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24.01.2018

Erstmals Javaneraffen durch "Dolly"-Methode geklont

Erstmals ist es gelungen, eine nicht-humane Primatenart (Javaneraffen, Macaca fascicularis) mithilfe einer somatischen Zellkernübertragung aus fetalen Fibroblasten (Bindegewebszellen) zu klonen (Somatic Cell Nuclear Transfer, SCNT). Zu diesem Ergebnis kommen chinesische Forscher, deren Experimente soeben im Fachjournal CELL veröffentlicht wurden (siehe Primärquelle).

In der Publikation ist die Rede von 109 erzeugten SCNT-Embryonen, von denen 79 in 21 Javaneraffen als „Leihmütter“ übertragen wurden. Sechs Schwangerschaften konnten nachgewiesen werden, die zu zwei Lebendgeburten führten. Das Klonen mit adulten Spenderzellen gelang dagegen trotz vieler vergeblicher Versuche nicht. Wie die chinesischen Forscher angeben, sollen mit der Methode des SCNT als nächstes genetisch verwandte Klone von nicht-humanen Primaten in Serie erzeugt werden, die sich als Tiermodelle menschlicher Erkrankungen eignen.

 

Übersicht

  • Prof. Dr. Rüdiger Behr, Leiter der Abteilung Degenerative Erkrankungen, Deutsches Primatenzentrum GmbH – Leibniz-Institut für Primatenforschung (DPZ), Göttingen
  • Prof. Dr. Peter Dabrock, Professor für Systematische Theologie/ Ethik, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, und Vorsitzender des Deutschen Ethikrats
  • Prof. Dr. Stefan Treue, Direktor, Deutsches Primatenzentrum GmbH – Leibniz-Institut für Primatenforschung (DPZ), Göttingen, und Sprecher der Initiative „Tierversuche verstehen“
  • Prof. Dr. Heiner Niemann, Leiter des Instituts für Nutztiergenetik (ING), Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, Greifswald-Insel Riems
  • Prof. Dr. Stefan Schlatt, Direktor des Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie, Universitätsklinikum Münster

Statements

Prof. Dr. Rüdiger Behr

Leiter der Abteilung Degenerative Erkrankungen, Deutsches Primatenzentrum GmbH – Leibniz-Institut für Primatenforschung (DPZ), Göttingen

„Technisch-methodisch gesehen ist diese Arbeit ganz klar ein Fortschritt. Es ist erstmals gelungen, lebende Affen nach einem Kerntransfer aus einer Körperzelle in eine ‚entkernte’ Eizelle zu erhalten. Es wurde also erstmals erfolgreich die Erbsubstanz aus einer Körperzelle in eine Eizelle, deren Erbsubstanz zuvor entfernt wurde, überführt, und die so erhaltene Eizelle über eine Trächtigkeit bis zur Geburt eines lebenden Affen gebracht.“

„Die geborenen Javaneraffen hatten dann die identische Erbinformation wie das Tier, von dem die Körperzelle stammte, deren Erbgut in die Eizelle eingebracht wurde. Organismen mit identischem Erbgut nennt man Klone. Biologisch gesehen sind zum Beispiel auch eineiige Zwillinge und Mehrlinge Klone.“

Auf die Frage, ob die verwendete Methode auch bei anderen Affenarten oder Primaten funktionieren könnte:

„Uns sind keine Gründe bekannt, die das grundsätzlich verhindern sollten, wobei im Detail vermutlich schon deutliche Anpassungen an andere Affenarten nötig sein werden. Genauso würden vermutlich, wenn man das Klonverfahren, das nun für Javaneraffen publiziert wurde, auf den Menschen übertragen wollte, weitere Anpassungen notwendig werden.“

„Biologisch gesehen ist das neue Verfahren schon ein Schritt hin zum Menschen. Um es aber klar zu sagen, das Klonen von Menschen und allein der Versuch dessen sind in Deutschland verboten, und es wird auch global gesehen meiner Einschätzung nach überwiegend sehr kritisch gesehen.“

