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26.02.2024

Effekt von resistenter Stärke beim Abnehmen

     

  • laut klinischer Studie hilft resistente Stärke (RS) beim Abnehmen
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  • RS könne unkompliziert in die tägliche Ernährung integriert werden
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  • Forschende sehen in der Studie weiteren Hinweis auf einen positiven Effekt von RS, jedoch sei die Studie zu klein und lasse keine kausalen Schlüsse zu
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Wenn man eine Diät mit resistenter Stärke supplementiert, könnte dies laut einer Studie, die  im Fachjournal „Nature Metabolism“ erschienen ist (siehe Primärquelle), beim Abnehmen helfen.

Resistente Stärken gehören zu den Ballaststoffen und sind in stärkehaltigen Lebensmitteln enthalten. Der Anteil von resistenter Stärke kann zunehmen, wenn zum Beispiel Kartoffeln und Nudeln nach dem Kochen abkühlen und am nächsten Tag wieder erwärmt werden. Im Vergleich zu gewöhnlicher Stärke kann sie im Dünndarm nicht verdaut werden. Erst im Dickdarm fermentieren Mikroorganismen die resistente Stärke, wodurch Stoffwechselprodukte entstehen, die bekannte positive Einflüsse auf den menschlichen Stoffwechsel haben [I]. Auch wenn die Studienlage zu den gesundheitsförderlichen Auswirkungen von resistenter Stärke heterogen ist, weisen einige Studien darauf hin, dass ein erhöhter Anteil an resistenter Stärke einer Diabetes oder Übergewicht entgegenwirken kann [II] [III].

In der aktuellen Studie haben nun chinesische und deutsche Forschende in einer randomisierten klinischen Crossover-Studie untersucht, inwiefern sich resistente Stärke (RS) als Nahrungsergänzungsmittel auf Fettleibigkeit und andere Stoffwechseleigenschaften auswirkt. Während des 20-wöchigen Studienzeitraums erhielten die 37 übergewichtigen Teilnehmenden (BMI größer 24) eine isoenergetische und ausgewogene Grundnahrung (drei Mahlzeiten pro Tag), die den Leitlinien für die Prävention und Behandlung von Übergewicht und Adipositas bei Erwachsenen entsprach. Innerhalb dieser Zeit bekamen sie acht Wochen lang 40 Gramm resistente Stärke pro Tag und in einem weiteren acht-wöchigen Zeitraum keine zugesetzte resistente Stärke. Die Autoren stellten fest, dass die RS-Diät das Körpergewicht um durchschnittlich 2,8 Kilogramm reduzierte und die Insulinempfindlichkeit bei den Probanden verbesserte. Darüber hinaus fanden sie heraus, dass die RS-Behandlung die Struktur des Mikrobioms und den Stoffwechsel veränderte, was laut der Autoren auf die Wirkung einzelner Darmbakterien zurückzuführen sei. Der Effekt war allerdings reversibel, wenn RS der Diät nicht mehr zugesetzt wurde.

Zu den Fragen, inwiefern die Studienergebnisse darauf hindeuten, dass RS die Behandlung von Fettleibigkeit und die damit verbundenen Stoffwechselstörungen unterstützt, wodurch sich dieser Effekt erklären lasse und inwiefern es möglich wäre, RS unterstützend in die tägliche Ernährung zu integrieren, befragte das SMC Expertinnen und Experten.

Übersicht

  • Prof. Dr. Christian Sina, Direktor des Instituts für Ernährungsmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
  • Dr. Stefan Kabisch, Studienarzt in der Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin (Deutsches Zentrum für Diabetesforschung / DZD), Campus Benjamin Franklin (CBF), Charité – Universitätsmedizin Berlin
  • PD Dr. Olga Ramich, Leiterin der Forschungsgruppe Molekulare Ernährungsmedizin, Deutsches Institut für Ernährungsforschung (DIfE), Potsdam-Rehbrücke
  • Dr. Siegfried Ussar, Direktor der Abteilung Adipozyten und Metabolismus (ADM), Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, München

Statements

Prof. Dr. Christian Sina

Direktor des Instituts für Ernährungsmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein

Einordnung der Ergebnisse

„Es konnte bereits in anderen Studien gezeigt werden, dass resistente Stärke sowohl das Mikrobiom verändern als auch bei der Gewichtsregulation unterstützen kann.“

