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18.11.2019

Globale Emissionen des Treibhausgases Lachgas erheblich gestiegen

Die globalen Lachgas-Emissionen sind seit dem Jahr 2009 erheblich angestiegen und das schneller, als der IPCC das mit seinem Ansatz so prognostiziert hat. Dieser Anstieg geht vor allem zurück auf den steigenden Einsatz von Stickstoffdüngern in der Landwirtschaft und der oft damit verbundenen Überdüngung.

Lachgas N2O ist ein sehr potentes Treibhausgas. Es ist etwa 300 Mal so treibhauswirksam wie Kohlendioxid und trägt zwischen sechs und neun Prozent zum globalen Treibauseffekt bei. Seine Konzentration in der Atmosphäre ist von vorindustriell 270 ppb (Parts per Billion, deutsch „Teile pro Milliarde“) auf 330 ppb im Jahr 2017 gestiegen. Es stammt dabei vor allem aus landwirtschaftlichen Quellen. Neben der Düngung entsteht es auch beim Verbrennen von Biomasse und fossilen Energieträgern. Zudem ist Lachgas mit verantwortlich für den Abbau von stratosphärischem Ozon, da es in der Höhe zu Ozon-zersetzenden Substanzen zerfällt. Nach dem weitgehend zurückgegangenen Einsatz von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW), die als Treibgase, Kältemittel oder Lösemittel verwendet wurden, geht inzwischen von N2O die größte Gefahr für die Ozonschicht aus.

Die Autoren der aktuellen Studie finden, das meiste Lachgas werde aus Ostasien und Südamerika in die Atmosphäre eingetragen, während die Emissionen in den USA und Europa weitgehend stabil seien. Sie sehen einen klaren Zusammenhang zwischen den regional eingesetzten Mengen von Stickstoffdüngern, den zu beobachtenden Stickstoff-Überschüssen in der Landwirtschaft und den regionalen N2O-Emissionen. Sie beschreiben weiter, der Emissionsfaktor – also die Menge Stickstoff, die von der insgesamt ausgebrachten Menge wieder in die Atmosphäre entweicht – sei mit 2,3 Prozent deutlich größer, als der IPCC dies in seinen Berichten beschreibt (1,375 Prozent). Allerdings begründen sie dies mit positiven Emissions-Anomalien in den Jahren 2010 und 2013. Ließe man diese Ausreißer unberücksichtigt, wäre der Anstieg nicht derart groß. Ungeachtet dessen, so die Autoren, sei es unabdingbar, auch die Emissionen der Nicht-CO2-Treibhausgase zu reduzieren – und unter diesen vor allem Lachgas und Methan – wenn die Pariser Klimaschutzziele erreicht werden sollen.

Die Studie wurde im Fachjournal „Nature Climate Change“ veröffentlicht (siehe Primärquelle).

 

Übersicht

     

  • Dr. Clemens Scheer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe ‚Regionalisierung biogener Spurengasflüsse‘, Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU), Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Garmisch-Partenkirchen,
    in Zusammenarbeit mit
    Prof. Dr. Klaus Butterbach-Bahl, Leiter der Abteilung Bio-Geo-Chemische Prozesse, Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU), Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Garmisch-Partenkirchen
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  • Prof. Dr. Fortunat Joos, Professor für Klima- und Umweltphysik, Physikalisches Institut und Oeschger Zentrum für Klimaforschung, Universität Bern, Schweiz
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Statements

Dr. Clemens Scheer

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe ‚Regionalisierung biogener Spurengasflüsse‘, Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU), Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Garmisch-Partenkirchen
in Zusammenarbeit mit

Prof. Dr. Klaus Butterbach-Bahl 

Leiter der Abteilung Bio-Geo-Chemische Prozesse, Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU), Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Garmisch-Partenkirchen

„Für globale und kontinentale Abschätzungen von Spurengas-Budgets ist die Anwendung von Inversionsansätzen inzwischen Standard. Zum ersten Mal wird in dieser Studie gezeigt, dass der Anstieg der globalen atmosphärischen N2O-Konzentrationen sich in den letzten Jahren deutlich beschleunigt hat und nicht durch einen festen Emissionsfaktor gekoppelt mit der steigenden Verwendung von synthetischen Düngern und biologischer Stickstofffixierung erklärt werden kann. Der Ansatz des IPCC entspricht genau diesem, das heißt, die Verwendung von Stickstoff-Dünger wird direkt mit einem Verlustfaktor gekoppelt. Bei IPCC ist dies ein Prozent der Stickstoff-Düngermenge und zusätzlich 0,35 Prozent für indirekte Emissionen durch Verlust von Stickstoff-Dünger in die Umwelt entlang hydrologischer und atmosphärischer Verlustpfade und durch die Umwandlung und Produktion von N2O an anderer Stelle, zum Beispiel in Wäldern und Gewässern.“

