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18.09.2019

Klimawandel – Wer hilft den Menschen, sich zu ändern? Teil 3

Mit „Fridays for Future” kam der Klimaschutz mit Macht zurück auf die politische und mediale Agenda. Was jedoch bislang kaum diskutiert wird: Wie kann der Einzelne aktiviert werden zu handeln? Was hindert Menschen daran zu handeln? Stattdessen wirkt es derzeit so, als versuche die Politik die Quadratur des Kreises. Klimaschutz, ja bitte – aber der Bürger soll weiterleben wie bisher. 

Am 20. September 2019 entscheidet das Klimakabinett darüber, wie die Bundesregierung den Kohlendioxidausstoß Deutschlands senken will. Am 23. September präsentiert Angela Merkel dieses Programm dann auf dem UN-Klimagipfel „Climate Action Summit 2019” in New York. Das nehmen wir zum Anlass, diejenigen zu unterstützen, die sich die Frage stellen: Was kann der Einzelne tun – und wer kann wie die Menschen dazu bewegen, nach 30 Jahren Diskussion endlich mit dem Handeln anzufangen? 

Wir fragten dazu Wissenschaftler aus den verschiedensten Disziplinen an – Kommunikationswissenschaften, Philosophie und Ethik, Ökonomie, Psychologie und Soziologie.

 

Teil 1: Kommunikationswissenschaften und Klimakommunikation

Teil 2: Philosophie und Ethik

Teil 3: Ökonomie

Teil 4: Psychologie und Soziologie

 

Übersicht

     

  • Dr. Maria Daskalakis, Leiterin der Gruppe Umweltpolitik am Fachgebiet Wirtschaftspolitik, Innovation und Entrepreneurship, Institut für Volkswirtschaftslehre, Universität Kassel
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  • Prof. Dr. Lucia Reisch, Department of Management, Society and Communication, Copenhagen Business School, Zeppelin Universität, Friedrichshafen
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  • Prof. Dr. Ulrich Schmidt, Leiter des Forschungsbereiches „Sozial- und verhaltensökonomische Ansätze zur Lösung globaler Probleme“, Institut für Weltwirtschaft (IfW), Kiel
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  • Prof. Dr. Joachim Weimann, Professor für Wirtschaftspolitik, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
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  • Prof. Dr. Axel Ockenfels, Professor Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Universität zu Köln
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Statements

Dr. Maria Daskalakis

Leiterin der Gruppe Umweltpolitik am Fachgebiet Wirtschaftspolitik, Innovation und Entrepreneurship, Institut für Volkswirtschaftslehre, Universität Kassel

„Wie man Menschen dazu bringt, ihr Umweltverhalten zu ändern, ist noch nicht genau erforscht. Der Grund: Die wenige Forschung hierzu hat sich noch nicht auf übergreifende Akteursmodelle geeinigt, die eine systematische Erforschung der akteursinternen und akteursexternen Einflussgrößen auf den menschlichen Entscheidungsprozess abbilden. Solche sind aber notwendig, um die vorhandene und die zukünftige Forschung aufeinander beziehen zu können.“

„Dass die meisten Ökonomen hier im Kern immer noch das unrealistische Konzept des Homo-Ökonomicus nutzen, macht es nicht einfacher. Auch nicht, dass Ökonomen in der Regel die empirische Sozialforschung, zumindest aber jegliche qualitative Forschung ablehnen. Sie ignorieren zudem zumeist die Ergebnisse der psychologischen Forschung. Insgesamt gibt es zudem zu wenig Austausch zwischen den an den Forschungen zum Umweltverhalten befassten Disziplinen. Auch gibt es schlichtweg zu wenig Forschungsfördermittel, so dass umfassende und disziplinenübergreifende Untersuchungen nur sehr eingeschränkt durchgeführt werden können.“

„Trotzdem müssen wir nicht bei Null anfangen [1]. Die Forschungen zu Entscheidungsprozessen haben gezeigt, dass diese von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst werden. Hierzu gehören unter anderem die kognitiven Biases von Menschen, das heißt die Beschränkungen und Fehlwahrnehmungen bei der Informationsaufnahme und Verarbeitung. Außerdem spielt das individuelle Verhaften an Routinen immer dann eine große Rolle, wenn es darum geht, dass eine Entscheidung zu einer Verhaltensänderung erfolgen soll. Hemmend wirkt es auch, wenn bei den Menschen zu wenig konkretes Wissen darüber vorhanden ist, wie die alternative Handlung praktisch durchgeführt werden kann. Wichtig sind weiterhin unter anderem auch die individuellen Einstellungen und die sozialen Einflüsse.“

