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29.07.2019

Chinas Peak der CO2-Emissionen früher?

China könnte den Peak seiner nationalen CO2-Emissionen bereits früher als erwartet erreichen, zwischen 2021 und 2025. Um den Zielen des Pariser Klimavertrags gerecht zu werden, hatte das Land in seiner nationalen Selbstverpflichtung die Vorgabe formuliert, dieses Maximum spätestens im Jahr 2030 zu durchschreiten.

In der aktuellen Studie hat das Team um Haikun Wang die Entwicklung der CO2-Emissionen von 50 chinesischen Städten in den ersten 17 Jahren dieses Jahrhunderts untersucht. Sie fanden eine enge Verknüpfung zwischen diesen Emissionen und dem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf. Erreicht dieser Betrag eine Höhe von 21.000 US-Dollar, sind die CO2-Emissionen auf ihrem Maximum.

Mit den Daten aus den chinesischen Städten kann den Autoren zufolge die künftige Entwicklung der Emissionen im Land gut abgebildet werden: Ein Großteil der Menschen lebt dort in Städten, Stadtbewohner verbrauchen dreimal so viel Energie wie Landbewohner.

Die Ergebnisse sind im Fachjournal „Nature Sustainability“ publiziert worden (siehe Primärquelle).

 

Übersicht

  • Dr. Jan Steckel, Leiter der Arbeitsgruppe Klimaschutz und Entwicklung, Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change gGmbH (MCC), Berlin
  • Dr. Jakob Wachsmuth, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Competence Center Energiepolitik und Energiemärkte, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe

Statements

Dr. Jan Steckel

Leiter der Arbeitsgruppe Klimaschutz und Entwicklung, Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change gGmbH (MCC), Berlin

„Es ist eher zu bezweifeln, dass die Ergebnisse viel über die Emissionsentwicklung der nächsten Jahre sagen können. In den letzten Jahren hieß es immer mal wieder, der Emissionspeak sei erreicht – im Jahr 2018 sind die Emissionen aber wieder kräftig angestiegen.“

„So lange die chinesische Volkswirtschaft so stark von der Kohleverstromung abhängt, ist nicht von einer nachhaltigen und signifikanten Reduzierung der Emissionen auszugehen. Das wird auch keineswegs ein Selbstläufer. Vielmehr sind politische Weichenstellungen, wie zum Beispiel eine ausreichend hohe CO2-Bepreisung, notwendig.“

„Es lohnt zudem auch ein Blick auf die Nachbarschaft Chinas. Indien, Indonesien oder Vietnam planen weiterhin, ihre Kohlekraftwerke massiv auszubauen – und das sogar mit chinesischer Unterstützung. Dies würde hohe Emissionen über Jahrzehnte hinaus festschreiben und damit die im Pariser Vertrag vereinbarten Klimaziele unerreichbar machen.„Es ist eher zu bezweifeln, dass die Ergebnisse viel über die Emissionsentwicklung der nächsten Jahre sagen können. In den letzten Jahren hieß es immer mal wieder, der Emissionspeak sei erreicht – im Jahr 2018 sind die Emissionen aber wieder kräftig angestiegen.“

„So lange die chinesische Volkswirtschaft so stark von der Kohleverstromung abhängt, ist nicht von einer nachhaltigen und signifikanten Reduzierung der Emissionen auszugehen. Das wird auch keineswegs ein Selbstläufer. Vielmehr sind politische Weichenstellungen, wie zum Beispiel eine ausreichend hohe CO2-Bepreisung, notwendig.“

„Es lohnt zudem auch ein Blick auf die Nachbarschaft Chinas. Indien, Indonesien oder Vietnam planen weiterhin, ihre Kohlekraftwerke massiv auszubauen – und das sogar mit chinesischer Unterstützung. Dies würde hohe Emissionen über Jahrzehnte hinaus festschreiben und damit die im Pariser Vertrag vereinbarten Klimaziele unerreichbar machen.“

Dr. Jakob Wachsmuth

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Competence Center Energiepolitik und Energiemärkte, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe

„Die in der Studie angewandte Methodik kann als hinreichend fundiert und in der Wissenschaft wohletabliert angesehen werden. Die ermittelte künftige Entwicklung der CO2-Emissionen in 50 chinesischen Städten basiert auf Parametern, welche für eine Abschätzung des Erreichens des Emissionspeaks auf fünf Jahre genau hinreichend sein sollten. Problematischer ist die Hochrechnung der Ergebnisse für die Städte auf ganz China. Wie die Autoren selbst anmerken, kann es dabei durch Unsicherheiten in Bezug auf ländliche Regionen und die Dynamik der Urbanisierung zu relevanten Verzerrungen kommen. Außerdem ist zu beachten, dass die Studie nur Aussagen über die CO2-Emissionen aus der Nutzung fossiler Rohstoffe macht. Über die Entwicklung der zwar geringeren, aber ebenfalls relevanten Treibhausgasemissionen Chinas in anderen Bereichen, wie zum Beispiel der Landwirtschaft, wird nichts ausgesagt. Nichtsdestotrotz stellt die umfangreiche Datenauswertung der Studie eine wichtige Verbesserung der Datenlage in Bezug auf Chinas Emissionsentwicklung dar, welche bisher generell in einiger Hinsicht noch unzureichend ist.“

„Dass China seinen Emissionspeak sehr deutlich vor 2030 erreichen könnte, ist nicht grundsätzlich neu. China hat bei erneuerbaren Energien und Elektromobilität in den letzten Jahren eine Führungsrolle übernommen, wodurch Chinas Emissionen in den Jahren mit geringeren Wachstumsraten bereits stagniert haben. Ein zentraler Faktor bleibt also, inwieweit das chinesische Wirtschaftswachstum wieder erstarkt. Bei hohen Wachstumsraten wird Chinas Energiehunger umso größer. Dann wird China auch neben erneuerbaren Energien weiter stark auf Kohle setzen. Diese Möglichkeit hat sich China in seinem bisherigen nationalen Beitrag zum Pariser Abkommen (NDC) nicht verbauen wollen. Bei mehr Klarheit über die wirtschaftliche Entwicklung ist durchaus denkbar, dass sich China in der 2020 anstehenden Überarbeitung des NDC ein ambitionierteres Ziel setzt.“

„Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, ist es essenziell, den Emissionspeak in allen Ländern der Erde innerhalb von wenigen Jahren zu erreichen. Genauso wichtig ist, die Emissionen in der Folge schnell und nachhaltig zu reduzieren. Als grobe Faustregel dafür wurde eine Halbierung der Emissionen alle zehn Jahre formuliert [1]. Die positive Dynamik in China belegt, dass zumindest der Übergang zu solchen Entwicklungspfaden in naher Zukunft plausibel ist. Nichtsdestotrotz stellt die anschließend nötige rapide Verringerung der Emissionen eine enorme Herausforderung dar, bezüglich der es nicht nur in China sondern überall auf der Welt extremer Anstrengungen bedarf, so auch in Deutschland.“

„Die Erkenntnisse der Studie von Wang und Ko-Autoren sind grundsätzlich auch auf andere Länder übertragbar. Wann der Emissionspeak erreicht wird, hängt allerdings dabei stark vom jeweiligen Entwicklungsniveau ab. Viele hochentwickelte Länder, wie die USA und Deutschland, haben den Peak entsprechend bereits erreicht. Für die meisten Schwellen- und Entwicklungsländer würde dies hingegen einen noch späteren Emissionspeak als in China bedeuten, was nur schwer verträglich mit den Zielen des Pariser Abkommens ist. Daher ist es sehr wichtig, dass diese Länder die fossile Entwicklungsphase weitestgehend überspringen, so wie China es aktuell beim Verkehr mit der Elektromobilität vormacht. Um dies zu unterstützen, haben sich die entwickelten Länder im Pariser Abkommen zu finanzieller Unterstützung verpflichtet, die es nun auch tatsächlich zur Verfügung zu stellen gilt.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Alle: Keine angegeben.

Primärquelle

Wang H et al. (2019): China’s CO2 peak before 2030 implied from characteristics and growth of cities. Nature Sustainability; DOI: 10.1038/s41893-019-0339-6. 

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Rockström J et al. (2017): A roadmap for rapid decarbonization. Science Vol. 355, Issue 6331, pp. 1269-1271. DOI: 10.1126/science.aah3443