Aussagekraft der Studie

„37 Probanden mit mehr oder weniger moderaten Übergewicht stellen im Vergleich zu anderen Studien eine eher kleine Kohorte dar. Die Effekte auf die fettfreie Masse als auch auf das Körpergewicht scheinen trotzdem statistisch relevant. Um mich wirklich zu überzeugen, wäre ein größeres Studienkollektiv unter Einschluss von Probanden mit einem Body-Mass-Index über 30 oder Begleiterkrankungen sowie einer längeren Studienlaufdauer – acht Wochen pro Intervention ist ungewöhnlich kurz – wünschenswert. Auch kann ein Carry-Over-Effekt zwischen den zwei Interventionsphasen nicht sicher ausgeschlossen werden. Aus meiner Sicht spiegeln die Ergebnisse den Erwartungshorizont wider, sind aber nicht beweisend.“

Ursächlichkeit des Effekts

„Anscheinend ist die Kalorienzufuhr in beiden Armen der Studie (Kontrollstärke (CS) versus resistente Stärke (RS)) vergleichbar (siehe Diskussion und Supplementary Information). Es scheint also nicht der Fall zu sein, dass in der RS-Gruppe weniger Kalorien verzehrt wurden. Daher muss ein anderes Erklärungsmodell herhalten, zum Beispiel vermehrter Verbrauch von Kalorien unter RS: Hier wäre eine body expenditure / Kalorimetrie sicherlich wünschenswert gewesen. Eine andere Erklärung könnte aber tatsächlich eine Veränderung des Mikrobioms sein. Die Mausexperimente sind prinzipiell spannend, da es sich aber um keimfreie Mäuse handelt und damit um ein hochartifizielles System, bin ich mit der Interpretation der Ergebnisse zurückhaltend.“

Auf die Frage, weshalb der Effekt nicht anhält, wenn man die Supplementierung mit RS beendet:
„Das Mikrobiom hat die Tendenz auf seinen ,Ausgangspunkt‘ zurückzukehren. Daher wäre es zu erwarten, dass die RS-induzierten Veränderungen in der Zusammensetzung des Mikrobioms reversibel sind.“

Umsetzung im Alltag

„RS als Ballaststoff-Lieferanden sind gut in der Häuslichkeit umsetzbar, zum Beispiel erkaltete Kartoffeln wieder aufwärmen. Dies kann uns dabei helfen, auf die empfohlene tägliche Menge von 30 Gramm Ballaststoffe zu kommen. Dass dies langfristig positive Effekte auf unseren Stoffwechsel haben könnte und gegebenenfalls auch in einer (leichtgradigen) Gewichtsreduktion resultiert, erscheint mir plausibel.“

„Die Gabe von 40 Gramm RS, wie in der Studie, ist eine für den Alltag eher ungewöhnlich hohe Menge.“

Dr. Stefan Kabisch

Studienarzt in der Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin (Deutsches Zentrum für Diabetesforschung / DZD), Campus Benjamin Franklin (CBF), Charité – Universitätsmedizin Berlin

Einordnung der Ergebnisse

„Am Menschen durchgeführte randomisiert-kontrollierte Studien zu resistenter Stärke haben bislang gezeigt, dass diese Form von Ballaststoffen einige Entzündungswerte [1], den Nüchternblutzucker [2], den Langzeitblutzucker HbA1c [3], die Insulinresistenz [4] [5] sowie vor allem den Cholesterinspiegel im Blut (insbesondere das schlechte LDL-Cholesterin [6] [7]) senken kann. Diese Wirkungen sind umso ausgeprägter, je höher die Dosis, je länger die Therapiedauer und je gesundheitlich vorbelasteter die StudienteilnehmerInnen sind. Eine Wirkung auf das Körpergewicht ist bislang nicht konsistent beschrieben [8] [9] und allenfalls klein. Die vorliegende Studie beschreibt aber vor allem einen starken Effekt auf das Körpergewicht, Körperfett (insbesondere das stoffwechselschädliche Bauchfett), Leberwerte, Insulinresistenz und einige Entzündungswerte, jedoch nicht die Blutfettwerte. Erstaunlicherweise schwindet auch die Muskelmasse.“

