer und politischer Faktoren bislang nur sehr begrenzt erfolgreich gewesen.“

„Wir haben keine globale Zentralverwaltungswirtschaft, mit der Dünger einfach umverteilt werden könnte, daher ist die Idee einer ,global redistribution‘ nicht so einfach umsetzbar. Außerdem haben Studien zu Dünger-Subventionsprogrammen in afrikanischen Ländern gezeigt, dass Düngemittel nur mit begleitender Beratung und einem Paket von Maßnahmen guter landwirtschaftlicher Praxis tatsächlich zu höheren Erträgen führen. Das zeigt zum Beispiel eine Studie von uns [1]. Vor diesem Hintergrund sind die Erkenntnisse wohl eher aus theoretischer als aus praktischer Sicht relevant.“

Dr. Stefan Sieber

Leiter der Arbeitsgruppe Nachhaltige Landnutzung in Entwicklungsländern, Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF), Müncheberg

Relevanz der Ergebnisse

„Es handelt sich um neue Ergebnisse, welche Effizienzpotenziale hinsichtlich des Düngemitteleinsatzes aufzeigen. Interessant ist die direkte Korrelation zwischen Ineffizienzen der Düngemittelapplikation im globalen Norden versus der Unterversorgung zur Schließung der Ertragslücken (,yield-gap analysis‘) im globalen Süden. Die Methode wurde weiterentwickelt und auf Basis bestehender Studien konnten die Ergebnisse hinsichtlich der Genauigkeit und Qualität verbessert werden.“

Methodik

„Die Ergebnisse sind auf Basis der bestehenden Datenlage belastbar, denn es ist in diesem Zuge wichtig, die Korrelationen und Effizienzpotenziale aufzuzeigen. Es ist für Modellierungsansätze häufig wichtig, die Ergebnisse möglichst exakt der Wirklichkeit entsprechend darzustellen. Die Vorhersagegenauigkeit weicht stets von der Realität ab. Darüber hinaus erscheint es jedoch wichtiger, Korrelationen und Wechselbeziehungen von Indikatoren in nachvollziehbarer Form darzustellen. Wichtig ist hierbei, Szenarien zu analysieren, die unter gewissen Annahmen realistisch sind und die eine räumliche, vergleichende Darstellung erlauben. Zudem ist wichtig, ein Set an Indikatoren gleichzeitig mit den Wechselwirkungen so darstellen, dass die Ergebnisse nachvollziehbar und belastbar sind sowie ein Wissensgewinn im Vergleich zu Einzelbetrachtungen von Indikatoren entsteht. Wünschenswert wäre gewesen, wenn die Studie noch eine breitere Variation an Szenarien definiert sowie einen stärkeren Fokus auf Unsicherheit und Risikomanagement gelegt hätte. Auch wären graduelle dynamische Abstufungen einer teilweisen Umsetzung der Düngemittelverschiebungen zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden hilfreich gewesen.“

Zusammengang von Düngemitteleinsatz und Ertrag

„Die Annahmen in der Studie sind nachvollziehbar und meines Erachtens konsistent. Es gibt Abweichungen von der Korrelation zwischen Düngemittelgabe und Ertrag, einerseits bei Gunststandorten, in denen häufig höhere Düngegaben als nötig appliziert werden, um Erträge zu sichern und andererseits bei Ungunststandorten – extensiv bewirtschaftete Flächen, die eher unterversorgt werden. Wie stark das Düngeverhalten der Landwirte von minimalen, ausreichenden Düngegaben abweicht, kann im regionalen Durchschnitt gut dargestellt werden. Zudem gibt es eine große Diskrepanz der Datenlage im Vergleich des globalen Nordens und des globalen Südens, so dass hier teilweise Annahmen hilfreich sind.“

Praktische Umsetzung der globalen Umverteilung

„Die praktische Umsetzung war nicht Gegenstand der Studie, welche lediglich die Effizienzpotenziale aufzeigt. Es wird in der Studie kurz auf Herausforderungen einer politischen Durchsetzung der Düngemittelreduktion hingewiesen. In diesem Zusammenhang hätte ich mir eine kritische Auseinandersetzung mit der schwierigen Umsetzung solcher Ergebnisse gewünscht. Eine Reihe von Aspekten wurde hier nicht angedacht. Das betrifft beispielsweise die Möglichkeit, über Precision-Farming die Effizienzpotentiale im globalen Norden zu nutzen, obwohl eine Umsetzung aufgrund des Risikomanagements der Landwirte unter Unsicherheit nicht durchsetzbar erscheint.“