„Die Methode des Klonens von Tieren, einschließlich von Affen, kann aus Forschungssicht viel Sinn machen – insbesondere, um schwere Krankheiten des Menschen zu erforschen. Hier kann diese für Primaten neue Methode möglicherweise wesentlich zum Fortschritt beitragen.“

„Ob dies aus tierethischer Sicht zu rechtfertigen ist, wird selbst unter Forschern je nach persönlicher Prägung und Anschauung unterschiedlich bewertet. Hier ist auch besonders hervorzuheben, dass die Sichtweise auf den ethischen Status von Tieren, einschließlich Primaten, sehr von der Kultur der Länder und Gesellschaften geprägt ist. Da gibt es weltweit sehr große Unterschiede.“

„Besonders beachtet wird meist auch die Zahl der verwendeten Tiere: Hier ist zu bedenken, dass genetisch einheitliche Tiere möglicherweise in der vorklinischen Medikamententestung zu einer Verringerung der Tierversuchszahlen führen könnten. Und zwar deshalb, weil die genetische Einheitlichkeit der geklonten Tiere klarere Aussage bezüglich der Wirksamkeit von Medikamenten realistisch erscheinen lässt als bei nicht-geklonten Tieren mit deutlich variablerem Erbgut.“

„Berücksichtigt man diese Tatsache, dann könnte die Gesamtzahl der in der biomedizinischen Forschung verwendeten Tiere möglicherweise durch die neue Methode, so sie denn breitere Anwendung finden sollte, langfristig reduziert werden.“

„Ohne dass am Deutschen Primatenzentrum im Bereich des Klonens von Affen gearbeitet würde, besteht für mich persönlich eine ‚rote Linie’ bei der ‚Humanisierung von Affen’. Damit meine ich die bio- und/ oder gentechnologische Vermischung von Affe und Mensch mit dem Ziel, dass Mischwesen (‚Chimären’) aus Affe und Mensch entstehen.“

„Dafür wären zwei Wege erkennbar: zum einen, dass man embryonale Zellen von Mensch und Affe zu einem Embryo zusammenfügt, von dem niemand vorhersagen kann, wozu er sich – wenn er tatsächlich geboren würde – entwickeln würde. Zum anderen, dass man wesentliche Teile der menschlichen Erbsubstanz in einen Embryo von Affen einbringen würde, sodass menschenspezifische, genetische Entwicklungsanweisungen im Affenembryo ausgeführt würden.“

Auf die Frage, welche Arten von Tiermodellen für menschliche Krankheiten von Forschern das Klonen von Javaneraffen rechtfertigen würden:

„Laut dem Deutschen Tierschutzgesetz dürfen nur solche Versuche mit Affen durchgeführt werden – und auch die Veränderung der Erbsubstanz ist rechtlich als ein Tierversuch anzusehen –, die Erkenntnisse erbringen sollen, die auf anderem Wege nicht erhalten werden können.“

„Um die beabsichtigten Erkenntnisse zu erlangen, müssen die Versuche unumgänglich sein. Daraus leitet sich ab, welche Versuche mit Affen in Deutschland möglich sind. Und dies deckt sich grundsätzlich auch mit dem Verständnis der Forscher.“

„Sie nutzen Affen dort, wo sie mit anderen Verfahren –wie zum Beispiel in Zellkultur oder mit Hilfe von Computermodellen – oder weniger ‚hoch’ entwickelten Tierarten keine Aussagen im Sinne von aussagekräftigen Informationen erlangen können. Dies trifft zum Beispiel in besonderem Maße auf das Gehirn und die Keimbahnzellen zu.“

„Die Teile der Erbinformation, die für diese Organe und Zellen zuständig sind, verändern sich in der Evolution (Stammesgeschichte) der Tiere besonders schnell. Deshalb können hier mithilfe von Versuchen mit anderen Tierarten als Primaten oft keine Informationen erhalten werden, die für Affen und den Menschen Aussagekraft haben.“

„Daher könnten geklonte Affen zum Beispiel in der Erforschung von genetischen und epigenetischen Erkrankungen des Gehirns der Primaten – einschließlich des Menschen – eine wichtige Rolle spielen, um auch Erkrankungen des Gehirns des Menschen besser zu verstehen. Oder langfristig vielleicht auch einmal heilen zu können.“

