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08.12.2023

EU-Einigung zur Energieeffizienz von Gebäuden

     

  • EU-Trilog einigt sich zur Gebäudeeffizienz-Richtlinie
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  • bis 2035 soll durchschnittlicher Wohngebäude-Primärenergieverbrauch etwa um ein Fünftel durch Sanierungen sinken, ab 2040 soll es keine fossilen Heizungen mehr, bis 2050 nur noch Nullemissions-Gebäude geben
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  • Forschende begrüßen Fokus auf besonders schlecht gedämmte Gebäude und fordern staatliche Unterstützung gegen soziale Härten, kritisieren teils Ziel für Nullemissions-Gebäude
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Die Frage nach der Sanierungspflicht stand im Zentrum der Debatte um die EU-Richtlinie zur Gebäudeeffizienz, nun ist im EU-Trilog ein Kompromiss gefunden [I] [II]: Bis 2035 soll der durchschnittliche Primärenergieverbrauch von Wohngebäuden um circa ein Fünftel sinken. Etwa die Hälfte des Rückgangs soll durch die Sanierung der energieineffizientesten Gebäude zustande kommen. Damit ist eine strenge Sanierungspflicht aller ineffizienten Wohngebäude zwar vom Tisch, aber der Fokus auf diese Gruppe bleibt erhalten. Für Nicht-Wohngebäude gilt weiterhin, dass alle besonders ineffizienten Gebäude saniert werden sollen – bis 2033 die 26 Prozent schlechtesten Gebäude.

Außerdem einigten sich die Parteien des Trilogs darauf, dass Neubauten ab 2030 ausschließlich Nullemissions-Gebäude sein sollen und bis 2050 der gesamte Bestand aus Nullemission-Gebäuden bestehen soll. Auf Neubauten und bei Sanierungen von Nicht-Wohngebäuden werden Solaranlagen zur Pflicht. Zudem sollen die Mitgliedsstaaten in nationalen Gebäuderenovierungsplänen darlegen, wie sie bis 2040 komplett aus fossilen Heizungen aussteigen werden.

Ursprünglich sahen sowohl die Verhandlungspositionen der Kommission [III] [IV], des Rats [V] [VI] und des Parlaments [VII] [VIII] eine Sanierungspflicht vor [IX]. Sie sollte einer der Eckpfeiler der Wärmewende werden. Insbesondere die Ratsposition hatte sich jedoch verändert und auch die deutsche Regierung, insbesondere Bauministerin Klara Geywitz, sah die Sanierungspflicht zuletzt kritisch [X].

Als nächstes müssen sowohl Rat als auch Parlament formal die Richtlinie annehmen. Danach muss sie in nationales Recht überführt werden – in Deutschland wäre eine Neufassung des Gebäudeenergie-Gesetzes nötig. Damit nicht nur Interessensverbände in der öffentlichen Debatte um Kosten und Klimanutzen der Richtlinie Gehör finden, haben wir Forschende gebeten, die in ihrer fachlichen Expertise liegenden Argumente für oder gegen die Gebäudeeffizienz-Richtlinie vor dem EU-Trilog einzuschätzen und nach der Einigung ihre Statements um eine kurze Bewertung zu ergänzen.

Übersicht

     

  • Dr. Lisa Vollmer, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Europäische Urbanistik, Bauhaus-Universität Weimar
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  • Malte Bei der Wieden, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Energie & Klimaschutz, Öko-Institut e.V., Freiburg
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  • Dr. Ray Galvin, Tutor am Cambridge Institute for Sustainability Leadership, University of Cambridge, und assoziierter Wissenschaftler am Lehrstuhl für Wirtschaftswissenschaften, insbesondere Energieökonomik, RWTH Aachen
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  • Dr. Sören Weißermel, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Stadt- und Bevölkerungsgeographie, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
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  • Dr. Stefan Thomas, Leiter der Abteilung Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie
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  • Dr. Nikolas Müller, Leiter des Real Estate Management Institutes, EBS Universität für Wirtschaft und Recht, Wiesbaden
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Statements

Dr. Lisa Vollmer

Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Europäische Urbanistik, Bauhaus-Universität Weimar

Einschätzung vor der Einigung:

Wichtigste Punkte der EU-Richtlinie

„Die Erkenntnisse der sozialwissenschaftlichen Stadt- und Wohnungsforschung zur sozial-ökologischen Wohnungsfrage finden bislang nur wenig Widerhall in der politischen und öffentlichen Debatte. In der sozial- wie umweltwissenschaftlichen Forschung ist unumstritten, dass Mindestenergiestandards im Gebäudesektor einen zentralen Pfeiler im Kampf gegen die Klimakrise und im Erreichen der CO2-Einsparziele spielen müssen.“

Energetische Sanierung und soziale Ungleichheit

„Auch in sozialer Hinsicht spielt die energetische Sanierung von Wohngebäuden insbesondere im bislang in der Öffentlichkeit kaum diskutierten Mietsektor eine wichtige Rolle, um Ungleichheiten auszugleichen. Denn Studien zeigen deutlich, dass die Ausgaben pro Quadratmeter für Heizung und Warmwasser mit sinkendem Einkommen steigen, was darauf hinweist, dass einkommensarme Haushalte in Gebäuden mit besonders schlechten Energiestandards leben [1].“

„Durch die derzeitige politische Regulierung energetischer Modernisierung entsteht aber ein institutionalisierter Zielkonflikt zwischen sozialen und ökologischen Belangen in der Wohnraumversorgung in Deutschland. Durch die sogenannte Modernisierungsumlage können die Investitionskosten für energetische Sanierungsmaßnahmen auf die Miete umgelegt werden. Da im privaten Mietsektor eher selten staatliche Fördermittel zur energetischen Modernisierung genutzt werden [2], tragen Mieter:innen die alleinigen Kosten der Wärmewende, haben aber gleichzeitig keinen Einfluss darauf ob und wie energetische Maßnahmen ergriffen werden. Qualitative Studien haben gezeigt, dass energetische Modernisierungen sehr häufig zu signifikanten Mietsteigerungen führen – die bei weitem nicht von dem Absinken der Heizkosten kompensiert werden – und es in der Folge zu Verdrängung und Segregation kommt oder zur Verdrängung aus dem Lebensstil, bei der Haushalte bei anderen Ausgaben des täglichen Lebens sparen müssen [3] [4].“

„Die Einführung von Mindestenergiestandards für Gebäude ist gerade im Mietsektor aus Klimaschutzgründen zwar notwendig, weil Vermietende – jenseits der Möglichkeit zur Mietsteigerung – keinen Anreiz haben den Energiestandard zu erhöhen, da Mieter:innen die Energiekosten alleine tragen. Dies zeigt sich in der ausgesprochen niedrigen Sanierungsquote von einem Prozent des Gebäudebestandes pro Jahr. Wenn die Einführung von solchen Mindestenergiestandards nicht mit erheblichen sozialen Verwerfungen einhergehen soll, muss ihr in Deutschland eine grundlegende Neuaufteilung der Kosten der dafür notwendigen Investitionen vorausgehen. Die ansonsten zu erwartenden Mietsteigerungen sind für viele Haushalte mit geringem oder mittlerem Einkommen nicht tragbar. Eine Abschaffung der Modernisierungsumlage in Kombination mit der Einführung von ausreichenden und sozial gestaffelten Fördermitteln sowie eine Beteiligung der Immobilienwirtschaft und ihrer außerordentlichen Gewinne [5] der letzten Jahrzehnte an den Kosten der Wärmewende ist geboten.“

Malte Bei der Wieden

Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Energie & Klimaschutz, Öko-Institut e.V., Freiburg

Einschätzung vor der Einigung:

Wichtigste Punkte der EU-Richtlinie

„Der zentrale Punkt der Gebäudeeffizienz-Richtlinie sind energetische Mindesteffizienz-Standards (Minimum Energy Performance Standards; MEPS). Die Idee dahinter ist, dass zuerst die Gebäude saniert werden, in denen am meisten Energie verbraucht wird (worst performing buildings). Es wird aktuell noch verhandelt, ob diese Sanierungspflichten für Einzelgebäude gelten sollen oder ob lediglich ein Ziel festgelegt wird für die durchschnittliche Effizienz des Gebäudebestands. Für Wohngebäude werden die Anforderungen voraussichtlich nur als Durchschnittswerte formuliert. Das bedeutet, dass in der EU-Richtlinie keine Sanierungspflichten für Wohngebäude definiert werden, sondern die Mitgliedsstaaten durch andere Instrumente dafür sorgen müssen, dass dieses zusätzliche Effizienzziel in Form von Durchschnittswerten erreicht wird.“