„Von Feldmessungen und übergreifenden Felddatenanalyse ist bekannt, dass bei Überdüngung überproportional viel N2O freigesetzt wird – das heißt, direkte Emissionsfaktoren sehr viel mehr als einem Prozent bis hin zu fünf Prozent und mehr. Diese Studie deutet darauf hin, dass die Überdüngung global zu einem beschleunigten Anstieg der N2O Emissionen geführt hat.“

„Laut IPCC (2013) ist der Beitrag von N2O zum anthropogenen Treibhauseffekt etwa sechs Prozent. Dieser Wert errechnet sich aus den atmosphärischen Konzentrationen beziehungsweise deren Anstieg und dem Strahlungsantrieb – auch bekannt als Treibhauspotenzial – einer Substanz. Dieser Anteil lässt sich allerdings nicht exakt ermitteln, da es Unsicherheiten bei der Quellstärke des N2O aus anthropogenen Quellen sowie der Berechnung des Treibhauspotentials gibt.“

„Der Abbau der Stickstoffüberschüsse bei der landwirtschaftlichen Produktion und beim Einsatz von organischem Dünger ist ein absolutes Muss, um die weit sichtbaren Schäden an der Umwelt, Änderung von Biodiversität bei Eutrophierung (Anreicherung von Nährstoffen in Gewässern, meist durch den Menschen bedingt, und damit verbundenen negativen ökologischen Folgen durch zum Beispiel übermäßiges Pflanzenwachstum; Anm. d. Red.), Versauerung von Böden, erhöhte Schadstoffkonzentrationen in der Luft – Ammoniak NH3, aber auch Stickstoffmonoxid NO wird durch Böden emittiert – sowie insbesondere Emission des Treibhausgases N2O und – noch wesentlich in der Diskussion – die Kontamination von Grund- und Oberflächengewässern mit Nitrat, auf ein verträgliches Maß zu reduzieren.“

„Wahrscheinlich sehen wir erst die Spitze des Eisberges, da Stickstoff in der Biosphäre in den letzten Jahrzehnten massiv akkumulierte. Es ist sicherlich nicht möglich Netto-Null-N2O-Emissionen aus anthropogenen Quellen zu erreichen, aber es besteht ein sehr hohes Potenzial, diese Emissionen zu verringern. In Hinblick auf die wachsende Weltbevölkerung und den damit einhergehenden Nahrungsmittelbedarf ist das sicherlich eine der größten Herausforderungen unserer Zeit.“

„Für ein Erreichen der Klimaziele des Pariser Abkommens ist es enorm wichtig, dass auch die Emissionen aus der Landwirtschaft gemindert werden. Hier bieten sich sehr große Einsparungspotenziale und eine effizientere Nutzung von Stickstoff in der Landwirtschaft würde nicht nur die Treibhausgasemissionen verringern, sondern hätte positive Auswirkungen auf Umweltschäden in anderen Bereichen, also Luft, Boden und Wasser.“

Prof. Dr. Fortunat Joos

Professor für Klima- und Umweltphysik, Physikalisches Institut und Oeschger Zentrum für Klimaforschung, Universität Bern, Schweiz

„Die Autoren der Studie benutzen die hochpräzisen Messungen der Lachgas-Konzentration von einem weltumspannenden Messnetz für Treibhausgase. Sie kombinieren diese mit ausgereiften Transportmodellen und den besten zur Verfügung stehenden Daten zum Stickstoffeintrag in der Landwirtschaft und zu anderen Quellen von Lachgas.“

