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13.03.2024

Methan-Emissionen aus Lecks bei Förderung größer als angenommen

     

  •  Studie:  Bei Förderung von Öl und Gas in den USA tritt dreimal mehr Methan aus als bisher angenommen
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  • Minderung der Emissionen kann nur gelingen, wenn Methan-Quellen möglichst vollständig erfasst werden
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  • Forschende:  sehr gute Studie, die durch Kombination  verschiedener Methoden  Aussagen mit bisher nicht erreichter Genauigkeit  ermöglicht
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Bei der Förderung von Öl und Gas tritt möglichweise deutlich mehr Methan ungenutzt in die Atmosphäre aus als bisher angenommen. Eine Analyse von sechs Förderregionen in den USA zeigt, dass dort fast drei Prozent des geförderten Methans entweichen, dreimal mehr als die US-Regierung derzeit berücksichtigt. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie, die soeben im Fachjournal „Nature“ veröffentlicht wurde (siehe Primärquelle). Die Ergebnisse der Arbeit zeigen erneut, dass die Menge des bei Förderung und Energieerzeugung entweichenden Methans noch immer deutlich unterschätzt wird und dass es genauere Erhebungen braucht, um den tatsächlichen Umfang zu quantifizieren, um daran effiziente Minderungsmaßnahmen ausrichten zu können.

Methan ist ein äußerst wirksames Treibhausgas. Über 20 Jahre betrachtet ist es gut 80-mal potenter als Kohlendioxid (CO2) [I]. So machen Methan-Emissionen zwar nur etwa drei Prozent der anthropogenen Treibhausgas-Emissionen aus [II], sie haben aber bereits 0,5 Grad zur bisherigen durchschnittlichen Erderwärmung beigetragen [III]. Mit rund zehn Jahren (Angaben schwanken zwischen neun und zwölf Jahren) verbleibt es jedoch viel kürzer in der Atmosphäre als CO2. Geminderte Methan-Emissionen würden also vergleichsweise schnell klimawirksam. Etwa 40 Prozent der menschenverursachten Methan-Emissionen entstehen in der Energiewirtschaft [IV]. Sie stammen etwa aus undichten Gaspipelines oder dem absichtlichen Ablassen von Erdgas in die Atmosphäre („Venting“). Eine Studie zeigte im Jahr 2022, dass auch beim gezielten Abbrennen („Flaring“) unbeabsichtigt Methan in die Atmosphäre gelangt, obwohl es dabei eigentlich verbrannt werden sollte [V]. Verglichen mit Methan-Emissionen aus der Landwirtschaft könnten diese Emissionen Forschenden zufolge leicht reduziert oder verhindert werden [VI]. Auf der Klimakonferenz COP26 in Glasgow 2021 schlossen sich über 100 Länder der Global Methane Pledge [VII] an und vereinbarten, ihren Methan-Ausstoß bis 2030 um mindestens 30 Prozent zu verringern.

Für ihre am Mittwoch erscheinende Studie analysierten die Forschenden sechs Förderregionen in den USA, in denen 52 Prozent der Onshore-Ölförderung und 29 Prozent der Gasförderung des Landes stattfinden – die USA fördern weltweit das meiste Erdöl und Erdgas [VIII]. Dafür überflogen sie die sechs untersuchten Regionen und quantifizierten die Emissionen mit Infrarotspektroskopie-Daten. Diese kombinierten sie mit simulierten Feldmessungen von potenziellen Methan-Quellen, also zum Beispiel Bohrlöchern, Kompressorstationen, Gasverarbeitungsanlagen und Pipelines. Dabei zeigte sich: 2,95 Prozent des Methans entweichen in die Atmosphäre, wobei große Unterschiede zwischen den einzelnen Gebieten auftreten. In hochproduktiven, bereits etablierten Regionen sind sie geringer und deutlich höher in schnell expandierenden Fördergegenden. Zudem stellen die Forschenden fest, dass nur wenige Förderanlagen für mehr als die Hälfte der Emissionen verantwortlich sind. Den finanziellen Verlust für die fördernden Unternehmen schätzen die Forschenden auf über eine Milliarde US-Dollar. Die Messungen wurden in den Jahren 2020 und 2021 vorgenommen, also weitgehend vor der Verabschiedung des Global Methane Pledge.

