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04.05.2022

Mehr Nachteile durch CO2-Entnahme mit BECCS als durch Aufforstung?

     

  • Negative Emissionen: Studie vergleicht Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre durch BECCS und Aufforstung und untersucht ungewollte Umweltauswirkungen am Beispiel der USA
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  • Kohlenstoff muss aus Atmosphäre entfernt werden, um Klimawandel zu beschränken; noch ist unklar, welche Negative Emissionstechnologie am wirkungsvollsten ist
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  • Experten: Studie nutzt extreme Annahmen, Ergebnisse nur begrenzt auf Europa übertragbar
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Der Einsatz von Bioenergiepflanzen zur Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre könnte mehr unbeabsichtigte negative Folgen haben als Strategien, die auf die Aufforstung von Wäldern setzen. Zwar könnten bei der Gewinnung von Bioenergie und anschließender dauerhafter Lagerung des anfallenden CO2 (BECCS) vergleichbare Mengen Kohlenstoff gespeichert werden wie bei der Aufforstung, allerdings könnten die negativen Umweltauswirkungen von BECCS beträchtlich sein. Eine aktuelle Studie vergleicht am Beispiel der USA in bisher noch nicht erreichter geographischer Auflösung die Folgen der umfangreichen Nutzung beider Methoden. Die Forschenden finden unter anderem, dass Ende des 21. Jahrhunderts etwa ein Viertel der US-Bevölkerung in Regionen leben könnte, in denen es wegen des Anbaus der Bioenergie-Pflanzen zu ausgeprägtem Wassermangel kommen könnte. Die Arbeit ist am 04.05.2022 im Fachjournal „Science Advances“ (siehe Primärquelle) erschienen.

Um den fortschreitenden Klimawandel zu beschränken, wird es künftig notwendig sein, über sogenannte Negative Emissionstechnologien (NET) bereits ausgestoßenes Kohlendioxid wieder der Atmosphäre zu entziehen und dauerhaft zu speichern. Noch ist allerdings nicht klar, welche der Methoden dazu am wirkungsvollsten sind. Diskutiert werden dabei unter anderem die direkte Entnahme von CO2 aus der Luft (DACCS, „direct air capture and carbon storage“), das Binden von CO2 in Mineralien und die in der Studie betrachteten Methoden der Aufforstung von Wäldern und des BECCS – kurz für „bioenergy with carbon capture and storage“. Dabei wird Pflanzenbiomasse angebaut, die natürlicherweise CO2 speichert, geerntet und anschließend in Anlagen verbrannt, wobei das anfallende CO2 entzogen und gespeichert wird [ausführlicher im SMC Fact Sheet; I]. Der großflächige Anbau der Bioenergie-Pflanzen kann dabei unerwünschte Auswirkungen auf regionale Wasserkreisläufe haben, etwa weil weniger Wasser verfügbar ist oder weil die Qualität des Wassers wegen der Nutzung von Düngemitteln beim Anbau beeinträchtigt wird.

Für ihre aktuelle Studie haben die Forschenden die Auswirkungen einer großflächigen Ausweitung des Anbaus von Bioenergiepflanzen in den USA quantifiziert und mit denen der Aufforstung verglichen. Dafür bewerteten sie zwei verschiedene Szenarien für die Landnutzung und die Veränderung der Bodenbedeckung: ein Weg, der hauptsächlich auf der Ausweitung der Bioenergie basiert, und ein anderer, der hauptsächlich auf der Wiederaufforstung beruht. Sie finden, dass die Menge des aus der Atmosphäre entzogenen Kohlendioxids in beiden Szenarien etwa gleich wäre. Allerdings nur dann, wenn die Verbrennung der Biomasse effizienter als bisher gestaltet werden kann und die Einlagerung des CO2 effektiv umgesetzt wird. Gelingt dies nicht, so könnte mit BECCS bis zu 70 Prozent weniger Kohlendioxid gespeichert werden als im Aufforstungs-Szenario. Zudem deuten die Ergebnisse darauf hin, dass das auf Bioenergie ausgerichtete Szenario sowohl die Menge als auch die Qualität des Süßwassers in den USA deutlich verringern könnte. Das könnte zur Folge haben, dass etwa 130 Millionen Menschen in den Vereinigten Staaten bis zum Ende des Jahrhunderts in wasserarmen Regionen leben würden.

