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08.10.2021

Auswirkungen industrieller Fischerei auf den Klimawandel

Die industrialisierte Fischerei hat neben der Belastung der marinen Ökosysteme auch immense Auswirkungen auf die klimarelevanten Kohlenstoffkreisläufe in den Meeren und auf die Sauerstoffverfügbarkeit in größeren Tiefen. Vor allem der Kot der Fische spielt beim Kohlenstoff-Transport in die Tiefe eine entscheidende Rolle. Dieser sinkt mit hoher Geschwindigkeit ab – etwa 1 000 Meter pro Tag. Dabei werden immense Mengen Kohlenstoff CO2 transportiert und dann für mehrere einhundert Jahre am Meeresgrund gespeichert. Der Fischfang hat also nicht nur die Menge Fisch, sondern mit ihr auch die absinkende Menge der Ausscheidungen so sehr reduziert, dass weniger CO2 in den Meeren gespeichert wird, die eine wichtige Rolle als Kohlenstoffsenke im Klimasystem spielen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Team um Daniele Bianchi von der University of California in Los Angeles und präsentiert mit ihrer Arbeit wichtige Zusammenhänge, die bisher kaum untersucht wurden. Die Studie ist im Fachjournal „Science Advances“ (siehe Primärquelle) erschienen.

Die negativen Auswirkungen des massiven Fischfangs werden bisher meist im Zusammenhang mit der Überfischung von Beständen und der Stabilität von marinen Ökosystemen diskutiert. Die Folgen für die biogeochemischen Kreisläufe im Meer und damit auch für die CO2-Speicherung in den Ozeanen haben bisher kaum Aufmerksamkeit erfahren. Die Verteilung des Kohlenstoffs in größere Tiefen erfolgt über die so genannte Kohlenstoffpumpe, die aus zwei unterschiedlichen Systemen besteht: dem physikalischen und dem biologischen. Die physikalische Kohlenstoffpumpe verfrachtet gelöstes CO2 mit absinkenden Wassermassen in die Tiefe. Die biologische Pumpe beschreibt das Absinken von organischen Substanzen, etwa abgestorbenen Pflanzen, Plankton und Tieren und den Ausscheidungen der Lebewesen, also zum Beispiel auch Fischkot. Es wird geschätzt, dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre ohne diese biologische Pumpe 150 bis 200 ppm höher wäre, als sie tatsächlich ist, sowohl vorindustriell als auch aktuell – zur Orientierung: vorindustriell lag die Konzentration bei 280 ppm, aktuell bei 415 ppm.

In den Ozeanen ist etwa 45 mal mehr CO2 gespeichert als in der Atmosphäre und 20 mal so viel wie an Land in Vegetation und Böden. Das Kohlendioxid wird zum einen physikalisch im Wasser gelöst und zum anderen über die Photosynthese von Phytoplankton in Biomasse umgewandelt. Dieses Phytoplankton wird von Zooplankton konsumiert und landet schließlich über die Nahrungsnetze in den Fischen. Mit den Ausscheidungen und Kadavern der Fisch werden große Mengen Kohlendioxid in die Tiefe transportiert und sind dann dort für mehrere Jahrhunderte dem Kreislauf entzogen.

Für ihre Studie entwickelten die Forschenden ein globales marines Ökosystemmodell und legten dabei zahlreiche Annahmen mit zum Teil erheblicher Spannbreite zu Grunde. So unterscheiden sich etwa die Abschätzungen zur weltweiten Fisch-Biomasse um den Faktor 50. Zudem spiegeln die in der Studie verwendeten Daten die Umweltbedingungen in den Jahren mit den größten Fangmengen wider. Die Wissenschaftler schätzen, dass in Jahren mit maximalen Fangmengen die Biomasse der befischten Arten um mehr als die Hälfte reduziert wurde. Sie berücksichtigen dabei alle Fänge in der Größenordnung 10 Gramm bis 100 Kilogramm Körpergewicht inklusive angelandeter Wirbelloser wie etwa Tintenfischen. Dann untersuchten sie die damit verbundenen Auswirkungen auf die biogeochemischen Kreisläufe im Meer. Die Ergebnisse zeigen, dass die aktuell befischten Arten vorindustriell zehn Prozent des biologischen Materials produzierten, das als Fäkalien zum Meeresboden abgesunken ist und sich dies durch die Fischerei bis in die 1990er Jahre um fast die Hälfte reduziert hat.

Die von uns befragten Expertinnen und Experten – auch von einigen, die keine Zeit für ein umfassendes Statement hatten – hoben hervor, dass die Untersuchung dieses Zusammenhangs neu und hochspannend ist.

