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08.02.2024

Studie findet weltweit große Unterstützung für Klimaschutz

     

  • Mehrheit der Menschen weltweit wäre laut Umfrage bereit, einen kleinen Teil ihres Einkommens für Klimaschutz zu zahlen
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  • zugleich wird Zustimmung zu Klimaschutz weltweit unterschätzt
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  • Forschende loben die Methodik, warnen aber, dass der fiktive monetäre Wert nicht in die Praxis übertragen werden kann
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Eine Umfrage findet bei Menschen in 125 Ländern eine breite Zustimmung zu Klimaschutz und eine große Bereitschaft, einen kleinen Teil ihres Einkommens dazu beizusteuern. Zugleich unterschätzen die Befragten die Bereitschaft anderer, für Klimaschutz zu zahlen. Diese Ergebnisse präsentieren Forschende der Universitäten Frankfurt, Bonn und Kopenhagen im Journal „Nature Climate Change“ (siehe Primärquelle).

An der Umfrage nahmen knapp 130.000 Menschen teil, die zufällig anhand ihrer Telefonnummern oder Adressen ausgewählt wurden. Die Teilnehmenden beantworteten vier bewusst allgemein gehaltene Fragen zu ihrer Zustimmung zu Klimaschutz.

Gut zwei Drittel Befragten gab an, dass sie bereit wären, „ein Prozent ihres monatlichen Einkommens für den Kampf gegen die globale Erderwärmung“ abzugeben. Dagegen schätzten sie, dass nur 43 Prozent ihrer Mitmenschen bereit wäre, dasselbe zu tun. Es bestehe also ein „Wahrnehmungslücke“, schreiben die Forschenden: Die Unterstützung für Klimaschutz werde weltweit unterschätzt. Dadurch seien Menschen wiederum weniger bereit, selbst gegen den Klimawandel aktiv zu werden. Ähnliche Ergebnisse haben die Forschenden bereits zuvor für eine Stichprobe aus den USA publiziert [I].

Die Ergebnisse zeigen außerdem, dass Menschen in Ländern mit geringerem pro-Kopf Bruttoinlandsprodukt sowie in Ländern mit höheren durchschnittlichen Temperaturen  eher bereit sind, für Klimaschutz zu zahlen. Die Forschenden erklären dies damit, dass diese Länder vulnerabler gegenüber den Folgen des Klimawandels sind. Auf die Fragen, ob Menschen im jeweiligen Land beziehungsweise die nationale Regierung mehr für Klimaschutz tun sollten, gab es eine weltweit recht konsistente Zustimmung von 86 beziehungsweise 89 Prozent.

Basierend auf ihrer Untersuchung raten die Autorinnen und Autoren dazu, Klimaschutz verstärkt als Interesse einer breiten Mehrheit dazustellen. So könne sich ein positiver Feedbackloop einstellen, in dem stärkere wahrgenommene Zustimmung zum Klimaschutz zu mehr tatsächlichem Klimaschutz führt.

Übersicht

  • Dr. Julian Sagebiel, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Biodiversitätsökonomik, Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Leipzig
  • Prof. Dr. Ilona Otto, Professorin für Gesellschaftliche Auswirkungen des Klimawandels, Wegener Center für Klima und Globalen Wandel, Karl-Franzens-Universität Graz, Österreich
  • Prof. Dr. Gerhard Reese, Professor für Umweltpsychologie, Institut für Sozial-, Umwelt- und Wirtschaftspsychologie, Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau
  • Dr. Christine Merk, stellvertretende Direktorin des Forschungszentrums Global Commons und Klimapolitik, Institut für Weltwirtschaft (IfW), Kiel
  • Dr. Mirjam Jenny, Wissenschaftliche Geschäftsführerin, Institute for Planetary Health Behaviour (IPB), Universität Erfurt

Statements

Dr. Julian Sagebiel

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Biodiversitätsökonomik, Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Leipzig