„Zusammenfassend sollte noch einmal ausdrücklich klargestellt werden, dass das Klonen des Menschen zumindest in Deutschland verboten ist und allgemein mehrheitlich wohl klar abgelehnt wird. Studien mit nicht-menschlichen Primaten, also Affen, könnten aber auch für den Menschen wertvolle Informationen liefern.“

Auf die Frage nach den Unterschieden zwischen therapeutischem Klonen und Genome Editing im frühen Embryo:

„Grundsätzlich muss man diese beiden Methoden, auch in ihrer Bedeutung für die Wissenschaft, unterscheiden. Grundsätzlich eignet sich das Klonen dazu, identische Individuen und gegebenenfalls homogene Tierpopulationen herzustellen, was durch Genome Editing allein so nicht möglich wäre.“

„Mittels Verfahren wie CRISPR/Cas lassen sich dagegen gezielt einzelne Gene verändern, was für sich genommen zunächst vor einem genetisch variablen Hintergrund, also in genetisch verschiedenen Tieren abläuft. Genome Editing ist zudem immer ein Einzelfallereignis. Bei aller Präzision der Methoden, ist es heute noch nicht sicher möglich, in allen Fällen auf den einzelnen Baustein der Erbinformation genau ein Genom zu verändern.“

„Man erhält also mittels Genome Editing direkt im Embryo Tiere mit sehr ähnlicher, aber nicht identischer genetischer Modifikation. Mittels Somatic Cell Nuclear Transfer (SCNT) kann man jedoch genetisch uniforme (identische) Tiere erhalten. Und wenn der Körperzellkern, der für den Kerntransfer verwendet wurde, bereits eine genetische Modifikation enthält, dann haben auch alle Nachkommen, die mittels SCNT entstanden sind, nicht nur eine ähnliche, sondern die identische Erbgutveränderung. Das kann für verschiedene wissenschaftliche und medizinische Fragestellungen ein wesentlicher Vorteil sein.“

„Beide Verfahren haben ihre wissenschaftliche Berechtigung. SCNT ist methodisch wohl noch anspruchsvoller, was ja auch im Begleittext der Publikation angesprochen wird. Man benötigt extrem gut trainiertes und hochspezialisiertes Personal, modernste technische Ausstattung und viele Trainingsversuche, bis die Methode erfolgreich angewandt werden kann.“

„Neben der Komplexität der praktischen Durchführbarkeit ist derzeit noch sehr wichtig zu betonen, dass die Sicherheit der SCNT-Methode bezüglich nachgeburtlicher Entwicklungsstörungen noch unklar ist. Bisherige Erfahrungen in den vergangenen zwei Jahrzehnten nach der Geburt des Klonschafs Dolly zeigten, dass die SCNT-Methode bei einigen Tierarten oft mit übermäßigem Größenwuchs oder anderen Fehlbildungen der geklonten Tiere einherging.“

„In der aktuellen Studie wird berichtet, dass die beiden bisher vorhandenen Tiere gesund sind. Hier muss aber beachtet werden, dass bisher eben nur zwei Tiere vorhanden sind. Beide sind noch sehr jung – bei Einreichung des Manuskriptes 40 und 50 Tage, was dem Säuglingsalter beim Menschen entspricht – und werden mit der Flasche aufgezogen.“

„Ob diese Tiere in ihrer weiteren Entwicklung normal und gesund bleiben, oder ob sie zum Beispiel später Stoffwechsel- oder Herzkreislauferkrankungen entwickeln, bleibt abzuwarten.“

Prof. Dr. Peter Dabrock

Professor für Systematische Theologie/Ethik, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, und Vorsitzender des Deutschen Ethikrats

Hinweis der Redaktion: Prof. Dr. Peter Dabrock weist darauf hin, dass das folgende Statement keine offizielle Stellungnahme des Deutschen Ethikrats ist.