Praktische Bedeutung für Sanierungen

„Gebäude mit hohem Energieverbrauch würden durch MEPS in den politischen Fokus rücken. Ein erster, sinnvoller Schritt ist immer die Erstellung eines Sanierungsfahrplans, in dem zusammen mit einem/einer Energieberater/in geplant wird, wann welche Teile des Gebäudes schrittweise saniert werden können. Etwaige Sanierungsvorgaben in der Gebäuderichtlinie beziehen sich auf Primärenergie. Die Energiemenge, die Verbraucher*innen in ihrer Energierechnung bezahlen, heißt Endenergie. Die Umrechnung von End- auf Primärenergie erfolgt über Faktoren, die die Umwandlungsverluste von zum Beispiel Rohöl in Heizöl abbilden. Gebäude verbrauchen bei gleichem Wärmeschutz deutlich mehr Primärenergie, wenn sie fossil anstatt erneuerbar beheizt werden. Bei vielen Gebäuden wären die Sanierungsvorschriften deshalb durch den Wechsel zu einer Heizung mit erneuerbaren Energien bereits erfüllbar und das Anbringen von Dämmung gar nicht erforderlich.“

Wichtige Argumente

„MEPS stellen eine Art Sicherheitsnetz dar im Politik-Mix der Wärmewende und könnten den Unterschied machen, ob die Klimaziele im Gebäudesektor erreicht werden oder nicht. Sie geben Klarheit und Planungssicherheit für Eigentümer*innen und Handwerk.“

„MEPS rücken diejenigen Gebäude in den Fokus, in denen am meisten Energie verheizt wird. Energetische Sanierungen sparen bei diesen Gebäuden am meisten Energiekosten ein und sind somit hier besonders wirtschaftlich.“

„Außerdem macht uns ein Gebäudebestand mit hohem Wärmeschutz krisenfester: Wir müssen weniger Gas importieren und Energiearmut wird langfristig bekämpft. Es ist jedoch wichtig, dass niemand durch MEPS in den Ruin getrieben wird. Einkommensschwache Haushalte müssen durch zielgerichtete Förderprogramme unterstützt werden. Der bestehende Worst-Performing-Buildings-Bonus und der geplante Sozial-Bonus in der Bundesförderung für effiziente Gebäude sind da Schritte in die richtige Richtung.“

Ergänzt nach der Entscheidung des EU-Triloges:

„Die 26 Prozent der Nicht-Wohngebäude, die am ineffizientesten beheizt werden, müssen bis 2033 saniert werden. Das Instrument wird zu direkten Emissionseinsparungen führen und ist begrüßenswert. Um diese Mindeststandards zu erreichen, reichen in den meisten Fällen ein Heizungstausch oder kleinere Effizienzmaßnahmen. Die Mitgliedsstaaten müssen die EU-Richtlinie jetzt in nationales Recht übersetzen. Dabei wäre es ratsam, auch direkt zu überlegen, welche Effizienz Nicht-Wohngebäude im Zielzustand 2045 haben sollen und über die EU-Vorgaben hinaus für nach 2033 Anforderungen an die Effizienz von Nicht-Wohngebäuden festzulegen.“

„Für Wohngebäude war bereits zu erwarten, dass keine Einzelgebäude verpflichtet werden. Es wurde nur ein Effizienzziel festgelegt. Sich ein weiteres Ziel zu setzen, führt aber nicht zu konkreten Sanierungen. Hier wurde eine Chance verpasst, die Wärmewende einen großen Schritt voranzubringen. Außerdem ist das Ziel nicht ambitioniert: Gegenüber 2020 soll 2030 der Primärenergieverbrauch um 16 Prozent gesenkt werden. Im ‚Business-As-Usual‘-Szenario im Projektionsbericht 2023 der Bundesregierung wird diese Minderung bereits ohne zusätzliche Instrumente erreicht [23].“

Dieses Statement entstand in Zusammenarbeit mit Dr. Sibylle Braungardt, die gemeinsam mit Herrn Bei der Weiden am Öko-Institut arbeitet.

Dr. Ray Galvin

Tutor am Cambridge Institute for Sustainability Leadership, University of Cambridge, und assoziierter Wissenschaftler am Lehrstuhl für Wirtschaftswissenschaften, insbesondere Energieökonomik, RWTH Aachen

Einschätzung vor der Einigung:

Wichtigste Punkte der EU-Richtlinie

„Der springende Punkt ist für mich die Annahme, dass das Ziel, bis 2050 einen Gebäudebestand ausschließlich aus Nullemissions-Gebäuden (Im Gesetzesvorschlag definiert als Gebäude mit sehr hoher Gesamtenergie-Effizienz, die lediglich eine geringe Restmenge an Energie benötigt wird, die aus Erneuerbaren gedeckt wird; Anm. d. Red.) zu erreichen, ein wirtschaftlich effizienter Weg ist, um Netto-Null-Emissionen in Bezug auf Gebäude zu erreichen.“

Praktische Bedeutung für Sanierungen

„Zunächst müssten die Eigentümer der Gebäude mit den schlechtesten Werten auf höhere Energieeffizienzstandards umrüsten, aber um das Null-Emissions-Ziel für 2050 zu erreichen, wären alle Eigentümer betroffen (Da laut Gesetzesentwurf alle Gebäude bis 2050 den höchsten Effizienzstandard erreichen sollen; Anm. d. Red.).“

Kritik am Ziel für Nullemissions-Gebäude im Jahr 2050

„Meine Forschungen deuten darauf hin, dass es weitaus sinnvoller ist, die Mittel und Ressourcen für das Null-Emissionen-Ziel auf der Ebene der Energiesysteme, in diesem Fall des Stromnetzes, einzusetzen [6] [7] [8]. Wir sollten Gebäude nach einem wirtschaftlich effizienten Standard bauen oder sanieren, mit Strom (zum Beispiel Wärmepumpen) statt mit fossilen Brennstoffen heizen und das Stromnetz dekarbonisieren. Dies ist pro eingesparter Tonne CO2 viel billiger, als jedes einzelne Gebäude auf einen sehr hohen Energieeffizienz-Standard umzurüsten. Die Kosten für die Umrüstung auf einen sehr hohen Energiestandard können sich auf über 2500 Euro pro Tonne eingespartes CO2 belaufen, verglichen mit Kosten von 30 bis 200 Euro pro Tonne eingespartes CO2 für Wind- oder Solarenergie aus der Ferne [7].“

„Es entstehen auch soziale Kosten, wenn Hauseigentümer gezwungen werden, auf einen Standard umzurüsten, der wirtschaftlich weniger rentabel ist als ein Basisstandard plus Wärmepumpe.“

„Photovoltaikanlagen auf Dächern können eine wirtschaftlich sinnvolle Möglichkeit sein, den Netzstromverbrauch zu senken, allerdings nur, wenn sie für den Verbrauch des Gebäudes angemessen dimensioniert sind [9]. Es ist am besten, die Photovoltaik auf dem Dach auf diese Weise zu begrenzen und das restliche Geld für die Erzeugung erneuerbarer Energie aus der Ferne auszugeben.“

„Für mich ist es sehr wichtig, dass die EU die CO2-Emissionen von Gebäuden reduziert, daher begrüße ich die Absicht der neuen EPBD. Ich bin jedoch der Meinung, dass das Null-Emissions-Ziel auf die Systemebene zugeschnitten werden muss, das heißt die Energieeffizienz der Gebäude darf nur so weit erhöht werden, wie es wirtschaftlich vertretbar ist. Die gesamte Heizungstechnik muss auf Strom umgestellt und das Stromnetz dekarbonisiert werden.“

„Wir können weit mehr Tonnen CO2 pro Euro einsparen, wenn wir die erneuerbaren Energien in der Ferne ausbauen, als wenn wir auf der Ebene des einzelnen Gebäudes eine extreme Energieeffizienz erreichen.“