Wahl und Interpretation des konkreten monetären Wertes

„Die Studie quantifiziert die Bereitschaft der Bevölkerung in 125 Ländern, Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels finanziell zu unterstützen. Die konkrete Frage lautet: ,Would you be willing to contribute 1% of your household income every month to fight global warming? This would mean that you would contribute [$1] for every [$100] of this income.’ Man könnte meinen, diese Frage erlaubt es, eine Untergrenze für die Zahlungsbereitschaft zur Bekämpfung des Klimawandels zu ermitteln. Aus wissenschaftlich-methodischer Perspektive ist sie für diesen Zweck aber nicht haltbar. In der wissenschaftlichen Literatur gibt es seit Jahrzehnten Diskussionen um die Validität solcher Fragen [1] [2] [3] [4] und sofern es überhaupt einen Konsens gibt, lautet dieser, solche Fragen seien nur unter der Einhaltung ganz konkreter Standards gültig [5] [6].“

„Diese Standards werden hier nicht eingehalten. Einerseits haben die Befragten keine Anreize, wahrheitsgemäß zu antworten, andererseits wird nicht definiert, was ,fight global warming‘ genau bedeutet. Die Befragten wissen also gar nicht, wofür ihr Geld genau genutzt wird.“

„Die hier beschriebene Limitation ist nicht weiter schlimm, wenn die Ergebnisse nicht als monetärer Wert, sondern eher als Indikator für eine Einstellung oder Meinung gewertet werden: ,Ich bin bereit, etwas zu opfern, damit der Klimawandel bekämpft wird.‘ Weder die Aussage ,Im Durchschnitt sind die Menschen bereit, ein Prozent ihres Einkommens für die Bekämpfung des Klimawandels aufzugeben‘ noch die Aussage ,Aggregiert ergibt sich ein Budget von X Milliarden Euro für die Bekämpfung des Klimawandels‘ kann aus der Studie abgeleitet werden.“

„Eine Überschrift in einer Tageszeitung ,69 Prozent der Weltbevölkerung sind bereit, ein Prozent ihres Einkommens zu opfern, um den Klimawandel zu bekämpfen‘ wäre fehlgeleitet. Die Studie liefert keine validen monetären Ergebnisse. Damit sind die Ergebnisse auch nicht in Kosten-Nutzen-Analysen oder Wohlfahrtsberechnungen nutzbar. Letzteres behaupten die Autoren auch nicht. Daher ist mein Appell, bei jeglicher Verwertung oder Beschreibung der Ergebnisse, auf Aussagen, die die Bereitschaft zur Bekämpfung des Klimawandels monetär quantifizieren, zu verzichten.“

„Die Studie ist dennoch sehr wertvoll, methodisch sauber durchgeführt, und statistisch korrekt ausgewertet. Die Ergebnisse sollten EntscheidungsträgerInnen zu denken geben, allerdings sollten sie auf keinen Fall genutzt werden, um Budgets für den Klimaschutz festzulegen. Ja, die Menschen wollen etwas gegen den Klimawandel tun, aber wie viel sie bereit sind, von ihrem Einkommen wirklich aufzugeben, wissen wir auch nach dieser Studie immer noch nicht.“

Prof. Dr. Ilona Otto

Professorin für Gesellschaftliche Auswirkungen des Klimawandels, Wegener Center für Klima und Globalen Wandel, Karl-Franzens-Universität Graz, Österreich

Relevanz der Studie

„Es wurden bereits einige globale Studien über die öffentliche Wahrnehmung der globalen Erwärmung durchgeführt. Soweit ich weiß, ist dies aber die erste, die nach der Bereitschaft fragt, einen Teil des Haushaltseinkommens zur Bekämpfung der globalen Erwärmung beizutragen. Soweit ich weiß, ist dies auch die erste Umfrage, in der nach der Einschätzung gefragt wird, ob andere einen Teil des Haushaltseinkommens zur Bekämpfung der globalen Erwärmung beizutragen bereit sind.“

„Es ist überraschend, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen in verschiedenen Ländern bereit ist, einen Teil ihres Einkommens zur Lösung des Problems beizutragen, und dass sie die Bereitschaft anderer, einen Beitrag zu leisten, unterschätzt.“

Methodik

„Meiner Meinung nach wurde die Studie mit methodischer Strenge durchgeführt. Die Stichprobenverfahren, die Erhebungsmethoden und die Übersetzung in die Landessprachen entsprachen den allgemein üblichen methodologischen und ethischen Standards.“