Übersicht

  • Dr. Lena Höglund Isaksson, Wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Forschungsprogramm Luftqualität und Treibhausgase, Internationales Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA), Laxenburg, Österreich, Österreich
  • PD Dr. Ralf Sussmann, Leiter der Arbeitsgruppe Atmospheric Variability and Trends, stellvertretender Abteilungsleiter Regionale Klimasysteme, Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU), Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Campus Alpin, Garmisch-Partenkirchen
  • Dr. Hinrich Schaefer, Leiter der Arbeitsgruppe Atmospheric Emissions, Abteilung Atmosphere, National Institute of Water & Atmospheric Research Ltd (NIWA), Wellington, Neuseeland, Neuseeland
  • Dr. Julia Marshall, Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Atmosphärische Spurenstoffe, Institut für Physik der Atmosphäre, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR), Oberpfaffenhofen

Statements

Dr. Lena Höglund Isaksson

Wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Forschungsprogramm Luftqualität und Treibhausgase, Internationales Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA), Laxenburg, Österreich, Österreich

Methodik

„Dies ist die bisher umfassendste Studie zur Messung von Methan-Emissionen aus US-amerikanischen Öl- und Gassystemen. Sie enthält Reihe wichtiger neuer Erkenntnisse: So zeigt sie, dass eine sehr kleine Anzahl von Förderstandorten (0,05 bis 1,66 Prozent) den Großteil (50 bis 79 Prozent) der Emissionen aller Förderstandorte ausmacht. Das bedeutet, dass ein großer Teil dieser Emissionen in der Emissionsberichterstattung wahrscheinlich übersehen und unterschätzt wird, wenn nicht sehr umfassende Messkampagnen durchgeführt werden. Denn es besteht ein hohes Risiko, dass man die wenigen Standorte, die diese enormen Emissionen aufweisen, übersieht. Diese Studie erfasst 52 Prozent der US-amerikanischen Onshore-Öl- und 29 Prozent der Gasförderungen, was einen sehr hohen Erfassungsgrad darstellt.“

„Zudem macht diese Arbeit deutlich: Auch beim Gastransport und der Speicherung machen einige wenige sehr große Lecks einen erheblichen Teil (18 bis 57 Prozent) der gesamten regionalen Emissionen aus dem Öl- und Gassektor aus.“

„Frühere, weniger umfassende Studien – zum Teil von demselben Team, das diese Studie erstellt hat – wiesen auf diesen sehr großen Einfluss einiger weniger Standorte hin, auf die ein Großteil der Emissionen entfällt. Dies aber ist das erste Mal, dass eine Studie in der Lage ist, genau zu quantifizieren, wie groß der Einfluss wirklich ist.“

„Die aktuelle Studie zeigt, dass es sehr große Unterschiede bei den Leckage-Raten zwischen verschiedenen Öl- und Gasregionen gibt, was wiederum auf die Notwendigkeit hinweist, Studien durchzuführen, die sowohl viele verschiedene Regionen als auch einen großen Teil der Standorte innerhalb dieser Regionen abdecken.“

„Die Messungen wurden in den Jahren 2020 und 2021 durchgeführt. Zuvor hatte Präsident Obama im Jahr 2016 Methanvorschriften eingeführt, die technologische Mindeststandards und Anforderungen an eine detaillierte Emissionsberichterstattung umfassten. Unter Präsident Trump wurden die Vorschriften abgeschafft und erst unter der Regierung von Präsident Biden im Juni 2021 wieder eingeführt. Es ist daher wahrscheinlich, dass die Messkampagnen für die Studie in einer Zeit durchgeführt wurden, in der relativ laxe Vorschriften galten. Im Anschluss an die Initiierung des Global Methane Pledges legten die USA im Dezember 2023 einen Vorschlag vor, der Öl- und Gasunternehmen zwingen würde, 1.500 Dollar pro Tonne aus Leckagen emittierten Methan zu zahlen. Diese neue Regelung wird noch diskutiert und ist noch nicht in Kraft. In den USA wurden also seit dem Global Methane Pledge keine neuen Vorschriften eingeführt. Es gibt dort jedoch ein nationales Programm, in dessen Rahmen die Öl- und Gasproduzenten ihre Emissionen an die USEPA melden müssen. Auf internationaler Ebene sind die Öl- und Gasproduzenten nicht verpflichtet, im Rahmen des Global Methane Pledge über Emissionen zu berichten. Stattdessen ist das OGMP2.0-Framwork, das seit 2014 in Kraft ist und vom UNEP geleitet wird, ein Rahmenwerk für die freiwillige Berichterstattung über Emissionen, dem sich Öl- und Gasunternehmen anschließen können.“