„Gleichzeitig bin ich der Meinung, dass Gebäudeeigentümer generell – unabhängig von der EU-Richtlinie – damit rechnen müssen, erhebliche Beträge auszugeben, um Ihre Gebäude auf einem technisch und materiell hohen Standard zu halten [10]. Eine Faustregel lautet: Legen Sie jeden Monat 25 bis 30 Prozent des entsprechenden Werts der Kaltmiete als Investitionsfonds zur Seite, um das Gebäude auf gutem Standard halten zu können.“

Ergänzt nach der Entscheidung des EU-Triloges:

„Eine Stärke der ‚vorläufigen politischen Einigung‘ der EU ist die Flexibilität, die den Mitgliedstaaten eingeräumt wird, um den Energieverbrauch von Wohngebäuden im Allgemeinen und der Gebäude mit den schlechtesten Werten im Besonderen zu senken.“

„Es ist ehrgeizig, aber auch notwendig für den Klimaschutz, den durchschnittlichen Energieverbrauch des Wohngebäudebestands bis 2030 um 16 Prozent und bis 2035 um 20 bis 22 Prozent zu senken. Es ist auch angemessen zu verlangen, dass 55 Prozent dieser Energieeinsparung durch die Renovierung der Gebäude mit den schlechtesten Werten erreicht wird. Der Wortlaut des Abkommens scheint es den Mitgliedstaaten offen zu lassen, wie sie diese Ziele erreichen wollen. Dies ist wichtig, da der Gebäudebestand sehr heterogen ist und sichergestellt werden muss, dass die Mittel effizient und nicht ideologisch eingesetzt werden.“

„Erfreulich ist auch die Verpflichtung zum schrittweisen Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe in Gebäuden und zur Förderung der Solarenergie, ohne dass der Umfang oder der Anteil des Verbrauchs, der durch Solarenergie gedeckt werden muss, auf der Ebene des einzelnen Gebäudes festgelegt wird.“

„Enttäuschend an der Vereinbarung ist, dass der Schwerpunkt darauf liegt, einzelne Gebäude zu Nullemissions-Gebäuden zu machen, anstatt einen Systemansatz auf der Ebene des Stromnetzes zu verfolgen. Da wir auf der Ebene der Gebäude schrittweise aus den fossilen Brennstoffen aussteigen und auf Elektrizität umsteigen, sollte der Schwerpunkt mehr auf dem Übergang zu einem kohlenstofffreien Netz liegen und weniger darauf, die letzten Prozentpunkte an Effizienzgewinnen aus alten Gebäuden herauszuholen. Wir können oft weitaus mehr Tonnen CO2-Emissionen pro Euro einsparen, wenn wir dezentrale erneuerbare Energien wie Windparks und Solarparks auf Freiflächen errichten, als wenn wir die Photovoltaikanlagen auf bestimmten Gebäuden maximieren. Der Schwerpunkt muss auf der Optimierung von Investitionen zur Reduzierung von CO2-Emissionen liegen.“

Dr. Sören Weißermel

Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Stadt- und Bevölkerungsgeographie, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Einschätzung vor der Einigung:

Wichtigste Punkte der EU-Richtlinie

„Hinsichtlich der ökologischen Wirksamkeit der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) sind potenzielle Sanierungsverpflichtungen sowie die entsprechenden Umsetzungs- und Kontrollmechanismen sicherlich die zentralen, wenn auch politisch umstrittensten Punkte. Aus meiner Sicht ist jedoch die soziale Komponente mindestens ebenso entscheidend, insbesondere da die Punkte der Kostenübernahme und -aufteilung in den verschiedenen Mitgliedsstaaten unterschiedlich geregelt ist.“

Praktische Bedeutung für Sanierungen

„In Deutschland können über die Modernisierungsumlage bis zu acht Prozent der Sanierungskosten dauerhaft auf die Mieten umgelegt werden, was schon heute zu einer fortlaufenden Verknappung des ohnehin schmalen unteren und mittleren Mietpreis-Segments insbesondere in Großstädten führt. Eine Steigerung der Sanierungsquote, wie sie in der Richtlinie vorgesehen ist, könnte zu einer deutlichen Verschärfung dieser Situation führen.“

„Es muss daher klar geregelt sein, inwieweit bereitgestellte Gelder etwa aus dem Klima-Sozialfonds (SCF) für die Unterstützung einkommensschwacher Mieter*innen genutzt werden können und nicht in privatwirtschaftlichen Händen landen. Laut einer Einschätzung von FEANTSA (European Federation of National Organisations Working with the Homeless) müssen die Mittel hierfür noch deutlich aufgestockt werden [11]. Zudem muss geklärt sein, inwieweit die Modernisierungspauschale mit der erneuerten Richtlinie vereinbar ist und tatsächliche Warmmieten-Neutralität (finanzielle Einsparungen durch geringeres Heizen entsprechen mindestens den höheren Belastungen durch gestiegene Mietkosten) erreicht und garantiert werden kann. Wirksame Kontrollmechanismen sind hier unumgänglich.“

„Sollte eine Sanierungsverpflichtung in der Novellierung der EU-Gebäuderichtlinie durchgesetzt werden, träfe dies insbesondere jeweils die 15 Prozent des Gebäudebestandes eines Landes mit der schwächsten Energieeffizienz (Energieeffizienz-Klasse G). Öffentliche und Nichtwohngebäude müssten demnach bis spätestens 2027 die Energieeffizienzklasse F und bis 2030 die Energieeffizienzklasse E erreichen (Nach dem Entwurf der EU-Kommission; Anm. d. Red.). Wohngebäude müssen diese Klassen bis jeweils 2030 und 2033 erreichen.“

Energetische Sanierung und soziale Ungleichheit

„Sanierungsverpflichtungen träfen zunächst die Eigentümer*innen, wobei hier zwischen der Sanierungskapazität von Einzel- und Kleineigentümer*innen (beispielsweise Besitz einer Wohnung oder eines Ein- oder Mehrfamilienhauses) mit häufig geringem Kapital und großen Wohnungsunternehmen mit meist hohem Kapital zu unterscheiden ist. Erstere sollten also gezielt unterstützt werden, insbesondere vor dem Hintergrund der immensen Preissteigerungen bei Baustoffen und Krediten. Besonders zu berücksichtigen sind auch einkommensschwache Eigentümer*innen älterer Häuser im städtischen und ländlichen Raum (zum Beispiel die sogenannten Siedlungshäuser aus den 1920er bis 50er Jahren). Mieter*innen von Wohnungen mit geringer Energieeffizienz gehören meist der unteren Einkommensschicht an und wären von einer Kostenumlage auf die Mieten besonders betroffen. Hier müssen EU-Mittel gezielt angewendet und die nationalen gesetzlichen Regelungen angepasst werden (beispielsweise in Deutschland die Senkung der Modernisierungsumlage oder Einführung des Drittel-Modells (Bei dem die Kosten zwischen Staat, Mieter und Vermieter ausgewogen geteilt werden; Anm. d. Red.).“

„Der wichtige soziale Punkt der weit verbreiteten Energiearmut findet im Vorschlag der EU-Kommission verstärkt Erwähnung. Der Aspekt der Klimaresilienz, also insbesondere die Notwendigkeit besserer Dämmung angesichts sich häufender (städtischer) Hitzewellen findet am Rande Erwähnung, sollte aber in Bezug auf vulnerable Bewohner*innen noch stärkere Berücksichtigung finden. Hinsichtlich dieser Punkte ist eine Renovierungsoffensive der Gebäude mit der schwächsten Energieeffizienz zu begrüßen. Sie dürfen jedoch nicht allein zum Zwecke der Rechtfertigung der Renovierungswelle instrumentalisiert werden, sondern müssen im Fokus eines jeden Renovierungsvorhabens stehen und mit ausreichend Mitteln gestützt werden, um eine weitere Belastung und Verdrängung einkommensschwacher Mieter*innen und Eigentümer*innen zu vermeiden. Hier sei nochmals ergänzend auf die Notwendigkeit einer Reformierung der Modernisierungsumlage in Deutschland sowie die Einführung von Überprüfungen tatsächlich erzielter Energieeinsparungen hingewiesen, um tatsächliche Warmmieten-Neutralität zu erreichen.“