Das SMC hat Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gefragt, inwiefern die Debatte um die Nutzung von BECCS bei Berücksichtigung der Auswirkungen auf den Wasserhaushalt in den Anbauregionen neu ausgerichtet werden sollte und ob die Ergebnisse auf Deutschland, Österreich und Schweiz übertragbar sind.

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Helmut Haberl, Professor am Institut für Soziale Ökologie, Department für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Universität für Bodenkultur Wien (BOKU), Wien, Österreich
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  • Dr. Fabian Stenzel, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Sicherer Handlungsraum Landbiosphäre (TESS), Forschungsabteilung Erdsystemanalyse, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Potsdam
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  • PD Dr. Florian Zabel, Privatdozent am Department für Geographie, Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), München
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  • Bernhard Wern, Arbeitsfeldleiter Stoffströme, Institut für Zukunftsenergiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (IZES), Saarbrücken
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Statements

Prof. Dr. Helmut Haberl

Professor am Institut für Soziale Ökologie, Department für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Universität für Bodenkultur Wien (BOKU), Wien, Österreich

„Die aktuelle Studie bestätigt, dass es nötig ist, die möglichen Vor- und Nachteile von Bioenergieausbau und Aufforstung umfassend zu beurteilen, um die aus Sicht des Klimaschutzes sowie weiterer Schutzziele bestmögliche Strategie zu entwickeln. Neu ist hier die räumlich hochauflösende Analyse für die USA. Auch die konkreten Ergebnisse bezüglich Wasserqualität, Wasserverfügbarkeit und Stickstoff-Auswaschung waren in dieser Form meines Wissens vorher nicht verfügbar.“

„Die aktuelle Studie bestätigt frühere Arbeiten – unter anderen eine eigene [1] –, die gezeigt haben, dass Aufforstung und Bioenergie ähnliche Beiträge zum Klimaschutz liefern können, abhängig von einer ganzen Reihe von Rahmenbedingungen, die jeweils die eine oder andere Lösung vorteilhafter erscheinen lassen. Die Arbeit zeigt, dass, bezogen auf die USA, die beiden untersuchten Szenarien – die jeweils eher extreme Ausprägungen der Strategien Aufforstung beziehungsweise Bioenergie – einen ähnlichen Klimaeffekt haben, bei deutlich günstigeren anderen ökologischen Effekten der Aufforstungsstrategie (Wasser, Stickstoff).“

„Es ist darauf hinzuweisen, dass die Ergebnisse bezüglich der Kohlenstoff-Einsparung durch Ersatz von fossiler Energie im Bioenergie-Szenario nur dann zutreffen werden, wenn selbst über den langen hier modellierten Zeitraum keine andere Dekarbonisierungsstrategie für das Energiesystem implementiert wird, etwa durch Photovoltaik oder Windkraft. Dies ist angesichts der massiven Kostendegression bei Photovoltaik und Windenergie durchaus hinterfragenswert.“

„Anders gesagt: Ein ‚doppelte-Dividende‘-Szenario könnte die Kohlenstoff-Sequestrierung des Aufforstungsszenarios mit einer Dekarbonisierung durch kohlenstofffreie Energieträger verbinden und damit insgesamt eine noch bessere Klima-Performance haben. Leider wurde ein derartiges Szenario nicht durchgespielt. Das heißt, es wurde (ungeprüft) angenommen, dass Bioenergie auch gegen Ende des Jahrhunderts weiterhin fossile Energie ersetzen wird und somit entsprechende Klimavorteile gutgeschrieben werden können. Es wäre interessant, auch ein solches Szenario zu untersuchen.“

