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13.07.2021

Wie wird Mobilität klimafreundlich: Die Zukunft des Verbrenners

146 Millionen Tonnen Kohlendioxid hat der Transport im Pandemie-Jahr 2020 zurückgelassen, ein Jahr zuvor waren es noch rund 160 Millionen. Zwei Drittel dieser CO2-Emissionen gehen auf den Pkw zurück, daher hatte das Homeoffice so einen großen Effekt. Sobald die Bürgerinnen und Bürger sich mit zunehmender Rückkehr zur Normalität wieder hinter die Lenkräder setzen, dürften die Emissionen jedoch wieder steigen. Für Deutschland ein Problem, denn es hat sich wie alle Mitgliedsstaaten gegenüber der EU verpflichtet, den CO2-Ausstoß bis 2030 auf 85 bis 90 Millionen Tonnen zu reduzieren. Hält es diese Verpflichtung nicht ein, müsste es Emissionsrechte von den anderen Staaten erwerben – falls die überhaupt vorhanden sind – und das würde teuer werden [I].

Vor diesem Hintergrund ergibt es Sinn, dass die Bundesregierung viel Geld in die Hand nimmt, um vor allem den Kauf von Elektroautos anzukurbeln. Die Frage ist nur: reicht das? Das haben wir einen kleinen Kreis von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gefragt, die mit Hilfe von Computermodellen simulieren, wie sich die Treibhausgasemission im Verkehr bis 2030 oder darüber hinaus entwickeln können.

Dabei zeigte sich, dass ein e-Auto die Klimabilanz der Straße um rund 1,5 bis 2 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr entlasten kann. Falls wirklich, wie erhofft, 14 Millionen E-Autos bis 2030 verkauft würden, summierte sich das auf eine Ersparnis von rund 22 Millionen Tonnen CO2 im Jahr. Das wäre gut, würde aber bei weitem nicht reichen, um die Klimaziele für 2030 zu erreichen.

Die Hoffnung, bis 2030 noch mehr über e-Fuels [II] [III] zu erreichen, dämpfen die Forschenden: Die Produktionsanlagen für die erforderlichen Mengen gibt es noch nicht, und es wird lange dauern, diese aufzubauen. Ob e-Fuels für die anschließenden Jahre eine Dekarbonisierungs-Option für den womöglich schrumpfenden Bestand von Verbrennern wären, ist offen: Es könnte sich als nicht wirtschaftlich erweisen, langlebige Anlagen mit großen Kapazitäten für eine vergleichsweise kurze Übergangsfrist zu bauen. Zudem würden die Treibstoffpreise durch e-Fuels wohl noch weiter steigen.

Der Strom zum Laden der E-Autos wird übrigens in der EU dem Stromsektor voll angerechnet. Das ergibt durchaus Sinn, denn der Stromsektor zahlt für die Emission von Kohlendioxid und reduziert daher bereits seine Emissionen durch die Energiewende.

Die Redaktion des SMC hat folgende Fragen gestellt:

1. Inwiefern reicht es für einen schnellen Übergang zu einer klimaneutralen Mobilität aus, vor allem auf einen Austausch der Verbrenner durch alternative Antriebe zu setzen?

2. Wie lange wird der Ersatz des Pkw-Bestands durch alternative Antriebe dauern? Wie stark sinkt dadurch der CO2-Ausstoß im Verkehrssektor?

3. Inwiefern wäre es für eine Übergangzeit sinnvoll, auch den schmelzenden Bestand der Verbrenner durch den Einsatz von e-Fuels zumindest teilweise zu dekarbonisieren?

4. Inwiefern ist ein Verbot des Verkaufs oder des Betriebs von Verbrennerfahrzeugen sinnvoll, um den Übergang zu klimafreundlicher Mobilität zu beschleunigen?

5. Was wird aus Ihrer Sicht das größte Problem beim Übergang zur klimaneutralen Mobilität in den kommenden Jahren werden?


Übersicht

     

  • Dr. Wiebke Zimmer, Stellvertretende Bereichsleiterin Ressourcen & Mobilität, Öko-Institut e.V.
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  • Dr. Thomas Grube, Leiter der Arbeitsgruppe Arbeitsgruppe Mobilität im Institut für Energie- und Klimaforschung, Forschungszentrum Jülich GmbH (FZJ)
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  • Dr. Michael Krail, Stellvertretender Leiter des Competence Centers Nachhaltigkeit und Infrastruktursysteme, Leiter des Geschäftsfelds Mobilität, Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Karlsruhe
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  • Prof. Dr. Thomas Spengler, Institut für Automobilwirtschaft und Industrielle Produktion, Lehrstuhl für Produktion und Logistik, Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig
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Statements der Expertin und der Experten zu den Fragen

1. Inwiefern reicht es für einen schnellen Übergang zu einer klimaneutralen Mobilität aus, vor allem auf einen Austausch der Verbrenner durch alternative Antriebe zu setzen?