„Selbst wenn man Tierversuche an manchen Primaten, beispielsweise in der AIDS-Forschung, für problematisch, aber am Ende doch für unumgänglich hält, stellen sich massive ethische Rückfragen an die in der Fachzeitschrift CELL beschriebenen Versuche: Mussten diese Versuche tatsächlich schon an Javaneraffen durchgeführt werden? War die Methodenpräzisierung bei Nagern oder anderen Tieren schon so weit gediehen, dass auf Primaten zurückgegriffen werden musste?“

„Wenn – wie die Autoren selbst andeuten – die Erfolgsrate der Versuche zur Vermeidung von schweren Schädigungen zunächst mittels Genome Editing hätte gesteigert werden können, hätte man dann nicht zunächst bei Tieren, die vermutlich weniger leiden, diese Versuche durchführen müssen?“

„Die Namen der beiden Äffchen, die mit dem chinesischen Nationalstolz spielen, deuten doch an, dass bei diesen Versuchen nicht nur Forschungsfortschritt intendiert ist, sondern es vor allem um Prestige und andere nicht-hochrangige Ziele geht. So etwas sollte nicht auf Kosten solch sensibler Wesen gehen und ist ethisch problematisch.“

„Es wird zudem nicht hinreichend demonstriert, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt diese Forschung mit Javaneraffen alternativlos ist. So wird einem Fundamentalprotest, der nicht sehen will, dass manchmal Tierversuche schmerzlicherweise unumgänglich sind (jedenfalls dann, wenn man hochrangige Forschung für Menschen voranbringen will), in die Arme gespielt. Vertrauen in den lebenswissenschaftlichen Forschungsprozess wird so jedenfalls erheblich untergraben. Andere müssen das ausbaden.“

„Man wird – gerade wenn man die in der Fachzeitschrift CELL veröffentlichten Versuche im Kontext weiterer chinesischer Aktivitäten zu Keimbahninterventionen betrachtet – den Verdacht nicht los, dass in China eine umfängliche Strategie gefahren wird, die genetischen Grundlagen menschlichen Lebens zu bearbeiten. Wie damit umzugehen ist, ist aber nicht nur eine Aufgabe für chinesische Regularien, sondern eine Menschheitsfrage.“

Prof. Dr. Stefan Treue

Direktor, Deutsches Primatenzentrum GmbH – Leibniz-Institut für Primatenforschung (DPZ), Göttingen, und Sprecher der Initiative „Tierversuche verstehen“

„Bei dieser Studie handelt es sich um eine Methodenentwicklung, nicht primär um einen wissenschaftlich-inhaltlichen Durchbruch. Dabei ist es erstmals gelungen, lebende Affen zu klonen. Die beiden geborenen Javaneraffen haben dadurch die identische Erbinformation wie das Spendertier.“

„Damit lassen sich, wenn die Methode hinreichend zuverlässig und effizient wird, genetisch identische Individuen und damit genetisch homogene Tierpopulationen erzeugen. Mit einer gentechnischen Manipulation des Erbguts hat das zunächst nichts zu tun. Das Klonen wäre aber eine Möglichkeit, einzelne Tiere mit natürlich aufgetretenen Mutationen oder mit gentechnisch erzeugten Veränderungen als Spendertiere einzusetzen, um solche genetisch homogene Tierlinien zu züchten.“

„Dies hätte bedeutende wissenschaftliche und ethische Vorteile: Bei den geklonten Affen handelt es sich um Langschwanzmakaken, auch Javaneraffen genannt. Sie sind die am häufigsten in Tierversuchen eingesetzte Affenart und kommen insbesondere bei der Sicherheits- und Wirksamkeitsprüfung von neu entwickelten Medikamenten zum Einsatz, bevor diese an Menschen getestet werden.“

„Bei diesen Prüfungen spielt die statistische Sicherheit der erhaltenen Aussagen eine große Rolle. Um der genetischen Variabilität der Versuchstiere Rechnung zu tragen, müssen ausreichend große Tierzahlen getestet werden, zum Beispiel um sicher stellen zu können, dass ein Impfstoff in einer Tiergruppe einen messbaren Effekt gegenüber einer unbehandelten Kontrollgruppe hat. Die Größe dieser beiden Gruppen – und damit die für die Studie nötige Tierzahl – könnte reduziert werden, wenn genetisch homogene Tierlinien verwendet werden könnten, deren genetische Variabilität zwischen individuellen Tieren reduziert ist.“

