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28.05.2024

Einfluss von Intervallfasten auf Mikrobiom und Gewicht

     

  • Diät mit Intervallfasten und Protein-Pacing soll laut einer neuen Studie besonders effektiv beim Abnehmen helfen und das Mikrobiom positiv verändern
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  • in der achtwöchigen Studie wurden zahlreiche Darmbakterien und Stoffwechselprodukte im Körper der Studienteilnehmenden untersucht
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  • Experten bemängeln Studiendesign, bemerken aber die starke Gewichtsabnahme – Ernährungsempfehlungen könne man aber daraus nicht ableiten
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Intervallfasten in Kombination mit dem sogenannten Protein-Pacing, bei dem in regelmäßigen Abständen kleinere Mengen an Eiweiß zu sich genommen werden, soll Übergewichtigen helfen, besser abzunehmen. Zu diesem Ergebnis will eine Studie gekommen sein, die im Fachjournal „Nature Communications” erschien (siehe Primärquelle). Die Probandinnen und Probanden der Studie konsumierten für das Protein-Pacing Produkte der Firma Isagenix International LLC, welche die Studie zudem finanziell unterstützte. Die Forschenden berichten von positiven Auswirkungen ihrer Diät auf das Gewicht, das viszerale Fett und das Mikrobiom. Unabhängige Experten kritisieren Studiendesign und mangelnde Aussagekraft der Ergebnisse, vor allem hinsichtlich möglicher Ernährungsempfehlungen. Eine Kausalität zwischen der Nahrung, dem Mikrobiom und den Wirkungen könne die Studie nicht belegen.

Das Darmmikrobiom besteht aus Bakterien, Viren, Pilzen und anderen Mikroben. Die Zusammensetzung des Mikrobioms ist von vielen Faktoren abhängig: etwa Genetik, Umweltfaktoren, Alter und auch Ernährungsgewohnheiten. Das Mikrobiom verändert sich bei einer Ernährungsumstellung [I] und diese Veränderung könnte sich auf die Gesundheit auswirken – Studien in Menschen zeigen aber zum Großteil nur korrelative Zusammenhänge und keine Kausalität. Die aktuellen Kenntnisse über Effekte des Mikrobioms auf den Körper basieren auf Forschung in Tiermodellen [II].

An der Studie einer Forschungsgruppe um Paul J. Arciero der Arizona State University nahmen 41 übergewichtige Personen teil. Während des Studienzeitraums von acht Wochen ernährte sich die Hälfte der Personen mittels Intervallfasten mit Protein-Pacing und die andere Hälfte nach einer mediterranen, kalorienreduzierten Ernährungsform (basierend auf den Ernährungsempfehlungen der USA). Die Teilnehmenden, die sich mittels der proteinreichen Intervallfasten-Methode ernährten, nahmen im Durchschnitt etwa drei Prozent des ursprünglichen Körpergewichts mehr ab als die Kontrollgruppe und berichteten weniger gastrointestinale Probleme. Darüber hinaus konnten die Forschenden in dieser Untersuchungsgruppe eine Zunahme von Darmbakterien feststellen, die mit Schlankheit im Zusammenhang stehen würden. Außerdem gebe es bekannte Assoziationen der untersuchten Immunbotenstoff-Proteine, den Zytokinen, mit beispielsweise Übergewicht, Insulinsensitivität oder dem Abbau von Fettgewebe (Lipolyse). Genaue Mechanismen und Kausalitäten zwischen den Diäten, dem Mikrobiom und dem Gewicht können sie aber nicht zeigen.

Übersicht

  • Dr. Stefan Kabisch, Studienarzt in der Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin (Deutsches Zentrum für Diabetesforschung / DZD), Campus Benjamin Franklin (CBF), Charité – Universitätsmedizin Berlin
  • Prof. Dr. Christian Sina, Direktor des Instituts für Ernährungsmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein

Statements

Dr. Stefan Kabisch

Studienarzt in der Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin (Deutsches Zentrum für Diabetesforschung / DZD), Campus Benjamin Franklin (CBF), Charité – Universitätsmedizin Berlin

