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25.11.2019

Pflanzen-Primärproduktion nimmt wegen extremer Dürren immer mehr ab

Extreme Dürren wirken sich künftig sehr viel stärker auf die Primärproduktion von Pflanzen aus als bisher. Die sogenannte globale Brutto-Primärproduktion der Pflanzen (GPP) könnte bis zum Ende dieses Jahrhunderts bis zu dreimal stärker zurückgehen als dies bisher der Fall war.

Extreme Dürren werden mit fortschreitendem Klimawandel immer wahrscheinlicher. Sie treten dann sowohl häufiger als auch intensiver auf. Diese Ereignisse sind mit massivem Stress für die Pflanzen verbunden. Ausgetrocknete Böden, weniger Niederschläge, höhere Temperaturen führen zu geringerem Pflanzenwachstum und so zu einer geringeren Primärproduktion. Die Prognosen des Teams um Chonggang Xu vom Los Alamos National Laboratory in den USA zeigen, dass dieser Rückgang der Primärproduktion durch die steigende Häufigkeit extremer Dürreereignisse weltweit so ausgeprägt sein könnte, dass er den positiven Effekt der sogenannten CO2-Düngung übertrifft. Denn höhere CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre lassen Pflanzen zunächst stärker wachsen. Mittlere und milde Dürren dagegen werden keinen Rückgang der Brutto-Primärproduktion verursachen, weil sie das zusätzliche Pflanzenwachstum durch die höheren CO2-Konzentrationen nicht signifikant überkompensieren.

Die Studie wurde im Fachjournal „Nature Climate Change“ veröffentlicht (siehe Primärquelle).

 

Übersicht

     

  • Dr. Jakob Zscheischler, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Erdsystem-Modellierung: Biogeochemische Kreisläufe, Institut für Klima und Umweltphysik (KUP), Physikalisches Institut, Universität Bern, Schweiz
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  • Prof. Dr. Almut Arneth, Leiterin der Arbeitsgruppe Pflanze-Atmosphäre Wechselwirkung und Leiterin der Abteilung für Ökosystem-Atmosphäre Wechselwirkung, Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU), Karlsruher Institut für Technologie, Garmisch-Partenkirchen
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  • Prof. Dr. Markus Reichstein, Direktor Department Biogeochemical Integration, Max-Planck-Institut für Biogeochemie, Jena
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Statements

Dr. Jakob Zscheischler

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Erdsystem-Modellierung: Biogeochemische Kreisläufe, Institut für Klima und Umweltphysik (KUP), Physikalisches Institut, Universität Bern, Schweiz

„Generell ist die Methodik gut. Die Autoren verlassen sich auf die besten zurzeit verfügbaren Erdsystemmodelle (CMIP5) und untersuchen nicht nur eines, sondern dreizehn dieser Modelle. Für die Analyse der Dürren verwenden sie direkt den Bodenwassergehalt der Modelle und nicht Hilfsgrößen (Proxies), was immer noch oft gemacht wird. Das interessanteste Ergebnis für mich ist, dass sich die Auswirkungen von moderaten Dürren auf die Brutto-Primärproduktion in der Zukunft nicht unbedingt ändern werden, dafür aber die Auswirkungen von extremen Dürren sehr stark zunehmen werden, und das unabhängig vom Emissionsszenario – sei es RCP4.5 oder RCP8.5 (RCP: Representative Concentration Pathway; vier für den 5. IPCC-Bericht vorgestellte Szenarien zur künftigen Entwicklung des Treibhauseffektes; RCP8.5 ist das Szenario mit den stärksten CO2-Emissionen und einem Temperaturanstieg von 4,8 Grad; RCP4.5 berücksichtigt mittlere Emissionen und einen Temperaturanstieg von 2,6 Grad; Anm. d. Red.).