„Diese Debatte findet in der deutschen Öffentlichkeit verstärkt Gehör, bezieht sich aufgrund der hitzigen Debatte über die Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) aber vor allem auf das Heizen (bei Heizungsaustausch wurde die Modernisierungsumlage nun auf maximal 50 Cent pro Quadratmeter gesenkt). Die generelle Problematik der Modernisierungsumlage bei Wohngebäudesanierungen und ihre verschärfende Wirkung auf ohnehin angespannte Mietmärkte muss vor dem Hintergrund der Novellierung des EPBD noch stärker diskutiert und problematisiert werden. Klima- und Wohnungspolitik muss zusammengedacht werden, um eine weitere Polarisierung der Gesellschaft zu verhindern und den gesellschaftlichen Rückhalt hinter staatlicher und kommunaler Klimapolitik zu stärken.“

Partizipation der Bewohner wichtig

„Ein meines Erachtens zentraler Aspekt ist deshalb auch die Partizipation der Bevölkerung, insbesondere die konkrete Einbindung derjenigen, die von der Sanierung eines Wohngebäudes oder gar eines ganzen Quartiers betroffen sind. Es ist zu begrüßen, dass dieser Punkt im Richtlinienentwurf des EU-Parlaments (Gründe Absatz 49b) über die Novellierung der EU-Gebäuderichtlinie Erwähnung findet. Baulich-technische klimapolitische Maßnahmen verlieren ihre Neutralität, wenn sie auf soziale beziehungsweise räumliche Ungleichheit treffen. Es muss eine Politisierung dieser Maßnahmen stattfinden, Bewohner*innen müssen frühzeitig eingebunden und ihre Meinungen und Vorschläge miteinbezogen werden. Solch eine gesteigerte Berücksichtigung und Einbindung lokaler Begebenheiten und Bedürfnisse stärkt die Annahme und den Rückhalt, beugt unterschiedlichen Formen der Verdrängung und Marginalisierung vor und kann zu wirksameren Ergebnissen führen. Da der Großteil des Wohnungsbestandes in privater Hand ist, gilt es hier, den gesetzlichen Rahmen für entsprechende Beteiligung zu schaffen, aber auch den Zugang zu und Ausbau von rechtlicher Hilfe. Auch muss die öffentliche Hand eine deutlich aktivere Rolle einnehmen. Da solche Maßnahmen auch Kosten verursachen, müssen insbesondere Kleineigentümer*innen entsprechend unterstützt werden.“

Ergänzt nach der Entscheidung des EU-Triloges:

„Die Einigung ist ein wichtiger Schritt hin zur Emissionsreduzierung im Gebäudesektor. Diese Anstrengung ist grundsätzlich zu begrüßen, sowohl aus ökologischer als auch aus sozialer Perspektive in Hinblick auf die in Deutschland und Europa weit verbreitete Energiearmut sowie die notwendige Anpassung von Wohngebäuden an stärkere Hitzeperioden durch bessere Dämmung.“

„Es wird allerdings die Gelegenheit verpasst, auch bezüglich der Kostenverteilung von Wohngebäudesanierungen klare Richtlinien beziehungsweise Anreize zu erstellen. So sind diese Kostenverteilungen in den EU-Staaten völlig unterschiedlich geregelt. In Deutschland führt die Möglichkeit der Kostenumlage auf Mieter*innen durch die Modernisierungsumlage zu Mietsteigerungen und einem immer angespannteren Mietmarkt. Hier kann eine deutliche Steigerung der Sanierungsrate zu sozialen Verwerfungen und einer sich verschärfenden sozialräumlichen Ungleichheit führen. Zum einen müssen EU-Gelder zum Abfedern negativer sozialer Folgen erhöht und gesichert werden, zum anderen bedarf es dringend einer Anpassung der gesetzlichen Regelung in Deutschland an die neue EU-Richtlinie, wie eine drastische Reduzierung oder Abschaffung der Modernisierungsumlage.“

Dr. Stefan Thomas

Leiter der Abteilung Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie

Einschätzung vor der Einigung:

Hintergrund der EU-Richtlinie

„Immobilien sind nicht transportierbar, daher gibt es anders als bei Elektrogeräten eine EU-Richtlinie, die von den EU-Mitgliedstaaten umzusetzen ist. Das hat zu unterschiedlichsten Ausgestaltungen geführt. Aber für die Klimapolitik ist es wichtig, die Ambition der nationalen Politik vergleichen zu können, und auch die Immobilienwirtschaft ist an Vergleichbarkeit des Energieverbrauchs über die Grenzen der Mitgliedstaaten hinweg interessiert. Seit der ersten Gebäudeeffizienz-Richtlinie von 2002 ist die Kommission daher bestrebt, Energieausweise und Effizienzanforderungen vergleichbar zu machen und auch im Ambitionsniveau anzugleichen und zu verbessern, um die wirtschaftlichen Potenziale der Energieeffizienz zu nutzen.“

Wichtigste Punkte der EU-Richtlinie

„Wichtigste Neuerungen in der aktuellen Überarbeitung der Richtlinie sind daher aus meiner wissenschaftlichen Perspektive auf eine effektive Energie- und Klimapolitik: erstens die vorgeschlagenen Mindestvorgaben für die Gesamtenergie-Effizienz bestehender Gebäude in Verbindung mit einer Überarbeitung der Energieausweise, zweitens die neue Definition für Nullemissions-Gebäude und drittens die konkreten Ziele in den nationalen Gebäuderenovierungsplänen.“

„Erstens, zu den Mindestvorgaben für die Gesamtenergie-Effizienz bestehender Gebäude: Bisher waren schon im Fall einer größeren Renovierung (mindestens 25 Prozent der Gebäudehülle) eine zusätzliche Wärmedämmung oder effizientere Fenster vorgeschrieben. Jetzt soll zusätzlich eine Pflicht zur Renovierung für die besonders schlecht gedämmten Gebäude eingeführt werden, um die Bewohner*innen vor künftig weiter steigenden Heizkosten zu schützen und die besonders hohen Einsparungen, die bei diesen Gebäuden kostengünstig möglich sind, für die Energiesicherheit und den Klimaschutz zu realisieren. Sie sollen dabei zunächst nur die Mindestvorgaben für die Gesamtenergie-Effizienz einhalten (engl. minimum energy performance standards, MEPS). Die Pflicht gilt (hier und im Folgenden: laut Vorschlag der EU-Kommission; Anm. d. Red.) für die neu definierten Effizienzklassen G und später F: Von den Nichtwohngebäuden soll jedes Gebäude die Klasse F bis 2027 und E bis 2030 erreichen. Jedes Wohngebäude soll die Klasse F bis 2030 und E bis 2033 erreichen. Jedoch scheint es momentan wahrscheinlich, dass der EU-Trilog diese Pflicht stark entschärfen wird.“

„Die Basis für die MEPS sollen die überarbeiteten Energieausweise bilden. Bisher haben sie uneinheitliche Skalen zwischen den Mitgliedstaaten. Jetzt ist eine einheitliche Skala A bis G vorgeschlagen, wobei fraglich ist, ob der EU-Trilog dieser Skala zustimmen wird. Die Basis dafür ist der Primärenergiebedarf oder -verbrauch pro Quadratmeter Nutzfläche. Klasse A soll dem aktuellen Neubaustandard entsprechen – derzeit Niedrigstenergiegebäude, ab 2030 Nullemissions-Gebäude. In Klasse G sollen die 15 Prozent Gebäude mit der schlechtesten Gesamtenergie-Effizienz im nationalen Gebäudebestand eingeordnet werden, die übrigen Klassen sollen gleichmäßig dazwischen angeordnet werden. Dies ist aus Sicht des Verbraucherschutzes zu begrüßen, denn es würde die Energieausweise zwischen den Mitgliedstaaten besser vergleichbar machen.“

„Zweitens, zur neuen Definition von Nullemissions-Gebäuden (zero-emission building, ZEB): Sie soll die vorhandenen wirtschaftlichen Potenziale für Energieeffizienz und erneuerbare Energien nutzen und wird erstmals mit einem Vorschlag für Höchstgrenzen des Primärenergieverbrauchs pro Quadratmeter je nach Klimazone verbunden (Anhang III). Damit würde das Ambitionsniveau zwischen Mitgliedstaaten in vergleichbaren Klimazonen etwas angeglichen, was aus Sicht des Klimaschutzes wichtig ist. Nullemissions-Gebäude werden zum Standard für neue Gebäude ab 2030 (ab 2027 für öffentliche Gebäude). Sie geben das Niveau vor, das durch eine umfassende Renovierung ab 2030 erreicht werden soll und stellen die Vision für den Gebäudebestand bis 2050 dar.“