„Thompson und Kollegen zeigen schlüssig, dass die menschgemachten Emissionen von Lachgas in den letzten 20 Jahren und insbesondere seit 2009 angestiegen sind. Dieser fortgesetzte Anstieg in den Lachgas-Emissionen ist sehr beunruhigend, da ansteigende Treibhausgas-Emissionen den Zielen des Klimaabkommens von Paris entgegenlaufen und eine steigende Verwendung von Stickstoffdüngern auch lokal die Umweltbelastungen erhöht. Die wichtigste Aufgabe im Klimaschutz bleibt, die CO2-Emissionen aus Kohle, Erdöl und Erdgas rasch auf null zu senken und die Emissionen von Lachgas und anderen Treibhausgasen wie Methan nicht weiter anwachsen zu lassen.“

„Stickstoff wird weltweit als Dünger in der Landwirtschaft verwendet. Die Emissionen von Lachgas aus Stickstoffdünger werden in der Berichterstattung der Länder an die UNO mit einem konstanten Emissionsfaktor abgeschätzt.“

„Die Ergebnisse der neuen Studie legen nahe, dass die Lachgas-Emissionen aus Stickstoffdüngung in den nationalen Klimaberichten an die UNO um rund 70 Prozent zu niedrig mitgeteilt werden.“

„Eine Korrektur des Emissionsfaktor ist nicht weiter überraschend, da dieser Faktor lokal und zeitlich stark schwankt und daher schwierig zu bestimmen ist.“

„Der bisherige Beitrag von Lachgas zur globalen Erwärmung wird direkt aus Messungen der atmosphärischen Konzentration bestimmt und ist damit von Unsicherheiten im Emissionsfaktor nicht betroffen. Eine Erhöhung des Emissionsfaktors erhöht die Bedeutung der Lachgas-Emissionen aus der Landwirtschaft und damit die Dringlichkeit, die Emissionen in diesem Sektor zu vermindern. Eine Erhöhung des Emissionsfaktors vergrößert tendenziell die Diskrepanz zwischen den Absichtserklärungen der einzelnen Länder und den nötigen Maßnahmen, um die Klimaziele von Paris zu erreichen.“

„Der Anteil der globalen Erwärmung, welcher durch Lachgas verursacht wird, bewegt sich in der Größenordnung von fünf bis zehn Prozent.“

„Der genaue Anteil hängt davon ab, welchen Zeitraum und welche Größen man betrachtet. Der zusätzliche, vom Menschen verursachte Strahlungsantrieb von Lachgas war im Jahr 2011 relativ zur vorindustriellen Zeit 0,17 Watt pro Quadratmeter. Dies sind fünf Prozent des zusätzlichen Strahlungsantriebes von allen Treibhausgasen – 3,33 Watt pro Quadratmeter im Jahr 2011 für CO2, Methan, Halogenkohlenwasserstoffe, Lachgas, Kohlenmonoxid, flüchtige Kohlenwasserstoffe – und gut sieben Prozent des totalen durch den Menschen verursachten Strahlungsantrieb durch Treibhausgase, Aerosole, Stickoxide und Albedo [1].“

„Die Forderung von Netto-Null-Emissionen von Lachgas scheint unrealistisch und im Konflikt mit der Ernährungssicherheit und ist auch so nicht nötig. Lachgas hat eine beschränkte Lebensdauer von rund 120 Jahren in der Atmosphäre und eine Stabilisierung der Lachgas-Emissionen führt damit auch zu einer Stabilisierung der Lachgas-Konzentration und seiner Klimawirkung. Im Gegensatz dazu verbleibt ein Teil der CO2-Emissionen über Jahrtausende in der Atmosphäre und die CO2-Emissionen müssen Netto-Null erreichen, um die Klimaerwärmung zu bremsen.“

„CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen sind die Hauptursache der globalen Erwärmung. Ein weiteres Ansteigen der N2O-Emissionen würde eine noch raschere Minderung der CO2-Emissionen bedingen, um die Klimaziele von Paris zu erreichen.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Alle: Keine angegeben.

Primärquelle

Thompson RL et al. (2019): Acceleration of global N2O emissions seen from two decades of atmospheric inversion. Nat. Clim. Chang. DOI: 10.1038/s41558-019-0613-7. 

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] IPCC (2014): Climate Change 2014 – Synthesis Report Summary for Policymakers. Abbildung 5

Weitere Recherchequellen

Syakila A et al. (2011): The global nitrous oxide budget revisited. Greenhouse Gas Measurement and Management; Vol 1; 17-26. DOI: 10.3763/ghgmm.2010.0007.

World Meteorological Organization (2018): WMO Greenhouse Gases Bulletin. Nr 14. ISSN 2078-0796.