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Nicolas Gruber, Leiter des Instituts für Biogeochemie und Schadstoffdynamik, Department Umweltsystemwissenschaften, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ), Zürich, Schweiz
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  • Prof. Dr. Sinikka Lennartz, Juniorprofessorin für Biogeochemische Ozeanmodellierung, Institut für Chemie und Biologie des Meeres, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, und zur Zeit Department of Earth, Atmospheric and Planetary Sciences, Massachusetts Institute of Technology, Massachusetts, USA
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  • Dr. Rainer Froese, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Marine Evolutionsökologie, Forschungsbereich Marine Ökologie, Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR), Kiel
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  • Dr. Gerd Kraus, Leiter des Instituts für Seefischerei, Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei, Braunschweig
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  • Dr. Karl-Michael Werner, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich Lebende Meeresressourcen, Institut für Seefischerei, Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei, Braunschweig
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  • Dr. Andreas Neumann, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilunb Aquatische Nährstoffkreisläufe, Institut für Kohlenstoff-Kreisläufe, Helmholtz Zentrum Hereon, Geesthacht
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  • Dr. Helmuth Thomas, Leiter des Instituts für Kohlenstoffkreislauf und der Abteilung Mariner Kohlenstoffkreislauf, Helmholtz Zentrum Hereon, Geesthacht, und Professor am Department of Oceanography, Dalhousie University, Halifax, Kanada
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  • Prof. Dr. Eric Achterberg, Leiter der Arbeitsgruppe Biogeochemie der Wassersäule im Forschungsbereich Marine Biogeochemie, Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR), Kiel
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Statements

Prof. Dr. Nicolas Gruber

Leiter des Instituts für Biogeochemie und Schadstoffdynamik, Department Umweltsystemwissenschaften, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ), Zürich, Schweiz

„Die Methodik der Studie ist solide, da sie auf Grundprinzipien der Biologie, Ökologie und Biogeochemie aufbaut. Die schwache Datenlage zwingt die Autoren aber, viele Annahmen zu machen. Viele von diesen versuchen sie einzugrenzen, in dem sie durch Monte Carlo Simulationen zuerst deren Einfluss und dann mit Hilfe der verfügbaren Daten die plausiblen Lösungen bestimmen. Die Bestimmung der Fischbiomasse und deren Änderung ist daher als gute quantitative Schätzung zu werten.“

„Bei den Implikationen in Bezug auf die Biogeochemie und die Sauerstoffänderungen geht es dann eher ins semi-quantitative hinein, da dieser Teil in keiner Weise durch Daten unterstützt wird. Nichtsdestotrotz bewerte ich diese Resultate als äußerst spannend und wichtig. Sie zeigen zum ersten Mal auf, welchen Beitrag die Fische für die biogeochemischen Kreisläufe im Ozean leisten. Zentrale, neu bestimmte Größen sind zum Beispiel der Anteil der Primärproduktion, der von den Fischen konsumiert wird und wie dieser Prozentsatz regional variiert. Daraus lässt sich dann ableiten, wie die Fische den Export von organischem Kohlenstoff treiben, und welche Sauerstoffveränderungen wir in der Tiefe als Folge dieses Exports erwarten können. Ich betrachte diese Abschätzungen als gut fundierte und stimulierende Hypothesen, die nun in weitergehenden Studien verifiziert oder falsifiziert werden müssen.“

Auf die Frage, inwiefern waren die Auswirkungen des Fischfangs auf die Kohlenstoffpumpe und andere marine, biogeochemische Kreisläufe bisher bekannt waren:
„Diese Studie hat uns diesbezüglich die Augen geöffnet. Bis jetzt hat sich niemand mit dieser Frage auseinandergesetzt. Daher ist diese Studie äußerst stimulierend, auch wenn die Aussagen wohl eher nur semi-quantitativ sind. Besonders spannend finde ich die Hypothese, dass die Abnahme der Fischpopulation durch die Befischung möglicherweise der durch den Klimawandel verursachten Deoxygenation (Sauerstoffverlust) im Meer entgegengewirkt haben könnte.“

„Die Autoren haben meiner Meinung nach in Bezug auf die Bestimmung der Fischmasse einen großen Schritt nach vorne gemacht. Sie haben deutlich mehr Theorie und Daten verwendet als die meisten anderen Studien. Daher traue ich dieser Abschätzung durchaus. Wie erwähnt, ist die Übertragung dieser Erkenntnisse auf die marine Biogeochemie dann eher etwas unsicherer, insbesondere was die Sauerstoffzehrung betrifft. Das hängt damit zusammen, dass die Autoren annehmen, dass die Partikel viel schneller absinken als die ‚normalen‘ (etwa abgestorbenes Plankton; Anm. d. Red.). Das ist eine fundierte und nachvollziehbare Annahme, aber es gibt keine Daten, die das stützen würden. Wenn dem nicht so wäre, dann wäre der (relative) Einfluss auf die Sauerstoffverteilung viel kleiner – etwa vier Prozent entsprechend der Menge der Netto-Primärproduktion, die von Fischen konsumiert wird.“

Auf die Frage, welche Rolle die Einträge von Meeressäugern und -vögeln für den biogeochemischen Kreislauf spielen:
„Da sie Säuger und Meeresvögel noch weiter oben in der Nahrungskette sitzen, ist der Prozentsatz der Netto-Primärproduktion, der durch sie global verarbeitet wird, noch kleiner. Daher sehe ich hier kein so großes Potenzial für eine Veränderung der Perspektive, was die biologische Pumpe betrifft.“