„Es spricht vieles dafür, dass diese und weitere Faktoren auch für die Verhaltensänderung weg vom klimaschädlichen hin zum klimafreundlichen Verhalten von Bedeutung sind. All dies ist jedoch bei jedem Menschen etwas anders, und deswegen ist es nicht hinreichend, mit einfachen, schematischen Modellen und Rezepten zu arbeiten.“

„Die traditionelle Umweltpolitik unterscheidet ja zumeist zwischen vier Instrumentenklassen, mit welchen umweltfreundliches Verhalten motiviert werden soll: die Ge-und Verbote, die ökonomischen Instrumente, die informatorischen Instrumente und gegebenenfalls auch noch die kooperativen Instrumente. Wie die Realität zeigt, funktionieren diese Instrumente mit Blick auf die Motivierung des Umweltverhaltens nur bedingt, die Umweltpolitik stochert förmlich im Nebel. Wir benötigen also andere oder ergänzende Instrumente und hierbei ist das Verständnis von Entscheidungsprozessen wichtig.“

„Der Einfluss von kognitiven Biases auf den Entscheidungsprozess kann erklären, warum die informatorischen Instrumente nicht gut wirken. Häufig genug wird davon ausgegangen, dass es hinreichend ist, möglichst viele Informationen zu geben. Das können die Menschen aber zumeist gar nicht alles und nicht richtig aufnehmen. Deswegen ist auch die Frage, wie Informationen präsentiert werden, von besonderer Bedeutung. Dies gilt dann etwa auch für Informationen über Ge-und Verbote.“

„Auch zeigen aktuelle Forschungen, dass finanzielle Anreize oftmals schlicht unwirksam sind oder gar eine bestehende, ‚gute‘ Verhaltensabsicht ins Gegenteil verkehren (Crowding-Out-Effekt). Dies kann somit erklären, warum die ökonomischen Instrumente oft nicht so gut wirken, wie erwünscht. Deswegen ist es wichtig zu prüfen, ob es andere Anreize gibt, die eine Verhaltensänderung herbeiführen können, etwa indem auf soziale Einflüsse Bezug genommen wird und/oder öffentliche Diskussionen geführt werden.“

„Es gibt also auf Basis des aktuellen Stands der Forschung gute Gründe dafür, anzunehmen, dass eine klimafreundliche Verhaltensänderung auf Basis von Umweltpolitiken nur dann gelingen kann, wenn wir besser darüber Bescheid wissen, auf welche Einflüsse hin Entscheidungen zur Verhaltensänderung hin zu klimafreundlichem Handeln erfolgen. Nur dann können entsprechende Maßnahmen konzipiert werden. Und nur dann können solche Maßnahmen auch erprobt werden. Da Menschen unterschiedlich sind, spricht vieles dafür, solche Instrumente dann auch nicht einzeln einzusetzen, sondern immer einen Mix von verschiedenen Instrumenten zu verwenden.“

„Ob der Einzelne überhaupt sein Verhalten ändern muss, oder ob es reicht, klimaschädliches Handeln schlicht zu verbieten, ist eine spannende Frage. Aber hier gilt noch mehr: Es gibt kaum Forschung hierzu.“

„Im Kern steht immer auch die Frage im Raum, warum es bestimmte Produkte überhaupt geben soll (dies ist auch aus stoffstromanalytischer Perspektive wichtig). Es war zum Beispiel recht einfach, die Produktion von Plastikwattestäbchen zu verbieten, um zu vermeiden, dass diese in die Gewässer kommen. Die Wattestäbchen sind aber schlichtweg nur deswegen in den Gewässern zu finden, weil die Menschen sie nach Gebrauch die Toilette schmeißen anstatt in den Mülleimer. Der Gesetzgeber hätte also genauso darauf setzen können, eine Verhaltensänderung zu motivieren. Das hätte aber sicherlich länger gedauert und würde vermutlich nicht den Erfolg aufweisen, den das Verbot hat, zumal mit dem Verbot auch die Produktion von umweltfreundlichen Alternativen motiviert wird. Es gibt aber noch eine Vielzahl von anderen Produkten, die Plastik enthalten, welches ganz oder in Bestandteilen bei Gebrauch (oder auch bei der Produktion) in den Gewässern landet – der Gesetzgeber hat also mit dem Verbot nicht alle notwendigen Produkte erfasst. Und die Menschen werfen weiterhin Plastikprodukte in die Toiletten.“

Dr. Maria Daskalakis gibt folgende weiterführende Literatur an: [I]