„Die in der Publikation vorgestellte Methode hat das Potential, durch erhöhte Standardisierung von Tierversuchen mit Primaten – wie sie bei Nagern schon länger möglich ist – eine Verringerung der Tierversuchszahlen zu erreichen. Auch die Rolle spezifischer Gene für verschiedene Krankheiten ließe sich mit solchen Tierlinien mit geringeren Tierzahlen erforschen. Das wäre ein Fortschritt im Sinne des 3R-Prinzips (replace, reduce, refine; deutsch etwa: vermeiden, verringern, verbessern).“

„Wie für jeden anderen Tierversuch ist auch hier abzuwägen, ob in der Gesamtschau die Belastung von Tieren durch das hier vorgestellte Klonverfahren die oben beschriebenen Verbesserungen im Sinne des 3R-Prinzips aufwiegen. Die Erfahrungen seit Klonschaf Dolly zeigen, dass das Klonen bei einigen Tierarten nicht ohne Folgeschäden bleibt. Die zwei geklonten Affen sind noch sehr jung. Ob diese Tiere in ihrer weiteren Entwicklung normal und gesund bleiben, sollte vor weiteren Schritten unbedingt untersucht werden.“

„Die Forschung an Affen ist insbesondere in Europa strikt geregelt und nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Dazu gehört unter anderem, dass sich die Erkenntnisse nicht mit anderen Tierarten gewinnen lassen. Primaten spielen daher zahlenmäßig in der Tierversuchsforschung nur eine sehr kleine Rolle, sind aber auf Grund der physiologischen, genetischen und anatomischen Ähnlichkeit zum Menschen von großer wissenschaftlicher und medizinischer Bedeutung.“

„Die Forscher in dieser Studie wünschen sich eine breite öffentliche Debatte über die ethischen Standards, nach denen die weitere Forschung in diesem Bereich stattfinden soll. Das ist aus meiner Sicht sehr zu begrüßen und dazu kann auch das Deutsche Primatenzentrum einen Beitrag leisten. Nur so kann Transparenz und Verständnis für Möglichkeiten und Grenzen von Tierversuchen in der biomedizinischen Forschung erreicht werden.“

Prof. Dr. Heiner Niemann

Leiter des Instituts für Nutztiergenetik (ING), Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, Greifswald-Insel Riems

„Reprogrammieren durch Klonen bedeutet, dass man das genetische Programm einer Körperzelle ablöst und durch ein frühes, embryonales Programm ersetzt. Im Falle der Publikation wurden fetale Bindegewebszellen (fetale Fibroblasten) verwendet, deren Genom durch epigenetische Mechanismen an der ‚Verpackung’ der DNA in einen frühembryonalen Zustand zurückprogrammiert wurde.“

„Vereinfacht gesagt wird die Verpackung der DNA modifiziert und dadurch die Aktivität der Gene verändert. Es gibt Hinweise, dass man diese epigenetische Reprogrammierung durch den Einsatz von sogenannten ‚epigenetischen Modifikatoren’ befördern kann. Genau das wurde in dieser Publikation an nicht-menschlichen Primaten versucht.“

„Ob sich der Klonerfolg allein auf die epigenetischen Modifikationen zurückführen lässt, ist aus der vorliegenden Studie kaum zu beurteilen, da eine entsprechende Vergleichsgruppe fehlt. Allerdings ist dieser Ansatz bereits bei Maus, Rind und Schwein untersucht worden. Die Daten aus diesen Studien sind aber nicht konsistent; es gab in einzelnen Studien kleinere Verbesserungen, aber meistens waren die Klonerfolge ähnlich wie bei nicht behandelten Kontrollen.“

„Aus meiner Sicht ist es eher wahrscheinlich, dass weitere methodische Verbesserungen des eigentlichen Klonprozesses zum Klonerfolg bei den Javaneraffen beigetragen haben.“