Auf die Frage, was die Ergebnisse der Studie bedeuten für die Menge des gespeicherten Kohlenstoffs und für die Rolle der Meere als Kohlenstoffsenke:
„Hier muss man sehr aufpassen. Die biologische Pumpe – ob klassisch über Phyto- und Zooplankton oder nun auch über die Fische – ist global (fast) balanciert und führt daher zu keiner ‚Senke‘. Die heutige Netto-CO2-Senke des Ozeans ist fast ausschließlich eine Folge der chemisch-physikalischen Lösung von CO2 im Meerwasser.“

„Nun ist es tatsächlich so, dass eine Veränderung der biologischen Pumpe zu einem Freiwerden von im Ozean gespeicherten CO2 führen kann. Der Beitrag der Veränderung der Fischbiomasse für dieses ‚Freispielen‘ ist aber sehr klein, denn die biologische Pumpe hat weiterhin das CO2 gebunden und in die Tiefe exportiert, nur weniger tief. Es ist also nur diese Exporttiefe, die sich verändert haben könnte. Diese Veränderung hat aber nur einen reduzierten Einfluss auf den CO2-Austausch über die Wasseroberfläche, da diese zuerst an die Oberfläche gelangen muss, was erst nach vielen Jahrzehnten der Fall sein wird. Daher sehe ich mögliche Veränderungen der Fischbiomasse nicht als wichtigen Treiber für die Veränderungen der CO2-Senke des Ozeans in den nächsten Jahrzehnten an. Die Erwärmung und mögliche Veränderungen der Zirkulation werden viel wichtiger sein.“

Prof. Dr. Sinikka Lennartz

Juniorprofessorin für Biogeochemische Ozeanmodellierung, Institut für Chemie und Biologie des Meeres, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, und zur Zeit Department of Earth, Atmospheric and Planetary Sciences, Massachusetts Institute of Technology, Massachusetts, USA

„Die Studie rückt eine bisher wenig beachtete Verbindung zwischen Überfischung und Kohlenstoffspeicherung im Meer in den Fokus. In den globalen Ozeanmodellen, deren Simulationen unter anderem im Sachstandsbericht des Weltklimarates IPCC verwendet werden, werden Fische üblicherweise nicht explizit betrachtet. Andererseits wird in Fischereimodellen oft die Biogeochemie – also zum Beispiel der Kohlenstoffkreislauf im Meer – stark vereinfacht. Eine Entwicklung hin zu Ozeanmodellen, die das gesamte Ökosystem von Algen bis hin zu Fischen umfassen, wird aktuell vermehrt diskutiert [zum Beispiel [1]].“

„Bisher gibt es nur sehr wenige Studien, die den Einfluss von Fischen auf die Biogeochemie des Ozeans untersucht haben. Diese deuten aber auf einen signifikanten Einfluss auf den Transport von organischer Substanz in Form von Partikeln zwischen Oberfläche und Tiefsee durch Fische hin [1]. Es ist daher plausibel, dass eine starke Änderung der Fischbiomasse durch Überfischung auch eine Änderung dieses Partikeltransportes und damit der Kohlenstoffspeicherung nach sich zieht. Eine exakte Quantifizierung auf die Kohlenstoffspeicherung im Meer ist jedoch noch mit großen Unsicherheiten behaftet.“

„Um Modellrechnungen auf globaler Ebene durchführen zu können, sind immer Vereinfachungen notwendig, die jedoch auch zu Unsicherheiten der quantitativen Abschätzungen führen. Als wesentliche Unsicherheit ist hervorzuheben, dass ökologische Rückkopplungseffekte in dieser Abschätzung nicht berücksichtigt wurden. Nahrungsnetze im Ozean sind eng verknüpft – zum Beispiel beeinflusst die Fischbiomasse die Biomasse von Algen und Krebstieren sowie deren Artenzusammensetzung, was sich wiederum auf den Partikelfluss auswirken kann [2].“

„Eine Einordnung des in der Studie beschriebenen Partikeltransports zwischen Oberfläche und Tiefsee muss im Kontext anderer natürlicher Kohlenstoff-Speichermechanismen im Ozean erfolgen. Diese Studie beziffert den Anteil von Fischpellets mit zehn Prozent gemessen an der Gesamtheit der sinkenden organischen Partikel, zu denen außer Fischpellets auch abgestorbene Zellen von Algen und kleinen Krebstieren sowie deren Ausscheidungsprodukte gehören. Neben diesem Speichermechanismus wird Kohlenstoff zusätzlich als CO2 beziehungsweise als Karbonat gelöst durch die Umwälzung der Wassermassen in die Tiefe transportiert oder als gelöste organische Substanz über tausende Jahre gespeichert, was den hier abgeschätzten Anteil von Fischpellets gemessen an der gesamten Kohlenstoffspeichermenge pro Jahr relativiert. Insgesamt speichert der Ozean etwa 45 mal mehr Kohlenstoff als die Atmosphäre [3]. Eine Reduktion der Menge absinkender Partikel während eines Jahres mit maximalen Fängen darf also nicht missverstanden werden als eine solche Reduktion des Kohlenstoffspeichers im gleichen Zeitraum.“

