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11.10.2017

Lithium-Ionen-Batterien – Wie ressourcenabhängig ist Elektromobilität?

Viele Politiker, Journalisten und Experten erwarten derzeit einen nahen Durchbruch der Elektromobilität. Der Umstieg auf Batterieautos verspricht ein klimaneutrales Fortkommen und die Unabhängigkeit vom Öl – wenn es zugleich gelingt, den Strom vermehrt aus nichtfossilen Quellen zu erzeugen. Bislang offen war jedoch, inwieweit die Rohstoffe für eine gesteigerte Nachfrage nach Lithium-Ionen-Batterien reichen – oder ob es zu Engpässen kommt. Die ersten Studien, die sich dieser Frage widmen, kommen zu dem Schluss, dass die benötigten Rohstoffe wie Graphit, Nickel, Mangan, Lithium und Kobalt im Prinzip ausreichend vorhanden sind. Steigt der Bedarf jedoch schnell an, kann es unter Umständen zu Engpässen kommen, wenn die Förderung nicht im gleichen Maße gesteigert wird oder nicht alternative Batterien entwickelt werden.

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Übersicht

     

  • Was macht Lithium-Ionen-Batterien so erfolgreich?
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  • Welche Batterietypen gibt es und wo werden sie eingesetzt?
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  • Werden die Rohstoffreserven ausreichen?
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  • Ausblick: Welche Alternativen gibt es oder werden entwickelt?
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  • Literaturstellen, die zitiert wurden
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Was macht Lithium-Ionen-Batterien so erfolgreich?

     

  • Lithium-Ionen-Batterien (LIB) dominieren derzeit den Markt für aufladbare Energiespeicher. Ihre Vorteile sind: langsame Selbstentladung, langer Lebenszyklus, kein Memory-Effekt (Abfall der Laufzeit bei häufigen Teilentladungen) und hohe Energiedichten bei geringem Gewicht. Das macht sie ideal für tragbare Geräte, aber auch für Elektro-Fahrzeuge [1].
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Aufbau einer Lithium-Ionen-Batterie

     

  • Eine Lithium-Ionen-Zelle besteht vereinfacht gesagt aus einer Anode und einer Kathode in einer elektrolytischen Lösung. Bei der Entladung ionisieren Lithiumatome der Anode und bewegen sich zur Kathode. Die Elektronen wandern extern durch einen Verbraucher zur Kathode, Strom fließt. An der Kathode verschmelzen die Lithium-Ionen und Elektronen und lagern sich an. Wird die LIB geladen, ionisieren die Lithiumteilchen wieder und bewegen sich zurück zur Anode [2].
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Welche Lithium-Ionen-Batterietypen gibt es und wo werden sie eingesetzt?

     

  • Derzeit werden vor allem drei verschiedene Typen von LIB eingesetzt. Sie unterscheiden sich vor allem durch die Materialien der Kathode:
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Kathoden aus kobalthaltigen Lithiumoxiden (LiMO2)

     

  • Dieser Typ ist besonders effizient. Das Kobalt-Ion Co3+ ist sehr klein, die Kathode kann daher so aufgebaut werden, dass die Lithium-Ionen sich leicht bewegen können. Das ist für eine hohe Energiedichte und Kapazität wichtig, damit die Batterien so leicht und klein wie möglich gebaut werden können. Kobalthaltige LIB dominieren bei der tragbaren Elektronik und in der Elektromobilität, da sie sehr hohe Energiedichten erzielen [3] [4, S. 27].
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  • Lithium-Kobalt-Oxid LiCoO2 (LCO) ermöglicht besonders dünne Geräte, es wird daher vor allem in Elektrogeräten verwendet [3]. Dieser Typ ist jedoch empfindlich gegen Beschädigungen.
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  • Lithium-Nickel-Kobalt-Aluminium-Oxid (LiNi0.8Co0.15Al0.05 bzw. NCA) ist robuster und sorgt trotzdem für eine gute Energiedichte und hohe Leistung, weshalb der US-Hersteller Tesla diese Kathode für seine Autobatterien benutzt [3].
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  • Lithium-Nickel-Mangan-Kobalt-Oxide (NMC) sind ebenfalls robust und langlebiger als der NCA-Typ. Die meisten Elektroauto-Hersteller nutzen dieses Kathodenmaterial. Dabei gibt es mehrere Varianten, die die Metalle Nickel, Mangan und Kobalt in unterschiedlichen Verhältnissen enthalten. Je größer der Nickel-Anteil, desto höher ist zwar der Energiegehalt, jedoch werden die Batterien unstabiler. Außerdem ist die Produktion in der Regel teurer. Batterien mit einem Nickel-Mangan-Kobalt-Verhältnis von 1:1:1 Teilchen (NMC-111) sind weit verbreitet, aber auch Varianten mit einem Verhältnis von 6:2:2 (NMC-622) existieren bereits [3] [4, S. 29]. Einige Experten gehen davon aus, dass es in Zukunft auch NMC-811-Batterien, also mit einem Verhältnis von 8:1:1, geben wird [3].
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Kathoden aus Lithium-Eisen-Phosphor-Oxid (LiFePO4 oder LFP)