Dr. Wiebke Zimmer

„Eine klimaneutrale Mobilität braucht mehr als einen steigenden Anteil E-Pkw an den Neuzulassungen. Daher ist es gleichzeitig notwendig, den Autoverkehr durch kürzere Wege und den Umstieg auf den Umweltverbund, also Rad, Fuß und den öffentlichen Verkehr, zu verringern. Das hat dann gerade in Innenstädten gleichzeitig den Vorteil einer steigenden Lebensqualität durch weniger Lärm, mehr Sicherheit und mehr Platz. Die Elektromobilität ist also eine von mehreren strategischen Säulen beim Klimaschutz im Verkehr.“

Dr. Thomas Grube

„Die Frage des Erreichens einer klimaneutralen Mobilität lässt sich nicht allein am Antrieb festmachen. Mindestens ebenso wichtig ist die Frage nach dem einzusetzenden Kraftstoff. Hier wird überwiegend Strom aus Erneuerbaren als Lösungsoption diskutiert. Dieser wird direkt und bei höchstem Antriebswirkungsgrad in Batterie-Pkw oder bei reduzierter Effizienz indirekt als Wasserstoff in Pkw mit Brennstoffzellen oder bei nochmals geringerem Wirkungsgrad als sogenannter e-Fuel – Power to Fuel Kraftstoff – in Verbrennungsmotoren eingesetzt. Biokraftstoffe spielen aufgrund begrenzter Potenziale eine geringere Rolle.“

„Damit entscheidet erst die Kombination aus Antrieb und Kraftstoff über die Zahl der notwendigen Wind- und Solaranlagen zur Stromerzeugung. Daraus folgend erfordert die Nutzung von e-fuels in Verbrennungsmotoren aufgrund der geringen Effizienz einen etwa drei bis viermal stärkeren Ausbau der Stromerzeugung bei gleicher Verkehrsleistung. E-Fuels werden zudem überwiegend als Importoption gesehen, bei der in weltweit geeigneten Regionen bei niedrigen Kosten für grünen Strom große Kraftstoffmengen erzeugt werden.“

„Klimafreundliche Mobilität erfordert somit in jedem Fall deutliche Umwälzungen bei der Kraftstoffversorgung und hier besonders im Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung. Weiterhin muss bei der Erneuerung der Fahrzeugflotte deren jeweilige ‚Zeitkonstante‘ beachtet werden, also die Frage, wie schnell diese Veränderungen technisch und wirtschaftlich umsetzbar sind. Die Politik ist gefordert, diese Transformation mit geeigneten Instrumenten zu forcieren.“

Dr. Michael Krail

„Zwischen 97 Prozent und 98 Prozent der gesamten CO2-Emissionen des territorialen Verkehrs in Deutschland werden durch den Straßenverkehr erzeugt, circa zwei Drittel davon durch den Pkw. Bei 146 Millionen Tonnen CO2 macht dies einen Anteil des Pkws von circa 94 bis 95 Millionen Tonnen CO2 aus (eigene Berechnungen des Fraunhofer ISI). Ersetzt man fossil angetriebene Pkw mit Verbrennungsmotor durch Batterie-elektrische Pkw (BEV), dann werden pro Pkw heute ungefähr 2,5 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart, bei Plug-In-elektrischen Pkw (PHEV) sind es abhängig vom elektrischen Fahranteil zwischen 1,5 und 2,1 Tonnen CO2 pro Jahr. Die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) hat ein Szenario [2] gerechnet, in dem bis zu 14 Millionen BEV und PHEV bis 2030 zugelassen werden. Dadurch ergeben sich Einsparungen von circa 22 Millionen Tonnen CO2. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass natürlich bei der Produktion des dafür benötigten Stroms im Stromsektor zusätzliche CO2-Emissionen anfallen, die jedoch durch die Umstellung auf erneuerbare Energiequellen mittel- bis langfristig ebenfalls dekarbonisiert werden.“

Prof. Dr. Thomas Spengler

„Es reicht nicht aus. Die Integration individueller Mobilität und öffentlicher Verkehrssysteme ist ein wichtiger weiterer Baustein, ebenso der schnelle und zielgerichtete Ausbau der Erzeugung regenerativer Energie.“

2. Wie lange wird der Ersatz des Pkw-Bestands durch alternative Antriebe dauern? Wie stark sinkt dadurch der CO2-Ausstoß im Verkehrssektor?