„Insgesamt zeigt die Studie menschliche Einflussfaktoren auf marine Ökosysteme auf, die intuitiv nicht sofort offensichtlich sind. Sie unterstreicht damit noch einmal, dass der menschliche Einfluss auf Umweltsysteme komplex ist und gleichzeitig an mehreren Stellen – auch unvorhergesehen – wirkt. Globale Probleme wie Klimawandel und Überfischung sollten daher nicht getrennt, sondern ganzheitlich betrachtet werden.“

Dr. Rainer Froese

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Marine Evolutionsökologie, Forschungsbereich Marine Ökologie, Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR), Kiel

„Die Erkenntnis, dass Fischkot zur Ablagerung von Kohlenstoff am Meeresboden führt, ist nicht neu, hat aber erst kürzlich wieder Beachtung gefunden. Die Quantifizierung in dieser Studie ist neu und wertvoll.“

„Die Rolle der globalen Fischerei als Kohlenstoff-Quelle ist ebenfalls erst seit Kurzem in der Diskussion. Diese Studie leistet einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis. Überfischung schadet nicht nur den Beständen, Ökosystemen, Fischereien und Konsumenten, sie ist auch ein Beitrag zum Klimawandel. Stattdessen müsste Fischerei so umgestaltet werden, dass die Kohlenstoff-Aufnahme der Meere maximiert wird.“

„Die Angabe der Unsicherheit bei globalen Bestandsabschätzungen in der Studie ist etwa richtig. Die Autoren berücksichtigen dies bei ihren Aussagen.“

„Marine Ökosysteme sind bisher nur bedingt verstanden. Es ist aber bereits klar, dass ungestörte Systeme wesentlich widerstandsfähiger sind und mehr Kohlenstoff aufnehmen und ablagern können."

„Wir müssen Überfischung endlich und dringend beenden, nicht nur zum Wiederaufbau von Beständen, Ökosystemen, Nahrungsversorgung, und profitablen Fischereien, sondern auch zur Verlangsamung des Klimawandels.“

Dr. Karl-Michael Werner

Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich Lebende Meeresressourcen, Institut für Seefischerei, Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei, Braunschweig

Dr. Gerd Kraus

Leiter des Instituts für Seefischerei, Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei, Braunschweig

„Der spannende und neue Aspekt der Studie ist die Erweiterung der biogeochemischen Modelle um den Fischerei-Aspekt. Das ist in dieser Form auf globaler Skala bisher nicht vorhanden. Das grundlegende Wissen, um die durch Fischerei entnommenen Mengen an Biomasse ist nicht neu, genauso wenig wie das zumindest qualitative Wissen um die Bedeutung der Fische für die Stoffkreisläufe. Die retrospektive Berechnung der befischten Fischbiomasse entspricht den Erwartungen. Immer wieder diskutiert wird allerdings die Größenordnung der unbefischten Biomasse in den Ozeanen. Hier gibt es nach wie vor sehr große Unsicherheiten und die Abschätzungen schwanken, zudem hat man es mit dem ‚shifting baseline‘ Problem zu tun. Die Abschätzungen der Studie bewegen sich hier in einem mittleren Bereich. Insofern scheint man hier nicht zu völlig anderen Ergebnissen gekommen zu sein.“

„Die Methodik der Studie scheint der Fragestellung angemessen und zielführend. Durch die starken Vereinfachungen kommen diese Modellberechnungen mit sehr großen Unsicherheiten daher, die jedoch von den Autoren angegeben werden. Ich stimme zu, dass das Problem eher qualitativ abgebildet wird, was auch auf die Botschaft der Studie zutrifft, die eher ein wichtiges Thema in den Mittelpunkt rückt, als regional angepasste belastbare Ergebnisse zu liefern. Im Bezug zu früheren Abschätzungen liegen die Ergebnisse von Bianchi et al. aber in realistischen Bereichen, allerdings mit starken Unsicherheiten.“

„Prinzipiell ist es nicht neu, dass die Fischerei die Größen- und Artzusammensetzung der Fischfauna verändert. Das Fische auch Teil der biogeochemischen Kreisläufe in den Ozeanen sind und zum Beispiel über die Fäkaline-Pellets den Transport von Kohlenstoff in die Tiefe und damit die Kohlenstoffpumpe beeinflussen, ist ebenfalls nicht neu, nur wurden die Fische bisher selten in den Modellen erfasst. Somit konnte zumindest auf einer globalen Skala bisher auch nicht quantifiziert werden, welche Auswirkungen die Entnahme durch Fischerei auf die Stoffkreisläufe hat. Da viele der Modelleingangsparameter mit großen Unsicherheiten behaftet sind, sind es aber auch die Modellergebnisse.“