Übertragbarkeit auf andere Regionen

„Die Methan-Emissionen aus dem europäischen Öl- und Gassektor sind bei weitem nicht so gut untersucht wie in den USA. Europa ist im Vergleich zu den USA ein kleiner Öl- und Gasproduzent, aber die Gasinfrastruktur ist gut entwickelt. Würden in Europa ähnlich umfassende Studien durchgeführt, wäre es möglich, dass wir auch hier eine ähnliche Verteilung der Emissionen vorfinden würden, bei der nur wenige Lecks für einen Großteil der Emissionen verantwortlich sind. Bislang wurden in Europa nur relativ sporadisch und mit begrenztem Erfassungsbereich Messungen durchgeführt.“

Auswirkungen der Einführung des Global Methane Pledge 2021

„Wir dürfen nicht vergessen, dass es sich bei den Zusagen, die die Länder jetzt im Rahmen des Global Methane Pledges vorlegen, um Ziele für sektorale Emissionsreduzierungen mit mehr oder weniger konkreten Plänen handelt, wie diese Ziele tatsächlich erreicht werden sollen.“

„Wie bereits erwähnt, gibt es im Rahmen des Global Methane Pledge keine verpflichtende Berichterstattung über Methan-Emissionen von Öl und Gas produzierenden Unternehmen. Es gibt nur ein freiwilliges Programm OGMP2.0, das von der UNO geleitet wird. Die UNO hat jedoch keine rechtliche Befugnis, Unternehmen zur Messung und Meldung von Emissionen zu zwingen. Nur die Regierungen haben die rechtliche Befugnis dazu. Es ist daher sehr wichtig, dass nationale Regierungen oder zwischenstaatliche Organisationen mit rechtlicher Befugnis, wie die Europäische Union, rechtsverbindliche Vorschriften zur Kontrolle der Methanemissionen einführen.“

Etablierte Förderregionen mit weniger Emissionen als noch expandierende

„Aus der Studie geht nicht klar hervor, warum die neueren Standorte höhere Emissionen aufweisen als die älteren, etablierten. Es könnte vielleicht damit zusammenhängen, dass die starke Ausweitung der Gasförderung in den USA in den vergangenen 15 Jahren aus unkonventionellen Schiefergasbohrungen erfolgte. Die Methode zur Gewinnung von Schiefergas unterscheidet sich insofern von der konventionellen Gasförderung, dass viel mehr Bohrlöcher gebohrt werden müssen, die nur für einen kurzen Zeitraum Gas fördern.“

Aufwand und Kosten für das Beheben der Lecks

„Die Kosten für das Abdichten der Lecks im Öl- und Gassektor sind nicht hoch und werden in vielen Fällen durch die höheren Einnahmen aus dem Verkauf des zurückgewonnenen Gases gedeckt. Außerdem gibt es die Technologie zum Abdichten der Lecks schon seit vielen Jahrzehnten. Dennoch sind die meisten Öl- und Gasunternehmen nicht daran interessiert, dies zu tun. Der Grund dafür ist, dass sie nur begrenzte Mittel zur Verfügung haben und diese dort investieren, wo sie die höchste Rendite erzielen können. Da die Gewinnspannen bei der Öl- und Gasförderung sehr hoch sind, übertrumpft eine Investition in die Produktionssteigerung fast immer den relativ geringeren Gewinn aus der Kontrolle von Methan-Leckagen, insbesondere in Zeiten, in denen die Weltmarktpreise für Öl und Gas hoch sind – wie aktuell. Wir sollten daher nicht davon ausgehen, dass die Industrie ihre Emissionen ohne spezielle und durchsetzbare Vorschriften freiwillig senken wird.“