„In den für den Menschen klinisch relevanten Hauptergebnissen widerspricht die Studie daher mehrfach dem bisherigen Wissensstand. Ursächlich kann die zwar junge, übergewichtig bis adipöse, aber sonst sehr gesunde Probandengruppe oder die extreme Dosierung von 40 Gramm resistenter Stärke pro Tag sein. Auffällig ist auch die sehr niedrige Ballaststoffzufuhr der Probanden vor Studienbeginn (etwa 10 Gramm pro Tag), die zum Beispiel im deutschen Durchschnitt eher bei 20 Gramm pro Tag liegt.“

Aussagekraft der Studie

„Die Wissenschaftler nutzen für Ihre Studie eine Fülle von teilweise hochkomplexen und teuren Messmethoden für verschiedenste Stoffwechselmechanismen, bei den menschlichen Probanden sowie für die zusätzlichen Tierexperimente. Eine höhere Probandenzahl war somit sicherlich finanziell nicht möglich. Daher können aber viele Ergebnisse immer noch rein zufällig eingetreten oder ausgeblieben sein, für belastbarere Aussagen bräuchte es eine größere Studienkohorte. Dass RS günstig für den Fett- und Glukosestoffwechsel sind, war bereits vorher bekannt.“

„Dass RS auch das Körpergewicht senken, liegt vermutlich an der sehr hohen Dosis und der geringen Ballaststoffzufuhr vor der Diät. Trotz der unerwartet deutlichen Gewichtsreduktion blieben Effekte auf die Blutfettwerte aus, auch wenn andere günstige Entwicklungen, wie Besserung der Insulinresistenz und Entzündungsprozesse, wie erwartet eintraten. Das am stärksten mit Gewichtsreduktion verknüpfte Bakterium B. adolescentis zeigt keine relevante Verknüpfung mit der Verbesserung des Glukosestoffwechsels. Das stellt den Nutzen der erzielten Gewichtsreduktion durchaus infrage.“

„Wichtig ist zudem: Die RS-Gabe erfolgte zusätzlich zu einer gesunden, ausgewogenen Ernährung, die in beiden Studiengruppen gezielt begonnen wurde. Ohne diese zusätzliche Ernährungsumstellung könnten die Ergebnisse für RS besser oder schlechter aussehen.“

Ursächlichkeit des Effekts

„Die Autoren beschreiben, dass die Kalorienzufuhr in beiden Gruppen auch während der Studie vergleichbar gewesen sei; der Publikationsanhang mit den genauen Daten ist aber noch nicht abrufbar. Ein höherer Energieverbrauch oder ein stärkerer Verlust von Nährstoffen über den Kot wäre denkbar; eine stärkere fäkale Ausscheidung von Nahrungsfett beschreibt die Studie tatsächlich. Für bestimmte Komponenten des Nahrungseiweißes wird hingegen eine geringere Ausscheidung berichtet, was weder gut zur Verbesserung der Insulinempfindlichkeit noch zum Verlust an Muskelmasse passt.“

„Das Darmmikrobiom bildet sich bei allen möglichen Veränderungen von Ernährung und Stoffwechsel um. Resistente Stärke allein ist ein plausibler Faktor, denn dass Bifidobacterium adolescentis (und viele andere Darmbakterien) von RS leben können, ist lange bekannt [10].“

„Auch die verursachte Gewichtsreduktion kann ein eigenständiger Beitrag sein. Deshalb ist zumindest beim Menschen noch nicht bewiesen, dass die Darmmikroben die Gewichtsreduktion verursachen, denn es könnte auch umgekehrt sein: Gewichtsreduktion verursacht ein verändertes Mikrobiom. Diese Effekte hätte man trennen können, wenn gar keine Gewichtsreduktion erzielt worden wäre. Frühere Studien – auch ohne Gewichtsreduktion – haben bereits beschrieben, dass bestimmte Darmbakterien (insbesondere Bifidobakterien) unter RS-Gabe dominanter werden [11] [12].“