„Wie ist ein Nullemissions-Gebäude definiert? Es ist gemäß Richtlinienentwurf ‚ein Gebäude mit einer sehr hohen, nach Anhang I bestimmten Gesamtenergie-Effizienz, bei dem die noch benötigte sehr geringe Energiemenge im Einklang mit den Anforderungen in Anhang III vollständig durch am Standort erzeugte Energie aus erneuerbaren Quellen, durch eine Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft im Sinne der Richtlinie (EU)2018/2001 (geänderte Erneuerbare-Energien-Richtlinie) oder durch ein Fernwärme- und Fernkältesystem gedeckt wird‘.“

„Drittens, zu konkreten Ziele in den nationalen Gebäuderenovierungsplänen: Nach der derzeit gültigen Gebäuderichtlinie müssen die Mitgliedstaaten langfristige Renovierungsstrategien vorlegen, die jetzt in nationale Gebäuderenovierungspläne umbenannt und mit konkreteren Vorgaben ausgestattet werden sollen. Damit soll der Gebäudebestand bis 2050 dekarbonisiert und jedes Gebäude zum Nullemissions-Gebäude renoviert werden. So soll erreicht werden, dass der Gebäudesektor in ausreichendem Maß zu den Zielen für Klimaschutz, Energieeffizienz und erneuerbare Energien beiträgt, die in den entsprechenden EU-Richtlinien und -Verordnungen festgelegt sind.“

„Dazu sollen die langfristigen Renovierungsstrategien einen Fahrplan mit auf nationaler Ebene festgelegten Zielen und messbaren Fortschrittsindikatoren im Hinblick auf das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 enthalten. Das soll bis 2050 einen in hohem Maße energieeffizienten und dekarbonisierten nationalen Gebäudebestand und den Umbau bestehender Gebäude in Nullemissions-Gebäude gewährleisten.“

„Wichtig dafür ist es, dass noch konkretere Vorgaben gemacht werden sollen. Die Fahrpläne sollen unter anderem enthalten: nationale Ziele für 2030, 2040 und 2050 in Bezug auf die jährliche Quote energetischer Renovierungen, den Primär- und Endenergieverbrauch des nationalen Gebäudebestands und die Verringerung seiner betriebsbedingten Treibhausgasemissionen; spezifische Zeitpläne, damit Gebäude im Einklang mit dem Pfad zum Umbau des nationalen Gebäudebestands in Nullemissions-Gebäude bis 2040 und 2050 höhere Gesamtenergie-Effizienzklassen als die für 2033 vorgeschlagenen MEPS erreichen; und eine nachweisgestützte Schätzung der zu erwartenden Energieeinsparungen und weiter reichender Vorteile.“

„Zudem könnten weitere wichtige Neuerungen kommen: Freiwillige Renovierungspässe, die dem deutschen individuellen Sanierungsfahrplan entsprechen, sollen eingeführt werden. Sie legen für das betreffende Gebäude dar, wie der Zielzustand Nullemissions-Gebäude schrittweise erreicht werden kann, um die Wirtschaftlichkeit zu optimieren. Die Gebäudeenergieberatung aus einer Hand durch ‚zentrale Anlaufstellen‘ (‚One-Stop-Shops‘) soll gestärkt werden. Freiwillige digitale Gebäudelogbücher sollen eingeführt werden, um ein gemeinsames Register für alle einschlägigen Gebäudedaten zur Energieeffizienz und den verwendeten Materialien zu schaffen. Und schließlich gibt es erste Ansätze, die Treibhausgasemissionen über den ganzen Lebenszyklus zu berücksichtigen, also vor allem durch die verwendeten Baustoffe: Diese Daten sollen ab 2030 für alle Neubauten berechnet und in den Energieausweisen dargestellt werden.“

Praktische Bedeutung für Sanierungen

„Angenommen, es würde eine unbedingte Sanierungsvorschrift auf Mindestvorgaben für die Gesamtenergie-Effizienz bestehender Gebäude (MEPS) beschlossen: Dann müssten Eigentümer*innen von Gebäuden der neuen energetisch besonders schlechten Energieeffizienzklassen F und G (wie sie gemäß Richtliniennovelle definiert werden sollen) genau so viele Maßnahmen ergreifen, dass sich die Klasse auf E verbessert; für Wohngebäude soll das bis 2033, für Nichtwohngebäude bis 2030 erreicht sein.“

„Es hängt vom einzelnen Gebäude ab, was dafür zu tun ist. Nach einer Studie für die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz genügen für ein typisches Einfamilienhaus ein bis zwei relativ kostengünstige Wärmedämmungsmaßnahmen, um die Anforderungen zu erfüllen und die Klasse E zu erreichen [12] [13]. Die Bandbreite der Kosten dafür liegt nach der Studie für die DENEFF selbst bei den ineffizientesten Gebäuden nur zwischen 4300 und 14.500 Euro. Das rentiert sich nach meiner Abschätzung innerhalb von 5 bis 15 Jahren. Allerdings müssten die Arbeiten in energetisch bestmöglicher Qualität ausgeführt werden, damit sie förder- und zukunftsfähig sind und ein lock-in von unnötig hohem Energieverbrauch vermieden wird.“

„Dafür ist in jedem Fall ein individueller Sanierungsfahrplan sinnvoll. Auch die Klasse E ist noch nicht richtig energieeffizient. Der Sanierungsfahrplan sagt, wie es mit den nächsten Schritten in Richtung Niedrigenergiehaus weitergehen kann, je nachdem wann bestimmte Bauteile oder die Heizung zu Erneuerung fällig sind. Denn dann lohnt es sich in der Regel auch finanziell, die Energieeffizienz weiter zu verbessern.“

Relevanz der EU-Richtlinie

„In der EU verursachen Gebäude etwa 40 Prozent des Energieverbrauchs und 36 Prozent der THG-Emissionen, so die EU-Kommission im Entwurf zur Richtlinie. In Deutschland sieht es ähnlich aus. Ohne den Gebäudesektor sind daher die Klima- und Energieziele und der entsprechende Beitrag zur Energieversorgungssicherheit nicht zu erreichen. Gebäude müssen entscheidend zu den Zielen der EU-Energieeffizienzrichtlinie beitragen und sind Teil des Effort Sharing zum Klimaschutz. Die Gebäuderichtlinie konkretisiert diesen Beitrag der Gebäude und unterlegt ihn mit den nationalen Gebäuderenovierungsplänen und den erforderlichen Politikinstrumenten. Diese sollten in allen EU-Mitgliedstaaten zum Einsatz kommen, um die EU-Ziele zu erreichen und die wirtschaftlichen Potenziale zu nutzen. Daher ist es sinnvoll, sie in einer EU-Richtlinie zu regeln.“

„Eine ‚starke‘ Richtlinie mit ehrgeizigen Zielen und effektiven Politikinstrumenten wäre wichtig, damit Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit beziehungsweise Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit erreicht und miteinander verbunden werden können. Das Potenzial der Energieeffizienz ist im Gebäudesektor mit am größten von allen Sektoren (vergleiche zum Beispiel [14]). In schlecht gedämmten Gebäuden sind oft 60 bis 80 Prozent Energieeinsparung möglich. Das ist sogar meist wirtschaftlich, wenn bei ohnehin fälligen Renovierungen oder Erneuerungen (zum Beispiel Dach, Heizung) die Dämmung ergänzt oder die effiziente Heizung gewählt wird. Durch die Einführung des zweiten EU-Emissionshandels auch für den Gebäudesektor werden Gas- und Ölheizungen nach Einschätzung der meisten Expert*innen ab 2027 deutlich teurer werden, so dass die Wirtschaftlichkeit und die Dringlichkeit einer energetischen Sanierung weiter steigen.“

Energetische Sanierung und soziale Ungleichheit

„Allerdings muss hier die objektiv richtige Rechnung über die Nutzungsdauer der Investitionen gewählt werden, die bei Gebäuden oft 40 Jahre oder mehr beträgt. Die hohen Anfangsinvestitionen und die zum Teil hohen Modernisierungsumlagen, die dadurch ausgelöst werden können, sollten nicht als Argument gegen die energetische Sanierung herhalten. Vielmehr ist es Aufgabe der Politik, die Investitionen durch die Ausgestaltung der Bundesförderung effiziente Gebäude für alle tragbar zu machen. Dann kann auch die in der Debatte um das „Heizungsgesetz“ im Jahr 2023 beschädigte Akzeptanz wieder hergestellt und soziale Härten können vermieden werden. So könnte der Gebäudesektor in Deutschland sogar vor 2045 schon treibhausgasneutral werden [15].“