„Meines Erachtens wird in dem Paper nur unzureichend diskutiert, in welchem Zusammenhang die Auswirkungen der direkten Entnahme von Fischen auf die Kohlenstoffkreisläufe mit den Auswirkungen des Fehlens von Fäkalien-Pellets durch fischereiliche Entnahme stehen und damit den Kohlenstoffexport in die Tiefsee und die langfristige Bindung in den Tiefseesedimenten beeinflussen. Dies hat auch Auswirkungen auf die Nahrungsverfügbarkeit in der Tiefsee, was wiederum die Artenzusammensetzung beeinflusst. Wie sich beide Prozesse auf die Kohlenstoffgesamtbilanzen auswirken, bleibt unklar – das liegt sicher auch daran, dass es nicht ganz trivial ist, mit den entnommenen Fischen den Weg des Kohlenstoffs an Land zu verfolgen. Zu einem gewissen Grad dürften sich aber beide Prozesse bezogen auf Wegfall von Kohlenstoff aus den Stoffkreisläufen im Meer neutralisieren.“

„Wie gravierend die Auswirkungen der Fischerei tatsächlich auf die Stoffkreisläufe regional sind, muss für jedes Meer beziehungsweise Gebiet separat berechnet werden, um regionale Unterschiede zu adressieren und Modelle anzupassen.“

„Die Abschätzungen globaler Fangmengen sind mit hohen Unsicherheiten versehen. Die Welternährungsorganisation FAO stützt ihre Berechnungen auf etwa 500 Bestände von etwa 1 500 genutzten Beständen weltweit. Die 500 Bestände enthalten aber den weitaus größten Anteil der genutzten Biomasse. Da es keine global verlässlichen Standards für die Meldesysteme gibt, sind auch die Berechnungen der FAO mit großen Unsicherheiten behaftet. Unabhängige Schätzungen der globalen Fangmengen kommen auf etwa 25 Prozent höhere Werte als die FAO. Die FAO arbeitet allerdings seit Jahrzehnten konsistent daran, die Datenqualität mit der Hilfe von Fachleuten vor Ort zu verbessern. Der Vergleich mit Jahren der maximalen Fangmenge – wie in der Studie – führt natürlich dazu, dass nur die extremsten Werte verglichen werden, wovon man auch die extremsten Resultate erwarten kann. Dies spiegelt sicherlich nicht die gesamte Zeitserie der Simulationen wider.“

„Die Abschätzungen der globalen Fischbiomasse sind im Vergleich zu den Abschätzungen der globalen Fangmengen mit deutlich größeren Unsicherheiten behaftet! In der Konsequenz sind auch die modellgestützten Abschätzungen der Reduktion der Fischbiomasse durch Fischerei mit extremen Unsicherheiten behaftet und es stellt sich die Frage, wie seriös die Aussage in der Zusammenfassung der Studie ist, dass der Fischereieinfluss auf die Stoffkreisläufe in den Meeren vergleichbar mit dem Einfluss des anthropogenen Klimawandels ist. In diesen Kontext gehören auch die globalen Abschätzungen zu dem Einfluss des Klimawandels auf Stoffkreisläufe, die vermutlich ebenfalls mit großen Unsicherheiten behaftet sind. Insofern ist der direkte Vergleich wohl eher als grober Richtwert zu sehen, kann sich aber in der Zukunft noch maßgeblich in die eine oder andere Richtung verändern, wenn präzisere Abschätzungen verfügbar sind.“

„Ein Hauptproblem der Studie ist also die Abschätzung des Ausgangszustands der unbefischten Biomasse, und es ist völlig klar, dass durch den Eingriff der Fischerei sich Räuber-Beute Verhältnisse ändern und eventuell die Gesamtbiomasse an Fisch gar nicht unbedingt um die Menge an entnommenen Fisch vermindert ist – hier kann man dies auch mit Pauly’s ‚fishing down food webs‘-Theorie vergleichen [4]. Solche Betrachtungen werden in der vereinfachten Modellbetrachtung nicht wirklich berücksichtigt. Darüber hinaus wird auch die wirksame Regulation von Fangmengen – wie sie beispielsweise schon in der EU oder Nordamerika stattgefunden hat –, mit Sicherheit Auswirkungen auf die biogeochemischen Kreisläufe in diesen Gebieten haben, die in der Studie Bianchi et al. nicht abgebildet wurden. Dies schlägt sich vor allem in der Wahl, das Jahr mit dem maximalen Fang als Vergleichswert zu nehmen, nieder. In der EU wurden seit Anfang der 2000er Jahre die Fänge konsequent reduziert und gleichzeitig nahm die Biomasse zu, wodurch sich auch die biogeochemischen Auswirkungen wieder geändert haben müssen.“

„Daher sind die Ergebnisse auch eher als Indizien für ein mögliches Defizit in den bisherigen Modellen anzusehen, als sie als belastbare Zahlen zum Einfluss der Fischerei auf die Stoffkreisläufe zu nehmen. Die Abschätzungen von Bianchi et al. liegen aber immerhin in Bereichen früherer Abschätzungen und zeigen auf, dass grundlegendes Wissen in diesem Bereich Mangelware ist. Somit bringen die Autoren der aktuellen Studie ein zukunftsweisendes Thema auf die internationale wissenschaftliche Agenda.“

„Regional bedürfte es aber einer feineren Herangehensweise, um beispielsweise herauszufinden, wie sich die Fischerei in der Nordsee auf biogeochemische Kreisläufe ausgewirkt hat. Wie die Entwicklung von Beutefischen als Reaktion auf dezimierte Räuberbestände die biogeochemischen Kreisläufe beeinflusst, müsste ebenfalls auf differenzierter, regionaler Ebene betrachtet werden, dies ist nicht Teil der Studie.“