„Die Autoren beschreiben, es habe keinerlei Nebenwirkungen gegeben. Für Ballaststoffe wie RS sind Magen-Darm-Beschwerden wie Blähungen, Übelkeit und weicher Stuhlgang eigentlich typisch, besonders bei abrupter, hoher Dosierung. Erstaunlicherweise zeigen die menschlichen und tierischen Stuhl- und Blutproben in der Studie keinen Anstieg der bakteriellen Abbauprodukte von RS. Wenn die Darmbakterien ursächlich sind und sich von RS ernährt haben, müssten diese Abbauprodukte deutlich ansteigen. Das ist sehr ungewöhnlich.“

Erneute Gewichtszunahme

„Der in der Studie beschriebene Effekt auf das Körpergewicht beruht wohl vor allem auf der extremen Dosis vor dem Hintergrund einer niedrigen Ballaststoffzufuhr vor der Studie. Beendet man diese Behandlung, sind die Effekte also schnell rückläufig. Das war auch in der Studie der Fall, wenn Probanden erst in der RS-Gruppe und danach in der Kontrollgruppe waren.“

Umsetzung im Alltag

„Eine Supplementierung von Ballaststoffen, auch von jeglichen Formen von RS, ist nicht nötig. Die bisher beschriebenen Effekte auf den Stoffwechsel sind klein. Effekte auf das Körpergewicht wurden nur in wenigen Studien beschrieben und gehen nach dieser aktuellen Testreihe zwar mit besserer Glukoseregulation und geringerer Entzündung, aber nicht mit besseren Blutfetten einher.“

„Über natürliche Lebensmittel kann man nur relativ geringe Mengen dieser speziellen RS zu sich nehmen. Eine andere Form von RS lässt sich aber durch das Abkühlen gekochter Stärkeprodukte, wie Kartoffeln, Nudeln oder Reis, erzeugen. Eine insgesamt ballaststoffreiche Ernährung mit Vollkornprodukten und Hülsenfrüchten als Energiequelle sowie viel Gemüse und etwas Obst ist in vielen Stoffwechselaspekten wirksamer und langfristig besser umsetzbar als ein Nahrungsergänzungsmittel. Wahrscheinlich wirken natürliche Ballaststoffquellen auch dann auf den Stoffwechsel, wenn man kein Gewicht verliert oder verlieren möchte.“

PD Dr. Olga Ramich

Leiterin der Forschungsgruppe Molekulare Ernährungsmedizin, Deutsches Institut für Ernährungsforschung (DIfE), Potsdam-Rehbrücke

Einordnung der Ergebnisse

„Resistente Stärken (RS) sind Stärken, die durch menschliche Verdauungsenzyme im oberen Dünndarm nicht abbaubar sind. Sie sind in Körnern, Samen und Hülsenfrüchten sowie in einigen stärkehaltigen Lebensmitteln, einschließlich rohen Kartoffeln und grünen (unreifen) Bananen, enthalten. RS werden auch gebildet, wenn bestimmte stärkehaltige Lebensmittel, wie Kartoffeln und Reis, gekocht und dann abgekühlt werden. Dies beeinflusst den glykämischen Index (GI) eines Gerichts und reduziert daher den postprandialen Glukoseanstieg (Glukoseanstieg nach dem Essen; Anm. d. Red.). Die Abkühlung stärkehaltiger Lebensmittel vor dem Verzehr wird deswegen oft im Rahmen einer Ernährungsberatung für Personen mit Diabetes empfohlen.“

„RS funktioniert ähnlich wie lösliche, fermentierbare Ballaststoffe und beeinflussen die Zusammensetzung der Darmflora und die Produktion kurzkettiger Fettsäuren durch das Darmmikrobiom [13] [14]. Auch positive Effekte von RS auf Insulinsensitivität und Blutglukosespiegel sind bekannt, obwohl Daten zu den Auswirkungen auf Blutlipide und Endothelfunktion eher limitiert sind [5] [15] [16].“

„Daten zur Gewichtsreduktion durch RS waren bisher widersprüchlich. Einige klinische Studien zeigten keine Auswirkungen von RS auf das Gewicht (siehe die im Paper zitierten Arbeiten), was unter anderem durch unzureichende Diätadherenz (Einhaltung der gemeinsam von Patient und Behandler gesetzten Therapieziele im Rahmen des Behandlungsprozesses; Anm. d. Red.) erklärt werden könnte. Andere Studien demonstrierten jedoch signifikante Gewichtsreduktionen und andere metabolische Vorteile.“