PD Dr. Ralf Sussmann

Leiter der Arbeitsgruppe Atmospheric Variability and Trends, stellvertretender Abteilungsleiter Regionale Klimasysteme, Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU), Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Campus Alpin, Garmisch-Partenkirchen

Methodik

„Die Publikation zeigt zwei sehr wesentliche Neuerungen. Erstens werden hier luftgetragene (‚Top-Down‘) Messungen vorgestellt, die zuverlässig relativ seltene, aber extrem starke Emissionsquellen erfassen können, jedoch für kleine Quellen unempfindlich sind. Diese Messungen werden in Folge verbunden mit klassischen empirischen ‚Bottom-Up‘ Treibhausgas-Inventaren. Diese Inventare – zum Beispiel das ‚US Greenhouse Gas Inventory‘ [1] – basieren auf Feldmessungen, , welche umgekehrt kleine Emissionsquellen zuverlässig berücksichtigen, aber starke Quellen übersehen. Während die alleinige Betrachtung von Bottom-Up-Inventaren meistens zur Unterschätzung der Gesamtemissionen führt, kann durch die hier vorgestellte Kombination erstmals eine realistische Schätzung der Gesamtemissionen und zusätzlich deren komplette Häufigkeitsverteilung – zwischen schwachen bis extrem starken Quellen – vorgestellt werden.“

„Zweitens stellt allein die hier vorgestellte Gesamtmenge an luftgetragenen Messungen – rund eine Million Messungen in sechs Förderregionen – einen bisher nicht dagewesenen Zuwachs hinsichtlich der verfügbaren Messdatenmenge (um 3 Größenordnungen) dar und damit einen Qualitätssprung in der lückenlosen Erfassung.“

Neue Erkenntnisse

„Erstens war zwar bekannt, dass die Häufigkeitsverteilung aus schwachen und starken Leckage-Emissionen recht schief ist: Der bisherige Literaturwert gab an, dass nur etwa fünf Prozent der Messungen häufig zu 50 Prozent der Gesamtemissionen führten. Die verbesserte Datenbasis der neuen Studie verschärft nun diese Aussage deutlich, das heißt, es trugen nur etwa ein Prozent der Messungen zu mehr als 50 Prozent der Gesamtemissionen bei (in 12 von 15 Fällen). Diese Erkenntnis verdeutlicht zweifelsfrei, dass bei der Bestimmung der Emissions-Leckraten unbedingt Verfahren mit einbezogen werden sollten, die auch die seltenen starken Leckagen erfassen können – also flugzeug- oder satellitengetragene Verfahren. Das heißt, die alleinige Betrachtung von (amtlichen) Bottom-Up-Inventaren führt zur starken Unterschätzung der Leckraten – eine Unterschätzung um Faktor 3 durch das Inventar der US Environmental Protection Agency wird hier in der Studie gezeigt.“

„Zweitens konnte in der vorliegenden Studie erstmalig aufgezeigt werden, dass die Hauptemissionen – mit Leckraten von bis zu zehn Prozent – aus schnell expandierenden Öl-Fördergebieten kommen. Dieses äußerst interessante Ergebnis deutet darauf hin, dass in den Fördergebieten von den Betreiberfirmen zwar damit begonnen wird, die Leckagen aufzuspüren und (zumindest weitgehend) zu beseitigen. Dies findet offensichtlich aber leider erst einige Zeit nach Inbetriebnahme im Sinne einer verzögerten Lernkurve statt, obwohl das Leckageproblem von Anfang an besteht. Staatliche Auflagen könnten und sollten hier angreifen und darauf abzielen, dass unverzüglich schon während der Inbetriebnahme gleichermaßen Kontrollanalysen und Behebungsmaßnahmen gerade auch der seltenen, aber großen Leckagen eingeleitet werden.“

Dr. Hinrich Schaefer

Leiter der Arbeitsgruppe Atmospheric Emissions, Abteilung Atmosphere, National Institute of Water & Atmospheric Research Ltd (NIWA), Wellington, Neuseeland, Neuseeland

