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11.09.2023

Messe Husum Wind 2023: Welche Rolle spielt Repowering für die Energiewende?

     

  • Austausch alter durch neue, leistungsfähigere Windräder kann Stromerzeugung deutlich steigern
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  • Windkraft-Ausbauziel 2030 lässt sich so mit ähnlich vielen Anlagen wie heute erreichen
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  • Repowering dürfte wegen sinkender Strompreise an Fahrt gewinnen, nicht alle Altanlagen eigenen sich jedoch dafür
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Der Zubau neuer Windkraftanlagen steigt zwar, aber nicht so schnell, wie die Bundesregierung zum Ziel gesetzt hat (zum Beispiel [I]). Als eines der entscheidenden Hindernisse für eine weitere Beschleunigung des Ausbaus der Windenergie an Land gelten nach wie vor die Genehmigungen für neue Anlagen. Trotz aller Bemühungen nimmt das Tempo nur langsam zu. Eine mögliche Zwischenlösung, bis die geänderten Rechtsvorgaben bei neuen Windkraftanlagen wirken, könnte der Ersatz alter Windkraftanlagen durch moderne und leistungsfähigere sein – das sogenannte Repowering. Das ist in den zurückliegenden zwölf Monaten deutlich vereinfacht worden, und könnte Erfolg haben. So kündigte das norwegische Unternehmen Statkraft an, mehrere alte Windparks aufkaufen und die Windräder durch neue ersetzen zu wollen [II]. Auf der kommenden Wind- und EE-Messe Husum Wind ist Repowering ebenfalls eines der Themen [III].

Dass alte Anlagen abgebaut werden, ist keine neue Entwicklung. Seit 2021 ist ein wichtiger, möglicher Anlass für eine Stilllegung alter Anlagen hinzugekommen; in diesem Jahr endete zum ersten Mal die 20-jährige Förderdauer von Windkraftanlagen: Bei der Einführung des EEG im Jahr 2000 wurden alle bis dahin gebauten Windkraftanlagen auch über die EEG-Umlage finanziert. Seit dem 01.01.2021 gelten diese Anlagen als „ausgefördert“ – soweit sie noch am Netz sind –, jedes Jahr kommt ein weiterer Jahrgang hinzu.

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Wie allerdings aus der oberen Grafik ersichtlich ist, läuft bis jetzt der Großteil der Anlagen mit 20 Betriebsjahren und mehr weiter: rund 7800 der ausgeförderten Windkraftanlagen sind im September 2023 immer noch in Betrieb. (Gesamtleistung: rund 7,9 GW, Durchschnittsleistung pro Windkraftanlage: 1,01 MW.)

Ungeachtet der individuellen ökonomischen Bedingungen stellen diese Anlagen ein großes Potenzial für Repowering da – weil damit der Ausbau der installierten Leistung von Windkraftanlagen an Land bis 2030 unter Umständen spürbar beschleunigt werden kann, wenn die bereits bestehenden Anlagen durch leistungsstärkere neue Windkrafträder ausgetauscht werden .

Grund dafür ist die deutlich gestiegene Leistung und Stromausbeute neuer Anlagen:

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Während die durchschnittliche installierte Leistung der ausgeförderten Windkraftanlagen bei 1,01 MW liegt, erreichen die 2023 installierten Anlagen im Schnitt 4,2 MW, die bezuschlagten Anlagen, die in den kommenden Jahren gebaut werden, sogar durchschnittlich 5 MW.

Das bedeutet: Ohne einen Austausch der alten Windkraftanlagen müssten noch rund 11.000 Anlagen mit einer Leistung von 5 MW gebaut werden, um das vom EEG vorgegebene Ziel von 115 GW installierter Leistung an Land bis 2030 zu erreichen. Damit wären dann rund 40.500 Windräder ans Stromnetz angeschlossen.

Bis Ende 2030 werden allerdings insgesamt 16.000 Anlagen mit einer Leistung von insgesamt 22.7 GW „ausgefördert“ sein. Würden alle diese Anlagen durch neue ersetzt, könnte die Gesamtzahl der Windräder an Land in Deutschland gegenüber heute sogar leicht sinken, auf etwa 28.000. Dennoch wäre eine installierte Leistung von 115 GW gewährleistet. Um die Ausbauziele zu erreichen, müssen also die ausgeförderten Anlagen nicht eins zu eins ersetzt werden.