„Eine größere Schwierigkeit sehe ich für den Technologie- sowie Wissenstransfer des Düngemittelmanagements im globalen Süden. Innovations- und Akzeptanzstudien sowie bestehende rudimentäre Beraternetzwerke zeigen die Herausforderungen auf und würden derzeit einen praktikablen und effizienten Anstieg des Düngemitteleinsatzes für Familienbetriebe in Afrika, Südamerika und Asien schwierig gestalten. Unmengen an Organisationen versuchen genau diese Düngemittel bereitzustellen und die Erträge zu erhöhen. Das Problem ist meist, dass dies auf Projektbasis – von Nichtregierungsorganisationen – oder in Regierungsprogrammen versucht wird. Meist fehlt es in den Dörfern an Wissen über die Möglichkeiten, an Akzeptanz, an Finanzierungsmechanismen wie Kleinkrediten, an Kleinunternehmen, welche Düngemittel bereitstellen und an Fachwissen über Düngemittelgaben und Pflanzenwachstumszyklen. Außerdem gibt es häufig Arbeitszeiten von 12 bis 14 Stunden je Tag Arbeit in der Landwirtschaft. Simplifizierend könnte man sagen: Zum einen sind die Bauern vor Ort und zum anderen die Infrastruktur und Logistik die beiden wesentlichen Herausforderungen.“

„Heute werden bereits mangelnde Kenntnisse in der Anwendung von Stickstoffpolitiken – wie Steuern, Mengenbegrenzungen oder Applikationsverbote – für Entwicklungsländer sehr kritisiert. Diese haben hohe Ineffizienzen und damit negative ökonomische, ökologische und soziale Auswirkungen zur Folge.“

Schutz vor Lebensmittelknappheit

Auf die Frage, inwiefern eine globale Umverteilung von Düngemittel dafür sorgen könnte, dass die Weltbevölkerung besser vor Lebensmittelknappheiten geschützt ist:
„Hier würde ich zwar grundsätzlich einen positiven Beitrag sehen, jedoch das Potenzial insgesamt als ein Potenzial unter einer Reihe von Faktoren einschätzen. Lebensmittelknappheit ist multifaktoriell und wird darüber hinaus von anderen Faktoren bestimmt. Unter anderen sind hier insbesondere Ressourcenverschwendung und Klimawandel – durch Bodenerosion, Wasserknappheit und Überschwemmung –, Nachernteverluste, schlechte Regierungspolitik und -führung, kein Marktzugang oder Verzerrungen im Welthandel, Armut, Kriege und Konflikte sowie Naturkatastrophen als weitere wichtige Faktoren für Lebensmittelknappheit zu nennen. Dem entgegen ist eine Pandemie tatsächlich ein treibender Faktor für Nahrungsmittelunsicherheit, sofern es zum Lockdown mit Ausgangssperre kommt, denn mangelnder Transport von Düngemitteln sowie Nahrungsmitteln für Märkte war häufig auf regionaler Ebene ein treibender Faktor für Nahrungsmittelknappheit. Insgesamt im Vergleich bezüglich der Auswirkung würde ich die Umverteilung von Düngemitteln als geringen positiven Effekt sehen.“

Dr. Christoph Müller

Leiter der Arbeitsgruppe zu Landnutzung und Resilienz, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Potsdam

Relevanz der Ergebnisse

„Die Studie behandelt mit der globalen Umverteilung von Stickstoffdünger ein wichtiges Thema, dessen Relevanz für die multiplen Herausforderungen an unsere Ernährungssysteme bisher noch nicht genug Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Es bestehen aus geopolitischen, historischen und naturräumlichen Gründen große Unterschiede zwischen den Produktionssystemen weltweit. Bei diesen entstehen viele Ineffizienzen und daraus resultierende umweltschädliche Emissionen und es muss deutlich mehr reaktiver Stickstoff in die Umwelt ausgebracht werden, als nötig wäre. Gleichzeitig sind viele Regionen der Welt abhängig von Nahrungsmittelimporten aus anderen Regionen.“

„Die Ergebnisse sind qualitativ nicht überraschend, angesichts der klaren nicht-linearen Beziehungen zwischen Erträgen und Stickstoffgaben. Diese führen dazu, dass in Systemen mit geringem Stickstoffeintrag relativ große Ertragssteigerungen pro zusätzlicher Einheit Stickstoff erreicht werden können, während die Ertragssteigerungen in Systemen mit hohem Eintrag sehr gering sind und dafür die umweltschädlichen Emissionen steigen. Die Studie zeigt aber auch quantitativ, dass eine solche globale Umverteilung von Stickstoffdünger starke Effekte haben würde und damit tatsächlich eine wichtige Option darstellt, Ernährungssicherheit zu erhöhen und gleichzeitig die Stickstoffverschmutzung der Umwelt zu reduzieren. Allerdings wurden die Ergebnisse mit einem einzigen Modell erzeugt und weisen vermutlich relativ große Unsicherheiten auf, insbesondere in den räumlichen Mustern.“