Auf die Frage, inwiefern verschiedene Meeresregionen unterschiedlich stark ins Gewicht fallen und inwiefern die Studie dies abbildet:
„Soweit wir das verstehen, wurden die einzelnen großen marinen Ökosysteme separat und individuell betrachtet. Deswegen sollten einige nicht stärker ins Gewicht fallen als andere.“

Auf die Frage, was die Ergebnisse der Studie bedeuten für die Menge des gespeicherten Kohlenstoffs und für die Rolle der Meere als Kohlenstoffsenke:
„Hier wird die Frage wieder relevant, inwieweit die Abschätzungen der Biomassenreduktion überhaupt belastbar sind. Der zweite Aspekt ist die Frage, inwieweit die Entnahme von Fisch nicht deutlich mehr Kohlenstoff zumindest aus den Stoffkreisläufen im Meer entfernt, als die Sequestrierung von Fäkalien-Pellets. Es stellt sich aber dann natürlich die Frage, was mit diesem Kohlenstoff an Land passiert und wie und wann es über die dortigen Kreisläufe wieder im Meer landet.“

Dr. Andreas Neumann

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilunb Aquatische Nährstoffkreisläufe, Institut für Kohlenstoff-Kreisläufe, Helmholtz Zentrum Hereon, Geesthacht

Auf die Frage, inwiefern die Auswirkungen des Fischfangs in dieser Größenordnung bekannt waren:
„Man hätte es zumindest wissen können. Geläufig ist zumindest, dass Fäkalien-Pellets von zum Beispiel Ruderfußkrebsen, Salpen (frei schwimmende Meerestiere mit einem tonnenförmigen Aussehen; Anm. d. Red.) und Pfeilwürmern erheblich zur Bündelung von Planktonalgenbiomasse beitragen und deren Sinkgeschwindigkeit erhöhen. Wenn die organischen Partikel schneller durch die Wassersäule fallen, kommen sie auch weniger abgebaut unten an. Ich habe Sedimente in Fjorden gesehen, die praktisch zur Hälfte aus frischen, gut erkennbaren Fäkalien-Pellets bestanden. Interessant ist die Abschätzung der Größenordnung des Anteils der Fischfäkalien auf diesen Prozess, und wie er durch Fischerei beeinflusst wird.“

Auf die Frage, inwiefern die Folgen für die marine Biogeochemie überhaupt sinnvoll ermittelt werden können, wenn bereits die Schätzungen der globalen Fisch-Biomasse um den Faktor 50 variieren:
„Die Autoren haben sich Mühe gegeben, Modellergebnisse mit unrealistischen oder unplausiblen Ergebnissen auszufiltern. Da die Modellergebnisse zum Beispiel auch durch die Primärproduktion begrenzt wurden, habe ich keinen Anhaltspunkt die Ergebnisse anzuzweifeln.“

Auf die Frage, inwiefern die globalen Fangmengen verlässlich zu evaluieren sind:
„Gar nicht. Bei dem Ausmaß der undokumentierten Fischerei (Piratenfischer) und Beifang sind alle Schätzungen bestenfalls grob.“

Auf die Frage, ob die Effekte überschätzt werden könnten, da sich die Beutetiere der befischten Arten stärker vermehren und so zumindest Teile der Biomasse- und Stoffwechselverluste ausgleichen:
„Schwer zu sagen, da Fische sehr verschieden sein können in Bezug auf ihre Autökologie und sich so keine allgemeinen Aussagen treffen lassen. Bei nachhaltigen Störungen können Ökosysteme aber in andere stabile Zustände kippen. So hat die starke Befischung vor Namibia sehr wahrscheinlich von einer Dominanz von Fisch zu einer Dominanz von Quallen geführt. In anderen Regionen sind ähnliche Tendenzen zu beobachten. Und Quallen als Top-Predatoren haben mit Sicherheit einen anderen Effekt auf die Kohlenstoffpumpe als Fisch. Eine Kompensation würde ich also eher nicht annehmen.“

Auf die Frage, welche Rolle die Einträge von Meeressäugern und -vögeln für den biogeochemischen Kreislauf spielen:
„Vögel und Meeressäuger sind ebenso oft unter starkem Druck und können den Ausfall der Fisch-Kohlenstoff-Pumpe nicht kompensieren.“

Dr. Helmuth Thomas

Leiter des Instituts für Kohlenstoffkreislauf und der Abteilung Mariner Kohlenstoffkreislauf, Helmholtz Zentrum Hereon, Geesthacht, und Professor am Department of Oceanography, Dalhousie University, Halifax, Kanada

„Es scheint, dass die Studien in sorgsamer Weise vorhandenes Datenmaterial berücksichtigt. Weiterhin wird – auch im Hauptteil – viel Wert darauf gelegt, Grenzen und Unsicherheiten klar darzulegen, was allein schon aus diesem Blickwinkel die Studie lesenswert macht.“