„Da die Frage in Prozent in Bezug auf das relative Einkommen gestellt wurde, ist sie ziemlich robust gegenüber ökonomischen Unterschieden. Es ist zu beachten, dass die Studie nicht in allen Ländern durchgeführt wurde und die Frage nach der Forderung nach politischen Maßnahmen der nationalen Regierungen in einigen Ländern mit autoritären Regimen – Myanmar, Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate – nicht gestellt wurde.“

„Auch wenn nicht alle Länder einbezogen wurden, wurden die meisten Länder und auch diejenigen mit den höchsten Bevölkerungszahlen erfasst. Es ist auch anzumerken, dass die Umfrageergebnisse einige regionale Unterschiede aufweisen. In Ländern wie zum Beispiel Russland, den USA, Japan, Kanada und dem Vereinigten Königreich lag der Anteil der Menschen, die angaben, bereit zu sein, ein Prozent ihres Einkommens zur Bekämpfung der globalen Erwärmung beizutragen, unter 50 Prozent – deutlich weniger als der Durchschnitt von 69 Prozent.“

Übertragung auf Zustimmung zu Klimaschutz in der Praxis

„Die Transformation zu Netto-Null-Emissionen und ein kohlenstoffarmer Lebensstil zwingen uns zu Veränderungen unserer Routinen, Praktiken, Verhaltensweisen und sozialen Normen, die durch politische, infrastrukturelle und technologische Veränderungen unterstützt werden müssen. Die Herausforderung ist sehr komplex und erfordert mehr als eine einfache Geldspende.“

„Insgesamt geben die Umfrageergebnisse Anlass zur Hoffnung, dass die Staats- und Regierungschefs und Entscheidungsträger der Welt auf die Mehrheit der Bevölkerung hören und mehr Mut haben könnten, strenge politische Maßnahmen und Vorschriften zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und zur Förderung erneuerbarer Energien umzusetzen. Bei der Zustimmung zu Klimaschutz könnte es sich also um ein soziales Kippelement handeln, das einen Kaskadeneffekt über alle Wirtschaftssektoren und Weltregionen hinweg haben wird. Die Ergebnisse können auch Aktivismus und Bottom-up-Initiativen fördern, wenn wir erkennen, dass die meisten anderen Menschen Pro-Klima-Normen befürworten und auch persönlich bereit sind, einen Beitrag zur Bekämpfung der globalen Erwärmung zu leisten.“

Wahl des konkreten monetären Wertes

„Die globalen Transformationskosten – abhängig von den Szenarien und Annahmen, die in verschiedenen Studien verwendet werden – schwanken zwischen etwa ein und sieben Prozent des Bruttoinlandsproduktes [7]. Gleichzeitig gibt es auch zahlreiche Co-Benefits der Klimapolitik – zum Beispiel in Bezug auf verbesserte Gesundheit, Lebensqualität und neue Beschäftigungsmöglichkeiten sowie vermiedene Schäden durch die Auswirkungen des Klimawandels. Ein frühzeitiges Handeln trägt auch dazu bei, die Kosten zu senken und Kosten aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels zu vermeiden, die in Szenarien mit geringer bis mittlerer Erwärmung schätzungsweise fünf bis zwanzig Prozent des Bruttoinlandsproduktes erreichen werden [8].“

„Daher halte ich es für sinnvoll, von einem Beitrag von etwa ein Prozent des Haushaltseinkommens zur Bekämpfung der globalen Erwärmung auszugehen. Mittel- bis längerfristig wird der Nutzen von Klimaschutzmaßnahmen sehr wahrscheinlich die Kosten überwiegen. Wie ich bereits erwähnt habe, stellen die Transformation zu Netto-Null-Emissionen sowie die erforderlichen Verhaltens-, Lebensstil-, Infrastruktur-, Technologie- und Politikänderungen jedoch eine recht komplexe Herausforderung dar. Die Bereitschaft, einen Teil des Einkommens zur Bekämpfung des Klimawandels beizutragen, ist natürlich ein gutes Signal, aber tatsächlich müssen wir bereit sein für tiefgreifende soziale Veränderungen in unseren Routinen, Verhalten, sozialen Normen sowie in Politik und Infrastruktur. Es ist sehr schwierig oder sogar unmöglich, solche Prozesse zu monetarisieren.“