„Hierzu wäre vor allem für die Wärmedämmung ein zusätzlicher Bonus für einkommensarme Haushalte erforderlich, wie es für die Heizungsumstellung geplant ist. Für beides, Wärmedämmung und Heizungsumstellung, wäre zudem eine entsprechende Lösung für Mietwohnungen vonnöten. Auch die Modernisierungsumlage sollte weiter reformiert werden, damit die Warmmiete, also die Summe aus Kaltmiete und Heizungskosten, nicht steigt. Entsprechende Vorschläge liegen bereits längere Zeit vor [16].“

„Bisher sind etwa 75 Prozent des Gebäudebestands ineffizient. Besonders die schlechtesten Gebäude werden oft von einkommensarmen Haushalten bewohnt, die unter den hohen Energiekosten und schlechtem Komfort leiden müssen, wir sprechen von Energiearmut. Im letzten Winter gaben beispielsweise 6,6 Prozent der Menschen in Deutschland an, dass sie nicht in der Lage waren, ihre Wohnung angemessen zu beheizen [17]. Vor allem der Gebäudebestand muss energetisch saniert und auf THG-neutrale Heizungssysteme umgerüstet werden, da Neubauraten meist kleiner als ein Prozent des Bestands pro Jahr sind. Energiearmut sollte bekämpft werden, indem die Wohnungen besser gedämmt werden, nicht durch einen Verzicht darauf, wie es Teile der Wohnungswirtschaft suggerieren. Eine Reform der Modernisierungsumlage ist allerdings erforderlich.“

Zusammenspiel von Dämmung und grünen Heiztechnologien

„Mit einer Umstellung auf die Wärmepumpe oder künftig grüne Fernwärme hat sich die Wärmedämmung der Gebäude nicht erledigt. Denn sie wird in vielen Fällen immer noch kostengünstiger sein als der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromnetze beziehungsweise der Wärmenetze und Wärmeerzeugung. Und im Stromsystem würde der Bedarf an saisonaler Speicherung vor allem durch teure Erzeugung und Speicherung von grünem Wasserstoff deutlich höher ausfallen, wenn wir die Gebäude nicht ausreichend dämmen.“

Ergänzt nach der Entscheidung des EU-Trilogs:

„Wenn es konkret wird, erweist sich die EU manchmal als Schnecke. Im aktuellen Beispiel der Gebäudeeffizienzrichtlinie gibt es durchaus Fortschritte, aber angesichts des Potenzials zu wirtschaftlichen Einsparungen hätten sie größer sein sollen.“

„Es gibt einige positive Punkte. Der Gebäudebestand soll bis 2050 das Niveau von Nullemissions-Gebäuden erreichen, und die Mitgliedstaaten sollen in ihren nationalen Gebäuderenovierungsplänen konkrete Zwischenziele und messbare Fortschrittsindikatoren für den Weg dorthin vorweisen. Alle neuen Gebäude müssen ab 2030 Nullemissions-Gebäude sein. Das heißt, sie dürfen wenig Heiz- und Kühlenergie verbrauchen, die zudem am Standort durch erneuerbare Energien oder durch Fernwärme beziehungsweise Fernkälte bereitgestellt wird.“

„Im Bestand der Wohngebäude soll der Primärenergieverbrauch um mindestens 16 Prozent bis 2030 und mindestens 20 bis 22 Prozent bis 2035 sinken. 55 Prozent dieser Einsparung sollen bei den Gebäuden erreicht werden, die bisher am meisten Energie verbrauchen. Bei Nicht-Wohngebäuden sollen bis 2030 die 16 Prozent, bis 2033 die 26 Prozent größten Energieschleudern auf ein bestimmtes energetisches Mindestniveau renoviert werden. Außerdem sollen spätestens ab 2030 alle neuen Gebäude mit Solaranlagen ausgestattet werden, zudem bestehende Nicht-Wohngebäude bei genehmigungspflichtigen Renovierungen.“

„Es ist wichtig, dass sich die politischen Unterstützungsmaßnahmen auf die Gebäude fokussieren sollen, die am meisten Energie verbrauchen. So können die Bewohner*innen vor künftig weiter steigenden Heizkosten geschützt und die besonders hohen und kostengünstigen Einsparungen, die bei diesen Gebäuden möglich sind, für die Energiesicherheit und den Klimaschutz realisiert werden. Schade ist, dass es darauf bei Wohngebäuden für Mietende kein Anrecht gibt, weil die von der EU-Kommission vorgeschlagene Pflicht für jedes Gebäude nun nur für die Nicht-Wohngebäude gilt.“

„Außerdem als positiv zu bewerten ist der Ausstieg aus der Verwendung fossiler Brennstoffe bis 2040. Es ist mir allerdings noch nicht klar, was genau gemeint ist. Ist es ein Verkaufsverbot für Heizkessel oder ein Verwendungsverbot für Gas, Öl und Kohle? Da müssen wir wohl den genaueren Text abwarten.“

„Auch das Niveau der Einsparziele für die Wohngebäude hätte höher sein sollen. Im EU-Durchschnitt mag es sein, dass es mit den übergeordneten Zielen der kürzlich in Kraft getretenen überarbeiteten Energieeffizienzrichtlinie übereinstimmt. Für Deutschland liegt es mit 16 Prozent bis 2030 dagegen deutlich unter dem nationalen Ziel: Im Energieeffizienzgesetz wird bis 2030 eine Primärenergieeinsparung von etwa 32 Prozent gegenüber 2020 angestrebt. Der Anteil des Wohngebäudesektors nach EU-Ziel liegt also deutlich darunter, obwohl in diesem Sektor besonders große Einsparungen möglich sind. Dem Vernehmen nach hat sich Deutschland auf Drängen des Bauministeriums für eher niedrige Zielwerte in der EU-Richtlinie eingesetzt.“

„Die Richtlinie enthält seit jeher auch zahlreiche Regelungen für konkrete Politikinstrumente. Die Mitgliedstaaten sollen sie zum Erreichen der Ziele ausgestalten und einsetzen. Dazu gab es bei dieser Novelle neben den oben genannten positiven Punkten eher Verbesserungen im Schneckentempo.“

Dr. Nikolas Müller

Leiter des Real Estate Management Institutes, EBS Universität für Wirtschaft und Recht, Wiesbaden

Einschätzung vor der Einigung:

Wichtigste Punkte der EU-Richtlinie

„Zentrale Punkte sind die Entscheidungen über die Grundsätze zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen im Gebäudesektor, mit denen die Treibhausgasemissionen bei Neu- und Bestandsgebäuden reduziert werden sollen – einerseits. Von einer Sanierungspflicht haben sich die Parteien zunehmend distanziert. Dennoch gibt es in Deutschland über das Gebäudeenergie-Gesetz (GEG) Anforderungen, die im Falle umfassender Sanierungen eingehalten werden müssen, sofern das im Gesetz verankerte Wirtschaftlichkeitsgebot erfüllt wird. Andernfalls tritt ein Befreiungstatbestand in Kraft (Wonach aufgrund unbilliger Härte oder weil die Ziele des Gesetzes anderweitig erreicht werden können, von den Anforderungen des GEG befreit werden kann; Anm. d. Red.) [18].“

„Wenig Beachtung in der öffentlichen Diskussion hat bislang die Definition des Nullemissions-Gebäudes in der EU-Richtlinie gefunden. Die Definition ist jedoch auch für Deutschland von entscheidender Bedeutung. Denn sofern das Referenzgebäude als Nullemissions-Gebäude so definiert wird, dass es eine sehr hohe Energieeffizienz erreicht und keine oder kaum Restenergie benötigt, bieten sich auch dem deutschen Gesetzgeber nicht mehr viele Möglichkeiten, diese Auslegung zu umgehen. Denn dann müssten alle Gebäude diesen unglaublich hohen Effizienz-Standard erfüllen, der in vielen Fällen unwirtschaftlich ist. Es würde keinen Spielraum mehr für Gebäude geben, die nach wirtschaftlichen Kriterien energetisch effizient saniert werden und den restlichen Energiebedarf über erneuerbare Energien decken – und damit auch Nullemissions-Gebäude wären. Wichtig ist dabei auch, inwieweit die restliche benötigte erneuerbare Energie für Raumwärme, Warmwasser und Strom off-site produziert werden kann. Die Umsetzungsmöglichkeiten hängen stark davon ab, mit welchem energetischen Effizienzstandard das Nullemissions-Gebäude definiert wird. Sofern das Nullemission-Gebäude als Gebäude mit geringem Energiebedarf definiert wird, und die Energie off-site erneuerbar generiert werden kann, ist das Gebäude auch emissionsfrei. Dies wäre selbst bei einem nicht effizienten Gebäude der Fall, wenn es erneuerbar emissionsfrei beispielsweise mit einer Wärmepumpe beheizt wird.“

