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19.03.2018

Bewegung weißer Blutkörperchen ermöglicht schnelle Sepsis-Diagnose

Bewegungsmuster von weißen Blutkörperchen in einem Labyrinth sollen bei der schnellen Diagnose von Blutvergiftungen helfen können. Ein neuer Diagnose-Test soll innerhalb von circa 4,5 Stunden anhand eines einzigen Blutstropfens des Patienten Auskunft geben, ob eine Sepsis vorliegt oder nicht. Den Test präsentiert eine Forschergruppe aus Boston im Fachjournal „Nature Biomedical Engineering“ (siehe Primärquelle).

Ein verdünnter Blutstropfen eines Patienten wird dazu in die Mitte einer speziellen Testvorrichtung gegeben, umgeben von kleinen Labyrinthen aus feinen Gängen. Zwischen der Blutkammer in der Mitte und den Labyrinthgängen befindet sich eine Membran, die nur bestimmte weiße Blutkörperchen des Immunsystems, die sogenannten neutrophilen Granulozyten, durchlässt. Diese Zellen wandern in den Gängen umher und am Muster und der zurückgelegten Strecke lässt sich ablesen, ob eine Sepsis vorliegt oder nicht.

Dieser neue Sepsis-Score basiert auf Berechnungen eines Machine-Learning-Algorithmus, der mit einem ersten Set an Blutproben von Patienten auf die Bewegungen der Blutzellen trainiert wurde. Anschließend wurde die Testleistung in einer Fall-Kontroll-Studie überprüft. Mit einer Sensitivität von 97 Prozent und einer Spezifität von 98 Prozent ist der Test offenbar viel zuverlässiger als die gängigen Sepsis-3 Diagnosekriterien, gegen die er getestet wurde.

Statement

Prof. Dr. Michael Bauer

Sprecher des Center for Sepsis Control and Care (CSCC), Universitätsklinikum Jena

„Die Arbeitsgruppe um Felix Ellett nutzt Bewegungsmuster von weißen Blutkörperchen in einem Labyrinth, um die Diagnose der Sepsis – also Blutvergiftung – zu vereinfachen und zu beschleunigen. Hintergrund ist die durch Bakterien ausgelöste Wanderung – die sogenannte Chemotaxis – zu einem Erkrankungsherd. Durch Gradienten von Molekülen, die das Immunsystem am Ort des Geschehens ausschüttet, werden weitere Immunzellen angelockt.“

„Die Studie stellt einen interessanten Ansatz vor, um die Diagnose einer Sepsis, die zeitkritisch und schwierig ist, zu verbessern. Limitiert wird diese Strategie allerdings durch die Tatsache, dass unser Immunsystem prinzipiell ähnlich auf unterschiedlichste Stressereignisse reagiert. Die ‚erste Verteidigungslinie‘, die weißen Blutkörperchen, reagieren genauso mit Wanderungsbewegungen auf einen Gewebeuntergang durch ein chirurgisches Trauma oder Durchblutungsstörungen – zum Beispiel nach einem Infarkt – wie auch auf bakterielle Infektionen. Damit teilt dieses Verfahren die Unschärfe aller Tests, die Entzündungsantworten erfassen wollen. Genau deshalb wird daher auch dieser Test das grundsätzliche Dilemma der Unterscheidung unterschiedlicher Krankheitsprozesse – Infektion versus sterile Entzündung – nicht grundsätzlich verbessern können.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Keine angegeben.

Primärquelle

Ellett F et al. (2018): Diagnosis of sepsis from a drop of blood by measurement of spontaneous neutrophil motility in a microfluidic assay. Nature Biomedical Engineering. DOI: 10.1038/s41551-018-0208-z.

Weitere Recherchequellen

Weis S et al. (2017): Sepsis – neue Definition, neue Kontroversen. Epid Bull; 37: 415-419. DOI: 10.17886/EpiBull-2017-049.2.