„Die Ergebnisse sind nicht unmittelbar auf Österreich, die Schweiz und Deutschland übertragbar, weil eine ganze Reihe an Rahmenbedingungen anders sind: Die Bevölkerungsdichte ist in Europa viel höher, die Flächenpotenziale sowohl für Bioenergie als auch für Aufforstung entsprechend kleiner, der Energieeinsatz pro Kopf ist niedriger und so weiter. Auch sind viele ökologisch-klimatische Rahmenbedingungen anders. Etwa gibt es bei uns tendenziell weniger Trockenstress im Vergleich zu großen trockenen, teilweise wüstenartigen Landstrichen in den USA.“

„Dennoch ist die grundlegende Aussage der aktuellen Studie auch in Mitteleuropa korrekt, dass die Frage, ob mehr in Aufforstung oder in Bioenergie investiert werden soll, auf Basis robuster Studien überprüft werden sollte, bevor Richtungsentscheidungen getroffen werden. Die Debatte ist hier aber in geringerem Ausmaß über die Flächen zu führen – obwohl auch das in geringerem Ausmaß eine Rolle spielen kann. Es geht vor allem auch um die Frage der Nutzungsintensitäten im Wald, das heißt, ob überhaupt zusätzlich eingeschlagen werden oder nicht vielleicht sogar der Einschlag reduziert werden soll, um den Aufbau von Kohlenstoffbeständen zu ermöglichen. Das braucht – hier deutet diese Studie in die richtige Richtung – differenzierte Antworten, weil es eben sehr stark von spezifischen Rahmenbedingungen abhängt (unterschiedlich je nach Ort, aber auch je nach Nutzungseffizienz der Produkte).“

„Es gibt viele gute Gründe für Vorbehalte gegen BECCS und die aktuelle Studie bestätigt einige von diesen. Vor allem ist klar, dass ein nachhaltiges BECCS-Potential viel geringer ist als in vielen Szenarien angenommen – dazu haben auch wir veröffentlicht [2]. In der nun vorliegenden Studie zeigt sich das insbesondere in Form der deutlich erkennbaren Umweltstressoren Wasserknappheit und Stickstoff-Auswaschung, die mit dem Bioenergie-Szenario einhergehen. Auch die Eingriffe in den Kohlenstoffhaushalt, die damit verbunden sind, entsprechende Flächen für Bioenergie verfügbar zu machen, und die dann erst mittel- bis langfristig wieder ausgeglichen werden. BECCS kann wohl in einem bestimmten Ausmaß beim Klimaschutz mithelfen, aber keineswegs einen Ersatz für andere Optionen wie strukturelle Maßnahmen zur Energieeinsparung – etwa durch verkehrs- und energiesparende Siedlungsstrukturen und Gebäude oder den Ausbau des öffentlichen Verkehrs – oder den Ausbau kohlenstofffreier Erneuerbarer Energie wie Photovoltaik oder Windkraft liefern.“

Dr. Fabian Stenzel

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Sicherer Handlungsraum Landbiosphäre (TESS), Forschungsabteilung Erdsystemanalyse, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Potsdam

„Die aktuelle Studie nutzt ein bewährtes Modell für Computersimulationen, die Autoren haben dabei aber teils recht starke Annahmen gemacht. Besonders hervorzuheben sind die riesigen Flächen-Umwandlungen, die bei ihrem Ansatz vorgenommen werden – in einigen Gebieten ändert sich die Nutzung von mehr als 50 Prozent der Landflächen, was im Modell dann zu entsprechend heftigen Emissionen aus der Umwandlung führt. Außerdem nehmen die Autoren einen unglaublich starken CO2-Düngungs-Effekt an. Beim Betrachten der Ergebnisse der Studie muss man im Kopf haben, dass diese starken Annahmen gemacht werden. Die Autoren sagen auch selbst, dass theoretisch viele andere sozioökonomische und Landnutzungsszenarien genauso plausibel wären.“