„Die neue Studie erweitert unser bestehendes Wissen zu den Effekten von RS. In der Studie führte die Supplementierung mit RS Typ 2 (Maisstärke) über acht Wochen im Vergleich zu Placebo (CS) zu Gewichtsabnahme – etwa minus 2,8 Kilogramm – und Verbesserung der Insulinresistenz bei übergewichtigen Personen, womit sie die Literaturdaten bestätigt. Die Stärken der Studie liegen in der ausführlichen Mikrobiom- und Metabolomanalyse sowie dem durch mechanistische tierexperimentelle Studien gewonnenen Nachweis, dass die metabolischen Vorteile von RS, zumindest teilweise, durch Veränderungen in der Darmmikrobiota verursacht werden. Es wurde unter anderem gezeigt, dass die durch RS induzierten Veränderungen in der Mikrobiota das Gallensäureprofil beeinflussen, Entzündungen reduzieren, die Darmbarriere wiederherstellen und die Lipidaufnahme hemmen. Die Studie zeigte auch, dass das Bakterium B. adolescentis eine wesentliche Rolle in der durch RS induzierten Gewichtsabnahme spielt, was eine neue Erkenntnis darstellt. Weiterhin demonstrierte die Studie, dass die durch RS induzierte Hemmung der Lipidabsorption und die Erhöhung des Angiopoietin-like 4 (ANGPTL4, ein Schlüsselenzym der Lipidabsorption) sowie die Veränderungen der FGF21-Sensitivität neue Mechanismen der RS-Wirkung sind.“

Aussagekraft der Studie

„Es handelt sich um eine doppelt geblindete, sorgfältig kontrollierte klinische Studie, die mehrere Aspekte berücksichtigt, die in vorherigen Studien entweder nicht oder ungenügend kontrolliert wurden. Insbesondere wurden alle Mahlzeiten für die Background-Diät während der gesamten Interventionsdauer den Teilnehmern zur Verfügung gestellt. Das Crossover-Design ist ebenfalls eine Stärke der Studie, da es ermöglicht, die Effekte beider Diäten beim gleichen Probanden zu vergleichen, wodurch interindividuelle Unterschiede keinen Einfluss auf die Ergebnisse der Studie haben. Außerdem zählen die durchdachten Mausversuche mit der fäkalen Mikrobiota-Transplantation (FMT) und der Monokolonisierung von keimfreien Mäusen mit B. adolescentis zu den Stärken der Arbeit.“

„Es bleibt jedoch unklar, warum genau die Rolle von B. adolescentis und nicht von anderen Bakterienspezies, die durch RS-Supplementierung beeinflusst werden, verfolgt wurde – wie zum Beispiel die Bakterienart R. bromii.“

Ursächlichkeit des Effekts

„Die Autoren haben mit den Mausversuchen nachgewiesen, dass der Effekt auf die Wirkung der Darmmikroben und nicht (oder nicht nur) auf die reduzierte Kalorienanzahl zurückzuführen ist. Tatsächlich zeigten adipöse Tiere nach der fäkalen Mikrobiota-Transplantation (FMT) von RS-Probanden ein reduziertes Gewicht, verbesserte Glukosetoleranz, verminderte Entzündung und Darmpermeabilität sowie erhöhte ANGPTL4-Spiegel. Ähnliche Veränderungen wurden durch die Monokolonisierungsversuche von keimfreien Mäusen mit B. adolescentis demonstriert.“

„Allerdings muss man beachten, dass in den Mausversuchen die fettreiche ‚Western-Diät‘ mit einem Fettanteil von 45 energy percent (E%) verwendet wurde, was nicht der in der Humanstudie verwendeten ‚gesunden Diät‘ gemäß den chinesischen und amerikanischen Richtlinien (25 bis 30 E% Fett, 15 bis 20 E% Protein, 50 bis 60 E% Kohlenhydrate) entspricht. Dies widerspricht auch dem Postulat der Autoren, dass RS nur in Kombination mit einer gesunden, fettarmen Diät positive Auswirkungen hat. Dieser Widerspruch wurde in der Arbeit nicht diskutiert.“

