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18.04.2018

Maschinelle Durchblutung verbessert Lebertransplantation

Weniger Schäden am Spenderorgan, weniger Organverluste und eine längere Konservierungszeit. Diese Verbesserungen bei der Lebertransplantation soll eine maschinelle Technik zur Organkonservierung bei Körpertemperatur im Vergleich zur herkömmlichen Kühlungsmethode leisten. Zu diesem Ergebnis kommen europäische Forscher in einer ersten randomisiert kontrollierten Studie mit Lebern, in der sie 220 zur Transplantation entnommene Organe zufällig auf die beiden Verfahren verteilten.

Bei der maschinellen Technik wird die dem Spender entnommene Leber in einem Gerät an einen künstlichen Blutkreislauf angeschlossen, in dem Blut aus passenden Konserven zirkuliert – sie wird „perfundiert“. Das geschieht bei Körpertemperatur und bei ähnlichen Bedingungen, wie sie im menschlichen Körper herrschen. Das Verfahren nennt sich daher im Englischen „normothermic machine perfusion“, kurz NMP, also maschinelle Perfusion bei Normaltemperatur.

Neben den Verbesserungen im Vergleich zur Kühlung des Organs soll die Technik keinen Einfluss auf das 1-Jahres-Überleben des Spenderorgans im Empfänger oder der Patienten selbst gehabt haben. Langzeit-Überlebensdaten liegen bisher nicht vor. Die Autoren gehen aber von einem positiven Einfluss der maschinellen Perfusion aus – sowohl auf die Langzeitergebnisse von Lebertransplantationen im Allgemeinen als auch auf die Sterblichkeit auf Wartelisten –, sollte sich die Technik in die Praxis integrieren lassen.

Die Studie stammt vom „Consortium for Organ Preservation in Europe“, kurz COPE [a], einem europäischen Forschungszusammenschluss, an dem unter anderen auch das Universitätsklinikum Essen mitwirkt. Der Letztautor der Studie aus Oxford hat die Firma, die das in der Studie erprobte Perfusionsgerät herstellt, mitbegründet. Die Autoren haben ihre Ergebnisse im Fachjournal „Nature“ veröffentlicht (siehe Primärquelle).

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Schemmer, Professor für Chirurgie und Leiter der klinischen Abteilung Transplantationschirurgie, Medizinische Universität Graz
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  • Prof. Dr. Philipp Dutkowski, Leiter der Abdominalen Transplantationschirurgie an der Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie, Universitätsspital Zürich
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Statements

Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Schemmer

Professor für Chirurgie und Leiter der klinischen Abteilung Transplantationschirurgie, Medizinische Universität Graz

„Das ‚Consortium for Organ Preservation in Europe‘ ist zur erfolgreichen Durchführung der weltweit ersten multizentrischen, randomisiert kontrollierten Studie zu beglückwünschen, die eine herkömmliche Lagerung von Lebern in eiskalter Konservierungslösung (static cold storage; SCS) mit der normothermen Maschinenperfusion (NMP) zur Organkonservierung vor Transplantation vergleicht. Der primäre Endpunkt der Studie, weniger auf einen Transplantatschaden hinweisende Leberenzyme (AST) im Blut eines Lebertransplantierten Patienten zu finden, wurde erfüllt. Eine definitive Aussage zur potentiellen Verbesserung der Transplantatfunktion im Langzeitverlauf kann damit jedoch noch nicht getroffen werden.“

„Die bereits in zahlreichen Tierversuchen gezeigte geringere Schädigung der zu transplantierenden Leber während der NMP im Vergleich zur SCS zur Konservierung wurde damit allerdings bestätigt. Die NMP scheint bereits vorgeschädigte Lebern entsprechend der vorliegenden Studie besser vor den Konservierungsschäden zu schützen als die Lagerung in eiskalter Konservierungslösung, sodass möglicherweise mehr Organe mit einer größeren Sicherheit erfolgreich transplantiert werden können. In besonderer Weise scheinen Lebern von Spendern zu profitieren, die nach primärem Herzstillstand für Hirntod erklärt wurden (declared death by cardiopulmonary criteria; DCD). Diese Form der Organspende ist in mehreren europäischen Ländern, darunter auch Deutschland, gesetzlich verboten – auch die Organe, die in Europa von entsprechenden Spendern in der täglichen Routine zur Transplantation entnommen werden, stehen den Patienten in Deutschland daher nicht zur Verfügung, da ausschließlich die Spender mit primärem Hirnfunktionsausfall – also Hirntod – (brainstem death donors; DBD) sowie Lebendspender zur Organspende und anschließender Transplantation zugelassen sind.“