Praktische Bedeutung für Sanierungen

„Abhängig von den definierten Standards der Energieeffizienz und des Einsatzes erneuerbarer Energien sind alle Eigentümer von den politischen Vorgaben betroffen. Einfamilienhäuser weisen in der Regel höhere Sanierungskosten auf, daher sind Eigentümer oder Käufer von Einfamilienhäusern besonders betroffen. Andererseits haben Wohnungsunternehmen – gemeint sind hier kommunale Wohnungsunternehmen und Genossenschaften, nicht aber börsendotierte Unternehmen – die besondere Aufgabe, dass Sie Menschen mit kleinem Einkommen kostengünstigen Wohnraum zur Verfügung stellen sollen und müssen. Im Gegensatz zu börsendotierten Wohnungsunternehmen wie der Deutsche Wohnen SE erwirtschaften kommunale Wohnungsunternehmen und Genossenschaften regelmäßig geringere Eigenkapitalrenditen und haben auch Bestände in schrumpfenden Märkten [19]. Beides wirkt negativ auf die Liquidität - so dass bei weiteren Verschärfungen diese Wohnungsunternehmen besonders betroffen sind, sofern sie die erforderlichen Umlagen der energetischen Maßnahmen nicht auf Mieterinnen umlegen können. Dies betrifft auch die Situation privater Vermieter. Hier wird der Staat bei zusätzlichen Anforderungen nicht um neue Förderinstrumente herumkommen.“

Wichtige Argumente

„Der deutsche Gebäudebestand spielt eine Schlüsselrolle im Klimaschutz. Trotz des technischen Einsparpotenzials stagniert die Sanierungsquote seit Jahren bei rund einem Prozent. Deutschland verfehlt daher seine Energie- und Treibhausgasziele im Gebäudesektor konsequent und die gegebenen Potenziale werden nicht aktiviert. Gleichwohl wird weiterhin kontinuierlich eine Strategie verfolgt, die sowohl eine Erhöhung der Sanierungsrate als auch -tiefe umfasst [20]. Diese Strategie wird seit Jahren über ein populäres Missverständnis legitimiert.“

„Die Vermischung von Wirtschaftspolitik mit Klimapolitik hat auch in Deutschland seit Jahren bestand. Inwieweit bei der gegebenen Sanierungsquote von einer erfolgreichen politischen Stimulation des Marktes gesprochen werden kann, ist gesondert zu klären. Wenn sich jedoch, wie Frans Timmermans ausgeführt hat [21], energetische Investitionen finanziell auszahlen, dann stellt sich eine schlichte Frage: Warum kann Deutschland – zumindest unter der Prämisse ökonomisch handelnder Akteure – noch keinen durchsanierten Gebäudebestand vorweisen?“

„Der Grund: Die Investitionen in die angestrebte Wärmewände übersteigen vermieter- wie mieterseitig die mögliche Refinanzierbarkeit aus den realisierbaren Energiekostenersparnissen massiv: Der Grenznutzen ist aus der Perspektive der Akteure längst überschritten, auch bei aktuellen Standards. Anders als in der öffentlichen Debatte dargestellt, ist die Wärmewende in der Wohnungswirtschaft kein Nullsummenspiel. Es ist richtig, dass im Gebäudesektor hohe technische Potenziale zur Steigerung der Energieeffizienz liegen. Doch die Wahrheit ist auch, dass diese zu heben teuer erkauft werden muss. Die Wärmewende führt zu zusätzlichen Investitionen von Eigentümern in beträchtlicher Höhe – und in Folge zu einer beträchtlichen Steigerung der Kosten des Wohnens für die Mieter. Da viele Mieter diese Kostensteigerungen nicht tragen werden können, führt die Wärmewende zwangsweise auch zu einer zusätzlichen Belastung für die Sozialkassen. Die Wärmewende führt daher zu einer versteckten finanziellen Belastung für den Staat, die mit steigendem Sanierungszustand sukzessive und kumulativ ansteigt.“

Welche Maßnahmen es in Deutschland bräuchte

„Der Gebäudebestand in Deutschland hat ein großes technisches Potenzial zur Einsparung der Treibhausgasemissionen. Je höher die energetischen Anforderungen an Gebäude, desto schwieriger wird die Refinanzierung. Energetische Sanierungen auf hohem Niveau sind in der Regel längst nicht mehr warmmietenneutral. Gleichzeitig verharrt die Sanierungsquote auf niedrigem Niveau bei rund einem Prozent. Ein Großteil des Gebäudebestandes ist noch nicht energetisch hoch effizient. Hier braucht es neue Förderinstrumente, die aktiv die Treibhausgasvermeidungskosten im Gebäudesektor in den Fokus nimmt – nicht die Primärenergie. Diese Kosten müssen ferner im Sinne einer volkswirtschaftlichen Optimierung in Vergleich zu Treibhausgasvermeidungskosten anderer Sektoren gesetzt werden. Im Sinne der Sektorenkopplung sollte die Möglichkeiten generiert werden, bei nach wirtschaftlichen Kriterien optimierten Gebäuden auch den Einsatz off-site generierter erneuerbarer Energie anzurechnen. So kann auch auf diese Art ein Nullemissions-Gebäude generiert werden. Andernfalls laufen wir das Risiko, dass zunehmend Gebäudeeigentümer von dem im GEG definierten Befreiungstatbestand Gebrauch machen – und wir für das Klima weniger erreichen, als wir tun können.“

Ergänzt nach der Entscheidung des EU-Triloges:

„Die EU hat mit der neuen Gebäudeeffizienz-Richtlinie einen vermeintlich klaren Standard geschaffen. Doch über die Headlines hinweg sind insbesondere die Details – und das, was daraus folgt – spannend für die politischen Strategien für den Gebäudebestand. Aus dem Ziel eines nearly Zero Emission Buildings ist das Zero Emission Building (ZEB, Nullemissions-Gebäude) als zukünftiger Standard für die nationalen Umsetzungsstrategien gesetzt worden – für den Neubau wie für den Bestand. Diese ZEB wurden als Gebäude definiert, welche einen sehr niedrigen Energiebedarf aufweisen, keine CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen und keine oder nur sehr geringe betriebliche Treibhausgasemissionen emittieren.“

„Die Ausgestaltung der nationalen Anforderungen eines ZEB werden daher besonders interessant werden. Einerseits, weil dem Ziel der EU nach alle Gebäude bis 2050 ein ZEB sein müssen, um das Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestandes zu erreichen. Denn hier werden zwei Ziele miteinander vermengt: die energetische Effizienz von Gebäuden und die Treibhausgasemissionen.“

„Anderseits, weil offenbleibt, wie das in der Verordnung integrierte Kostenoptimum definiert wird – und welche Bewertungsvorschriften hier für die nationalen Umsetzungsstrategien herangezogen werden. Hier zeigt sich insbesondere die Herausforderung mit dem Wirtschaftlichkeitsbegriff und möglichen Befreiungstatbeständen.“

„Die aktuelle Perspektive zielt auf die Reduktion von Primärenergie ab und betrachtet damit die Primärenergie-Effizienz auf Gebäudeebene. Diese muss nicht zwingend mit der Vermeidungskosten-Effizienz von Treibhausgasen auf gesamtwirtschaftlicher Ebene korrelieren, oder gar mit der der Perspektive des Mieters beziehungsweise selbstnutzenden Eigentümers. Die gesamtwirtschaftliche Perspektive ist interessant, weil jeder Euro für den Klimaschutz nur einmal ausgeben werden kann. Letztere Perspektive ist interessant, weil der Mieter oder selbstnutzende Eigentümer Endenergie bezahlen muss und daher einen Fokus auf einen kosteneffizienten Endenergie-Betrieb hat [22].“