„Das in der Studie untersuchte GPP ist die Brutto-Primärproduktion aller Pflanzen, inklusive aller Wälder und Wiesen. Pflanzen, die für die Nahrungsmittelversorgung wichtig sind, spielen da nur eine untergeordnete Rolle. Von dieser Studie lässt sich also eher wenig über eventuelle Versorgungsengpässe sagen.“

„Der Fokus dieses Artikels ist nicht, etwas über Ernährungssicherheit sagen zu können, sondern viel eher eine Aussage über den Kohlenstoffkreislauf machen zu können. Wenn Dürren zu einer stark reduzierten Brutto-Primärproduktion führen, bleibt mehr Kohlenstoff in der Atmosphäre, was zu einer weniger starken Abschwächung des Treibhauseffekts führt, als dies normalerweise der Fall ist – denn alle Pflanzen auf dem Land nehmen etwa ein Viertel des Kohlenstoffs aus der Atmosphäre auf, den wir als Menschen regelmäßig ausstoßen.“

Auf die Frage, welche Rolle dem Befall durch Insekten infolge von Dürren zukommen könnte, die in der Studie ausdrücklich nicht berücksichtigt wurde und ob Züchtung oder gentechnische Modifikationen zu gezielten Anpassungen führen könnten, die den Dürrestress für Pflanzen reduzieren:
„Das ist sehr schwierig abzuschätzen, man kennt bisher nur Fallstudien. Da die Studie sich auf die globale Brutto-Primärproduktion konzentriert, lässt sich wenig über Züchtung sagen. Der Löwenanteil der Brutto-Primärproduktion stammt aus natürlichen Ökosystemen und nicht aus der Landwirtschaft.“

„Aus der recht groben Analyse zur Brutto-Primärproduktion lässt sich recht wenig über Verteilungsengpässe im Nahrungssektor sagen, da nicht zwischen Auswirkungen auf Wälder, Grasland und landwirtschaftliche Nutzpflanzen unterschieden wird. Generell wären die analysierten CMIP5-Modelle auch nicht besonders geeignet, solche Aussagen zu treffen. Sie sind dafür viel zu grobskalig – die Auflösung liegt bei Gitterzellen mit mehr als 100 Kilometern Seitenlänge.“

Prof. Dr. Almut Arneth

Leiterin der Arbeitsgruppe Pflanze-Atmosphäre Wechselwirkung und Leiterin der Abteilung für Ökosystem-Atmosphäre Wechselwirkung, Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU), Karlsruher Institut für Technologie, Garmisch-Partenkirchen

„Die Studie von Xu et al. ist generell zunächst sehr zu begrüßen. Häufig werden die Interaktionen von Klimatrends, Klimaextremen und ansteigender CO2-Konzentration in der Atmosphäre nicht explizit analysiert beziehungsweise die Wichtigkeit der pflanzenphysiologischen Prozesse in Projektionen von Klimawandelauswirkungen vernachlässigt. Wir haben es in den vergangenen Jahren selbst hier in Deutschland gesehen, wie schnell Vegetationswachstum von Hitze und Dürre beeinträchtigt wird.“

„Die Studie zeigt schön auf, dass unter verschiedenen Szenarien vor allem der negative Einfluss von extremen Dürren auf CO2-Aufnahme durch Photosynthese zunehmen wird und in den Modellprojektionen stärker ausgeprägt ist als der (positive) Einfluss des CO2. Und dies vorwiegend in tropischen Regionen und den mittleren Breiten. Dies ist nicht nur von Bedeutung für die CO2-Aufnahme in naturnahen Ökosystemen, sondern hat natürlich ebenfalls Implikationen für landwirtschaftliche Systeme. Insbesondere, da das Risiko von Dürre-bedingten Ernteverlusten in vielen Regionen nicht über Bewässerung abgepuffert werden kann.“