„Was am Ende in der Wissenschaft zählt: Das Protokoll war erfolgreich. Und die Autoren haben es in die sehr angesehene Fachzeitschrift CELL geschafft, primär sicherlich, weil Arbeiten mit Primaten immer etwas Besonderes sind – eben auch unter ethischen Gesichtspunkten. Experimente mit Primaten sind strenger zu bewerten. Ethisch sollte zunächst in jedem Einzelfall überprüft werden, ob man nicht vergleichbare Ergebnisse mit Mäusen oder Schweinen erhalten könnte. Nur in sehr gut begründeten Fällen, wie zum Beispiel der Erforschung humaner Erkrankungen, halte ich solche Versuche mit nicht-humanen Primaten für gerechtfertigt.“

Prof. Dr. Stefan Schlatt

Direktor des Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie, Universitätsklinikum Münster

Hinweis des Autoren: Dieses Statement ist in Zusammenarbeit mit Dr. Nina Neuhaus entstanden.

„Die Arbeit der chinesischen Arbeitsgruppe setzt die Bemühungen fort, die bisher auf 23 Tierarten beschränkte Liste geklonter Spezies zu erweitern.“

„Das Klonen von Primaten an sich ist insofern nicht neu, da es bereits beim Affen gelungen ist, Embryonen zu erzeugen und Schwangerschaften zu induzieren (Der Affe Tetra ist durch das sogenannte Embryonensplitting entstanden [1], nicht durch die hier behandelte Methode des Zellkerntransfers. Beim Embryonensplitting wird die befruchtete Eizelle in einem sehr frühen Entwicklungsstadium geteilt, aus beiden Teilen können sich reife Embryonen entwickeln; Anm. d. Red.).“

„Neu ist die Geburt von Primaten aus nicht pluripotenten Ausgangszellen. Dabei ist von großem Interesse, dass es Unterschiede gibt, welche Zellen als Ausganszellen eingesetzt wurden. Fetale Fibroblasten mit geringem Differenzierungsgrad waren deutlich erfolgreicher einzusetzen als adulte Kumuluszellen aus Follikeln des Eierstocks (Kumuluszellen umgeben die Eizelle als eine Art Schutzmantel; Anm. d. Red.). Dies zeigt, dass die Differenzierung von Körperzellen Veränderungen bewirkt, die eine Klonierung verhindern. Der in dieser Studie angewendete Trick ist, durch Injektion von Boten-RNA einen Faktor zu induzieren, der es ermöglicht, resistente Regionen der DNA trotzdem zugänglich zu machen. Damit wurde eine weitgehende Reprogrammierung möglich, die ausreichte, um aus gering, aber nicht hochgradig differenzierten Zellen gesunde Individuen zu erzeugen, die bis zur Geburt gelangten. Genau wie Dolly werden aber auch diese Affen kein vollständig gesundes Erbgut haben, sodass eine kritische Diskussion über eine Anwendung beim Menschen sicherlich eher befeuert als beruhigt wird. Eigentlicher Kernpunkt der Studie ist die Erkenntnis, dass es primatenspezifische Eigenschaften des Erbguts gibt, die eine vollständige Reprogrammierung deutlich schwieriger als bei anderen Spezies gestalten.“

Mögliche Interessenkonflikte

Alle: Keine angegeben.

Primärquelle

Ziu L et al. (2018): Cloning of Macaque Monkeys by Somatic Cell Nuclear Transfer. Cell 172, 1–7. DOI: 10.1016/j.cell.2018.01.020.

Weitere Recherchequellen

[1] Chan AW et al. (2000): Clonal propagation of primate offspring by embryo splitting. Science. 287 (5451): 317-9.

[2] Zhang XL et al. (2014): Experimental primates and non-human primate (NHP) models of human diseases in China: current status and progress. Zoological Research 35 (6): 447−464 DOI: 10.13918/j.issn.2095-8137.2014.6.447

[3] Luo X et al. (2016): Application of the genome editing tools Crispr/Cas9 to non-human primates. Zoological Research 37(4): 214-219. DOI: 10.13918/j.issn.2095-8137.2016.4.214.

[4] Cyranowsky D (2016): Monkey Kingdom: China is positioning itself as a world leader in primate research. Nature 532, 300-302. DOI: 10.1038/532300a.