Prof. Dr. Lucia Reisch

Department of Management, Society and Communication, Copenhagen Business School und Zeppelin Universität, Friedrichshafen 

„Wir sind gut im Verdrängen und Rationalisieren. Die Psychologie weiß das: Die Illusion ‚Das trifft mich nicht‘ und die Illusion ‚Ich selbst mache keinen Unterschied‘ sind starke Handlungsbarrieren. Hinzu kommt, dass die Alternativen leider immer noch weniger attraktiv sind: Biolebensmittel sind teurer, Vegetarier werden belächelt, Radfahren in der Innenstadt ist vergleichsweise gefährlich und stressig, der Öffentliche Nahverkehr leider unzuverlässig und außerhalb der Knotenpunkte nicht dicht genug, Bahnfahren dauert auf Mittelstrecken einfach zu lange, für eine energetische Haussanierung fehlt das Geld und die Handwerker und so weiter. Der Aufwand an Zeit, Geld und Mühe nach guten Angeboten zu schauen, ist für die meisten zu hoch.“

„Weil die Preise nicht die ökologische Wahrheit sagen, sind gleichzeitig die klimaschädlichen Produkte verführerisch billig: Flureisen nach Mallorca für 9 Euro, billiges Fleisch aus Massentierhaltung, scheinbar kostenlose Einmalprodukte überall.“

„Da wir Gewohnheitstiere sind, müssen die Vorteile geänderten Verhaltens oder klimafreundlicherer Produkte schon sehr deutlich sein und überzeugen, um uns aus der Verhaltenstarre und den Bequemlichkeiten und Sicherheiten des Bekannten heraus zu holen. Die Verhaltensökonomik hat gezeigt, dass die Gefahr von Einbußen oder Kosten einer Verhaltensänderung als doppelt so schlimm wahrgenommen werden wie mögliche Gewinne.“

„Die Alternative muss also attraktiv, machbar, verfügbar und auch bezahlbar sein. Hilfreich ist auch, wenn andere es uns vormachen. Unter diesen Umständen wird es immer nur eine Minderheit sein, die die klimafreundlichere Alternative wählt. Allerdings wächst diese Minderheit deutlich, vor allem bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Neue Konsumententypen, die bislang skeptisch oder uninteressiert waren, versuchen sich mit kleinen Schritten: Auch wenn Stofftaschen statt Plastikbeutel oder eigene Kaffeebecher das Klima nicht retten werden, so sind es doch wichtige erste Schritte des Ausprobierens einer veränderten Konsumidentität. Die gesellschaftlichen Normen verändern sich, und mit den Normen das, was als erstrebenswerter Konsum betrachtet wird. Aber das dauert.“

„Ferner sind Menschen bereit, ihr Verhalten zu ändern, wenn die klimafreundlicheren Produkte zur Standardoption werden, zum Beispiel: wenn CO2-Emissionen automatisch kompensiert und ehrlich eingepreist werden, wenn die Preise die Umwelteffekte widerspiegeln, wenn klimafreundlicher Konsum die gesellschaftliche Norm und Normalität wird.“

„Wenn dies so einfach wäre, klimaschädliches Verhalten zu verbieten! Wir müssen essen, zumindest beruflich müssen wir reisen, wir müssen heizen, arbeiten und unsere alten Eltern zum Arzt fahren. Vor allem die jungen Leute sollten die Welt sehen. Wer setzt die Quote fest, was zu viel ist und wer wovon wieviel machen darf?“

„Gebote und Verbote sind gesellschaftlich nur dann tragbar und politisch machbar (Konsumenten sind ja auch Wähler), wenn es eine Mehrheit der Menschen richtig findet. Sonst werden sie nur als Gängelung verstanden. Immerhin finden Menschen Verbote öfter richtig, als manch Politiker denkt, und wir haben gute Beispiele dafür: Das Rauchverbot in Innenräumen, FCKW in Spraydosen, ineffiziente und ressourcenverschleudernde Glühbirnen, Sicherheitsgurte, Helmpflicht und anderes. Interessanterweise gab es zumindest nach der Einführung eine große Zustimmung dafür.“

„Verbote rufen aber auch Reaktanz hervor – die Menschen lassen sich von der Politik ‚nichts vorschreiben‘ und tun dann genau das Gegenteil. Solche Rückschläge können ein gut gemeinte Politik konterkarieren. Und wenn der Staat selbst nicht mit gutem Vorbild vorangeht, dann verliert er seine Glaubwürdigkeit und Legitimierung, den Bürgern Dinge zu verbieten.“

