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05.09.2019

Langzeiteffekte von Ebola für Überlebende?

Hat eine Ebola-Infektion negative Langzeit-Effekte auf die Gesundheit von Überlebenden? Dieser Frage geht eine aktuelle Beobachtungsstudie eines internationalen Forscherteams nach, die im Fachjournal „The Lancet Infectious Diseases“ veröffentlicht wurde. Die Wissenschaftler untersuchen den bisher größten Ebola-Ausbruch von 2013 bis 2016 in Guinea, Westafrika genauer. Sie verfolgen nach, wie sich der Gesundheitsstatus von Ebola-Überlebenden nach Entlassung aus einem Treatment-Center entwickelt hat und stellen fest, dass sie bis zu einem Jahr nach Entlassung ein fünffach erhöhtes Risiko zu sterben haben als der Bevölkerungsdurchschnitt. In Befragungen der Angehörigen der Verstorbenen versuchten sie zudem auf die Todesursachen zu schließen und fassten Nierenversagen als eine mögliche tödliche Folge von Ebola ins Auge. Sie konnten diesen Zusammenhang jedoch nicht ursächlich bestätigen, da keine Informationen aus Obduktionen oder ähnlichem vorlagen.

Zur Zeit greift in der Demokratischen Republik Kongo (DRC) weiterhin ein Ebola-Ausbruch um sich. Nach neuesten Zahlen des Gesundheitsministeriums der DRC sind in den Provinzen Nord-Kivu und Ituri seit dem 1. August 2018 insgesamt 2.934 bestätigte Ebola-Fälle und 1.936 bestätigte Todesfälle gezählt worden [I]. Weiterhin gibt es Infizierte, die nicht in speziellen Ebola-Behandlungszentren sterben (community deaths) und damit potenziell weitere Menschen angesteckt haben könnten. 211.635 Personen wurden bisher mit dem Impfstoff rVSV-ZEBOV der Firma Merck geimpft. Seit Beginn der Epidemie sind die Anstrengungen den Ausbruch einzudämmen von Unruhen und Aufständen begleitet.

Nach Fällen in Uganda und einem Fall in der Millionenstadt Goma wurde der Ausbruch am 17. Juli 2019 nach den internationalen Gesundheitsvorschriften (IHR) zum internationalen Gesundheitsnotstand (Public Health Emergency of International Concern, PHEIC) erklärt [II]. Im Zuge dessen hat das zuständige Gremium empfohlen, optimale Impfstrategien nach den Empfehlungen der entsprechenden Expertengruppe der Weltgesundheitsorganisation (SAGE) einzusetzen [III]. Diese beinhalten zum einen innovative Ansätze um eine klassische Ringimpfung zu ermöglichen – alle Kontakte und Kontakte der Kontakte eines Infizierten werden geimpft, inklusive Gesundheitspersonal und andere Helfer – und gleichzeitig das Vertrauen der Bevölkerung zu erhöhen. Zum anderen empfiehlt die Expertengruppe den Einsatz eines zweiten Impfstoffes der Firma Johnson&Johnson für Personen mit niedrigerem Ansteckungsrisiko außerhalb der klassischen Ringimpfung sowie mögliche neue Dosierungen, um den vorhandenen Impfstoff aufzuteilen und so länger verfügbar zu halten.

Seit Mai werden die Impfdosen bereits halbiert verabreicht (0,5 Milliliter, statt die bereitgestellten 1 Milliliter Dosen des Herstellers Merck). Nach Informationen des Gesundheitsministeriums der DRC wurde bisher nur dieser eine Impfstoff verwendet [I]. Ein Lieferengpass des Impfstoffs scheint nicht zu bestehen: Anfang August verfügte die Weltgesundheitsorganisation über 245.000 Impfdosen à 1 Milliliter, was circa einer halben Million Impfungen entspricht [IV]. Der Hersteller Merck kündigte im Juli an, weitere 900.000 1 Milliliter Dosen über die kommenden sechs bis 18 Monate zur Verfügung zu stellen [V]. Im Gegensatz dazu erklärte die Organisation Médecins Sans Frontières (MSF, Ärzte ohne Grenzen) Ende Juli, dass lediglich 1.000 Dosen des Impfstoffes in der Demokratischen Republik zur Verfügung stünden und sprachen von sporadischer Versorgung [VI].

Übersicht

     

  • Prof. Marylyn Addo, Leiterin der Sektion Tropenmedizin, Universitätsklinikum Eppendorf (UKE), Hamburg, und und Wissenschaftliche Abteilungsleiterin am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM), Hamburg
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  • PD Dr. Timo Wolf, Oberarzt an der Medizinischen Klinik 2 und Facharzt für Innere Medizin und Infektiologie, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
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Statements

Prof. Marylyn Addo

Leiterin der Sektion Tropenmedizin, Universitätsklinikum Eppendorf (UKE), Hamburg, und Wissenschaftliche Abteilungsleiterin am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM), Hamburg

„Dies ist eine sehr interessante Langzeit-Studie an Ebola-Überlebenden, die zum ersten Mal eine fünffach erhöhte Mortalität im ersten Jahr nach Entlassung aus einem Behandlungszentrum beschreibt. Das Alter, Leben im nichturbanen Setting und lange Krankenaufenthalte im Ebola-Behandlungszentrum waren mit einem erhöhten Mortalitäts-Risiko nach Entlassung assoziiert.“