Auf die Frage, inwiefern die Auswirkungen des Fischfangs in dieser Größenordnung bekannt waren:
„Im ersten Moment hat mich die Größenordnung überrascht, allerdings werden regionale und vertikale Effekte und Unterschiede einleuchtend erläutert. Der häufigere Kontakt mit dem Thema Fischfäkalien besteht bei mir eher im Themenfeld der Aquakulturen, und nicht so sehr im offenen Ozean und der Fischerei dort. Von daher kann ich Herrn Neumann zustimmen, dass man ‚unter Kenntnis des Ausgangszustands‘ zu ähnlichen Ergebnissen kommen könnte. Gegebenenfalls liegt hier auch eine Stärke der Studie, sich intensiv über den ‚Ausgangszustand‘ Gedanken zu machen.“

„In den üblichen Betrachtungen der Kohlenstoffpumpe finden höhere trophische Ebenen keine oder nur kaum eine Betrachtung, da die Biomasse notwendigerweise im Vergleich zu den trophischen Niveaus an der Basis des Nahrungsnetzes gering sein muss – insbesondere im Vergleich zu photosynthetisch aktiven Organismen. Diese Perspektive ändert sich natürlich im tiefen Ozean und am Oberflächensediment, da die Umsätze hier durch sinkende Partikel getrieben werden. Eine möglicherweise deutliche Zunahme der Relevanz von Fäkalien höherer trophischer Ebenen erscheint daher hier plausibel.“

Auf die Frage, inwiefern die Folgen für die marine Biogeochemie überhaupt sinnvoll ermittelt werden können, wenn bereits die Schätzungen der globalen Fisch-Biomasse um den Faktor 50 variieren:
„Die Bestimmung der Fischbiomasse wird oft oder gar üblicherweise über Anlandungen (Fänge) erklärt. Ob das sinnvoll ist, wird in der Literatur diskutiert. Wenn man weiterhin berücksichtigt, dass es sich um bewegliche Lebensformen handelt, die zudem auch noch Verhalten aufweisen, überrascht die Größenordnung der Unsicherheit nicht. Wichtig erscheint hier, dass es nicht so sehr um die gegenwärtig vorhandene Fischbiomasse geht, sondern um die Abnahme zwischen Ausgangszustand und dem Zustand maximaler Befischung. Die Auswirkungen dieser Änderung werden schlüssig dargelegt, auch wenn die absoluten Zahlen mit einer Unsicherheit behaftet sind.“

Auf die Frage, ob die Effekte überschätzt werden könnten, da sich die Beutetiere der befischten Arten stärker vermehren und so zumindest Teile der Biomasse- und Stoffwechselverluste ausgleichen:
„Ich denke, dass wir bisher nicht oder nur in geringem Umfang in der Lage sind, Reaktionen von Ökosystemen auf menschliche Eingriffe vorherzusagen. Die Wechselwirkungen sind (zu) komplex.“

Auf die Frage, welche Rolle die Einträge von Meeressäugern und -vögeln für den biogeochemischen Kreislauf spielen:
„Im Allgemeinen ist es gefährlich, die Bewertung zum Beispiel der Fischerei nur anhand der Kohlenstoffpumpe vorzunehmen. Höhere trophische Ebenen spielen notwendigerweise eine untergeordnete Rolle, wenn man dies durch die Brille der Massenbilanzen betrachtet. Es ist aber durchaus häufig der Fall, dass auch vermeintliche unbedeutende Prozesse das Gleichgewicht von Ökosystemen und biogeochemischen Kreisläufen kontrollieren können und dass dies auch regional stark variieren kann.“

Prof. Dr. Eric Achterberg

Leiter der Arbeitsgruppe Biogeochemie der Wassersäule im Forschungsbereich Marine Biogeochemie, Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR), Kiel

„Die Autoren verwenden zur Durchführung der Studie einen Modellierungsansatz. Sie verwenden Fischfangdaten aus einem Zeitraum mit hohen Fangraten, was sich etwas einschränkend auf das Model auswirkt. Der gewählte Ansatz ist angemessen, aber die Unsicherheiten in der Modellparametrisierung sind sehr groß. Das muss bei der Diskussion der Ergebnisse berücksichtigt werden. Ich vertraue den Beschreibungen in der Studie, bin mir aber nicht so sicher, was die tatsächlichen Zahlen angeht.“

„Diese Studie bietet eine relativ seltene, aber sehr wichtige Perspektive auf die Rolle von Fisch und Fischerei in den biogeochemischen Kreisläufen des Meeres. Die Fischerei wird in der Regel nicht in die biogeochemischen Modelle der Meere einbezogen. Das Interesse an der Fischerei in der Meeresforschung nimmt derzeit zu, und insbesondere die Fischerei in 200 bis 1 000 Meter Tiefe wird unter dem Aspekt der Biomasse und der biologischen Kohlenstoffpumpe untersucht.“