Methodik der Studie

„Es handelt sich um eine methodisch nur teilweise gut durchgeführte Studie. Intervallfasten und konventionelle, eher fettarme Diät wurden randomisiert unter den Teilnehmer:innen verteilt, die Gruppen erhielten die gleiche Kalorienvorgabe. Das schafft prinzipiell eine gute Vergleichbarkeit der Gruppen. Die Intervallfastengruppe wurde in den ersten vier Diätwochen zusätzlich unterteilt, hälftig für ein 5:2-Fasten und ein 6:1-Fasten. Das ergibt bereits sehr kleine Gruppengrößen.“

„Da das Intervallfasten mit proteinreicher Ernährung und der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln gekoppelt wurde, lassen sich die Effekte dieser Gruppe nur exakt auf diese Kombination, aber auf keinen isolierten Ansatz wie etwa Fasten oder proteinreiche Diät oder Supplemente zurückführen. Die Proband:innenzahl ist relativ gering; für sehr grundlegende medizinische Daten – wie Körpergewicht oder Routineblutwerte – ist das kaum aussagekräftig. Für sehr komplexe, hoch-experimentelle und daher teure Analysen – wie die Mikrobiomanalyse – repräsentiert es den hohen Preis der Untersuchungen als die viel höhere, statistisch notwendige Anzahl an Teilnehmer:innen.“

„Die Proband:innen waren lediglich übergewichtig oder adipös, die Gewichtsspanne lag zwischen 60 und 160 Kilogramm. Die Teilnehmer:innen hatten keinerlei Stoffwechselerkrankungen, wie beispielsweise Bluthochdruck oder Diabetes. Daher sind klinisch relevante Verbesserungen des Stoffwechsels kaum messbar, mögliche Verschlechterungen innerhalb von acht Wochen aber auch kaum zu erwarten.“

„Fördermittelgeber ist Isagenix, ein Hersteller und Vermarkter von Nahrungsergänzungsmitteln. Ein Interessenskonflikt ist angesichts des Studiendesigns also möglich.“

Einordnung der Studienergebnisse

„Die Teilnehmer:innen erfahren in beiden Testgruppen mehrere Veränderungen der Nahrungsaufnahme gleichzeitig: Kalorienreduktion plus Änderung der Nahrungsqualität – proteinreich-kohlenhydratarm beziehungsweise fettarm-kohlenhydratreich – plus wöchentliche Schwankung der Mahlzeitengröße (Intervallfasten) plus Supplementierung mit antioxidativen Nahrungsergänzungsmitteln in der Intervallfastengruppe. Welche Komponente welche Wirkung hervorgerufen hat, ist somit vollkommen unklar. Gewichtsreduktion kann Folge, Ursache oder gleichgültiger Begleiter der Mikrobiomänderung sein. Das Gleiche gilt für jede weitere Stoffwechseländerung – zum Guten oder zum Schlechten. Nahrungsproteine, Ballaststoffe, verdauliche Kohlenhydrate, verschiedene Fette, Nahrungsergänzungsmittel – sie alle wirken auf das Mikrobiom ein, verändern dessen Zusammensetzung und dessen Funktion. Die Studie lässt daher keine isolierte Aussage zu proteinreicher Ernährung oder Intervallfasten zu. Sie kann Ursache und Wirkung der Mikrobiomeffekte nicht eindeutig bewerten.“

Auf die Frage, inwiefern langfristige Gewichtsabnahmen zu erwarten sind, wenn sich das Mikrobiom durch die achtwöchige Ernährungsumstellung ändert:
„Bislang ist weitgehend unklar, zu welchen Teilen das Mikrobiom überhaupt ursächlich für menschliche Stoffwechselzustände und Gewichtsveränderungen ist. Zum Großteil wird das Mikrobiom eher auf Veränderungen wie die Nahrungsqualität, Nahrungsmenge, Mahlzeitenhäufigkeit und weitere reagieren und ist damit zu weiten Teilen unabhängig von dem, was im Blutkreislauf oder in den Organen passiert. Aus dem Mikrobiom oder seiner Änderung lässt sich daher aktuell keine optimale, geschweige denn individualisierte Therapieoption für Gesunde und Patient:innen ableiten. Zur Beurteilung der langfristigen Gewichtsentwicklung braucht es randomisiert-kontrollierte Studien mit deutlich längerer Laufzeit.“