„Entsprechend dieser ausgeprägten Annahmen sieht die Studie eine starke Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre vor. Es wird erwähnt, dass die CO2-Entnahme ohne die in der Studie angenommenen Effizienzsteigerungen 70 Prozent niedriger wäre. Das ist sehr viel. Ob der gesamte Prozess der Nutzung von Bioenergie mit ‚Carbon Capture and Storage' (CCS), also der Abspaltung und Speicherung von CO2, dies tatsächlich erreichen kann, ist fraglich. Zusätzlich werden Produktivitäts-Steigerungen auf Biomasseplantagen angenommen, deren Höhe ebenfalls fraglich ist.“

„Was die Autoren dann zusätzlich machen, ist eher das Neue an der Studie: Sie betrachten die Wirkung auf den Abfluss (runoff) von Wasser sowie die Wasserqualität anhand des Indikators nitrogen-leaching (Stickstoff-Auswaschung/Nitrat-Eintrag ins Wasser). Sie sehen insgesamt eine Zunahme des Abflusses in den USA, wobei das in der Studie regional sehr unterschiedlich ist. Das liegt aber nicht an der Aufforstung oder den Biomasseplantagen – die den Abfluss etwas verringern –, sondern am Klimawandel und der CO2-Düngung (mehr Niederschlag und geringerer Wasserverbrauch).“

„Beim Stickstoff sieht man in den Szenarien der aktuellen Studie generell eine deutliche Verbesserung der Wasserqualität, allerdings eine Verschlechterung im Zentrum der USA – dort, wo viel gedüngt wird. Aber auch hier verschleiert der sehr starke Effekt der CO2-Düngung, die zu einer besseren Aufnahme des Stickstoff-Düngers und damit geringere Auswaschung führt, den eigentlich negativen Effekt, den die Biomasseplantagen haben, da diese zusätzlich gedüngt werden und eigentlich einen Mehreintrag von Stickstoff zur Folge hätten.“

„Aus beidem – runoff und leaching - errechnen sie dann einen ‚Water stress indicator‘, der sich aber deutlich von anderen Studien dazu unterscheidet [3][4]. Der erhöhte Wasser-Stress kommt hauptsächlich durch die Stickstoff-Auswaschung zustande. Dies ist auch heute schon ein großes Problem – Stichwort Planetare Grenze für biogeochemische Kreisläufe – und könnte in der Zukunft vielleicht sogar durch strengere Richtlinien zur Düngung verringert werden.“

„Die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf Europa ist begrenzt, weil hier die Landnutzungsszenarien andere wären. Die generelle Frage, wieviel Negative Emissionen wir benötigen und wie diese erreicht werden sollen, stellt sich hier aber genauso. Und auch hier ist natürlich der Einfluss von Bioenergieplantagen auf den Wasserkreislauf durch Nitrat-Eintrag und Veränderung des Abflusses generell ein Faktor, der beim Ausbau von BECCS betrachtet werden sollte."

PD Dr. Florian Zabel

Privatdozent am Department für Geographie, Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), München

„Um die Klimaschutzziele zu erreichen, ist es unabdingbar, Kohlenstoff, der sich seit der Industrialisierung bereits in der Atmosphäre angereichert hat, möglichst rasch wieder aus der Atmosphäre zu bekommen. Die Autoren der aktuellen Studie vergleichen für die USA zwei Szenarien, in denen Klimaschutzmaßnahmen einmal überwiegend durch Aufforstung, das andere Mal überwiegend mit Hilfe von BECCS umgesetzt werden, um jeweils den gleichen Strahlungsantrieb (4,5 W/m2) zu erreichen, was einer globalen Erwärmung von 2,4 Grad bis zum Jahr 2100 entspricht. Durch beide Strategien wird Kohlenstoff langfristig der Atmosphäre entzogen und kann somit nicht mehr zur Klimaerwärmung beitragen.“