„Eine weitere Frage ist, warum die Teilnehmer nicht abgenommen haben und in keiner Weise metabolisch von der acht-wöchigen CS-Diät profitiert haben. Die Background-Diät war eine gesunde Diät mit relativ niedrigem Fettgehalt, die vermutlich auch hypokalorisch war, da der Kaloriengehalt basierend auf dem ,Idealgewicht‘ kalkuliert wurde. Der Maßstab des Kaloriendefizits (falls vorhanden) ist vermutlich in den Supplementinformationen angegeben, die derzeit nicht zugänglich sind. Es stellt sich die Frage, ob und warum die in den Richtlinien empfohlene Diät für übergewichtige Personen ohne Kombination mit RS nicht effektiv war.“

Erneute Gewichtszunahme

„Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Effekt nicht anhält, wenn die Supplementierung mit RS beendet wird. Dafür müssen die ‚richtigen‘ Bakterien ständig das entsprechende ‚Futter‘ durch den konstanten RS-Konsum erhalten. In der vorliegenden Studie konnte man sehen, dass die positiven Effekte von RS schon nach vier Wochen der Washout-Phase verschwinden. Deshalb betonen die Autoren die Wichtigkeit der Diätadhärenz, das heißt des täglichen Konsums von RS.“

Umsetzung im Alltag

„Es gibt zwei Möglichkeiten, die Ernährung mit RS zu ergänzen – entweder durch Lebensmittel oder durch Nahrungsergänzungsmittel in Form von Pulver oder Kapseln. Wie oben beschrieben, enthalten einige häufig konsumierte Lebensmittel viel davon. Dazu gehören auch Hafer, gekochte und dann abgekühlte Kartoffeln, grüne Bananen und verschiedene Hülsenfrüchte. Beispielsweise enthalten 100 Gramm gegarte Hülsenfrüchte etwa 10 Gramm RS, eine unreife Banane etwa 4,7 Gramm RS, eine halbe Tasse Vollkornhaferflocken etwa 4,6 Gramm RS und eine Scheibe Vollkornbrot etwa 1 Gramm RS. Eine gekochte und abgekühlte Kartoffel enthält etwa 3,2 Gramm RS. Dementsprechend wird es schwierig, die in dieser Studie verwendeten 40 Gramm RS pro Tag zu konsumieren. Auch der von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlene tägliche Konsum von 30 Gramm Ballaststoffen wird nur von einem kleinen Teil der deutschen Bevölkerung erreicht.“

„Daher wären zukünftige Studien interessant, um die Machbarkeit eines so hohen RS-Konsums unter ‚realen‘ Bedingungen mit einer ‚normalen‘ Ernährung über längere Zeiträume und in größeren Kohorten zu überprüfen.“

Dr. Siegfried Ussar

Direktor der Abteilung Adipozyten und Metabolismus (ADM), Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, München

Einordnung der Ergebnisse

„Es ist in der breiten Öffentlichkeit, sowie in der Wissenschaft gut etabliert, dass Ballaststoffe wie resistente Stärke einen positiven Effekt auf die Gesundheit haben. Der Großteil der Untersuchungen zeigt eine Verbesserung der Darmfunktion, vor allem durch eine Unterdrückung von Entzündungsreaktionen. Des Weiteren hilft eine ballaststoffreiche Nahrung bei der kalorienreduzierten Ernährung, was stets im Zentrum der Gewichtsreduktion steht. Neu an dieser Studie ist sicherlich die Identifizierung von einzelnen Bakterien, welche einen positiven Effekt auf die Gewichtsregulation haben. Der Haupteffekt der Gewichtsreduktion scheint über eine Reduktion der Fettaufnahme in den Körper zu erfolgen. Dies ist ein seit Jahren bestehendes, wenn auch nicht sehr effektives, Mittel zur Gewichtsreduktion.“

Auf die Frage, ob diese Studie mit 37 Teilnehmenden eindeutig zeigen kann, dass eine RS-Diät das Gewicht reduziert und sich positiv auf den Stoffwechsel auswirkt:
„Die kurze Antwort ist: ‚Nein‘. Die Zusammensetzung des Darmmikrobioms unterscheidet sich sehr stark zwischen einzelnen Menschen und ist durch diverse Faktoren beeinflusst wie Lebensstil, ethnische Zugehörigkeit und Medikamenteneinnahme. Dies ist wichtig, da die zu Beginn der Intervention vorhandenen Darmbakterien wesentlichen Einfluss auf die Effektivität der RS-Diät haben werden.“