     

  • Dieser Typ ist ebenfalls robust gegenüber Beschädigungen, hat aber eine niedrigere Energiedichte als LiMO2 Kathoden. Er wird hauptsächlich in China für batterie-elektrisch angetriebene Busse und im Stromnetz eingesetzt. Außerdem verwenden ihn einige chinesische Hersteller wie BYD für Elektrofahrzeuge [3] [4, S. 27]. Experten erwarten Anwendungen für urbane Fahrzeuge und autonome Systeme mit kurzer Reichweite.
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Kathoden aus Lithium-Mangan-Oxid (LiMn2O4 oder LMO)

     

  • Dieser Typ wurde früher in Elektrofahrzeugen verwendet, doch sind kobalthaltige Kathoden dieser in Stabilität und Energiedichte überlegen [3].
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Werden die Rohstoffreserven ausreichen?

     

  • Ob es zu einer Rohstoffknappheit kommt, ist stark abhängig davon, wie schnell und weitreichend Elektromobilität ausgebaut wird [3] [4] [5].
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  • Bis Oktober 2017 setzten sich zwei Studien mit dieser Frage auseinander [3] [4]. Sie entwerfen jeweils Vergleichsszenarien, die die verschiedenen mittel- bzw. langfristigen Entwicklungen im Batteriemarkt abschätzen. Obwohl beide von unterschiedlichen Voraussetzungen ausgehen, kommen sie zu ähnlichen Prognosen für den Rohstoffbedarf.
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  • Mögliche Engpässe sehen die Forscher nur bei den Kathoden-Materialien Lithium und Kobalt, die aber bisher die beiden wichtigsten Rohstoffe für Elektromobilität darstellen. Engpässe können auftreten, falls die Nachfrage zu rapide ansteigt [3]:
    • Lithium wird derzeit vor allem in Australien, Argentinien und Chile gefördert; wegen des gesteigerten Interesses wird nun auch vermehrt und mit Erfolg nach neuen Vorkommen in anderen Ländern gesucht [3] [4, S. 37]. Die Forscher stellen jedoch die Frage, ob die Förder-Industrie eine rapide ansteigende Nachfrage befriedigen kann; insbesondere, da Lithium vor allem in Form von Karbonaten oder Hydroxiden gewonnen wird und dann noch weiterverarbeitet werden muss, bevor es in der Batterieproduktion verwendet werden kann [3].
    • Kobalt wird fast ausschließlich als Nebenprodukt bei der Nickel- und Kupferförderung gewonnen [3] [4, S. 39]. Zwar wird Nickel an diversen Orten gefördert, doch wird dabei die Produktionsmenge des Kobalts durch den Bedarf an Nickel bestimmt. Im Vergleich dazu fällt bei der Kupferförderung ein relevanter Teil der Gewinne auf die Kobaltgewinnung. Problematisch ist jedoch, dass sich diese in der Demokratischen Republik Kongo konzentriert; etwa die Hälfte des Kobalts wird dort gewonnen. Das hat in den 70er Jahren bereits einmal zu instabilen Kobalt-Preisen geführt [3], zudem ist der Kongo immer wieder von Unruhen geprägt. Außerdem ist die Weiterverarbeitung von Kobalt geographisch konzentriert in China, wo der Großteil des Kobalts bereits in der Batterieindustrie weiterverarbeitet wird [3].
    • Der Abbau von Nickel und Mangan für die Kathoden ist dagegen auf unterschiedliche Länder verteilt. Beide Elemente sind in ausreichenden Mengen vorhanden [3] [4, S. 39].