„Seit einiger Zeit bereits kommt die NMP zur Konservierung von Lungen vor der Transplantation zum Einsatz. Hierbei kann unter bestimmten Voraussetzungen sogar eine Re-Konditionierung, das heißt, eine Qualitätsverbesserung des Transplantates während der Konservierung, beobachtet werden. Eine solche Verbesserung könnte möglicherweise auch bei der Anwendung bei Lebern eintreten. Zumindest ist eine Beobachtung der maschinell durchbluteten Leber möglich, die entweder zunehmende Schädigungszeichen zeigt und damit zur Transplantation ungeeignet ist, oder für eine Transplantation im Rahmen der Möglichkeiten des jeweiligen Organs optimiert wird.“

„Neben der NMP gibt es noch andere Formen der Maschinenperfusion zur Organkonservierung. So konnten vor Jahren bereits positive Effekte der hypothermen Maschinenperfusion (HMP) (die künstliche Durchspülung des Organs mit Konservierungslösung bei niedriger Temperatur, Anm. d. Red.) für Nierentransplantate beim Patienten bestätigt werden [1], sodass diese Methode der Nierenkonservierung in einigen Ländern längst zum Standard gehört.“

„Die Maschinenperfusion zur Organkonservierung scheint einen organunspezifischen Transplantat-schützenden Einfluss zu haben. Welche Variante sich in der Zukunft als die Beste herausstellt –Temperatur: normotherm, hypotherm, subnormotherm; Perfusionsart: pulsatil, nicht-pulsatil; mit oder ohne Sauerstoff – und mit welchem Gerät die Perfusion erfolgt, wird die Zukunft zeigen und bedarf weiterer vergleichender Studien.“

„Der weltweite Mangel an Spenderorganen bleibt die größte Herausforderung in der heutigen Transplantationsmedizin. Daher ist jedes Verfahren, das den Spenderpool erweitert – wie auch die NMP – sehr willkommen. Bei aller gerechtfertigten Euphorie für die NMP muss jedoch einschränkend festgehalten werden, dass es durch diese Methode derzeit auch erstens keine abschließende Garantie für eine verlässliche Leberfunktion nach deren Transplantation gibt und zweitens aus Lebern, die mit heutigem Verständnis nicht zur Transplantation geeignet sind auch keine Lebern werden, die nach deren Transplantation verlässlich Leben retten.“

„Abgesehen hiervon gibt es bereits von Seiten der Kommission für Organentnahme (KfO) der Deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG) seit drei Jahren eine Empfehlung zur flächendeckenden Einführung der Maschinenperfusion zur Organkonservierung vor Transplantation in Deutschland, die sich zum damaligen Zeitpunkt auf die Niere beschränkte. Die Logistik der Organspende ist in Deutschland zentral durch die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) organisiert. Entsprechend müsste die DSO durch deren Auftraggeber mit den finanziellen Mitteln ausgestattet werden, die Maschinen samt Verbrauchsmaterialien anschaffen zu können. Maschinenperfusion ist im Vergleich zur Kühlungsmethode, die wenige 100 Euro kostet, mit Kosten für die Verbrauchsmittel zwischen circa 3.500 bis 40.000 Euro – je nach Organ und verwendeter Maschine pro Organ – um ein Vielfaches teurer. Die durch Kauf oder Leasing erforderlichen Perfusionsmaschinen, die derzeit noch zwischen circa 70.000 und 240.000 Euro Kaufpreis liegen, sind hierbei noch nicht einkalkuliert. Derzeit gibt es nur wenige Kliniken in Deutschland, die eigene Maschinen vor allem für die Perfusion von Lungen, aber auch für andere Organe aus wissenschaftlichem Interesse angeschafft haben.“