Methodik

„Diese Studie verbindet zum ersten Mal Hochrechnungen der erwarteten Einzelausstöße von einzelnen Förderanlagen mit Messungen der Methan-Anreicherung in der Luft, und zwar so weiträumig, dass die größten Anteile wichtiger Fördergebiete in den USA erfasst werden. Die Hochrechnungen schließen keine kurzzeitigen Leckagen ein, da die Flugzeuginstrumente nicht genau genug sind, um geringe Methan-Verluste zu erkennen. Die Kombination der Methoden ergibt deshalb ein vollständigeres Bild, wieviel Methan während Produktion und Transport verloren geht. Frühere Studien haben die wichtigsten Ergebnisse dieser Arbeit schon angedeutet. Wenige starke und zeitlich begrenzte Leckagen verursachen einen Großteil der verlorenen Gesamtmenge. Dies wird in den bestehenden Bilanzen (Reportingsystemen) nicht erfasst, weil diese nur auf Hochrechnungen beruhen. Überprüfungsmessungen aus der Luft sind nicht umfassend genug verfügbar, um sie in regelmäßige Berichte einzubeziehen. Deshalb werden die Gesamtverluste unterschätzt und damit auch der Klimaschaden dieser fossilen Brennstoffe. Denn das verlorene Methan ist auf kurze Zeit ein viel stärkeres Treibhausgas als das Kohlendioxid, dass bei dessen Verbrennung entsteht. Studien wie diese können die Hochrechnungen dadurch verbessern, dass sie die Emissionsfaktoren für einzelne Einrichtungen unabhängig überprüfen. Hochauflösende und präzise Methan-Messungen in der Luftsäule, die Satelliten in den nächsten Jahren regelmäßig liefern werden – zum Beispiel MethaneSAT – könnten genauere Methoden der Emissionsabrechnungen ermöglichen.“

Übertragbarkeit auf andere Regionen

„Das grundlegende Problem, dass die Hochrechnungen starke, aber kurzzeitige Leckagen nicht erfassen, ist in allen Ländern dasselbe. Deshalb werden auch die Berichte für Europa und andere Länder die Gesamtverluste unterschätzen.“

Auswirkungen der Einführung des Global Methane Pledge 2021

„Solange die Einhaltung der Methane Pledge nur über Hochrechnungen überprüft wird, bleiben die Schätzfehler im System und machen dadurch keinen Unterschied für die getroffenen Vereinbarungen. Die Studie zeigt, dass Messungen aus der Luft eingesetzt werden können, um starken Ausstoß aus Einzelanlagen gezielt zu vermindern. Wie das in die Reportingsysteme einbezogen werden kann, wird verhandelt werden müssen. Der unterschätzte Klimaschaden der fossilen Brennstoffe bedeutet aber auch, dass die Methane Pledges verschärft werden müssen, um ihr Klimaziel zu erreichen.“

Etablierte Förderregionen mit weniger Emissionen als noch expandierende

„Wenn das Ziel einer Erderwärmung unter 1,5 Grad erreicht werden soll, können nicht alle bekannten Fördergebiete von fossilen Brennstoffen ausgeschöpft werden. Hier zeigt die Studie, dass hochproduktive Felder einen prozentual geringeren Methan-Verlust haben, was ihren Klimaschaden vermindert. Für den effektivsten Klimaschutz sollten also Fördergebiete mit geringen Produktionsraten zuerst stillgelegt werden. Die Studie zeigt aber auch, dass der gesamte Klimaschaden von Erdöl und Erdgas höher ist als bisher angenommen, sodass der Ausstieg aus diesen Technologien beschleunigt werden muss.“

Aufwand und Kosten für das Beheben der Lecks

„Für Unternehmen stellt sich bei jedem Leck die Kosten-Nutzen-Frage zwischen dem Preis des gewonnenen Methans – also Erdgas – und den Kosten, um das Leck zu schließen. Direkte Messungen aus der Luft sind ein wichtiges Werkzeug, Lecks frühzeitig zu erkennen, sodass Unternehmen reagieren können. Hier ist eine Win-Win Situation für Unternehmensprofit und Umwelt möglich. Wo die Erdöl- und Erdgasproduktion einem Emissionshandel unterliegt, könnten Behörden aus Luftmessungen bekannte Lecks den Unternehmen in Rechnung stellen, um den Druck zu erhöhen, diese abzustellen.“