„Es gibt nicht viele Untersuchungen über die Auswirkungen der Fischerei auf den Kohlenstoffkreislauf und die anderer Elemente (Stickstoff, Sauerstoff, Phosphor). Daher ist diese Studie einzigartig. Es mangelt an Modellparametern und geeigneten Beobachtungsdaten, um die Modelle einzuschränken. Die vorliegende Arbeit ist ein erster Versuch, bei dem sehr vereinfachte Konzepte verwendet werden. Für mich ist diese Arbeit durchaus richtungsweisend. Es müssen jedoch weitere Arbeiten durchgeführt werden, um die Aussagen zu verifizieren.“

Auf die Frage, inwiefern die Folgen für die marine Biogeochemie überhaupt sinnvoll ermittelt werden können, wenn bereits die Schätzungen der globalen Fisch-Biomasse um den Faktor 50 variieren und inwiefern die globalen Fangmengen verlässlich zu evaluieren sind:
„Vor etwa 100 bis 150 Jahren wurde eine ganze Reihe von meeresbiologischen Instituten gegründet. Ihr Ziel war es lange Zeit, sich mit nationalen Fischereifragen zu befassen, und das ist in vielen Entwicklungsländern immer noch der Fall. Nach mehr als 100 Jahren Forschung haben wir immer noch keine zuverlässigen Daten über Fischbestände und Fänge. Zudem sind viele Fischereimodelle auch absolut unzureichend – so fehlen zum Beispiel Parameter für die Primärproduktion und die Steuerung der Produktivität durch die Nährstoffversorgung. Diese aktuelle Studie bietet daher einen frühen und mutigen Ansatz zur Verknüpfung von Fischbeständen, Fängen, Biomassekreisläufen und biogeochemischen Zyklen. Ich finde das toll, bin mir aber auch der Limitationen bewusst.“

„Die Entscheidung, die Jahre mit den höchsten Fangzahlen für das Modell zu nutzen, war ein pragmatischer Ansatz, da dies wahrscheinlich die beste Beziehung zwischen den Modelldaten und den Fischfangdaten ergab.“

Auf die Frage, inwiefern verschiedene Meeresregionen unterschiedlich stark ins Gewicht fallen und inwiefern die Studie dies abbildet:
„Die unterschiedlichen Regionen der Ozeane weisen sehr unterschiedliche Niveaus der Produktivität und verschiedene Kreislaufgeschwindigkeiten von Biomasse und Elementen auf. Diese hängen von für die Produktivität der Nährstoffzufuhr und für die Kreislaufgeschwindigkeiten der Temperatur ab. Die Autoren haben den Ozean in große marine Ökosysteme aufgeteilt, wobei mir nicht ganz klar ist, wo diese lagen, wie groß sie waren und wie sie aufgeteilt wurden. Auf diese Ökosysteme entfiel etwa die Hälfte der simulierten Biomasse. Ganz offensichtlich ist dies ein wunder Punkte der Studie.“

Auf die Frage, was die Ergebnisse der Studie bedeuten für die Menge des gespeicherten Kohlenstoffs und für die Rolle der Meere als Kohlenstoffsenke:
„Das ist eine sehr wichtige, aber zugleich schwierige Frage. Die biologische Kohlenstoffpumpe ist aktuell nicht verantwortlich für die Nettoaufnahme von anthropogenem CO2. Dies geschieht durch die physikalische Pumpe, die durch die Aufnahme von atmosphärischem CO2 in den kalten polaren Ozeane und den Transfer in die Tiefsee durch das Absinken von Wassermassen funktioniert. Wichtig für die Rolle der biologischen Kohlenstoffpumpe sind Änderungen der Effizienz der Pumpe durch Änderungen der Nährstoffzufuhr (Stickstoff, Eisen) und des Kohlenstoffexports. Den Autoren zufolge werden Fischfäkalien sehr effektiv in die Tiefsee transportiert, da sie sehr groß sind – das kann ich bestätigen. Eine Verringerung dieses Flusses würde die Effizienz des biologischen Kohlenstoffpumpe vermindern und zu einer geringeren CO2-Aufnahme durch den Ozean führen. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass es wichtigere Umweltstressoren gibt, die die biologischen Kohlenstoffpumpe beeinflussen – zum Beispiel die Erwärmung und die Versauerung der Ozeane.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Prof. Dr. Sinikka Lennartz: „Interessenskonflikte bestehen keine."

Prof. Dr. Eric Achterberg: „Keine.“

Alle anderen: Keine Angaben erhalten.

Primärquelle

Bianchi D et al. (2021): Estimating global biomass and biogeochemical cycling of marine fish with and without fishing. Science Advances. DOI: 10.1126/sciadv.abd7554.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Saba GK et al. (2021): Toward a better understanding of fish-based contribution to ocean carbon flux. Limnology & Oceanography. DOI: 10.1002/lno.11709.

[2] Cruz MH et al. (2020): Zooplankton mortality effects on the plankton community of the northern Humboldt Current System: sensitivity of a regional biogeochemical model. Biogeosciences. DOI: 10.5194/bg-18-2891-2021.

[3] Friedlingstein P et al. (2020): Global Carbon Budget 2020. Earth System Science Data. DOI: 10.5194/essd-12-3269-2020.

[4] Pauly D et al. (1998): Fishing Down Marine Food Webs. Science. DOI: 10.1126/science.279.5352.860