Dr. Wiebke Zimmer

„Pkw befinden sich im Mittel etwa 14 Jahre im deutschen Fahrzeugbestand. In der Studie ‚Klimaneutrales Deutschland 2045‘ [1] (im Auftrag der Agora Energiewende, Agora Verkehrswende und der Stiftung Klimaneutralität) werden ab 2032 keine Pkw mehr mit Verbrennungsmotor neu zugelassen. Im Jahr 2045 haben wir dann nur noch Restbestände an Verbrennern im Bestand. Dabei ist auch hinterlegt, dass sich die Haltedauern für Verbrenner zukünftig etwas verkürzen, da sie durch Rahmenbedingungen wie beispielsweise den CO2-Preis teurer werden.“

„Heute gibt es in Deutschland 48 Millionen Pkw, die rund 100 Millionen Tonnen CO2 emittieren. Eine Million E-Pkw bringen etwa 1,5-2 Millionen Tonnen CO2-Minderung für den Verkehrssektor, wenn sie Verbrenner-Pkw ersetzen – je nach Fahrleistung.“

„Wichtig für den Klimaschutz ist dabei, dass nicht nur mehr E-Pkw gekauft werden, sondern vor allem weniger Verbrenner. In den letzten zehn Jahren ist der Pkw-Bestand um sechs Millionen Fahrzeuge gestiegen – ein Trend, der die Reduktion der CO2-Emissionen hemmt und zu Platzmangel auf den Straßen und insbesondere in den Städten führt.“

Dr. Thomas Grube

„Der Austausch der Fahrzeugflotte braucht Zeit. In Deutschland beträgt die Haltedauer von Pkw etwa 12 Jahre. Selbst wenn der Anteil verkaufter Batterie- und Brennstoffzellen Pkw von heute bis 2030 kontinuierlich auf 100 Prozent steigen würde, hätten im Jahr 2030 noch mindestens 60 Prozent aller Pkw einen Verbrennungsmotor. Der CO2-Ausstoß verringert sich dann in dem Maße, in dem auch Strom und Wasserstoff CO2-frei bereitgestellt werden könnten.“

Dr. Michael Krail

„Ist man vor einigen Jahren noch davon ausgegangen, dass sechs Millionen Elektrofahrzeuge (EVs) bis 2030 eine Herausforderung darstellen, rechnet man heute bereits in ambitionierten Szenarien mit 14Millionen oder sogar mehr EVs bis 2030. Die Ursache dafür liegt zum einen im schnelleren Umstieg der OEMs (Original Equipment Manufacturer, in der Autoindustrie synonym zu Fahrzeughersteller; Anm. d. Red.) auf Elektromobilität mit schnell ansteigender Modellpalette, aber auch an der Umweltprämie des Bundes für EVs, der reduzierten Steuer für elektrifizierte Dienstwagen und dem Ausbau der öffentlichen und privaten Ladeinfrastruktur.“

„Mit steigenden fossilen Kraftstoffpreisen nicht zuletzt durch steigende CO2-Preise und wachsendem Anteil elektrischer Fahrzeuge werden mittelfristig Pkw mit Verbrennungsmotor teurer im Unterhalt sowie batterie-elektrische Pkw günstiger in der Anschaffung. Experten gehen davon aus, dass im Zeitraum zwischen 2023 und 2025 BEV das gleiche Preisniveau erreicht haben werden wie Pkw mit Verbrennungsmotor. Ginge man dann davon aus, dass nach wie vor jährlich 2,9 bis 3,1 Millionen Pkw neu zugelassen werden und ab 2025 100 Prozent davon elektrifiziert sind, dann würde es bei 47 Millionen Pkw in Deutschland ungefähr bis 2040 dauern, bis alle Pkw elektrifiziert sind.“

„Das muss man allerdings als Theorie abstempeln, weil zum einen etwa 20 Prozent der Pkw zwischen 15 und 30 Jahre alt sind und es somit länger dauern wird, bis diese durch elektrifizierte Pkw ersetzt werden können. Dazu wird ein schneller Durchsatz nur dann wie in der Theorie funktionieren, wenn die Ladeinfrastruktur auch für die sogenannten Laternenparker in ausreichender Weise zur Verfügung gestellt werden kann. Die Kosten für das öffentliche Laden dürfen dann allerdings nicht wie heute üblich deutlich über den Kosten eines Ladevorgangs am heimischen Stromanschluss oder bei der Arbeit liegen. Bei einer vollständigen Elektrifizierung der deutschen Pkw Flotte lassen sich die CO2-Emissionen im Sektor Verkehr um circa 94 bis 95 Millionen Tonnen CO2 reduzieren. Nimmt man an, dass davon ein Viertel PHEVs sind, dann erreicht man noch rund 85 bis 90 Millionen Tonnen CO2-Reduktion.“