Relevanz für die Klimakommunikation

„Wie bereits erwähnt, hoffe ich, dass diese Studie die Staats- und Regierungschefs der Welt dazu ermutigen wird, mutigere Entscheidungen zu treffen und den Klimawandel in unserer Politik und Wirtschaft priorisieren. Die Umfrageergebnisse zeigen, dass die überwältigende Mehrheit der Weltbevölkerung den Kampf gegen die globale Erwärmung unterstützt, bereit ist, einige Kosten für den Klimaschutz in Kauf zu nehmen, und von ihren politischen Vertreterinnen mehr Klimaschutz fordert.“

Prof. Dr. Gerhard Reese

Professor für Umweltpsychologie, Institut für Sozial-, Umwelt- und Wirtschaftspsychologie, Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau

Relevanz der Studie

„Beachtlich ist die Breite an Befragten über 125 Länder hinweg, und auch die ,Bereitschaft beizutragen‘ (,willingness to contribute‘) geht über bisher genutzte Maße hinaus, da sie einen feinen Unterschied macht: Etwas ,beizutragen‘ (,contribute‘) hat gleich ein stärkeres soziales Element als ,individuell zu bezahlen‘ (,pay for‘).“

Methodik

„Die Methodik ist sehr gut, wenngleich einzelne Items in der Regel weniger aussagekräftig sind als Skalen, die mit mehreren Aussagen einen bestimmten Sachverhalt adressieren – wie zum Beispiel Einstellungen oder Handlungsbereitschaft. Man muss aber bei internationalen Studien eine Balance zwischen Präzision und Machbarkeit finden. Das ist hier aus meiner Sicht sehr gut gelungen. Kulturelle, politische und ökonomische Unterschiede spielen sicherlich eine Rolle, davon berichtet die Studie auch zum Teil. Dies lässt sich mit den Daten in der Studie aber nicht abschließend klären.“

Übertragung auf Zustimmung zu Klimaschutz in der Praxis

„Es gibt immer eine Lücke zwischen Einstellung und Verhalten. Man kann vermutlich nicht davon ausgehen, dass 100 Prozent der 69 Prozent der Befragten auch wirklich in der Praxis ihr Prozent beitragen würden. Gleichzeitig ist dies schon eine sehr konkrete Frage, so dass ich denke, dass viele Menschen das wirklich machen würden – wenn viele andere mitzögen.“

Wahl des konkreten monetären Wertes

„Ich denke, die Wahl des monetären Wertes – ein Prozent des Einkommens – ist sinnvoll, weil es vermutlich mehr als genug wäre, um Klimaschäden aufzufangen beziehungsweise Klimaschutz sozial gerecht zu finanzieren. Gleichzeitig ist der Betrag so niedrig, dass es für viele Menschen – vor allem in den reichen Verursacherländern – erschwinglich wäre.“

Relevanz für die Klimakommunikation

Auf die Frage nach der Zustimmung zur Aussage, dass Klimaschutz verstärkt als geteiltes Interesse einer großen Mehrheit dargestellt werden sollte:
„Da stimme ich sehr zu! Klimaschutz ist nichts anderes als eine gemeinsame Anstrengung globalen Ausmaßes. Wenn das allen bewusst ist und wird, lassen sich vielleicht einfacher transnationale Allianzen schmieden. Wir haben nur diesen einen Planeten – da ist es meiner Einschätzung nach nahezu jede kollektive und lebensbejahende Anstrengung wert, diesen zu bewahren.“

Dr. Christine Merk

stellvertretende Direktorin des Forschungszentrums Global Commons und Klimapolitik, Institut für Weltwirtschaft (IfW), Kiel

Methodik

„Grundsätzlich ist die methodische Durchführung sehr sauber und gut. Die Ziehung der Stichprobe und das Pre-Testing sind umfangreicher, als das häufig bei international vergleichenden Befragungen, die oft online durchgeführt werden, der Fall ist.“

„Wenn ich ein Haar in der Suppe finden müsste, dann wären es dieses: Die hohen Zustimmungswerte in asiatischen Ländern können auf tatsächlichen kulturellen Unterschieden in der Einstellung beruhen, sie könnten aber auch durch die stärkere Neigung in diesen Ländern, im Vergleich zu westlichen Ländern, in Befragungen zustimmend zu antworten, hervorgerufen sein, die dazu führt, dass die Antworten nicht die tatsächliche Meinung widerspiegeln.“