Therapieempfehlungen

„Intervallfasten zeigte in den meisten bisherigen Studien eine mit anderen Diäten vergleichbare, aber nicht überlegene Gewichtsreduktion. In mehreren Studien resultierte die Gewichtsreduktion zudem auf einem starken Verlust an Muskelmasse statt Fettmasse. Das ist in dieser neuen Studie anders; die Proband:innen nahmen stärker ab, vor allem Fettmasse. Dies geschah trotz vergleichbarer Kalorienreduktion und körperlicher Aktivität in beiden Diätgruppen. Der Mechanismus dahinter ist unklar, aber definitiv von Interesse. Am wahrscheinlichsten ist der hohe Proteinanteil ursächlich, nicht das Intervallfasten.“

„Ob die größere Gewichtsabnahme tatsächlich gesundheitlich vorteilhaft ist, lässt sich bislang nicht anhand des Darmmikrobioms präzise genug beschreiben. In einem früheren Paper zur gleichen Studie [1] wird deutlich, dass in beiden Gruppen Blutdruck und Blutfette ähnlich (leicht) sanken, Blutzucker und Insulinspiegel in beiden Gruppen aber unverändert blieben. Das proteinreiche Intervallfasten scheint bei gleicher Kalorienzufuhr satter zu machen als die Vergleichsdiät.“

„Die Vergleichsdiät wird im Paper als ‚mediterran-artig‘ beschrieben. Die Diätpläne geben aber keine verbindliche Aufnahme von fettigem Fisch, Nüssen, Olivenöl und Gemüsemengen vor. Der aus anderen Studien hervorragend belegte Nutzen der traditionell-mediterranen Ernährung wird daher durch diese Publikation nicht infrage gestellt.“

Prof. Dr. Christian Sina

Direktor des Instituts für Ernährungsmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein

Methodik der Studie

„Die verwendeten Methoden in der Studie entsprechen den Standards. Ich sehe hier keine gravierenden formalen methodischen Mängel. Trotzdem muss das Studiendesign bemängelt werden. Es handelt sich um ein kleines und sehr ausgesuchtes Studienkollektiv. Zum Beispiel haben die Probanden trotz ihres Übergewichts anscheinend keinen Bluthochdruck, was sehr untypisch ist und in meinen Augen einen Selektionsbias in Hinblick auf die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf Übergewicht und Adipositas darstellen könnte. Auch ist der Interventionszeitraum von acht Wochen ungewöhnlich kurz.“

Einordnung der Studienergebnisse

„Die Veränderungen im Mikrobiom und im Metabolom (Stoffwechselparameter; Anm. d. Red.) sind assoziiert mit der jeweiligen Intervention und unterscheiden sich deutlich. Dass die Effekte tatsächlich kausal verknüpft sind, lässt sich vermuten, aber nicht beweisen. Daten aus einem Crossing-over Ansatz und andere könnten hier Licht ins Dunkel bringen.“

„Beide Gruppen haben eine kalorienreduzierte Diät erhalten. Dazu erfolgt ein intensives Coaching. Beide Maßnahmen sind in der Lage, Menschen beim Abnehmen zu unterstützen. Im Gegensatz zur Kontrollgruppe (CR) war in der IF-Protein-Pacing-Gruppe (IF= intermittent fasting; Anm. d. Red.) die Gewichtsabnahme nach nur acht Wochen erstaunlich hoch und im Erwartungshorizont einer deutlich kalorienärmeren Diät [2].“

„Teilt man die Gruppen nach dem Erfolg der Diät in Bezug auf das Körpergewicht, so sieht man Veränderungen der Diversität des Mikrobioms bis auf die Ebene einzelner Bakterienarten. Leider – so zumindest stellt es sich für mich dar – wurde diese Subgruppenanalyse nur in der IF-Protein-Pacing-Gruppe gemacht, so dass es offenbleibt, ob die Veränderungen tatsächlich Ergebnis der Zusammensetzung der Diät sind oder nicht doch durch die Gewichtsabnahme selbst hervorgerufen wurde.“