„Die medizinischen Überlegungen zur Modalität der Organkonservierung und den damit einhergehenden Erfolgen, den Spenderpool schrittweise vergrößern zu können, sind wichtig. Parallel dazu wäre jedoch auch dringend eine höhere Melderate von potentiellen Organspendern in den Kliniken wichtig. Während unabhängig von den gesetzlichen Voraussetzungen – Widerspruchslösung oder Zustimmungslösung – in Deutschland nach den neuesten Umfrageergebnissen über 80 Prozent der Deutschen ihre Organe zur Transplantation spenden würden, stehen nur knapp 10 Spender pro eine Million Einwohner zur Verfügung. In Österreich sind es circa 25 und in Spanien sogar über 40 Spender pro eine Million Einwohner.“

Prof. Dr. Philipp Dutkowski

Leiter der Abdominalen Transplantationschirurgie an der Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie, Universitätsspital Zürich

„Die vorliegende randomisierte multizentrische Studie untersucht den Einfluss einer normothermen Perfusion der Spenderleber bei Lebertransplantierten Patienten. Hierzu wird die herkömmliche kalte Lagerung (im Schnitt 7,8 Stunden) der Spenderleber verglichen mit einer initialen zweistündigen kalten Lagerung und anschließender normothermer Perfusion für durchschnittlich 9 Stunden. Der primäre Endpunkt ist die Freisetzung eines Leberspezifischen Enzyms (Aspartat-Aminotransferase – AST) im Blutserum nach Transplantation. Die Studie beschreibt einen Unterschied von 476 U/l AST bei der Messung des Höchstwertes. Patienten- und Transplantat-Überleben nach einem Jahr lagen im Perfusionsarm und im Kontrollarm jeweils bei 95 und 96 Prozent. Die klinischen Parameter Intensivaufenthaltsdauer, Krankenhausaufenthaltsdauer, Nierenersatztherapie und Gallengangskomplikationen nach Transplantation waren identisch. Die Autoren interpretieren die Ergebnisse als Erfolg, da die Rate verworfener Lebern in beiden Armen unterschiedlich ist.“

„Ablehnungsraten von Lebern vor Transplantationen sind sehr unterschiedlich zwischen Zentren und Chirurgen und nicht klar definiert. Auch in der vorliegenden Studie sind leider die Ablehnungsgründe im Kontrollarm nicht aufgeführt. Das ist eine schwerwiegende Limitierung. Inwieweit eine normotherme Perfusion statt einer kalten Lagerung tatsächlich die Rate an verwendbaren Lebern erhöht, kann daher aus dieser Studie nicht abgeleitet werden.“

„Die vermehrte Nutzung von marginalen Lebern (Lebern, die nicht optimal den Qualitätsstandards entsprechen, weil sie zum Beispiel von einem sehr alten Spender stammen oder verfettet sind; Anm. d. Red.) ist äußerst wichtig in Anbetracht der Organknappheit. Maschinelle Perfusionstechniken sind eine neue und vielversprechende Option, um entnommene Organe vor einer Transplantation zu beurteilen und gegebenenfalls zu verbessern. Die Gesamt-Konservierungszeit (‚out of body time‘) wurde in der Studie allerdings nicht verdoppelt (11,9 Stunden gegenüber 7,8 Stunden), die relevantere kalte Ischämiezeit (umfasst die Zeit, die ein Organ kalt gelagert wird, in dieser Studie also in der Perfusionsgruppe die Zeit zur Vorbereitung auf die Perfusion und in der Kühlungsgruppe die gesamte Lagerungszeit; Anm. d. Red.) ist außerdem 3,7-mal länger im Kontrollarm (7,8 Stunden gegenüber 2,1 Stunden). Trotzdem ist die Organfunktion in der vorliegenden Studie auch im Kontrollarm ausgezeichnet – 96 Prozent 1-Jahres-Überleben des Transplantats –, sodass hier kein Grund zur Optimierung besteht. Vielmehr müsste die Studie an marginalen Lebern sowie kränkeren Empfängern wiederholt werden.“