Fazit

„Die gute Nachricht der Studie ist, dass wir durch gezieltes Abstellen von einzelnen, starken Lecks im Einvernehmen mit Produzenten schnelle Fortschritte im Klimaschutz erzielen können. Die schlechte Nachricht ist, dass fossile Brennstoffe noch umweltschädlicher sind, als weithin angenommen und ein schneller Ausstieg ihrer Nutzung noch dringlicher wird.“

Dr. Julia Marshall

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Atmosphärische Spurenstoffe, Institut für Physik der Atmosphäre, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR), Oberpfaffenhofen

Methodik

„Die Methodik der Studie ist etabliert. Fast alle Ergebnisse sind konsistent mit denen von anderen Studien – allerdings widersprachen manche dieser Studien einander. Was hier neu ist: Die aktuelle Studie erklärt diese offenbar unterschiedlichen Ergebnisse. Dies ist dank der umfassenden Menge an Messungen möglich: Fast eine Millionen Messungen wurden analysiert. Obwohl die Daten dieser Studie aus den Jahren 2020 und 2021 stammen – das heißt. vor dem Global Methane Pledge –, würde ich keine großen Unterschiede gegenüber dem jetzigen Stand erwarten. Übrigens: alle Maßnahmen, die im Namen des Global Methane Pledges unternommen werden, sind freiwillig.“

Übertragbarkeit auf andere Regionen

„Diese Studie zeigt große Unterschiede zwischen verschiedenen Regionen innerhalb der USA. Die Ergebnisse für andere Länder zu extrapolieren wäre vermessen. Allerdings wird das öfter bei der nationalen Berichterstattung gemacht: 2020 benutzten etwa 75 Prozent aller Annex-I-Länder der Klimarahmenkonvention (Länder, die bei Vertragsabschluss 1992 zu den so genannten entwickelten Ländern gehörten und die ehemals sozialistischen Länder in Osteuropa, Anm. d. Red.) Vorgabewerte für ihre Emissionsfaktoren, die die US-amerikanische Environmental Protection Agency ursprünglich für die USA entwickelt hat. Andere Studien haben die Rate der Methan-Emissionen der Öl- und Gasindustrie in verschiedenen Ländern basierend auf Satellitenmessungen verglichen. So haben Wissenschaftler der Universität Bremen beispielsweise die flüchtige Emissionsrate für unterschiedlichen Erdgasbecken in den USA und Turkmenistan mithilfe von den vergleichsweise groben Satellitenmessungen von Sentinel-5P kalkuliert [2]: Die Raten in den USA waren durchschnittlich niedriger als die Werte der aktuellen Studie. Der Unterschied lässt sich wahrscheinlich durch die räumliche Auflösung der Messungen erklären. Allerdings waren sie durchschnittlich noch nicht halb so hoch, wie das für Turkmenistan gefunden wurde. In Deutschland hingegen gibt es ein eher fortgeschrittenes Überwachungssystem für Pipelines. Hier würde ich keine allzu großen Überraschungen erwarten.“

Auswirkungen der Einführung des Global Methane Pledge 2021

„Man sollte nicht vergessen, dass alle Maßnahmen des Global Methane Pledges frei wählbar sind, als Teil einer kollektiven Anstrengung. Was in dieser Studie (unter anderem) gezeigt wird: Ein Großteil der Emissionen wird durch wenige große Emittenten verursacht. Konkret haben sie gefunden, dass 1,66 Prozent oder weniger der gemessenen Quellen für mehr als die Hälfte aller Emissionen verantwortlich sind. Dies ist einerseits eine gute Nachricht: Wenn diese wenigen Großlecks entdeckt und repariert werden können, werden die Emissionen dramatisch reduziert. Es gibt schon neue Initiativen, die dieses Problem ansprechen. MARS [3] – Methane Alert and Response System – ist eine davon: Ein Satellitenerkennungs- und -meldesystem, das Daten über sehr große Methan-Emissionen in der ganzen Welt liefert. Wenn ein Emissionsereignis mit einem Satelliten gemessen wird, werden Produzenten direkt kontaktiert, damit sie dagegen agieren können. MARS wird von IMEO (International Methane Emissions Observatory des UN-Umweltprogramms) [4] betrieben, das auch mit dem The Oil & Gas Methane Partnership 2.0 (OGMP 2.0) [5] tätig ist. Die freiwillige Teilnahme am OGMP 2.0 ist für Unternehmen vorgesehen, die ihr Emissionsreporting verbessern möchten.“