„Der Mehrwert dieser Studie im Sinne der von den Autoren intendierten Aussagen ist überschaubar. Es ist bekannt, dass Coaching und Diät zu einem Gewichtsverlust führen. Weiterhin ist es bekannt, dass sich eine Umstellung der Ernährung auf das funktionelle Mikrobiom auswirkt. Allenfalls das sehr hohe Ausmaß des Gewichtsverlusts ist erstaunlich – dies wurde aber bereits in der Vorläuferpublikation veröffentlicht.“

Auf die Frage, inwiefern langfristige Gewichtsabnahmen zu erwarten sind, wenn sich das Mikrobiom durch die achtwöchige Ernährungsumstellung ändert:
„Das kann durch die Studie nicht beantwortet werden. Hier verwundert es sehr, dass keine Follow-Up Daten mit veröffentlicht wurden. Auch in der Vorgängerpublikation in Obesity [1] konnte ich diese nicht finden.“

Therapieempfehlungen

„In meinen Augen lässt sich durch diese Studie keine klare Handlungsempfehlung ableiten. Körpergewicht-reduzierende Interventionen bedürfen eines längeren Beobachtungszeitraums von sechs, lieber noch von 12 bis 24 Monaten.“

„Die Tatsache, dass unter IF-HP trotz des Gewichtsverlusts die systemischen Entzündungsparameter IL-8 und IL-4 erhöht sind und es auch zu möglicherweise problematischen Veränderungen in der Inkretin-Freisetzung kommt [1], lassen Zweifel aufkommen, ob das IF-Protein-Pacing tatsächlich gesundheitliche Vorteile bietet. Ebenfalls kritisch ist die Dynamik der Gewichtsabnahme. Es handelt es sich immerhin um metabolisch gesunde übergewichtige und adipöse Probanden – hier ist noch vollkommen unklar, ob diese Gruppe durch eine schnelle und aggressive Körpergewichtsreduktion, wie in der Studie gezeigt, überhaupt profitiert und nicht eine langsame, dafür aber kontinuierliche Gewichtsreduktion vorteilhafter ist.“

„Die Schlussfolgerung, dass Intervallfasten mit vielen Proteinprodukten gesünder ist als eine kalorienreduzierte mediterrane Diät ist wissenschaftlich meiner Ansicht nach unzulässig.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Dr. Stefan Kabisch: „Ich erhielt Fördermittel des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung e.V. (DZD), der Deutschen Diabetes Gesellschaft, vom Almond Board of California, der California Walnut Commission, der Wilhelm-Doerenkamp-Stiftung, J. Rettenmaier & Söhne und Beneo Südzucker sowie persönliche Zuwendungen von Lilly Deutschland, Sanofi, Berlin Chemie, Boehringer-Ingelheim und der JuZo-Akademie.“

Prof. Dr. Christian Sina: „Co-Founder: Perfood GmbH, Lübeck. Scientific Advisor: Goodmills Innovation GmbH, Evonik AG, Blomenburg Holding, Novozymes A/S, Aphaia GmbH, MedServation GmbH, Arbeitskreis Omega3. Invited speaker: Sanofi, Janssen, Boehringer-Ingelheim, Ferring Pfizer, Novartis, Nutrimmun, Micobiotica. Non-academic research funding: Fresenius Kabi, Evonik, Euroimmun, Beiersdorf, Novozymes, Rousselot.“

Primärquelle

Arciero PJ et al. (2024): Gut microbiome remodeling and metabolomic profile improves in response to protein pacing with intermittent fasting versus continuous caloric restriction. Nature Communications. DOI: 10.1038/s41467-024-48355-5.

Literaturstellen, die von den Expertinnen und Experten zitiert wurden

[1] Arciero PJ et al. (2023): Intermittent fasting and protein pacing are superior to caloric restriction for weight and visceral fat loss. Obesity (Silver Spring). DOI: 10.1002/oby.23660.

[2] Lean MJE et al. (2017): Primary care-led weight management for remission of type 2 diabetes (DiRECT): an open-label, cluster-randomised trial. The Lancet. DOI: 10.1016/S0140-6736(17)33102-1.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Wu GD et al. (2011): Linking Long-Term Dietary Patterns with Gut Microbial Enterotypes. Science. DOI: 10.1126/science.1208344.

[II] Perler BK et al. (2023): The Role of the Gut Microbiota in the Relationship Between Diet and Human Health. Annual Review of Physiology. DOI: 10.1146/annurev-physiol-031522-092054.