„Prinzipiell stehen für maschinelle Organ-Perfusions-Techniken zwei Strategien zur Verfügung. Zum einen gibt es transportable Perfusionsmaschinen, die zum Spender transportiert werden müssen, um das Organ bis zur Implantation kontinuierlich zu perfundieren. Zum anderen gibt es aber auch die Möglichkeit, Organe wie bisher zu entnehmen und gekühlt in ein Zentrum zu transportieren, in dem dann eine kurzfristige Optimierung mit einer Perfusionsanlage erfolgt. Die zweite Möglichkeit ist logistisch wesentlich einfacher, da Perfusionsmaschinen nur in sogenannten ‚Reparatur‘- Zentren erforderlich wären, in denen entnommene Organe aufbereitet werden. Beide Strategien müssen letztendlich randomisiert verglichen werden mit relevanten klinischen Endpunkten.“

„Die Parameter sind ausreichend, um eine gute 5-Jahres-Überlebensrate vorherzusagen am präsentierten Patientenkollektiv, da die größte Mortalität nach Lebertransplantation im ersten Jahr besteht. Die Studie ist allerdings an einer selektierten Population durchgeführt worden mit einem niedrigen medianen ‚Model for end stage liver disease‘ (MELD) score (ein Maß für die Schwere einer Lebererkrankung und dem damit verbundenen Sterberisiko; Anm. d. Red.) von 13 bis 14.“

„Die Studie hat neben der Auswahl eines klinisch wenig relevanten primären Endpunkts den entscheidenden Nachteil, dass trotz Randomisierung die Rate der abgelehnten Organe nicht transparent und nachvollziehbar dargestellt ist. Es werden keine Erklärungen aufgeführt, die die unterschiedliche Akzeptanz für den jeweiligen Studienarm begründen. Insgesamt ist außerdem die dropout rate (also der Anteil der nicht transplantierten Lebern nach Randomisierung, Anm. d. Red.) in beiden Armen inakzeptabel hoch mit 29 Prozent für den Perfusionsarm und 38 Prozent im Kontrollarm. Die fehlende Verblindung erscheint demgegenüber als nicht relevant.“

„Das Forschungsfeld der Organkonservierung ist eminent wichtig in Deutschland bei ausgeprägter Organknappheit. Techniken zur sicheren Organoptimierung werden daher eine große Bedeutung haben und sind prinzipiell auf weitere Organe anwendbar. Derzeit existieren zahlreiche Untersuchungen bezüglich verschiedener Perfusionsverfahren bei verschiedenen Temperaturen für sämtliche transplantierbaren Organe. Welches Verfahren sich am Ende durchsetzen wird, ist bisher unklar. Hierzu sind vergleichende Untersuchungen notwendig.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Prof. Dr. Philipp Dutkowski: „Bezüglich des Interessenkonflikts benenne ich, dass ich Principal Investigator und Sponsor der multizentrischen randomisierten Europäischen Studie ‚HOPE for human livers‘ (NCT01317342) bin.“

Alle anderen: Keine Angaben erhalten.

Primärquelle

Nasralla D et al. (2018): A randomized trial of normothermic preservation in liver transplantation. Nature. DOI: 10.1038/s41586-018-0047-9.

Literaturstelle, die von den Experten zitiert wurde

[1] Moers C et al. (2012): Machine perfusion or cold storage in deceased-donor kidney transplantation. New England Journal of Medicine, 366 (8): 770-1. DOI: 10.1056/NEJMc1111038.

Weitere Recherchequellen

[a] Consortium for Organ Preservation in Europe – COPE.

Ceresa CDL et al. (2018): Normothermic Machine Preservation of the Liver: State of the Art. Current Transplantation Reports, 5: 104-110. DOI: 10.1007/s40472-018-0186-9.

Safety and Feasibility of Normothermic Machine Perfusion to Rescue Orphan Livers. Klinische Studie, die maschinelle Perfusion zur Rettung von verworfenen Lebern erprobt; startet vorraussichtlich im Mai 2018.