„Wie die Autoren selbst schreiben, stellt die Studie jedoch einen interessanten Startpunkt für weiterführende größere, und vor allem ethnisch diversere Studien dar. Bei allem wissenschaftlichen Interesse an der Studie muss aber auch bedacht werden, dass eine Reduktion von weniger als drei Kilogramm in acht Wochen für eine effektive Adipositas-Therapie nicht ausreichend sein wird. Davon abgesehen spricht sicherlich nichts gegen eine erhöhte Einnahme von resistenter Stärke oder anderen Ballaststoffen, eventuell auch in Kombination mit anderen pharmakologischen und Lebensstil-Interventionen.“

Ursächlichkeit des Effekts

„Die Autoren haben versucht, die Kalorienzahl zwischen der Kontrollgruppe und der RS-Diät gleich zu halten. Sollte die resistente Stärke jedoch nicht als Zucker aufgenommen werden, würde sich ein Kalorienüberschuss in der Kontrollgruppe ergeben, was über die acht Wochen an die 14.000 Kilokalorien ergeben würde, was rund zwei Kilogramm des Gewichtverlustes erklären könnte. Es ist aber dennoch davon auszugehen, dass der Hauptteil des festgestellten Effektes über Änderungen im Darmmikrobiom und einer Reduktion der Fettaufnahme zustande kommt. Leider haben die Autoren nicht beschrieben, ob es durch die RS-Diät auch zu einer Änderung im Trinkverhalten kommt, was an sich auch einen Einfluss auf die Körpergewichtsentwicklung haben kann.“

Erneute Gewichtszunahme

„Es ist ganz klar zu erwarten, dass die Effekte bei Unterbrechung der RS-Diät nicht lange anhalten. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich die Darmmikrobiota wieder schnell auf eine veränderte Nahrungsaufnahme einstellen. Die für die positiven metabolischen Effekte verantwortlichen Bakterien werden so innerhalb von wenigen Tagen wieder verschwinden oder zumindest deren Anzahl sehr stark verringert.“

Umsetzung im Alltag

„Die von den Autoren verwendeten 40 Gramm RS pro Tag sind sicherlich nicht natürlich über die Nahrung aufzunehmen, da hierfür deutlich mehr als ein Kilogramm Reis, Kartoffeln oder Möhren pro Tag konsumiert werden müsste. Die Menge könnte man aber als Nahrungsergänzungsmittel in Form eines Shakes oder ähnlichem zu sich nehmen. Wie hoch die Menge an RS jedoch tatsächlich sein muss, um einen Effekt zu erzielen, ist noch unklar.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Prof. Dr. Christian Sina: „Co-Founder: Perfood GmbH, Lübeck. Scientific Advisor: Goodmills Innovation GmbH, Evonik AG, Blomenburg Holding, Novozymes A/S, Aphaia GmbH. Invited speaker: Sanofi, Janssen, Boehringer-Ingelheim, Ferring Pfizer, Novartis, Nutrimmun, Micobiotica. Non-academic research funding: Fresenius Kabi, Evonik, Euroimmun, Beiersdorf, Novozymes, Rousselot.”

Dr. Stefan Kabisch: „Ich erhielt Fördermittel des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung e.V. (DZD), der Deutschen Diabetes Gesellschaft, vom Almond Board of California, der California Walnut Commission, der Wilhelm-Doerenkamp-Stiftung, J. Rettenmaier & Söhne und Beneo Südzucker sowie persönliche Zuwendungen von Lilly Deutschland, Sanofi, Berlin Chemie, Boehringer-Ingelheim und der JuZo-Akademie.”

PD Dr. Olga Ramich: „Ich habe keine Interessenkonflikte.“

Dr. Siegfried Ussar: „Ich habe keine Interessenkonflikte.“

Primärquelle

Li H et al. (2024): Resistant starch intake facilitates weight loss in humans by reshaping the gut microbiota. Nature Metabolism. DOI: 10.1038/s42255-024-00988-y.