„Schade finde ich, dass die AutorInnen nicht viel zum Thema ‚Attribution‘ sagen. Sprich: Welche Faktoren tragen in den Modellen hauptsächlich zur Reduktion von Photosynthese unter Dürre bei – und entsprechen diese dem, was auch aus pflanzenphysiologischem Verständnis heraus erwartet würde? Wie sieht zum Beispiel die projizierte stomatäre Leitfähigkeit (Öffnungsgrad der Spaltöffnungen in den Blättern; je höher die Leitfähigkeit für CO2 und Wasser, desto mehr Wasser verdunstet und umso besser funktioniert die Photosynthese; Anm. d. Red.) aus? Welchen Effekt hat Hitze – die ja oft zusätzlich zu Dürre auftritt – in den Modellen, nehmen in Dürrejahren auch Feuer zu? Und so weiter. Darüber wird in dem Artikel zum Teil spekuliert, aber es wird quantitativ darauf nicht eingegangen. Viele dieser Aspekte sind in den Modellen nicht oder nur unvollständig simuliert – zum Beispiel Feuer oder auch Vegetationsdynamik – und die Unsicherheiten, die dadurch entstehen, hätten sicher etwas klarer ausgearbeitet werden können. Oder man schließt Modelle, die grundlegende Prozesse nicht abbilden, einfach von vorneherein von der Analyse aus.“

„Generell ist die Arbeit ein wichtiges Puzzlesteinchen in unserem Verständnis vom zukünftigen Landkohlenstoffhaushalt. Allerdings darf man natürlich nicht vergessen, dass die Netto-CO2-Aufnahme in Landökosystemen sowohl von der Aufnahme von CO2 durch Photosynthese, der Speicherung in Vegetation und Böden, als auch von dem Abbau von organischem Material und der Freisetzung von CO2 durch Atmung abhängt. Daher müssen alle diese Prozesse betrachtet werden, um Aussagen über die zukünftige CO2-Senken-Kapazität zu treffen.“

Prof. Dr. Markus Reichstein

Direktor Department Biogeochemical Integration, Max-Planck-Institut für Biogeochemie, Jena

„Die Studie bestätigt andere Arbeiten, die zeigen, dass bezüglich der Auswirkungen des Klimawandels der Wasserkreislauf und insbesondere Dürren eine sehr wichtige und in der Öffentlichkeit eventuell unterschätzte Rolle zukommt. Interessant an der Studie ist, dass die Trockenheitseffekte von milden bis zu starken Dürren offenbar stark und nicht linear zunehmen, so dass zusammen mit der zunehmenden Häufigkeit der Dürren starke Reduktionen der Brutto-Primärproduktion unter diesen Bedingungen zu erwarten sind. Die Hauptergebnisse beziehen sich allerdings auf absolute Änderungen. Diese können auch größer sein, weil die Brutto-Primärproduktion in den Modellen insgesamt steigt, so dass eine zum Beispiel 50-prozentige Verringerung einen größeren absoluten Effekt hat.“

„Daraus unmittelbar und quantitativ Effekte auf die Nahrungsmittelversorgung abzuleiten, ist sicher etwas schwierig, da die Modelle noch recht grob sind. Die verwendeten Modelle berücksichtigen zum Beispiel nicht landwirtschaftliches Management und Züchtung, sondern beschreiben die Vegetation nur sehr abstrakt als Laubwald, Nadelwald, Grasland und so weiter. Dennoch bestätigt die Studie, dass Gebiete mit jetzt schon saisonaler Trockenheit eventuell besonders gefährdet sind.“

„Derartige Dürren und andere Wetterextreme sind bereits heute ein Risikoverstärker für gesellschaftliche Konflikte und gefährden eine nachhaltige Entwicklung in einigen Gebieten der Erde. Daher ist es wichtig, dass von der Weltgemeinschaft Klimaschutz, nachhaltige Entwicklung und Katastrophenschutz zusammen gedacht und entwickelt werden, wie zum Beispiel jüngst auf einer internationalen Konferenz der Volkswagenstiftung zum Thema diskutiert wurde [1].“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Prof. Dr. Almut Arneth: „Kein Interessenskonflikt."

Alle anderen: Keine Angaben erhalten.

Primärquelle

Xu C et al. (2019): Increasing impacts of extreme droughts on vegetation productivity under climate change. Nature Climate Change;  DOI: 10.1038/s41558-019-0630-6. 

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Webseite des MPI für Biogeochemie (2019): Klimaextreme erfordern risikobewusste nachhaltige Entwicklung – jetzt!