„Dabei ist es eine der ersten Studien, die für die zwei Szenarien jeweils mehrere unterschiedliche Effekte miteinander vergleicht. Es zeigt sich, dass die zu erreichende Kohlenstoffspeicherung insgesamt in beiden Szenarien recht ähnlich ist, obwohl im BECCS-Szenario zum Beispiel große Flächen an Wäldern für den Anbau von Bioenergiepflanzen – hier für Chinaschilf (Miscanthus) und Rutenhirse – gerodet werden müssen und dabei auch Treibhausgas-Emissionen entstehen. Die Unsicherheiten sind im BECCS-Szenario jedoch deutlich größer, weil die Ergebnisse hier stark von möglichen zukünftigen technologischen Entwicklungen abhängen.“

„Die Wasserverfügbarkeit ging in den BECCS-Szenarien im Vergleich zum Aufforstungsszenario zurück, überwiegend weil die längere Wachstumsperiode der Bioenergiepflanzen im Vergleich zur vorherigen Landnutzung zu höheren Verdunstungsraten führt. Ebenso war die Wasserqualität im BECCS-Szenario schlechter als im Aufforstungsszenario, unter anderem auch, weil angenommen wurde, dass Rutenhirse gedüngt wird. Somit kommen die Autoren zu dem Schluss, dass im BECCS-Szenario bis zum Ende des Jahrhunderts in den USA etwa 130 Millionen Menschen in Regionen mit Wasserknappheit leben könnten, während es im Aufforstungsszenario lediglich 40 Millionen Menschen sind.“

„Interessant ist, dass die Autoren RCP4.5 gewählt haben (RCP: Representative Concentration Pathway; eines der vier für den 5. IPCC-Bericht 2014 vorgestellten Szenarien zur künftigen Entwicklung des Treibhauseffektes; RCP4.5 ist das Szenario mit den mittleren CO2-Emissionen und einem Temperaturanstieg von 2,6 Grad; Anm. d. Red.), in dem das 1,5-Grad beziehungsweise 2-Grad-Ziel verfehlt wird. Um dies zu erreichen, müsste also noch mehr Kohlenstoff entzogen werden, sprich noch mehr Flächen für BECCS und/oder Aufforstung bereitgestellt werden.“

„Methodisch zu kritisieren wäre – wie die Autoren auch selbst schreiben – dass Daten von nur einem Modell genutzt wurden und lediglich zwei Extremszenarien verglichen wurden, um einen oberen und unteren Bereich der möglichen Entwicklungen zu simulieren. Da unterschiedliche Klimamodelle auch signifikant unterschiedlich sein können, wäre zukünftig auch die Berücksichtigung von mehreren Klimamodellen in Ensembles eine Möglichkeit, die sich daraus ergebenden Unsicherheiten und Effekte mit abzubilden.“

„Die hohe räumliche Auflösung ist sicherlich eine positive Weiterentwicklung, da insbesondere Landnutzung und die damit verbundenen Prozesse räumlich sehr heterogen sind. Die zeitliche Auflösung spielt allerdings auch eine Rolle. So wird in der aktuellen Studie zum Beispiel nicht der Zeitpunkt und die Häufigkeit von Düngemaßnahmen berücksichtigt, sondern lediglich einmal pro Jahr gedüngt, was jedoch auch große Effekte auf die Stickstoffauswaschung im Boden haben kann.“

„Ebenfalls kritisch zu bemerken ist, dass keine Rückkopplungen zwischen Land und Atmosphäre berücksichtigt wurden, die wiederum Auswirkungen auf das Klima hätten, wie zum Beispiel eine geänderte Albedo, geänderte fühlbare und latente Wärmeflüsse, sowie eine geänderte Rauigkeit der Erdoberfläche. Mögliche Anpassungsmaßnahmen im Anbau – etwa neue Sorten oder geänderte Anbauperioden – wurden ebenso nicht berücksichtigt.“