„Aus der neuen Fassung ergibt sich daher viel Forschungsbedarf, um die Grundlagen zu setzen, wie unter der bestehenden Richtlinie möglichst viel des technisch zur Verfügung stehenden Potenzials zur Treibhausgasemissions-Reduktion geborgen werden kann. Insbesondere das Thema der Kosteneffizienz von energetischen Sanierungen aus der Perspektive der Akteure unter Berücksichtigung sozialer, marktlicher und regionaler Differenzen in Verbindung mit regionaler Wärmeplanung wird dabei einen großen Stellenwert einnehmen.“

„Die Politik ist auch dann noch längst nicht aus dem Schneider: Wie die Verordnung vorsieht, heißt es ferner, dass die Mitgliedstaaten verstärkte finanzielle und administrative Unterstützung für tiefgreifende Renovierung gewähren sollen. Ob im Bundeshaushalt genügend Mittel vorhanden sind, um alle nicht-warmmietenneutralen und damit gegebenenfalls unwirtschaftlichen oder sozial unverträglichen tiefen Sanierungen aufzufangen, ist zu bezweifeln.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Dr. Lisa Vollmer: „Ich bin aktiv in der Klima-AG von Deutsche Wohnen & Co enteignen.“
Hinweis: Dr. Lisa Vollmer hat diesen Interessenkonflikt am 11.12.2023 nachgereicht.

Malte Bei der Wieden: „Interessenkonflikte im Sinne eines politischen Amtes oder dass wir Geld, zum Beispiel mit Sanierungen, verdienen würden, habe ich nicht.“

Dr. Ray Galvin: „Ich habe keine Interessenkonflikte.“

Dr. Sören Weißermel: „Interessenkonflikte habe ich keine.“

Dr. Stefan Thomas: „Ich habe keine Interessenkonflikte.“

Dr. Nikolas Müller: „Gegenwärtig hat die EBS Universität für Wirtschaft und Recht einen Gutachten-Auftrag des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), den ich bearbeite. Für den GdW mache ich immer mal wieder Projekte, die sich jedoch finanziell nicht tragen. Diese fasse ich als ein gesellschaftliches Engagement auf.“

Weiterführende Recherchequellen

Behr S et al. (2023): Energetische Sanierung von Gebäuden kann durch Mindeststandards und verbindliche Sanierungsziele beschleunigt werden. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung.

Literaturstellen, die von den Expertinnen und Experten zitiert wurden

[1] Frondel M et al. (2022): Report: So wird geheizt – Ergebnisse des Wärme- und Wohnen-Panels 2021. Ariadne.

[2] Wild R (2017): Mieterhöhungen nach Modernisierung und Energieeinsparung. Berliner Mieterverein.

[3] Grossmann K (2019): Energy efficiency for whom? A conceptual view on retrofitting, residential segregation and the housing market. Sociologia Urbana e Rurale. DOI: 10.3280/SUR2019-119006.

[4] Weißermel S et al. (2020): Klimagerechtes Wohnen? Energetische Gebäudesanierung in einkommensschwachen Quartieren. sub\urban. DOI: 10.36900/suburban.v8i1/2.567.

[5] Gerrad J et al. (2023): Rendite mit der Miete: Wie die Finanzmärkte die Wohnungskrise in Deutschland befeuern. Finanzwende Recherche. Report.

[6] Galvin R (2022): Net-zero-energy buildings or zero-carbon energy systems? How best to decarbonize Germany's thermally inefficient 1950s-1970s-era apartments. Journal of Building Engineering. DOI: 10.1016/j.jobe.2022.104671.

[7] Galvin R (2023): Policy pressure to retrofit Germany's residential buildings to higher energy efficiency standards: A cost-effective way to reduce CO2 emissions?. Building and Environment. DOI: 10.1016/j.buildenv.2023.110316.

[8] Galvin R (2024): The economic losses of energy-efficiency renovation of Germany's older dwellings: The size of the problem and the financial challenge it presents. Energy Policy. DOI: 10.1016/j.enpol.2023.113905.

[9] Galvin R (2022): Why German households won’t cover their roofs in photovoltaic panels: And whether policy interventions, rebound effects and heat pumps might change their minds. Renewable Energy Focus. DOI: 10.1016/j.ref.2022.07.002.

[10] Galvin R (2023): An under-developed dimension in upgrading energy-inefficient German rental buildings: Corporate social responsibility as a hybrid form of governance. Energy Research & Social Science. DOI: 10.1016/j.erss.2023.103148.

[11] Cornelis M (2022): How to avoid a Renoviction Wave – Report on the social impacts of the Renovation Wave. European Federation of National Organisations Working with the Homeless (FEANTSA).

[12] Noll C et al. (2023): Stellungnahme der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (DENEFF) zur Novelle der EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden: Mindesteffizienzstandards (MEPS). Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz DENEFF.

[13] Bettgenhäuser K et al. (2023): Ausblick auf potenziell die MEPS erfüllende Maßnahmen für Einfamilienhäuser in Deutschland. Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz DENEFF.

[14] Agora Energiewende (2021): Klimaneutrales Deutschland 2045. Wie Deutschland seine Klimaziele schon vor 2050 erreichen kann. Studie.

[15] Thomas S et al. (2022): Heizen ohne Öl und Gas bis 2035: Ein Sofortprogramm für erneuerbare Wärme und effziente Gebäude. Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie.

[16] Mellwig P et al. (2019): Sozialer Klimaschutz in Mietwohnungen – Kurzgutachten zur sozialen und klimagerechten Aufteilung der Kosten bei energetischer Modernisierung im Wohnungsbestand. Ifeu – Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg.

[17] Statistisches Bundesamt (2023): 5,5 Millionen Menschen konnten 2022 aus Geldmangel ihre Wohnung nicht angemessen heizen. Pressemitteilung.

[18] Bundesministerium für Wirtschafft und Klimaschutz & Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (2023): GEG-Novelle BMWK/ BMWSB Antworten auf die Fragenliste der FDP vom 25.05.2023.

[19] Lohse M (2006): Die wirtschaftliche Situation deutscher Wohnungsunternehmen – eine empirische Untersuchung. Arbeitspapiere zur immobilienwirtschaftlichen Forschung und Praxis.

[20] Bundesministerium für Wirtschafft und Klimaschutz & Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (2022): Sofortprogramm gemäß § 8 Abs. 1 KSG für den Sektor Gebäude.

[21] Europäische Kommission (2021): Europäischer Grüner Deal: Kommission schlägt vor, die Renovierung und Dekarbonisierung von Gebäuden zu fördern. Pressemitteilung.

[22] Müller ND et al. (2017): Konzeptionelle Ansätze zur Umsetzung der Energiewende im Gebäudesektor. Arbeitspapiere zur immobilienwirtschaftlichen Forschung und Praxis.

[23] Harthan RO et al. (2023): Projektionsbericht 2023 für Deutschland. Umweltbundesamt.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Rat der Europäischen Union (2023): ‘Fit for 55’: Council and Parliament reach deal on proposal to revise energy performance of buildings directive. Pressemitteilung.

[II] Europäisches Parlament (2023): Energy efficiency of buildings: MEPs strike deal with Council. Pressemitteilung.

[III] Europäische Kommission (2021): Europäischer Grüner Deal: Kommission schlägt vor, die Renovierung und Dekarbonisierung von Gebäuden zu fördern. Pressemitteilung.

[IV] Europäische Kommission (15.12.2021): Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Neufassung). Gesetzesentwurf der Kommission.

[V] Rat der Europäischen Union (2022): „Fit für 55“: Rat einigt sich auf strengere Vorschriften für die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden. Pressemitteilung.

[VI] Rat der Europäischen Union (25.10.2022): Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Neufassung). Gesetzesentwurf des Rates.

[VII] Europäisches Parlament (2023): Parlament für klimaneutrale Gebäude bis 2050. Pressemitteilung.

[VIII] Europäisches Parlament (2023): Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Neufassung). Gesetzesentwurf des Parlaments.

[IX] Europäische Kommission (2023): The negotiation process for the Energy Performance of Buildings Directive (EPBD). Webseite.

[X] Schmidt T (17.09.2023): Bauministerin Klara Geywitz will Sanierungszwang aus Brüssel stoppen. Neue Osnabrücker Zeitung.