    • Als unproblematisch gelten den Forschern die Materialien für die Anoden, die fast ausschließlich aus Graphit bestehen. Zwar wird 65 Prozent des natürlichen Graphits derzeit in China gefördert, jedoch kann es problemlos durch synthetisches Graphit ersetzt werden, auch wenn das teurer ist. Außerdem gibt es auch andernorts Vorkommen, die abgebaut werden könnten, falls notwendig [3] [4, S. 39].
    • Ebenfalls unproblematisch sind die Rohstoffe für die Elektrolyte, häufig eine Lösung mit Lithiumsalzen (z.B. LiPF6, LiBF4, LiClO4). Grundsätzlich werden dabei keine Engpässe erwartet [3].
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  • Beim Abbau aller Metalle kann es derzeit jedoch zu zum Teil gravierenden Umweltschäden und sozialen Verwerfungen kommen, die sich nur durch gezielte Maßnahmen vermeiden lassen [4, S. 47 ff] [6].
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  • Recycling kann in Zukunft einen Teil des Bedarfs decken [4, S. 25-44] [7, S. 55ff]. LIB erreichen als Traktionsbatterie eine Lebensdauer von fünf bis zehn Jahren. Forscher empfehlen diese Zeit für einen Aufbau einer Recyclingkette zu nutzen, damit bei dem zu erwartenden steigenden Bedarf auch wieder zurückgewonnene Rohstoffe verwendet werden können [3] [7, S. 56] [8].
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  • Für LIB existiert keine einheitlichen Recycling-Verfahren. Dies ist auch der Breite an chemischen Zusammensetzungen der LIB geschuldet [7, S.55] [8]. Außerdem eignen sich die recycelten Stoffe nicht immer, um sie wieder für die Batterieproduktion zu verwenden [3].
    • Bei Kobalt und Nickel findet ein Recycling heute schon statt [3] [4, S. 27-29] [7, S. 56f]. 25-50 Prozent des Nickelbedarfs in der Stahlindustrie und rund 35 Prozent des Kobaltbedarfs für alle Anwendungen (zum Bespiel für Katalysatoren) werden bereits durch Recycling gewonnen [4, S. 27-29].
    • Das Recyceln von Lithium ist derzeit noch nicht wirtschaftlich [3] [7, S. 55] [8]. Aktuell werden LMO-Akkus recycelt, zurückgewonnen werden dabei Aluminium, Kupfer, Kobalt und Nickel. Lithium landet während des Recyclingprozesses in der Schlacke. Es ist nicht wirtschaftlich das Metall aus der Schlacke zu lösen. Einige Experten gehen jedoch davon aus, dass ein Recycling von LIB sich langfristig etabliert und so ein Teil des benötigten Lithiums durch Recycling erbracht werden kann [4, S. 25] [7, S. 56] [8].
    • Für LFP-Batterien gibt es derzeit noch keinen Recycling-Ansatz, da alle verwendeten Rohstoffe einen niedrigen Marktwert haben.
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  • Die Batterieproduktion selbst findet hauptsächlich (85 Prozent) in China, Japan und Korea statt. Jedoch diversifiziert sich die Industrie gerade mit Gigafactorys wie der von Tesla in Nevada, USA; angekündigt sind noch weitere in anderen Ländern [3].
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Einfluss auf die Kosten von Lithium-Ionen-Batterien

     

  • 2017 liegen die Kosten für eine LIB bei etwa bei 350 Dollar pro Kilowattstunde [4, S. 45]. Langfristig könnte der Preis durch verbesserte Produktionsprozesse und größere Produktionseinheiten auf rund 200 Dollar oder sogar 100 Dollar pro Kilowattstunde sinken [3] [4, S. 44f].
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  • Mit sinkenden Produktionskosten, steigt der Anteil der Rohstoffkosten am Gesamtpreis. Das Öko-Institut geht in seiner Studie von 13 Prozent aus; falls der Preis auf 200 Dollar sinkt, von 23 Prozent. Unsicherheiten bei den Rohstofflieferungen könnten sich daher in Zukunft stärker auf den Preis auswirken. Doch auch bei steigenden Rohstoffpreisen werde der Gesamtpreis insgesamt sinken, sind Forscher überzeugt [4, S. 45f].
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  • Das teuerste Element in der LIB ist Kobalt. Seit 2010 Kobalt auf der London Metal Exchange gehandelt wird, haben sich Preisschwankungen beruhigt [3]. Durch die Einführung von NMC-622- und NMC-811-Kathoden wird in Zukunft außerdem ein geringerer Teil des teuren Kobalts benötigt [4, S. 44f].
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Ausblick: Welche Alternativen zu Kobalt gibt es oder werden entwickelt?

     

  • Sowohl Lithium-Luft- als auch Lithium-Schwefel-Akkus kommen ohne Kobalt aus. Jedoch befindet sich diese Technologie noch in der Entwicklung und es ist unklar, wann sie marktreif wird [3] [7, S. 21-23].
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  • Feststoffbatterien, bei denen ein fester Elektrolyt eingesetzt wird anstatt eines flüssigen, haben Sicherheitsvorteile, jedoch benötigen sie mehr Lithium als klassische LIB. Allerdings ist auch hier noch ein großer Entwicklungsaufwand nötig, bis die Technik ausgereift ist [1] [3] [7, S.22-23]
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  • Darüber hinaus verfolgen Forscher weitere kobaltfreie Alternativen, wie beispielsweise Rocksalt-Kathoden [3] oder organische Elektrodenmaterialien [1].
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  • Die Forscher erwarten jedoch nicht, dass die Industrie auf die älteren LIB-Typen, die kein Kobalt enthalten, zurückgreifen kann, da diese nicht mit der Energiedichte von kobalthaltigen Batterien mithalten können [3]. 
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Leistungsfähige Alternativen ohne Lithium

     

  • Einige Forscher hoffen auf Natrium-Ionen-Batterien, da Natrium größere Vorkommen aufweist und gleichzeitig ähnliche chemische Eigenschaften wie Lithium hat [1].
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  • Außerdem arbeiten Wissenschaftler an Magnesium-Ionen-Batterien, die ebenfalls ähnliche Eigenschaften wie LIB aufweisen.
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  • Ferner versuchen einige Entwickler, Zink-Batterien wiederaufladbar zu machen.
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  • In den kommenden fünf bis zehn Jahren werden diese neuen Batterieformen jedoch in der Industrie voraussichtlich noch keine Rolle spielen [3].
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Literaturstellen, die zitiert wurden

[1] Meng J et al. (2017): Advances in Structure and Property Optimizations of Battery Electrode Materials. Joule (2017), DOI: 10.1016/j.joule.2017.08.001

[2] TU München: Aufbau einer Lithium-Ionen-Batterie.

[3] Olvetti E A et al (2017): Lithium-Ion Battery Supply Chain Considerations: Analysis of Potential Bottlenecks in Critical Metals. Joule (2017), DOI: 10.1016/j.joule.2017.08.019

[4] Öko-Institut (2017): Strategien für nachhaltige Rohstoffversorgung der Elektromobilität. Synthesepapier zum Rohstoffbedarf für Batterien und Brennstoffzellen.

[5] Pehlken A et al. (2017): Is there a resource constraint related to lithium ion batteries in cars? Int J Life Cycle Assess. 22, 40–53.

[6] Frankel T (2016): The cobalt pipeline. The Washington Post.

[7] Lebedeva N et al. (2017): Lithium ion battery value chain and related opportunities for Europe, EUR 28534 EN, Publications Office of the European Union, Luxembourg, 2017, ISBN 978-92-79-66948-4, doi:10.2760/6060, JRC105010.

[8] Heelan J et al. (2016): Current and Prospective Li-Ion Battery Recycling and Recovery Processes. JOM, Vol. 68, No. 10, 2016. DOI: 10.1007/s11837-016-1994-y