Praktische Umsetzung der globalen Umverteilung

„Eine solche Umverteilung ist ohne erhebliche Veränderungen der Rahmenbedingungen nicht möglich. Zum einen müssten zumindest in den Regionen mit hohen Stickstoffgaben finanzielle Anreize geschaffen werden, Stickstoff in geringeren Mengen und effizienter einzusetzen, zum Beispiel durch eine Besteuerung von Stickstoffgaben oder Stickstoffemissionen. Zum anderen muss sichergestellt werden, dass Stickstoff – und auch andere Nährstoffe – in die Regionen kommt, wo Nährstoffe dringend gebraucht werden, um Erträge zu steigern. Dazu müssen Produzenten in der Lage sein, sich diese Einträge leisten zu können oder diese über Fruchtfolgen selbst ins System einzubringen. Außerdem wären bessere Anbindungen an Märkte nötig, unter anderem durch verbesserte Infrastruktur.“

„Gleichzeitig ist es wichtig, das Potenzial solcher Maßnahmen zu quantifizieren, wie Andrew Smerald und Kollegen es getan haben. Wenn das Potential verstanden ist, können Maßnahmen für eine solche Umverteilung ergriffen und mit anderen Maßnahmen kombiniert werden – wie zum Beispiel der Reduktion des Konsums von tierischen Produkten –, um die globale Ernährungssicherheit zu erhöhen und die Umweltbelastung durch Landwirtschaft zu reduzieren.“

Dr. Adrian Müller

Wissenschaftlicher Mitarbeiter imAgrar- und Ernährungssysteme, Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Schweiz

Relevanz der Ergebnisse

„Das Ergebnis, dass durch optimierte Düngung bei im großen Ganzen gleichbleibender Produktion große Mengen an Dünger eingespart werden können, ist nicht neu oder unerwartet. Die Studie ist aber wichtig, da sie die diesen Resultaten zugrundeliegenden Mechanismen sehr umfassend und im Detail für die drei wichtigsten Getreidekulturen Mais, Reis und Weizen modelliert. Sie liefert dadurch auch eine neue, detaillierte und regional differenzierte Quantifizierung, um wieviel der Düngereisatz wo reduziert werden könnte. Zusätzlich bestimmt sie auch, wie dies die Emissionen vom Düngereinsatz beeinflussen würde – sowohl Treibhausgase, wie auch Gewässerverschmutzung betreffend. Wichtig ist auch, dass die Modellierung die Anbaumuster wenig verändert, also nicht wie andere Studien stark darin eingreift, was wo angebaut wird, um die Produktion zu optimieren, sondern die geographische Verteilung der Kulturen generell beibehält. Stattdessen optimiert sie den Düngereinsatz, was weniger drastische Veränderungen in der Umsetzung bedeuten würde als ein totaler Umbau der Anbaumuster.“

Methodik

„Die Methodik und Datenbasis sind gut und robust und entsprechen dem neusten Stand. Die Szenarien sind sinnvoll gewählt. Das Referenzjahr 2015 ist aufgrund der Tatsache gewählt, dass für dieses Jahr alle für die Kalibrierung notwendigen Daten vorlagen. Es ist leider immer wieder der Fall, dass aktuelle Daten zu relevanten Parametern fehlen. Dies beeinträchtigt die Aussagen, die aufgrund der Resultate getroffen werden können, aber wenig. Denn auch dieses Jahr kann beispielhaft für die gängigen Ineffizienzen in der Düngernutzungspraxis stehen und erlaubt somit eine Analyse, welche Verbesserungen auch heute möglich wären. Dabei ist immer zu beachten, dass mit all den Unsicherheiten in den Daten die Resultate eher als Richtwerte zu verstehen sind: Ob der Düngereinsatz um 29 oder 32 Prozent reduziert werden kann, ist nicht wichtig, sondern dass etwa ein Drittel möglich sind, ist die zentrale Aussage. Und diese Aussagen lassen sich auch mit dem Basisjahr 2015 und dem Szenario 2030 gut treffen.“