„Es gibt für zukünftige Studien also noch viele weitere Aspekte zu berücksichtigen. Dennoch zeigen die Ergebnisse der Studie eindringlich, dass großflächige Landnutzungsänderungen enorme Auswirkungen auf die Wasserbilanz und die Wasserverfügbarkeit haben können und diese Effekte daher berücksichtigt und noch besser untersucht werden müssen.“

„Die Studie bezieht sich auf die USA – ohne Alaska und Hawaii. Ob die Ergebnisse so auch auf Deutschland übertragbar sind, lässt sich so einfach nicht beantworten, da hier viele verschiedene Effekte ineinandergreifen, die sich gegenseitig verstärken oder abschwächen können, genauso wie der Klimawandel überall auf der Welt unterschiedlich auf unterschiedliche Pflanzen wirkt. Deshalb benötigen wir komplexe Pflanzenwachstums-, Landnutzungs- und Erdsystemmodelle, um solche Effekte global und regional spezifisch auch für Europa, Deutschland und weitere Regionen zu untersuchen.“

Auf die Frage, ob BECCS Vorteile bietet, die den in der Studie aufgezeigten Nachteilen gegenüberstehen:
„Aufforstung und BECCS entnehmen Kohlenstoff aus der Atmosphäre, was notwendig ist, um die Klimaziele zu erreichen. Mit Hilfe von BECCS können wir jedoch gleichzeitig Energie produzieren. Wir sehen in der momentanen Energiekrise, dass BECCS in Deutschland und Europa auch eine wichtige strategische Möglichkeit sein kann, unabhängiger von Energieimporten zu werden und gleichzeitig regenerative Energie zu produzieren und Klimaschutz zu betreiben. Dabei müssen allerdings einige Nachhaltigkeitskriterien beachtet werden.“

Auf die Frage, welche Vor- und Nachteile BECCS und Aufforstung haben, die in der Studie keine Beachtung finden:
„In der aktuellen Studie werden weitere mögliche Folgen großflächiger Landnutzungsänderungen zum Beispiel auf die Biodiversität, Nahrungsproduktion und Rückkopplungen auf das Klima nicht thematisiert. Da große Flächen für den Anbau von Bioenergiepflanzen benötigt werden, ist davon auszugehen, dass diese in Monokulturen angebaut werden, was mit negativen Effekten auf die Biodiversität einhergehen kann, aber auch mit höheren Treibhausgas-Emissionen als in diversifizierteren landwirtschaftlichen Systemen oder zum Beispiel agroforstwirtschaftlichen Systemen. Entscheidend ist also, welche Flächen für den Anbau von Bioenergiepflanzen gewählt werden, wie der Anbau umgesetzt wird und wie diese Flächen gemanagt werden. Dabei sollte zum Beispiel der aktuelle Zustand von Wäldern berücksichtigt werden, da intakte Primärwälder zum Beispiel einen deutlich höheren Wert als Kohlenstoffsenke und weitere ökosystemare Dienstleistungen haben als Plantagenwälder.“

„Gleiches gilt für Aufforstung – auch hier ist entscheidend für die Kohlenstoffspeicherung und für die Biodiversität, wie Aufforstung konkret umgesetzt wird.“

„Ebenso ist darauf zu achten, dass der Anbau von Nahrungsmittel nicht von Bioenergiepflanzen verdrängt wird und es somit zu Preissteigerungen für Nahrungsmittel kommen kann, was in der momentanen Situation vor allem in ärmeren Ländern katastrophale Folgen für die Ernährungssicherung haben kann, da die Situation ohnehin schon sehr angespannt ist. Diese Zielkonflikte werden momentan auch in Forschungsprojekten mit meiner Beteiligung untersucht, wie zum Beispiel dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt BioSDG [5].“