Literaturstellen, die von den Expertinnen und Experten zitiert wurden

[1] Wie J et al. (2022): The Effects of Resistant Starch on Biomarkers of Inflammation and Oxidative Stress: A Systematic Review and Meta-Analysis. Nutrition and Cancer. DOI: 10.1080/01635581.2021.2019284.

[2] Xiong K et al. (2021): Effects of resistant starch on glycaemic control: a systematic review and meta-analysis. The British Journal of Nutrition. DOI: 10.1017/S0007114520003700.

[3] Halajzadeh J et al. (2020) Effects of resistant starch on glycemic control, serum lipoproteins and systemic inflammation in patients with metabolic syndrome and related disorders: A systematic review and meta-analysis of randomized controlled clinical trials. Critical Reviews in Food Science and Nutrition. DOI: 10.1080/10408398.2019.1680950.

[4] Xiong K et al. (2021): Effects of resistant starch on glycaemic control: a systematic review and meta-analysis. The British Journal of Nutrition. DOI: 10.1017/S0007114520003700.

[5] Wang Y et al. (2019): Effects of the resistant starch on glucose, insulin, insulin resistance, and lipid parameters in overweight or obese adults: a systematic review and meta-analysis. Nutrition & Diabetes. DOI: 10.1038/s41387-019-0086-9.

[6] Halajzadeh J et al. (2020): Effects of resistant starch on glycemic control, serum lipoproteins and systemic inflammation in patients with metabolic syndrome and related disorders: A systematic review and meta-analysis of randomized controlled clinical trials. Critical Reviews in Food Science and Nutrition. DOI: 10.1080/10408398.2019.1680950.

[7] Wang Y et al. (2019): Effects of the resistant starch on glucose, insulin, insulin resistance, and lipid parameters in overweight or obese adults: a systematic review and meta-analysis. Nutrition & Diabetes. DOI: 10.1038/s41387-019-0086-9.

[8] Gao C et al. (2019): Resistant starch ameliorated insulin resistant in patients of type 2 diabetes with obesity: a systematic review and meta-analysis. Lipids in Health and Disease. DOI: 10.1186/s12944-019-1127-z.

[9] Snelson M et al. (2029): Metabolic Effects of Resistant Starch Type 2: A Systematic Literature Review and Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials. Nutrients. DOI: 10.3390/nu11081833.

[10] Jung DH et al. (2023): Resistant starch utilization by Bifidobacterium, the beneficial human gut bacteria. Food Science and Biotechnology. DOI: 10.1007/s10068-023-01253-w.

[11] Chen R et al. (2023): Meta-analysis reveals gut microbiome and functional pathway alterations in response to resistant starch. Food & Function. DOI: 10.1039/d3fo00845b.

[12] Metzler-Zebeli BU et al. (2019): Resistant starch reduces large intestinal pH and promotes fecal lactobacilli and bifidobacteria in pigs. Animal. DOI: 10.1017/S1751731118001003.

[13] Baxter NT et al. (2019): Dynamics of Human Gut Microbiota and Short-Chain Fatty Acids in Response to Dietary Interventions with Three Fermentable Fibers. mBio. DOI: 10.1128/mBio.02566-18.

[14] Upadhyaya B et al. (2016): Impact of dietary resistant starch type 4 on human gut microbiota and immunometabolic functions. Scientific Reports. DOI: 10.1038/srep28797.

[15] Kwak JH et al. (2012): Dietary treatment with rice containing resistant starch improves markers of endothelial function with reduction of postprandial blood glucose and oxidative stress in patients with prediabetes or newly diagnosed type 2 diabetes. Atherosclerosis. DOI: 10.1016/j.atherosclerosis.2012.08.003.

[16] Lockye S et al. (2017): Health effects of resistant starch. Nutrition Bulletin. DOI: 10.1111/nbu.12244.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Lockye S et al. (2017): Health effects of resistant starch. Nutrition Bulletin. DOI: 10.1111/nbu.12244.

[II] Kim MK et al. (2024): Resistant starch and type 2 diabetes mellitus: Clinical perspective. Journal of Diabetes Investigation. DOI: 10.1111/jdi.13139.

[III] König K et al. (2022): Resistente Stärke in der Ernährungsberatung: Reicht die Evidenz für eine Empfehlung? Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin.