Zum Hauptinhalt springen
22.06.2023

Biogas: Auslaufmodell oder Eckstein für die Energiewende?

     

  • Strom aus Biogas könnte in Dunkelflauten helfen
  •  

  • Biogasanlagen spielen jedoch in Debatten kaum noch eine Rolle
  •  

  • Forschende: Potenzial ist groß, Technik hat aber auch Nachteile – trotzdem würde sich Strategie lohnen
  •  

Im Prinzip müssten Biogasanlagen gut zu Windkraft, Photovoltaik und der Wärmewende passen. Immer dann, wenn der Wind abflaut oder die Sonne verdunkelt, könnten diese Anlagen einspringen und die Stromerzeugung übernehmen. Die dabei entstehende Abwärme könnte gespeichert und in Wärmenetze gespeist werden. Dennoch sind derzeit keine Initiativen zu erkennen, die Rolle der bestehenden Flotte aus Biogas- und Biomethananlagen in diese Richtung zu entwickeln, trotz fortschreitendem Klimawandel und Ukraine-Krieg. Die Erzeugung von Strom aus Energiepflanzen oder Pflanzenresten erscheint wie ein Auslaufmodell.

Dabei zeigt ein einfaches Szenario in unserem aktuellen Data Report Energiewende: Die bestehenden Biogasanlagen entwickeln schon mit der heutigen, kaum an Wind und PV angepassten Betriebsweise einen spürbaren Effekt auf die Stromerzeugung in der Zukunft. Die möglichen Laufzeiten von Back-up-Kraftwerken sinken deutlich, der Anteil der Erneuerbaren steigt. Da es sich bei Back-up-Kraftwerken meist um Erdgas-Kraftwerke handelt, verbesserten die Biogasanlagen Versorgungssicherheit und Klimabilanz der Stromerzeugung.

Zudem kann die Strommenge der Biogasanlagen im flexiblen, der Wind- und Sonnenstromlieferung angepassten Betrieb gegenüber heute auch noch deutlich besser verteilt werden: durch zusätzliche Gasspeicher und mehr Motoren. Die Speicher wären ohnehin nötig, denn die Gaserzeugung kann zwar beeinflusst, aber nicht gestoppt werden. Laufen die Biogas-Motoren nicht mehr rund um die Uhr, muss das Biogas gespeichert werden, wenn der Generator stillsteht.

Wenn das Gas mehrere Stunden lang gespeichert wird, dann reicht die Menge auch für größere oder mehrere Motoren mit mehr Leistung. Bis der Speicher wieder leer ist, kann so mehr Strom auf einmal erzeugt werden, wenn Windkraft- und PV-Anlagen weniger liefern als gebraucht wird. Dann müssten andere Back-up-Anlagen wie zum Beispiel Erdgas-Kraftwerke seltener angefahren werden. Dieses Prinzip nennen die Fachleute „überbauen“, weil mehr Motoren installiert sind, als die Biogasanlage rund um die Uhr versorgen könnte.

Wir haben daher Forschende gefragt, wie groß das Potenzial für Biogasanlagen als Back-up tatsächlich ist, und warum diese Technik derzeit offenbar eher als Auslaufmodell behandelt wird denn als weiterer Baustein der Energiewende.

Eine Anmerkung noch: Derzeit gibt es zwei Anlagentypen. Biogas: Sie erzeugen aus Energiepflanzen oder Pflanzenresten Gas und in eigenen Motoren daraus Strom und Wärme. Und – seltener – Biomethan: Anlagen, die das Biogas weiterverarbeiten zu Biomethan. Das kann dann ins Erdgasnetz eingespeist und von beliebigen Gaskraftwerken statt Erdgas verfeuert werden.

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Daniela Thrän, Leiterin des Departments Bioenergie, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Leipzig, und Bereichsleiterin Bioenergiesysteme, Deutsches Biomasseforschungszentrum gGmbH (DBFZ), Leipzig
    und Martin Dotzauer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Deutsches Biomasseforschungszentrum gGmbH (DBFZ), Leipzig
  •  

  • Dr. Ruth Delzeit, Leiterin der Forschungsgruppe Globale & Regionale Landnutzungsänderungen, Department Umweltwissenschaften, Universität Basel, Schweiz
  •  

  • Prof. Dr. Michael Sterner, Leiter der Forschungsstelle Energienetze und Energiespeicher FENES, Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg
  •  

  • Dr. Patrick Matschoss, wissenschaftlicher Mitarbeiter Arbeitsfeld Energiemärkte / Arbeitsfeld Stoffströme, Institut für Zukunftsenergie- und Stoffstromsysteme gGmbH
    und Bernhard Wern, Arbeitsfeldleiter Stoffströme, Institut für Zukunftsenergie- und Stoffstromsysteme gGmbH
  •  

Statements

Prof. Dr. Daniela Thrän

Leiterin des Departments Bioenergie, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Leipzig, und Bereichsleiterin Bioenergiesysteme, Deutsches Biomasseforschungszentrum gGmbH (DBFZ), Leipzig

Martin Dotzauer

Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Deutsches Biomasseforschungszentrum gGmbH (DBFZ), Leipzig

Auf die Frage, welcher Anteil von Biogas- und Biomethananlagen heute bedarfsorientiert gefahren wird und welche Probleme es dabei noch gibt:
„Der Anteil der Anlagen, die heute schon bedarfsorientiert betrieben werden, lässt sich nicht genau beziffern, weil es dazu keine öffentlich zugänglichen Daten gibt. Das DBFZ schätzt, dass aktuell ungefähr 25 Prozent in unterschiedlicher Intensität bedarfsorientiert gefahren werden. Bei den Biomethan-Blockheizkraftwerken (BHKW) ist außerdem zu berücksichtigen, dass diese im Rahmen des EEG dazu verpflichtet sind, die anfallende Kraft-Wärme-Kopplungs (KWK) Wärme vollständig zu nutzen. So orientiert sich hier ein wärmegeführter Betrieb auch am Bedarf, aber diese Betriebsweise muss nicht zwangsläufig mit dem Strombedarfsprofil zusammenpassen.“

„Aus technischer Sicht gibt es keine grundsätzlichen Probleme für einen stromgeführten Betrieb, auch bei hohen Wärmenutzungsgraden. Als zusätzliche Komponente nutzen flexible Biogasanlagen dann einen passenden Wärmespeicher, damit sich die Strom- und Wärmeproduktion zeitlich entkoppeln lassen.“

Auf die Frage, bis zu welcher Größenordnung sich Biogas- und Biomethananlagen theoretisch noch überbauen lassen und was realistisch bis 2030 erreichbar ist:
„Im Rahmen der Kurzstudie zur Rolle von Biogas für ein klimaneutrales, 100 Prozent erneuerbares Stromsystem 2035 [1] hat das DBFZ zusammen mit dem Wuppertal Institut Überbauungsfaktoren von zweifacher bis achtfacher Überbauung untersucht. Theoretisch können die Anlagen auch noch stärker überbaut werden, wobei für einen effektiven Residuallastausgleich auch ein passender Gasspeicher erforderlich ist, damit in den Zeiten, in denen das BHKW still steht, das aus der Vergärung kontinuierlich nachgelieferte Biogas zwischengespeichert werden kann, um dann passend in Zeitfenstern mit hohem Strombedarf im eigentlich überdimensionierten BHKW in Strom und Wärme umgewandelt zu werden. In der Kurzstudie wird bis 2035 ein Überbauungsgrad von mindestens vier ermittelt.“

Auf die Frage, welche Bedeutung Biogas- und Biomethananlagen 2030 für die Stromversorgung haben können, wenn sieverstärkt bedarfsorientiert gefahren werden:
„Bei einer konsequenten Flexibilisierung könnte die Stromerzeugung aus Biogas im Umfang von 28 TWh/a Strom zukünftig weitgehend bedarfsgerecht bereitgestellt werden [2]. Der Anlagenpark hätte bei einem mittleren Überbauungsgrad von vier dann eine Leistung von 12,8 GW, das entspricht 44 Prozent der aktuell installierten Leistung von Erdgaskraftwerken, die in Summe 29,6 GW bereitstellen [3].“

Auf die Frage, warum Biogas- und Biomethananlagen bei den Planungen für die Energiewende derzeit offenbar kaum eine Rolle spielen:
„Über Biogasanlagen und Biomethan-BHWK wird gesellschaftlich und auch politisch kontrovers diskutiert. Vor allem der heute noch dominierende Einsatz von Energiepflanzen steht dabei im Fokus: Vor dem Hintergrund der vielfältigen Erwartungen der begrenzten landwirtschaftlichen Flächen an Ernährungssicherheit, Artenschutz und ökologische Landwirtschaft sowie an natürlichen Klimaschutz sollte der Anbau von Energiepflanzen zurückgehen. Auch wenn in gewissem Maße noch biogene Reststoffe und Abfälle und die zusätzliche Biomasse durch veränderte Anbausysteme (zum Beispiel Zwischenfrüchte, Untersaaten) erschließbar sind, dürfte die bereitgestellte Menge an Biogas in der Zukunft eher abnehmen. Auch erscheinen Biogasanlagen im Vergleich zu Wind und PV in den letzten Jahren immer weniger wettbewerbsfähig, weil sie mit höheren Stromgestehungskosten einhergehen. Diese eindimensionale Betrachtung vernachlässigt allerdings den Aspekt, dass Biogasanlagen und Biomethan-BHKW Strom bedarfsgerecht bereitstellen können und damit Energiesystemkosten für Speicher- oder Back-up-Kapazitäten an anderer Stelle einsparen. Diese schwierige Aufgabe der mittel- und langfristigen Ausgleichsbedarfe kann mit flexiblem Biogas gut unterstützt werden, bevor Wasserstoff als erneuerbarer und gasförmiger Energieträger diese Aufgabe perspektivisch übernehmen kann. Gelöst werden kann das Problem durch eine Neuausrichtung des Förderrahmens und insbesondere des EEG auf Biogasanlagen, die vorwiegend auf Rest- und Abfallstoffen basieren und die begrenzte Biomasse dann dem Strommarkt flexibel bereitstellen, wenn er am dringendsten benötigt wird.“

Dr. Ruth Delzeit

Leiterin der Forschungsgruppe Globale & Regionale Landnutzungsänderungen, Department Umweltwissenschaften, Universität Basel, Schweiz

„Nach Angaben der Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe (FNR) sind nur circa 300 Anlagen in Deutschland tatsächlich flexibilisiert [4].“

„Biogas zur Energieerzeugung wurde aufgrund der relativ hohen Kosten und aufgrund der Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen und der damit einhergehenden Flächenkonkurrenzen in der Vergangenheit kritisiert. So besteht auch nach den verschiedenen Reformen des EEGs der Substrateinsatz massebasiert zu ungefähr 45 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen. Energiebasiert ist dieser Anteil deutlich höher. Durch den ausschließlichen Einsatz von Reststoffen und Gülle wie es zum Beispiel in der Schweiz der Fall ist, ließe sich dieses Problem beheben.“

„Wenn politisch der Einsatz von Biogasanlagen gestärkt werden soll, dann müsste die Politik weitere Anreize implementieren.“

Prof. Dr. Michael Sterner

Leiter der Forschungsstelle Energienetze und Energiespeicher FENES, Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg

„Biogasanlagen wurden vor 20 Jahren als ‚grundlastfähige‘ erneuerbare Energiequelle gefördert und haben sich zum flexiblen Partner für Wind- und Solarenergie entwickelt. In dieser Rolle liegt ihre Zukunft, da sie wie Gaskraftwerke in Zeiten der Dunkelflaute Strom liefern können, und zwar über einen längeren Zeitraum als Batterien und Pumpspeicher. Damit sie dieses Potenzial voll ausschöpfen können, braucht es mehr Leistung und mehr Energie. Dezentral kann das durch größere oder mehrere Motoren und größere Gasspeicher bewerkstelligt werden. Wenn das CO2 abgetrennt und Biogas eingespeist wird, können zentrale Gaskraftwerke und Gasspeicher mit grünem Gas genutzt werden.“

„Dieses Potenzial ließe sich verdoppeln, wenn CO2 oder Rohbiogas über Power-to-Gas methanisiert und als vollwertiger Erdgasersatz in der Gasinfrastruktur genutzt wird. Wenn wir das an allen Biogas- und Klärgasanlagen umsetzen, ließen sich 75 Prozent der deutschen Gasspeicher mit heimischem grünen Gas füllen – zum gleichen Preis wie die fossilen LNG-Lieferungen aus Katar ab 2026. Das wäre schneller und einfacher umzusetzen als auf Wasserstoffimporte und Wasserstoffkraftwerke zu warten, weil auf bestehende Anlagen aufgebaut werden kann.“

„Durch den Kohle- und Atomausstieg braucht es einen Speichereinstieg und damit auch die verstärkte Nutzung von Back-up-Kapazitäten, wie sie durch Biogasanlagen möglich ist. Zudem speisen viele Biogasanlagen mit ihrer Abwärme auch Wärmenetze, die im Zuge der Wärmewende erweitert und mit mehr grüner Energie gespeist werden sollen. Auch hier liefern Biogasanlagen wertvolle Beiträge.“

„Diese Potenziale werden politisch nicht ausgeschöpft, weil Biogas aus Energiepflanzen im Vergleich zur Solarenergie nicht flächeneffizient ist. Ein Hektar Solarpark liefert so viel Strom wie 40 Hektar Biogas. Zudem bestehen Flächennutzungskonkurrenzen zu Nahrung und Futter und ökologische Nachteile von Maismonokulturen wie Nitratbelastungen oder der Einsatz von Pestiziden, die bei Wind- und Solarparks wegfallen.“

„Allerdings gilt auch: Solange wir Nahrungs- und Futtermittel in Deutschland produzieren, werden wir auch entsprechende Reststoffe haben, die wir zu Biogas verwerten können. Ebenso aus Kläranlagen, die wir immer betreiben werden, solange wir Deutschland besiedeln. Entsprechend liegt die politische Priorität auf der Nutzung von Rest- und Abfallstoffen, deren Potenzial kleiner ist als das beim großflächigen Anbau von Biogasmais. Die negativen ökologischen Auswirkungen des Anbaus von Energiepflanzen lassen sich durch verschiedene Maßnahmen lindern, der Nachteil in der Flächeneffizienz und -konkurrenz bleibt aber erhalten.“

Dr. Patrick Matschoss

wissenschaftlicher Mitarbeiter Arbeitsfeld Energiemärkte / Arbeitsfeld Stoffströme, Institut für Zukunftsenergie- und Stoffstromsysteme gGmbH

Bernhard Wern

Arbeitsfeldleiter Stoffströme, Institut für Zukunftsenergie- und Stoffstromsysteme gGmbH

„Nach Zahlen der Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik [5] hatten im Jahr 2022 alle Biomassen zusammen einen Anteil von 19,8 Prozent an der Bruttostromerzeugung. Der Hauptanteil von 11,2 Prozent entfiel dabei auf Biogasanlagen. Wieviel von der Lücke in der Residuallast geschlossen werden kann, hängt von der Flexibilität der Anlage ab. Ursprünglich auf konstanten Betrieb (Grundlast) ausgelegt, wurde ein Teil des Anlagenparks im Laufe der Jahre flexibilisiert. Die mögliche Flexibilität richtet sich nach dem Grad der Kapazitätserhöhung (‚Überbauung‘) des Kraftwerks (BHKW) in Verbindung mit der Größe des Gasspeichers und Veränderung weiterer Komponenten. Je größer die Überbauung (zwei- bis fünffach) und je größer der Gasspeicher, umso mehr kann die Biogasanlage die Stromeinspeisung auf Engpasszeiten – dann mit höherer Kapazität – konzentrieren und diese überbrücken helfen.“

„So liegt nach geschätzten Zahlen des Fachverbands Biogas für 2022 die konstant zur Verfügung stehende elektrische Leistung bei rund 3,8 GW, die kurzfristig zur Verfügung stehende elektrische Leistung inklusive Überbauung hingegen bei rund 5,9 GW [6]; installierte Leistung Biogas nach [5] ungefähr 6,5 GW. Das Projekt Visuflex der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) geht ‚aktuell‘ (also ohne Jahresangabe) von rund 3,6 GW und einer zukünftig möglichen flexiblen Spitzenleistung von 10 bis 15 GW aus [7]. Das entspricht einer durchschnittlichen Überbauung von 2,7 bis 4,2 aus. Bei ‚Erschließung aller Potenziale für die Erzeugung‘ wären demnach sogar 30 GW möglich.“

„Da die Flexibilisierung und die Entwicklung des Bestandes überhaupt stark von entsprechenden Förderungen, also von der politischen Steuerung, abhängig ist, ist dies auch eine Voraussetzung für das ‚Heben‘ der Flexibilitätspotenziale. Dotzauer et al. haben gezeigt, dass es seit 2014 zu einigen Flexibilisierungen gekommen ist, die Dynamik aber deutlich nachgelassen hat, was mit einer unsicheren Anschlussperspektive der Anlagen begründet wird [1]. So muss die noch zu leistende Flexibilisierung mit Hilfe des Anlagenbestands erbracht werden, der nach Auslaufen der EEG-Vergütung eine Anschlussperspektive findet.“

„So ist auch die Perspektive des Gesamtbestands entscheidend. Dazu hat eine Vielzahl sogenannter ‚Post-EEG-Studien‘ (stellvertretend: [8] [9]) gezeigt, dass der Bestand bis 2035 um deutlich über die Hälfte abnehmen wird ([5]: auf 2 GW in 2035, S. 107), wenn es nicht zu deutlichen Änderungen entweder des regulativen (Förderungen) oder des marktlichen Umfelds (Erlöse für Strom, Wärme oder neue, noch zu entwickelnde Geschäftsfelder) kommt. Auch [1] geht hier im ‚optimistischen Fall‘ von der Halbierung der Stromerzeugung mit verbleibenden 5 GW aus. Würden diese vierfach überbaut, ergäben sich daraus kurzfristig abrufbare 20 GW Leistung.“

„Zwar hat es mit dem aktuellen EEG 2023 einige Verbesserungen in der Förderung (Flex-Prämie, Ausschreibungsmengen und Zuschlagshöhen) gegeben und der russische Krieg gegen die Ukraine hat das Erlöspotenzial – auf Kosten einer menschlichen Tragödie – an den Strom und Gasmärkten verbessert. Es bleibt aber abzuwarten, ob dies die Investitionssicherheit verbessert.“

„Allerdings gibt es Probleme bei der Kosten- und Investitionssicherheit, vor allem mit Blick auf Wärme. Wärmenutzung ist gesamtwirtschaftlich geboten, muss sich aber einzelwirtschaftlich rechnen; werden stromgeführte Anlagen stärker flexibel gefahren, ist ein Wärmespeicher erforderlich.“

Auf die Frage, welche Bedeutung Biogas- und Biomethananlagen 2030 für die Stromversorgung haben können, wenn sieverstärkt bedarfsorientiert gefahren werden:
„Wie oben erwähnt: Die Zahlen für die zukünftig kurzfristig verfügbare Leistung schwanken in Abhängigkeit von den genannten Bedingungen von 2 GW über 10 bis 15 GW bis hin zu 20 GW oder gar – bei ‚Erschließung aller Potenziale für die Erzeugung‘ bis zu 30 GW – wobei nicht explizit erwähnt wird, ob es sich hier um die Erschließung der Biomasse- anstatt der Anlagenpotenziale handelt.“

Auf die Frage, warum Biogas- und Biomethananlagen bei den Planungen für die Energiewende derzeit offenbar kaum eine Rolle spielen:
„Die Entwicklung des Anlagenbestands ist von der politischen Steuerung abhängig und unterliegt somit wechselnden politischen ‚Konjunkturen‘. Nach einer ‚positiven Konjunktur‘ mit einer Phase des Aufwuchses des Biogas- und Biomethananlagenbestands in den Nullerjahren bis Anfang der 2010er-Jahre wurde dieser Prozess wegen Bedenken zu Kosten und hoher nachwachsender Rohstoff-Nutzung (‚Vermaisung‘) vor allem durch das EEG 2014 gestoppt. Die folgenden zahlreichen EEG-Revisionen unterlagen einer eher ‚negativen Konjunktur‘ und zielten auf Begrenzung der Kosten und Reduktion von nachwachsenden Rohstoffen ab. Die seit einigen Jahren virulent gewordene Post-EEG-Frage hat zur Umstellung auf Ausschreibungen – mit scheinbar wenig attraktiven Konditionen – als Mittel der Bestandssteuerung und weiterer Kostenbegrenzung geführt. Erst in den letzten EEG-Revisionen rückt die Nutzung der Bioenergie und deren Flex-Potenziale – nach anfangs wenig erfolgreichen Versuchen – wieder stärker in den Blick. Und mit dem russischen Krieg in der Ukraine hat sich der Blick auf die Bioenergie nochmals gewandelt. Die umweltpolitisch motivierten Regulierungen stehen dazu allerdings im Gegensatz und sind auch nicht notwendigerweise umweltpolitisch immer dienlich.“

„Insgesamt haben Bedenken wegen der Kosten, des Einsatzes nachwachsender Rohstoffe und – bedingt durch das langsame Voranschreiten der anderen Felder der Energiewende – eine fehlende strategische Vorstellung zur Rolle der Bioenergie zu einer langanhaltenden ‚Hängepartie‘ geführt. Die komplexen Funktionen von Biogasanlagen außerhalb des Energiesektors tragen weiter zu den widersprüchlichen Anforderungen an die Bioenergie bei. Inwiefern die neue energiepolitische und geostrategische Situation dies nachhaltig ändert, bleibt abzuwarten.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Alle: Keine Angaben erhalten.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Dotzauer M et al. (2022): Kurzstudie zur Rolle von Biogas für ein klimaneutrales, 100 % erneuerbares Stromsystem 2035 (KS_BSKES). Deutsches Biomasseforschungszentrum und Wuppertal Institut.

[2] Thrän D et al. (2022): Die Rolle von Biogas für eine sichere Gasversorgung in Deutschland. Deutsches Biomasseforschungszentrum.

[3] Bundesnetzagentur: Kraftwerksliste.

[4] Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR): Stand der Flexibilisierung von Biogasanlagen.

[5] Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien-Statistik (2023): Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland im Jahr 2022. Folie 12.

[6] Fachverband Biogas (2023): Branchenzahlen 2021 und Prognose der Branchenentwicklung 2022, Stand 10/2022. Folie 2.

[7] Visuflex. Homepage des Projekts.

[8] Matschoss P et al. (2018): Analyse der gesamtökonomischen Effekte von Biogasanlagen (MakroBiogas). Wirkungsabschätzung des EEG.

[9] Dotzauer M et al. (2021): Bioenergie – Potentiale, Langfristperspektiven und Strategien für Anlagen zur Stromerzeugung nach 2020 (BE20plus). Schlussbericht.