Zusammenhang von Düngemitteleinsatz und Ertrag

Auf die Frage, ob weniger Düngemitteleinsatz in einer Region immer mit weniger Ertrag einhergeht:
„Innerhalb einer Region gilt dies nicht, wie zum Beispiel Abbildung 3 für Europa zeigt: Im ‚low emissions‘-Szenario sind höhere Erträge mit geringerem Düngereinsatz möglich. Dies hängt aber stark von der geographischen Aggregierung ab. Die zugrundeliegende Dynamik auf dem Feld ist aber so, dass bei geringerem Düngereinsatz die Erträge geringer sind, wenn alle anderen Faktoren gleichbleiben. Wichtig dabei ist aber die Dynamik abnehmender Grenzerträge (Abbildung 4), die auch auf dem Feld gilt: Bei hohen Düngergaben sind die Ertragseinbußen bei einer Reduktion der Düngergaben klein – oder im Extrem sogar abwesend –, während bei geringen Düngergaben eine weitere Reduktion zum Teil große Ertragseinbußen bedeuten kann. Dies macht sich die Umverteilung zunutze: Auf Flächen mit hohen Düngergaben wird weniger gedüngt, was zu gewissen Ertragseinbußen führt, während auf Flächen mit geringen Düngergaben mehr gedüngt wird, was zu Ertragssteigerungen führt, die aber größer als die Einbußen auf den anderen Flächen sind. Dies erlaubt es insgesamt, bei gleichen Düngergaben mehr oder bei geringeren Düngergaben gleich viel zu produzieren.“

Schutz vor Lebensmittelknappheit

„Die globale Umverteilung würde dazu führen, dass die Nahrungsmittelproduktion geographisch breiter und diverser verteilt würde, so dass insbesondere das Gewicht der heute hochproduktiven Regionen in der Gesamtproduktion abnehmen würde und die Wichtigkeit heute weniger produktiver Regionen zunähme. Dies würde die Folgen von Produktionsausfällen in den hochproduktiven Regionen – zum Beispiel aufgrund von Hitzewellen, Dürren oder Krieg – abschwächen, da deren Gesamtoutput kleiner und somit für die Weltmärkte relativ weniger relevant wäre. Zusätzlich würde es erlauben, die Regionen, die heute relativ wenig produzieren, ernährungssicherer und weniger abhängig von Nahrungsmittelimporten zu machen.“

„Wichtig dabei ist, dass über die erhöhte Mineraldüngernutzung in den heute wenig produktiven Regionen eine neue Abhängigkeit entsteht, die auch wieder sehr krisenanfällig ist. Die Mineraldüngerabhängigkeit von wenigen Ländern zeigt sich etwa im Kontext des Ukraine-Krieges. Deshalb ist es sehr wichtig, bei der Diskussion optimaler Nährstoffversorgung unbedingt auch das Potenzial aufgrund von Vermeidung von Verlusten und verbessertem Recycling, sowie der biologischen Stickstoff-Fixierung zu betrachten. Dies ist nicht im Fokus dieser Studie und darum auch keine Lücke, aber in der Diskussion sollte diese Thematik aufgenommen und diskutiert werden.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Dr. Christoph Müller: „Ich arbeite seit Jahren an einer sehr ähnlichen Studie, die im Moment in einer Überarbeitungsphase ist. Ich kenne einige der Autoren flüchtig und sie nehmen mit ihrem Modell auch an der von mir koordinierten Modellvergleichsstudie GGCMI teil, von der sie auch einen Teil ihrer Eingangsdaten genommen haben.“

Dr. Adrian Müller: „Ich habe keine Interessenkonflikte.“

Alle anderen: Keine Angaben erhalten.

Primärquellen

Smerald A et al. (2023): A redistribution of nitrogen fertiliser across global croplands can help achieve food security within environmental boundaries. Communications Earth & Environment. DOI: 10.1038/s43247-023-00970-8.

Weiterführende Recherchequellen

International Food Policy Research Institute (08.06.2022): Short-term policy considerations to respond to Russia-Ukraine crisis disruptions in fertilizer availability and affordability.
Dieser Blogpost beinhaltet eine Grafik (Figure 1), basierend auf Daten der FAO, die die Düngemittelnutzung in der Landwirtschaft und die Ernteerträge in verschiedenen Ländern abbildet. Daraus wird klar: Besonders in den meisten afrikanischen Ländern wird oft wenig gedüngt und die Erträge sind gering.

Literaturstellen, die von den Expertinnen und Experten zitiert wurden

[1] Scheiterle L et al. (2019):Soil, Striga, or subsidies? Determinants of maize productivity in northern Ghana. Agricultural Economics. DOI: 10.1111/agec.12504.