Etablierte Förderregionen mit weniger Emissionen als noch expandierende

„Es ist durchaus sinnvoll, den Anteil des entweichenden Methans zu ermitteln, weil dieser Anteil relativ schmerzlos reduziert werden kann. Diese Emissionen entsprechen Geldverlust für Produzenten und Maßnahmen zu Minderung sind relativ klar, sobald ein Leck detektiert wird. Besonders bei den großen Lecks, die für die Mehrheit der Emissionen verantwortlich sind, ist dies der Fall. Hier ist das Ziel, das Methan effizient zu fördern und transportieren, damit möglichst viel davon verbrannt und als Kohlendioxid emittiert werden kann. Dies ist auch ein klimaschädliches Gas, aber pro Molekül nicht so schlimm wie Methan. Allerdings bleibt Kohlendioxid Jahrhunderte in der Atmosphäre, während Methan nach etwa zehn Jahren abgebaut ist (und zu Kohlendioxid wird). Also als eine kurzfristige Maßnahme ist es absolut sinnvoll. Langfristig führt kein Weg vorbei an einer Dekarbonisierung unserer Gesellschaft.“

Aufwand und Kosten für das Beheben der Lecks

„Methanlecks bleiben nicht konstant: Einige Lecks werden repariert, andere kommen hinzu. Sie sind also oft flüchtig mit der Zeit. Nur, dass ein Leck repariert wird, bedeutet nicht, dass nicht ein anderes morgen in der Nähe auftritt. Deswegen wird ein ständiger Prozess von Überwachung und Handeln gebraucht, um diesen Anteil langfristig zu verringern. Genau das kann durch neue Leitlinien – und die konsequente Durchsetzung von diesen – realisiert werden.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Alle: Keine Angaben erhalten.

Primärquelle

Sherwin ED et al. (2024): US oil and gas system emissions from nearly one million aerial site measurements. Nature. DOI: 10.1038/s41586-024-07117-5.

Weiterführende Recherchequellen

Science Media Center (2020): Weltweite Methan-Emissionen auf Rekordniveau. Research in Context. Stand: 06.08.2020.

Literaturstellen, die von den Expertinnen und Experten zitiert wurden

[1] US Environmental Protection Agency: Inventory of U.S. Greenhouse Gas Emissions and Sinks.

[2] Schneising, O et al. (2020): Remote sensing of methane leakage from natural gas and petroleum systems revisited. Atmospehric Chemistry and Physics. DOI: 10.5194/acp-20-9169-2020.

[3] UN Environment Programme: Methane Alert and Response System (MARS).

[4] UN Environment Programme: International Methane Emissions Observatory (IMEO).

[5] UN Environment Programme: The Oil & Gas Methane Partnership 2.0 (OGMP 2.0).

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] IPCC (2021): Climate Change 2021: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change.
Tabelle 7.15 aus Seite 1017 vergleicht das Treibhauspotenzial verschiedener Treibhausgase mit dem von Kohlendioxid (CO2), jeweils über einen Betrachtungszeitraum von 20 und 100 Jahren.

[II] Saunois M et al (2020): The Global Methane Budget 2000-2017. Earth System Science Data. DOI: 10.5194/essd-12-1561-2020.

[III] IPCC (2021): Climate Change 2021: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. Summary for Policymakers.
Abbildung 2 auf Seite 7.

[IV] International Energy Agency (2020): Global Methane Tracker 2023. Bericht der International Energy Agency.

[V] Sciene Media Center (2022): Mehr Methanemissionen aus der Erdölförderung als gedacht. Research in Context. Stand: 29.09.2022.

[VI] Science Media Center (2021): Strategien zum Verringern von Methanemissionen. Stand: 25.11.2021.

[VII] Climate and Clean Air Coalition: Global Methane Pledge. Offizielle Webseite.

[VIII] Energy Institute: Statistical Review of World Energy.