Auf die Frage, welche Bedeutung der von den in der Studie angesprochenen notwendigen Effizienzsteigerungen für BECCS zukommt:
„Die Autoren geben für das BECCS-Szenario einen Bereich an, für das verschiedene Annahmen getroffen wurden. Im oberen Bereich wird angenommen, dass in der Zukunft sowohl die Erträge der Bioenergiepflanzen als auch die Effizienz der Bioraffinerie sehr hoch sein wird und es eine wirksame Umsetzung von CCS gibt. Im unteren Bereich dieser Annahmen zur technologischen Entwicklung wären die Ergebnisse bei der Kohlenstoffspeicherung in etwa 70 Prozent geringer als im Aufforstungsszenario.“

Bernhard Wern

Arbeitsfeldleiter Stoffströme, Institut für Zukunftsenergiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (IZES), Saarbrücken

„Ganz grundsätzlich sind die Methodik und die innere Didaktik der aktuellen Studie sehr gut. Allerdings haben die Autoren vergessen, zu definieren, was sie unter Bioenergie und unter Bioenergiepflanzen verstehen. Diese Definition wäre aber wichtig gewesen, da Bioenergie aus einem großen Spektrum an Abfallstoffen und Anbaubiomasse besteht. Auch deswegen sind die Ergebnisse der Studie nicht auf Europa übertragbar.“

„Die aktuelle Studie liefert aus meiner Sicht wichtige Argumente dafür, dass Wälder nicht abgeholzt werden dürfen, um dann stattdessen Bioenergiepflanzen anzubauen.“

„Speziell auf Deutschland sind die Ergebnisse auch deswegen nicht übertragbar, weil das Thema Entwaldung in den USA ganz anders diskutiert wird. Bei uns in Deutschland ist Entwaldung nur dann möglich, wenn an anderer Stelle aufgeforstet wird und die Abholzung im öffentlichen Interesse ist. So musste zum Beispiel auch Tesla-Gründer Elon Musk für das Werk in Brandenburg über die sogenannte Eingriffs-Ausgleichsregelung Maßnahmen ergreifen [6]. Eine Abholzung, um dann auf der Fläche dort Landwirtschaft zu betreiben – wie eben der Anbau von Bioenergiepflanzen – ist in Deutschland schlicht nicht erlaubt.“

Auf die Frage, ob BECCS Vorteile bietet, die den in der Studie aufgezeigten Nachteilen gegenüberstehen:
„BECCS bietet ganz wichtige Vorteile. Die Nachteile, die in der Studie beschrieben werden, entstehen nur, weil dort Äpfel mit Birnen verglichen werden: ein Szenario, das sehr stark auf Wälder und ein anderes, das sehr stark auf Landwirtschaft setzt. Aber BECCS könnte wichtige Funktionen übernehmen. Denn der in diesen Prozessen abgeschiedene Kohlenstoff wäre am Ende weiter nutzbar und könnte damit dann Kohle und andere fossile Energieträger ersetzen – Stichwort BECCU, wobei das U für Utilisation, also Nutzung steht [6]. Die Möglichkeit einer Nutzung des Kohlenstoffs nach dem Abscheiden wird seit über zehn Jahren stark diskutiert. Wenn dies in der Studie berücksichtigt wäre, würden sich die Ergebnisse möglicherweise wieder stark verändern.“

„Wir werden auch in den kommenden Jahrzehnten noch einige Prozesse haben, die Energie aus fossilen Energieträgern brauchen. Die Transformation der gesamten Wirtschaft dauert noch bis mindestens 2045 [8]. Einige dieser Prozesse könnten auch mit Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern betrieben werden. In den vergangenen 300 Jahren hat sich die Waldfläche in Deutschland verdoppelt, in den zurückliegenden 50 Jahren ist der Waldvorrat jedes Jahr stark gestiegen – also die Menge Holz, die wir in den Wäldern finden. Aus diesen Wäldern kann das Holz auch energetisch genutzt werden, ohne dass das schlecht fürs Klima ist oder der Waldvorrat sinken würde.“