Übertragung auf Zustimmung zu Klimaschutz in der Praxis

„Das verwendete Maß für die Unterstützung von Klimapolitik ist sehr allgemein, aber die Autoren führen eine Validierungsstudie an, in der überprüft wurde, ob dieses allgemeine Maß mit der Unterstützung für speziellere Klimapolitiken korreliert. Dieser Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung konkreter Maßnahmen und dem allgemeinen Maß wurde nur für die USA getestet. Es könnte sein, dass weniger Wissen über Klimapolitik zu relativ geringerer Unterstützung konkreter Maßnahmen führen würde.“

„Es bleibt leider unbeantwortet, ob Klimapolitik (teilweise) ausschlaggebend für die Wahlentscheidung der Befragten ist, denn wenn sie das nicht ist, lohnt es sich für Parteien nicht, dort mehr zu tun. Auch wissen wir, dass die Erwähnung von Steuern für viele ein rotes Tuch ist, sodass die Unterstützung für die Erhebung von Steuern oft geringer ist als eine sehr allgemeine Unterstützung von Klimapolitik.“

Wahl des konkreten monetären Wertes

Auf die Frage, inwiefern die Höhe der fiktiven Kosten für Klimaschutz mit einem Prozent sinnvoll gewählt ist:
„Der Ansatz ist charmant, relativ einfach für den internationalen Vergleich und löst verschiedene Probleme der Vergleichbarkeit. Aber die Frage ist sehr hypothetisch und es fehlt der Bezug zu der Summe, die die Befragten jeden Monat bezahlen müssten, und besonders bei so einfach gestellten Fragen muss man davon ausgehen, dass die Bereitschaft einen Beitrag zu leisten und dessen Höhe überschätzt werden. Gleichzeitig ist es aber interessant zu sehen, dass ein in einigen Ländern – wie zum Beispiel den USA oder Kanada – mehr als die Hälfte der Befragten keinen Beitrag leisten würden.“

„Hier hätte man zur Validierung die gleiche Frage zu einem anderen Politikfeld stellen können, zum Beispiel die Bekämpfung von Kinderarmut oder nationale Verteidigung, um zu überprüfen, ob die Befragten Unterschiede machen oder grundsätzlich mehr staatliches Handeln erwarten. Auch wird es unwahrscheinlich, dass die Befragten tatsächlich bereit wären, den Betrag zu bezahlen, wenn sie für verschiedene Politikfelder eine entsprechende Bereitschaft signalisieren.“

Relevanz für die Klimakommunikation

„An sich stimme ich dem Fazit der Studie zu. Es zeigt auch, dass es im Interesse von Parteien oder Interessenverbänden sein kann, die Unterstützung von Klimapolitik herunterzuspielen, um ambitionierte Klimapolitik zu unterminieren.“

Dr. Mirjam Jenny

Wissenschaftliche Geschäftsführerin, Institute for Planetary Health Behaviour (IPB), Universität Erfurt

Relevanz für die Klimakommunikation

„In der Studie steht: ‚Countries facing heightened vulnerability to climate change exhibit a particularly high willingness to contribute.‘ Menschen müssen noch genauer verstehen, dass die Klimakrise auf jedes Leben großen Impact haben wird. Vermutlich wird in den weniger betroffenen Ländern auch nochmal mehr die Folge von Klimaerwärmung um 1,5 Grad unterschätzt.“

„Wir finden in den PACE-Daten, dass Leute beim Thema Klimawandel mehr über Aspekte wissen, die sie direkt betreffen – wie zum Beispiel Gesundheitskonsequenzen des Klimawandels – als Aspekte, die sie weniger konkret betreffen – wie beispielsweise die Emissionen verschiedener Sektoren (Gesundheitswesen, Wirtschaft und so weiter). Die Korrelation zwischen Betroffenheit und dem Willen, etwas gegen den Klimawandel beizutragen (‚willingness to contribute‘) überrascht nicht. Wir finden auch, dass die Handlungsbereitschaft zum Klimaschutz unter anderem davon abhängt, wie viel die Leute wissen und ob sie den Klimawandel als Risiko wahrnehmen [9]. Es ist zu erwarten, dass Leute in betroffeneren Regionen mehr wissen und eine höhere Risikowahrnehmung haben – und demnach eine größere Handlungsbereitschaft.“