Wir haben das zum Anlass genommen, Expertinnen und Experten zu fragen, welches Potenzial sie für Repowering sehen, wo die Herausforderungen liegen und mit welcher Zahl von Windrädern sie 2030 rechnen – unter der Voraussetzung, dass das Ausbauziel von 115 GW Wind an Land erreicht wird.

Übersicht

     

  • Jürgen Quentin, energiewirtschaftlicher Referent, Fachagentur Windenergie an Land e.V., Berlin
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  • Prof. Dr. Uwe Ritschel, Lehrstuhl für Windenergietechnik, Universität Rostock
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  • Prof. Dr. Paul Lehmann, Juniorprofessur für Umwelt und Energieökonomie, Universität Leipzig, und Wissenschaftler im Department Ökonomie, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Leipzig
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Statements

Jürgen Quentin

energiewirtschaftlicher Referent, Fachagentur Windenergie an Land e.V., Berlin

Aktuelle Lage des Repowering

„Knapp ein Drittel der in diesem Jahr bis Ende August installierten Windenergieleistung wurde im Ersatz für Altanlagen errichtet. Damit liegt die Repowering-Quote so hoch wie seit 2014 nicht mehr. Das gestiegene Repowering verwundert nicht, denn mittlerweile sind über 7.800 Windturbinen 20 Jahre und länger am Netz und damit grundsätzlich ‚reif‘ für den Ersatz durch neue, erheblich leistungsstärkere Windturbinen. Hinzu kommt, dass die seit Herbst 2021 massiv gestiegenen Börsenstrompreise, die den Weiterbetrieb von Altanlagen sehr lukrativ gestalteten, zur Mitte dieses Jahres wieder deutlich zurückgegangen sind, wodurch der Ersatz der Altanlagen – statt deren Weiterbetrieb – wieder stärker in den Fokus gerückt ist.“

„Das Repowering hat aber auch infolge von Rechtsänderungen seitens der Europäischen Union – Stichwort: EU-Notfallverordnung – wie auch des deutschen Gesetzgebers – Sondervorschriften für das Repowering von Windturbinen in [1] [2] [3] – nochmals an Bedeutung gewonnen. Mit den heutigen Vorgaben sollten sich der Altanlagenersatz leichter und auch deutlich schneller genehmigen lassen. Hinzu kommt, dass heute ein Repowering auch außerhalb von ausgewiesenen Windflächen grundsätzlich möglich ist. Das hat etwas Gewicht, denn ein erheblicher Anteil der ausgeförderten Anlagen steht an Standorten, die nicht Teil heutiger Windflächenausweisung sind. Ich erwarte, dass die Erleichterungen für Repowering-Projekte spätestens ab dem Frühjahr 2024 in zahlreichen Regionen zu steigenden Genehmigungszahlen führen werden.“

Wann der Weiterbetrieb alter Anlagen sinnvoll sein kann

„Der Weiterbetrieb von Altanlagen macht immer dann Sinn, wenn am Standort ein Repowering nicht möglich ist, etwa weil sich mit größer dimensionierten Neuanlagen Abstandserfordernisse zu Wohnsiedlungen nicht gewährleisten lassen. Stehen dem Repowering weder rechtliche noch tatsächliche Hindernisse im Weg, ist es regelmäßig wirtschaftlicher, den Standort mit neuen Anlagen zu bestücken als Altanlagen bis an deren technisches Lebensende weiter zu betreiben.“

Potenzial von Repowering

„Heute sind rund 28.600 Windturbinen mit 59,6 GW Leistung am Netz. Mit derselben Anlagenzahl ließen sich Ende 2030 auch 115 GW Leistung betreiben; denn Windturbinen, die heute genehmigt werden – und in den nächsten ein bis zwei Jahren in Betrieb gehen – haben bereits eine durchschnittliche Generatorleistung von 5,5 MW. Die sehr dynamische Entwicklung der Anlagentechnik lässt erwarten, dass zum Ende des Jahrzehnts Anlagen im Schnitt mehr als 6 MW aufweisen werden. Unter der Annahme, dass Altanlagen nach 25 Betriebsjahren stillgelegt werden, ergibt sich bis 2030 ein Rückbaupotenzial von 11.500 Anlagen. Werden diese durch Neuanlagen der 5,5 bis 6,5 MW-Klasse ersetzt, ließen sich bis Ende des Jahrzehnts darüber 115 GW installierte Windenergieleistung erreichen – ohne dass in Summe mehr Windräder in Deutschland stehen müssten als dies heute schon der Fall ist.“