„Ein wichtiger Punkt kommt mir in der Studie ein wenig zu kurz: In Deutschland verlieren wir jeden Tag bis zu 300 Hektar Wald durch den Bau von Infrastruktur, Wohn- und Industriegebieten. Mir fehlt eine differenzierte Abbildung der möglichen Gründe für Waldverlust; das ist nicht nur die Landwirtschaft für BECCS, auch nicht in den USA.“

„Die aktuelle Studie betrachtet nur die Auswirkungen auf den Klimaschutz und die Wasserverfügbarkeit. Würde man weiter Ziele der Nachhaltigen Entwicklung einbeziehen, dann würde sich ein differenzierteres Bild ergeben. Waldnutzung bedeutet auch Arbeitsplätze und Landwirtschaft in Wald umzuwandeln, würde auch viele Arbeitsplätze kosten. Landwirte müssten faktisch enteignet werden. Fragen der Ernährungssicherheit sind ebenso nicht berücksichtigt.“

„Ich sehe sogar eine Gefahr darin, die Ergebnisse dieser Studie einfach auf Deutschland zu übertragen. In der öffentlichen Debatte pendeln die Argumente oft zwischen den Polen ‚Wald stilllegen‘ und ‚Waldnutzung‘. Manche argumentieren, man möge die Wälder komplett sich selbst überlassen. Wenn sich das mit Argumenten aus Studien wie dieser, die die Bedingungen in anderen Regionen der Welt untersuchen, hier bei uns am Ende in der Gesetzgebung wiederfindet, könnte das gewaltige negative Auswirkungen auf die gesamte Wertschöpfungskette der Wälder haben, bis hin zu massiven Arbeitsplatzverlusten. Da wären die Folgen des Kohleausstiegs ein Witz dagegen.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

PD Dr. Florian Zabel: „Hiermit erkläre ich, dass ich keinerlei Interessenkonflikte bezüglich dieser Studie habe.“

Alle anderen: Keine Angaben erhalten.

Primärquellen

Cheng Y et al. (2022): Future bioenergy expansion could alter carbon sequestration potential and exacerbate water stress in the United States. Science Advances. DOI: 10.1126/sciadv.abm8237.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Kalt G et al. (2019): Natural climate solutions versus bioenergy: Can carbon benefits of natural succession compete with bioenergy from short rotation coppice? Global Change Biology Bioenergy. DOI: 10.1111/gcbb.12626.

[2] Creutzig F et al. (2021): Considering sustainability thresholds for BECCS in IPCC and biodiversity assessments. Global Change Biology Bioenergy. DOI: 10.1111/gcbb.12798.

[3] Schewe J et al. (2014): Multimodel assessment of water scarcity under climate change. PNAS. DOI: 10.1073/pnas.1222460110.

[4] Stenzel F et al. (2021): Irrigation of biomass plantations may globally increase water stress more than climate change. Nature Communications. DOI: 10.1038/s41467-021-21640-3.

[5] Webseite der LMU München: BioSDG: Die „Sustainable Development Goals“, welchen Beitrag leistet die Bioökonomie? Beschreibung des Forschungsprojektes.

[6] Bundesamt für Naturschutz: Eingriffsregelung. Webseite des BfN.

[7] Lehner C et al. (2012): Carbon Capture and Utilization (CCU) – Verfahrenswege und deren Bewertung. Berg- und Hüttenmännische Monatshefte. DOI: 10.1007/s00501-012-0056-1.

[8] Bundesverband der Deutschen Industrie BDI: Klimapfade für Deutschland. Webeseite des BDI.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Science Media Center (2018): Das Kohlendioxid muss raus. Fact Sheet. Stand: 21.12.2018.

Weitere Recherchequellen

Science Media Center (2020): Rolle und Potenzial von negativen Emissionen durch BECCS. Research in Context. Stand: 24.08.2020.

Science Media Center (2019): Bioenergie nur begrenzte Zeit sinnvoll für Klimaschutz? Research in Context. Stand: 05.12.2019.