„Die Kunst ist es, harte Instrumente (wie Verbote und Steuern) wirksam mit weicheren (wie Bildung und Verhaltensstimuli) so zu verbinden, dass dies immer noch von einer Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert wird – vor allem von denen, die sich nicht mitgenommen und benachteiligt fühlen. Dafür muss man überzeugen, braucht gute Argumente, mutige Vorreiter und vielleicht auch eine ‚gute Krise‘, einen Weckruf. Ein guter Ansatz ist, Standards und Emissionsgrenzen schrittweise zu verschärfen, denn diese kurbeln auch die Innovationskraft an. Ein weiterer guter Ansatz wäre es, sämtliche klimaschädlichen Subventionen auf den Prüfstand zu stellen und hier auszusortieren. Vielleicht braucht man dann nicht so viele Verbote.“

Prof. Dr. Ulrich Schmidt

Leiter des Forschungsbereiches „Sozial- und verhaltensökonomische Ansätze zur Lösung globaler Probleme“, Institut für Weltwirtschaft (IfW), Kiel

„Obwohl der anthropogene Klimawandel nun ein schon seit Jahrzehnten bekanntes Problem ist, haben bisher nur recht wenige Menschen ihr Verhalten klimafreundlicher gestaltet. Aus Sicht der Verhaltensökonomie ist dies wenig überraschend, da hier in vielen Bereichen gezeigt wurde, dass Menschen sehr stark am Status Quo und ihren Gewohnheiten festhalten. Beim Klimawandel kann der Effekt dieser Gewohnheitsbildung durch drei psychologische Mechanismen verstärkt werden: Kognitive Dissonanz, Overconfidence und Verantwortungsdiffusion.“

„Kognitive Dissonanz führt dazu, dass Menschen dazu tendieren negative Informationen (also beispielsweise Informationen über den Klimawandel) zu verdrängen.“

„Overconfidence impliziert, dass Menschen ihre Fähigkeit überschätzen, zukünftige Probleme (also beispielsweise die Folgen des Klimawandels) zu lösen.“

„Verantwortungsdiffusion beschreibt das vom Zuschauereffekt bekannte Phänomen, dass Menschen bei kollektiver Verantwortung dazu tendieren, erst einmal abzuwarten und zu schauen, ob andere etwas tun. Man ist also wenig gewillt, als einziger aktiv zu werden. Genau hier liegt aber auch ein Schlüssel zur Lösung des Problems. In jüngerer Zeit hat die Verhaltensökonomie gezeigt, dass soziale Normen eine sehr wichtige Rolle für das menschliche Verhalten spielen. Wenn einzelne Personen anfangen, sich klimafreundlicher zu verhalten, kann dies mit der Zeit zu einer Änderung der sozialen Normen führen, das heißt klimaschädigendes Verhalten wird den Menschen sozial unangenehm. Damit es zu solch einer Veränderung der sozialen Normen kommt, ist jedoch eine kritische Masse notwendig. Genau deshalb lohnt es für den Einzelnen voranzugehen und sich klimafreundlicher zu verhalten.“

Prof. Dr. Joachim Weimann

Professor für Wirtschaftspolitik, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

„Seit mehr als 50 Jahren sind Ökonomen davon überzeugt, dass die Bereitstellung von Kollektivgütern in großen Gruppen nicht funktioniert. Das Argument dafür geht auf Mancur Olson (1965) zurück: In einer großen Gruppe ist der Einfluss, den der Einzelne auf das Kollektivgut hat, so gering, dass er für niemanden spürbar ist. Das führt dazu, dass kein Anreiz besteht, einen Beitrag zu leisten, der für den Einzelnen mit Kosten verbunden ist. Wir konnten in einem sehr großen Laborexperiment mit über 5.000 Teilnehmern zeigen, dass diese Hypothese nicht richtig ist. Die gute Nachricht ist: Es kommt auch in großen Gruppen zu individuellen Beiträgen zum Kollektivgut. Notwendig dafür ist, dass die wechselseitige Vorteilhaftigkeit von Kooperation hinreichen sichtbar (salient) ist [2]. Wovon die Salienz eines realen Kollektivgutproblems abhängt, ist bisher unklar und wird Gegenstand zukünftiger Forschung sein."