„In der Studie steht darüber hinaus: ‚Individuals around the globe systematically underestimate the willingness of their fellow citizens to act.‘ Wir finden exakt dasselbe in unseren Daten [10]. Daten aus Verhaltenswissenschaften sind so wichtig, weil dabei Daten zu Bereitschaft erhoben werden und durch Wissenschaftskommunikation gezeigt werden kann, wie groß der Anteil der Bereitschaft tatsächlich ist. Es bleibt herauszufinden, ob die Wissenschaftskommunikation zu der ‚perception gap‘ und die Kommunikation der Norm die Bereitschaft erhöht. Es braucht mehr Studien, um den Kausalzusammenhang zu überprüfen. Eine Studie aus 2022 [11] bringt das Argument der Negativspirale im Klimadiskurs, die man gegebenenfalls mit Kommunikation brechen kann. Eine weitere [12] findet hingegen wenig Evidenz dafür, dass ‚social consensus messaging‘ wirksam ist.“

Übertragung auf Zustimmung zu Klimaschutz in der Praxis

„Die aktuelle Studie besagt: ‚In 119 out of 125 countries, the share of supporters [for climate action] exceeds two-thirds (Fig. 1D)‘. In 119 Ländern hat also Klimaschutz eine absolute Mehrheit. Wie sieht es aber bei konkreten Maßnahmen aus? Diese unterscheiden sich zum Beispiel in der PACE-Studie erheblich. So finden wir 76 Prozent Zustimmung für den Ausbau des ÖPNV, aber nur 33 Prozent Zustimmung für ein Verbrennerverbot bis 2030 [13]. Generell erhalten allgemeine Fragen wie ‚Wie stark stimmen Sie dem Klimaschutz im Allgemeinen zu?‘ eine höhere Unterstützung als konkrete Politiken.“

Methodik

„Insgesamt fragt die Studie die Menschen, inwiefern sie bereit sind, ein Prozent ihres Haushaltseinkommens abzugeben, aber nicht konkret, an wen diese Abgabe erfolgen soll. Wenn es als Steuer an das jeweilige Land abgegeben wird, könnte Vertrauen in staatliche Institutionen diese Bereitschaft erheblich beeinflussen.“

„In der Methodik kann man auf zwei Besonderheiten von groß angelegten internationalen Studien genauer eingehen, die Übersetzung und die Gewichtung von Daten. Es wurde für die Übersetzung auf Expert/innen zurückgegriffen, allerdings sind keine Informationen darüber enthalten, in wie viele Landessprachen die Umfrage übersetzt wurde. In multilingualen Ländern wie der Schweiz, Russland oder Nigeria kann dies zu systematischen Verzerrungen führen. Da die Daten aus der groß angelegten Gallup Studie stammen, ist jedoch von einer systematischen Verzerrung durch aufgebaute Sprachbarrieren nicht auszugehen.“

„Anschließend werden die Daten auf mehreren Ebenen gewichtet, um innerhalb der Länder und anschließend zwischen Ländern die Verteilungen der Stichproben möglichst realistisch abzubilden. Was bedeutet das konkret? Stark vereinfacht bedeuten gewichtete Daten, dass man die Antworten von unterrepräsentierten Gruppen – zum Beispiel üblicherweise Hochaltrige über 80 Jahre – mehrfach zählt, dafür die Personen aus überrepräsentierten Gruppen geringer einberechnet. Die statistischen Regeln für diese Gewichtungen (methodisch ausreichend beschrieben, keine Gewichte über zehn) werden eingehalten.“

Relevanz der Studie

Auf die Frage, was die Studie dem bisherigen Wissensstand hinzufügt:
„Die Autor/innen arbeiten diesen Befund im Artikel bereits auf: ‚From a behavioral science perspective,this pattern is consistent with the interpretation that individuals are less willing to contribute if they perceive the adaptation costs as too high, i.e., when the required lifestyle-changes are perceived as too drastic.‘ Und: ‚Put differently, in countries that are most resilient, individuals are least willing to contribute 1% of their income to climate action.‘“