Prof. Dr. Uwe Ritschel

Lehrstuhl für Windenergietechnik, Universität Rostock

Wann der Weiterbetrieb alter Anlagen sinnvoll sein kann

„Die Entscheidung für oder gegen Weiterbetrieb von Altanlagen wird von den Betreibern getroffen. Als die Börsenpreise für Strom hoch waren, hat es sich richtig gelohnt, die alten Windenergieanlagen weiter laufen zu lassen. Jetzt, nachdem sich das wieder normalisiert hat, sieht es wieder anders aus. Man muss beachten, dass der Strom der alten Anlagen von den Gestehungskosten her teurer ist als der von neuen. Trotzdem kann es so sein, dass man mit Anlagen, die ihre im Business Case geplante Lebensdauer überschritten haben, bei denen die Kredite abgezahlt sind und bei denen man nicht mit größeren technischen Schwierigkeiten zu tun hat, für eine begrenzte Zeit noch günstig Strom produzieren kann.“

Prof. Dr. Paul Lehmann

Juniorprofessur für Umwelt und Energieökonomie, Universität Leipzig, und Wissenschaftler im Department Ökonomie, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Leipzig

„Repowering von alten Windenergieanlagen ist grundsätzlich wichtig für das Gelingen der Energiewende. Aufgrund der ambitionierten Ausbauziele der Bundesregierung werden Flächen für neue Windenergieanlagen auf absehbare Zeit knapp bleiben. Umso wichtiger ist es daher, dass bestehende Standorte weiter genutzt werden können – zumal dort oft die Akzeptanz höher ist als an neuen Standorten. Gleichzeitig ist es aber auch richtig, dass Repowering an manchen Standorten ausgeschlossen wird – etwa wenn deutlich größere Anlagen Lärmgrenzwerte überschreiten würden oder die Standorte in Schutzgebieten liegen.“

„Die Bundesregierung hat bereits viele Regelungen auf den Weg gebracht – auf lokaler Ebene besteht aber oft noch Unsicherheit, wie diese angewendet werden sollen. Wichtig sind daher konkrete Umsetzungsleitfäden für die Verwaltungsbehörden, insbesondere wenn das Repowering außerhalb ausgewiesener Windflächen erfolgen soll.“

Wann der Weiterbetrieb alter Anlagen sinnvoll sein kann

„Der Weiterbetrieb von Altanlagen ist aus meiner Sicht richtig, soweit er betriebswirtschaftlich Sinn ergibt. Statistiken zeigen, dass schon heute viele Altanlagen auch dann weiter betrieben werden, wenn die staatliche Förderung ausgelaufen ist. Oft verkaufen sie ihren Strom dann direkt an Abnehmer über so genannte Power-Purchase-Agreements. Aus meiner Sicht sind weitere staatliche Förderungen hier nicht notwendig.“

Potenzial von Repowering

„Heute drehen sich in Deutschland circa 29.000 Windräder an Land. Langfristig werden etwa 30.000 bis 40.000 Windräder benötigt. Also nur etwas mehr als heute. Allerdings werden die Windräder deutlich größer sein als viele Altanlagen.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Alle: Keine Angaben erhalten.

Literaturstellen, die von den Expertinnen und Experten zitiert wurden

[1] Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG): § 16b Repowering von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien, Sondervorschriften für Windenergieanlagen. Stand: 26.07.2023.

[2] Gesetz zur Festlegung von Flächenbedarfen für Windenergieanlagen an Land (WindBG): §6 Verfahrenserleichterungen in Windenergiegebieten; Verordnungsermächtigung. Stand: 26.07.2023.

[3] Baugesetzbuch (BauBG): § 245e Überleitungsvorschriften aus Anlass des Gesetzes zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land, und § 249 Sonderregelungen für Windenergieanlagen an Land. Stand: 26.07.2023.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Science Media Center (2023): Das Wind-Ausbauziel 2024. Data Report, Stand 24.07.2023. https://www.sciencemediacenter.de/alle-angebote/data-report/details/news/das-wind-ausbauziel-fuer-2024/

[II] Statkraft (2023): Statkraft übernimmt weiteres Windpark-Portfolio der Breeze Serie. Pressemitteilung, Stand 31.08. 2023. https://www.statkraft.de/presse/2023/statkraft-ubernimmt-weiteres-windpark-portfolio-der-breeze-serie/

[III] Husum Wind (2023): Unsere Messethemen. Online-Auftritt der Messe https://husumwind.com/messethemen/