„Die schlechte Nachricht ist: Die Beiträge erreichen maximal 30 Prozent der effizienten Menge. Würde man sich also bei der Bereitstellung eines Kollektivgutes (wie den Klimaschutz) allein auf die freiwilligen Beiträge einzelne Menschen verlassen, würde man keinen großen Erfolg haben. Zur Lösung sind vielmehr intelligente kollektive Entscheidungen notwendig – also kluges politisches Handeln. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass es genug Menschen gibt, die sich um die Durchsetzung solcher Entscheidungen bemühen. Und in diesem Punkt stimmen unsere Ergebnisse wiederum optimistisch."

„Wenn wir das Klimaproblem lösen wollen, dann müssen wir kollektive, das heißt politische Entscheidungen treffen. Dabei geht es nicht darum, Verhaltensänderungen durch Zwang, Verbote etc. zu erreichen, sondern die intelligenten Instrumente zur CO2-Reduktionspolitik einzusetzen, über die wir schon lange verfügen. Beispiel: Emissionshandel. Der ist das weltweit erfolgreichste Instrument und wir besitzen es seit mehr als zehn Jahren in Europa. Bis 2017 haben wir 550 Mio. Tonnen zu einem Preis von sieben Euro die Tonnen mit diesem Instrument eingespart. Zum Vergleich: Atomausstieg und EEG haben 32 Mio. Tonnen gespart zu einem Preis von fast 800 Euro pro Tonne [3]."

„Die Aufrufe von Aktivisten dagegen machen überwiegend keinen Sinn: Beispiel Fliegen innerhalb Europas. Diese Flüge unterliegen dem Emissionshandel, es ist als nicht notwendig, hier noch einzugreifen. Bei all den Aufrufen zu „korrektem Verhalten" wird stets vernachlässigt, welche Opfer mit der jeweils geforderten Maßnahme verbunden sind. Aber jeder Versuch, das Klima zu schützen, ist zum Scheitern verurteilt, wenn wir auf die Kosten, die dabei entstehen, keine Rücksicht nehmen. Warum geht eigentlich kein Aufschrei der Entrüstung durch das Land, wenn man feststellen muss, dass wir 25 Milliarden Euro jährlich für erneuerbare Energien ausgeben und damit faktisch nichts erreichen? Die Energiewende wird 1-2 Billionen Euro kosten und sie wird praktisch keinen positiven Effekt haben. Mit einem Bruchteil dieser Aufwände könnte man ein Vielfaches an CO2 einsparen, wenn wir auf teure Symbole wie Windräder und Fotovoltaikanlagen verzichteten und stattdessen zum Beispiel den Emissionshandel weiter ausbauten [3]."

Prof. Dr. Axel Ockenfels

Professor Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Universität zu Köln

„Es gibt wohl keine Frage, bei der unter praktisch allen Anreizexperten und Ökonomen weltweit – einschließlich Verhaltensökonomen! – so viel Einigkeit besteht: Das wichtigste und effektivste Instrument, um den Klimawandel zu bekämpfen und das Verhalten zu verändern, ist ein CO2-Preis. Ohne CO2-Preis zahlt die Weltgemeinschaft die Kosten der Treibhausgasemissionen, und subventioniert auf diese Weise die Verursacher. Das ist weder ökonomisch klug noch fair, und es führt zwangsläufig zu exzessiven Anreizen für Treibhausgasemissionen.“

„Natürlich gibt es noch andere, komplementäre klimapolitische und individuelle Maßnahmen. Aber die Empirie und Forschung zeigt nachdrücklich, dass ohne CO2-Preis 'alles nichts' ist.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Prof. Dr. Lucia Reisch: (Ich bin) „Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung und anderen Nachhaltigkeitsräten.“

Alle anderen: Keine Angaben erhalten.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Daskalakis M et al. (2017): Umweltpolitik bürgernah gestalten. Wie verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse umweltpolitische Instrumente wirksamer machen können.

[2] Weimann J et al. (2019): Public Good Provision by Large Groups – The Logic of Collective Action Revisited European Economic Review, 118 (2019), 348–363.

[3] Weimann J (2019): Die Zukunft der Klimapolitik: CO2-Steuer, Emissionshandel oder weiter wie bisher? Kurzgutachten für den Bundesverband Die Familienunternehmer e.V.

Weitere Recherchequellen

[I] Ryan RM et al. (2017). Self-determination theory: Basic psychological needs in motivation, development, and wellness. Guilford Publications

In Science Advances“ haben Forscher der ETH Zürich, Schweiz, die Akzeptanz einer CO2-Bepreisung in den USA und Deutschland verglichen: 
[II] Beiser-McGrath LF et al. (2019): Could revenue recycling make effective carbon taxation politically feasible? Science Advances Vol. 5, no. 9. DOI: 10.1126/sciadv.aax3323.