„Zusammengefasst kann man also sagen: Je mehr man die eigene Lebensrealität drastisch verändern müsste und je mehr man erlebt, dass die Ökonomie eines Landes die Klimakrise kompensieren kann, desto weniger sind Menschen bereit, Verantwortung als Individuen zu übernehmen (Stichwort spätrömische Dekadenz).“

„Es ist also womöglich gerade in den Ländern mit hohen Einkommen wichtig, Motivation nicht aus der Angst, sondern aus positiven Zukunftsvisionen zu generieren. Wahrscheinlich braucht es mehr positive Zukunftsvisionen, damit die Leute nicht immer nur einen Verlust der Lebensqualität sehen – den Verzicht –, sondern den Gewinn an Lebensqualität, beispielsweise durch sauberere Luft, wie auch, dass die Alternativen gar nicht so weh tun wie erwartet (Stichwort Verzicht auf Plastikbeutel).“

Dieses Statement entstand in Zusammenarbeit mit Dr. Sarah Eitze, die zusammen mit Dr. Mirjam Jenny an der Universität Erfurt am Institute for Planetary Health Behaviour (IPB) arbeitet.

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Dr. Julian Sagebiel: „Es bestehen keine Interessenkonflikte.“

Prof. Dr. Ilona Otto: „Keine Interessenkonflikte.“

Prof. Dr. Gerhard Reese: „Keine.“

Dr. Mirjam Jenny: „Keine Interessenkonflikte.“

Alle anderen: Keine Angaben erhalten.

Primärquelle

[I] Andre P et al. (2024): Globally Representative Evidence on the Actual 2 and Perceived Support for Climate Action. Nature Climate Change. DOI: 10.1038/s41558-024-01925-3.

Literaturstellen, die von den Expertinnen und Experten zitiert wurden

[1] Arrow K et al. (1993): Report of the NOAA panel on contingent valuation. Federal Register.

[2] Murphy J et al. (2005): A meta-analysis of hypothetical bias in stated preference valuation. Environmental and Resource Economics.

[3] Haab TC et al. (2013): From hopeless to curious? Thoughts on Hausman's “dubious to hopeless” critique of contingent valuation. Applied Economic Perspectives and Policy. DOI: 10.1093/aepp/ppt029.

[4] Diamond PA et al. (1994): Contingent valuation: Is some number better than no number? Journal of Economic Perspectives.

[5] Johnston RJ et al. (2017): Contemporary guidance for stated preference studies. Journal of the Association of Environmental and Resource Economists. DOI: 10.1086/691697.

[6] Haab T et al. (2020): State of the art of contingent valuation. Oxford research encyclopedia of environmental science. DOI: 10.1093/acrefore/9780199389414.013.450.

[7] Fujimori S et al. (2023): Climate change mitigation costs reduction caused by socioeconomic-technological transitions. npj Climate Action. DOI: 10.1038/s44168-023-00041-w.

[8] Tol RSJ (2024): A meta-analysis of the total economic impact of climate change. Energy Policy. DOI: 10.1016/j.enpol.2023.113922.

[9] PACE (29.09.2023): Handlungsbereitschaft im Überblick. Ergebnisse aus dem PACE-Projekt (Planetary Health Action Survey).

[10] PACE (12.06.2023). Soziale Normen. Ergebnisse aus dem PACE-Projekt (Planetary Health Action Survey).

[11] Sparkman G et al. (2022): Americans experience a false social reality by underestimating popular climate policy support by nearly half. Nature Communications. DOI: 10.1038/s41467-022-32412-y.

[12] Geiger SJ et al.: What We Think Others Think About Climate Change: Generalizability of Pluralistic Ignorance Across 11 Countries. OSF Preprints.
Hinweis der Redaktion: Es handelt sich hierbei um eine Vorabpublikation, die noch keinem Peer-Review-Verfahren unterzogen und damit noch nicht von unabhängigen Experten und Expertinnen begutachtet wurde.

[13] PACE (29.09.2023): Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen. Ergebnisse aus dem PACE-Projekt (Planetary Health Action Survey).

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

Andre P et al. (2022): Misperceived Social Norms and Willingness to Act Against Climate Change. ECONtribute Discussion Paper.