„Nach dem großen westafrikanischen Ebola-Ausbruch mit über 17.000 Überlebenden wurde ein sogenanntes ‚post-Ebola virus disease syndrome‘ identifiziert, das in Ebola-Überlebenden auftreten kann. Langzeitfolgen nach einer Ebola-Infektion können verschiedene Organe betreffen und bisher sind Muskelschmerzen, Gelenkschmerzen, Augenerkrankungen und neurologische Symptome als Langzeitfolgen beschrieben worden.“

„Der Ebola-Virus ist über Wochen im Urin nachweisbar – oft länger als im Blut [1] – daher sind eine Nierenbeteiligung beziehungsweise -schädigung und eventuell daraus resultierendes Nierenversagen eine plausible Hypothese. Die Daten der Studie sind suggestiv, aber anhand der vorhandenen Daten – ausschließlich Berichte der Angehörigen; aber fehlenden Autopsien, Laboruntersuchungen und so weiter – kann eine Kausalität nicht bewiesen werden. Die Autoren ziehen daher selbst die Schlussforderung, dass die Nierenfunktion und gegebenenfalls ein Nierenversagen nach Ebola-Behandlung systematisch untersucht werden sollte.“

„Es ist sinnvoll, den Mittelwert zur Mortalität aus der allgemeinen Bevölkerung als Vergleichswert heranzuziehen, denn es braucht ja eine Kontrollgruppe.“

„Aufgrund der vorliegenden Ergebnisse sollten systematische Nachuntersuchung von Ebola-Überlebenden mit einer Langzeitkontrolle angestrebt werden.“

„Um Langzeiteffekte verhindern zu können wissen wir noch zu wenig über die Ursachen dieses Nierenversagens und, ob es tatsächlich ursächlich ein Nierenversagen war oder vielleicht doch eine Sepsis – mit oder ohne Nierenversagen – oder andere ganz Ursachen. In der akuten Infektion mit Ebola kommt es häufig zu großen Volumenverlusten (der Körper verliert viel Flüssigkeit; Anm d. Red.), daher trägt eine adäquate Rehydrierung und Flüssigkeitssubstitution sicher zum Schutz der Niere bei.“

PD Dr. Timo Wolf

Oberarzt an der Medizinischen Klinik 2 und Facharzt für Innere Medizin und Infektiologie, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main

„Die Fragestellung der vorliegenden Arbeit war eine sehr dringende, da wir viel zu wenig über den weiteren Gesundheitszustand von Ebola-Überlebenden wissen. Die Bedeutung des Nierenversagens wurde bereits für die akute Infektion gezeigt, da es eine der wenigen Faktoren – neben beispielsweise der Viruslast – war, der signifikant mit dem Versterben assoziiert war. Alle Patienten, die auf Grund ihrer Ebola-Infektion invasiv beatmet werden mussten, benötigten auch eine Dialysebehandlung. Es erscheint somit plausibel, dass Nierenversagen auch bei der Gruppe der Überlebenden eine große Rolle spielt.“

„Die Versorgung dieser Patientengruppe konzentrierte sich bis jetzt auf spezifische Probleme – Augen, zentrales Nervensystem, Autoimmun-Erkrankungen. Verlässliche Zahlen über das Überleben fehlen. Insofern ist die vorliegende Studie dringend notwendig. Zwar kann man auf Grund des Vergleiches der Mortalitätszahlen mit allgemeinen Mortalitäten des Landes für 2014 methodische Probleme postulieren, jedoch erscheint auf Grund der deutlich erhöhten Mortalität das Ergebnis der Arbeit trotzdem hochgradig plausibel.“

„Ich glaube wir wissen noch nicht genug, um Nierenversagen tatsächlich zu verhindern, jedoch erscheint auf Grund der vorliegenden Ergebnisse eine regelmäßige Kontrolle von Kreatinin, Proteinurie und Urinausscheidung von Überlebenden dringend geboten.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Alle: Keine angegeben.

Primärquelle

Keita V et al. (2019): Subsequent mortality in survivors of Ebola virus disease in Guinea: a nationwide retrospective cohort study. Lancet Inf. Dis.; DOI: 10.1016/S1473-3099(19)30313-5.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Kreuels B et al. (2014): A Case of Severe Ebola Virus Infection Complicated by Gram-Negative Septicemia. N Engl J Med; 371: 2394-2401. DOI: 10.1056/NEJMoa1411677.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Ministère de la Santé (03.09.2019): SITUATION ÉPIDÉMIOLOGIQUE DANS LES PROVINCES DU NORD-KIVU ET DE L'ITURI. (Aktuellste Ausbruchsinformationen des Gesundheitsministeriums auf Französisch)

[II] WHO (17. Juli 2019): Statement on the meeting of the International Health Regulations (2005) Emergency Commitee for Ebola virus disease.

[III] WHO (07. Mai 2019): Strategic Advisory Group of Experts (SAGE) on Immunization Interim Recommendations on Vaccination against Ebola Virus Disease (EVD).

[IV] Cohen J (09.08.2019): Deploying Experimental Vaccines Against Ebola. Forbes.

[V] Fletcher ER (23.07.2019): Gavi Says 1.3 Million Doses Of Merck’s Ebola Vaccine Will Be Made Available; MSF Says Field Supply “Extremely Low” & “Sporadic”. Health Policy Watch.

[VI] Médecins Sans Frontières (31.07.2019): Not contained, new cases: three questions on vaccines and the Ebola outbreak in DRC.

Weitere Recherchequellen

Tuite AR et al. (2019): Ebola vorus outbreak in North Kivu and Ituri provinces, Democratoc Republic of Congo, and the potential for further transmission through commercial air travel. J Travel Med; pii:taz063. DOI: 10.1093/jtm/taz063.