Prof. Dr. Thomas Spengler

„Die durchschnittliche Lebensdauer von Pkw liegt bei mindestens 15 Jahren. Das heißt, selbst nach dem Ende der Produktion von Verbrennungsmotoren dauert es bis zu 20 Jahre, bis ein Großteil aller Pkw rein elektrisch betrieben wird.“

3. Inwiefern wäre es für eine Übergangzeit sinnvoll, auch den schmelzenden Bestand der Verbrenner durch den Einsatz von e-Fuels zumindest teilweise zu dekarbonisieren?


Dr. Wiebke Zimmer

„E-Fuels haben, verglichen mit dem elektrischen Antrieb, eine sehr schlechte Energiebilanz. Mit der gleichen Menge Strom fährt ein E-Auto fünfmal weiter als ein Verbrenner, der e-Fuels nutzt. Entsprechend teuer sind diese Kraftstoffe selbst an globalen Beststandorten, und sie sorgen für höhere Kosten für den Klimaschutz als die Nutzung von Elektrofahrzeugen. Es ist daher grundsätzlich keine sinnvolle Idee, auf e-Fuels im Straßenverkehr als zentrale Maßnahme für den Klimaschutz zu setzen. Zumal wir auch erneuerbaren Strom nicht im Überfluss haben werden. Und das gilt auch im globalen Kontext.“

„E-Fuels benötigen wir in den Verkehrsanwendungen, für die es keine Alternativen gibt, also voraussichtlich im Luft- und Seeverkehr. Kurzfristig kommt noch hinzu, dass die Herstellung von e-Fuels bisher nicht im Industriemaßstab durchgeführt wird. Die Skalierung der Technologie benötigt Zeit, sodass erste nennenswerte Mengen an e-Fuels erst in rund zehn Jahren zur Verfügung stehen werden und bis zum Jahr 2030 keinen relevanten Beitrag für den Klimaschutz leisten werden können.“

Dr. Thomas Grube

„E-fuels für Verbrennungsmotoren könnten zumindest theoretisch eine geeignete Zwischenlösung sein. Dass solche Kraftstoffe in diesem Zeitrahmen verfügbar sind, ist aufgrund der Zeitkonstante der Errichtung notwendiger Erzeugungskapazitäten kaum wahrscheinlich. Zudem würden entsprechende Investitionen in die notwendigen Anlagen nicht für eine Zwischenlösung getätigt werden, da sie andernfalls wegen hoher wirtschaftlicher Anlagenlebensdauern von bis zu 40 Jahren als ‚stranded investment‘ enden würden. Und schließlich erscheint es heute wenig wahrscheinlich, dass e-fuels so billig werden, dass das Fahren mit Verbrennungsmotor Pkw für Autofahrer bezahlbar bleibt.“

Dr. Michael Krail

„Der Einsatz von synthetischen Kraftstoffen über eine Beimischung zu fossilen Kraftstoffen oder eine 100-prozentigen Verwendung kann die CO2-Emissionen des Verkehrs über den ganzen Bestand senken. Da die Herstellung synthetischer Kraftstoffe auf Basis von erneuerbarem Strom jedoch energieintensiv ist, werden dadurch die Kraftstoffpreise steigen müssen. Setzt man synthetische Kraftstoffe für Verkehrsmittel ein, bei denen es eigentlich sinnvolle Alternativen gibt – wie beim Pkw die Elektrifizierung – dann riskiert man aber auch, dass der Markthochlauf dieser Alternativen gebremst wird und die vollständige Dekarbonisierung verzögert wird. Aufgrund des geringen Wirkungsgrades im Vergleich zur direkten Stromnutzung und der nicht zur Verfügung stehenden Mengen an erneuerbarem Strom, müsste dieser oder gleich die fertigen Kraftstoffe importiert werden, und man würde sich in erneute Abhängigkeit von Energie-Importen bewegen. Zudem müsste eine Produktionsinfrastruktur für e-Fuels noch aufgebaut werden. Die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) schätzt die bis 2030 verfügbaren Mengen noch als sehr gering ein, weswegen eine Klimaschutzwirkung begrenzt wäre.“

Prof. Dr. Thomas Spengler

„Grundsätzlich ist dies eine sinnvolle Option, allerdings nur dann, wenn wir ausreichend regenerative Energie erzeugen und damit auch ausreichend grünen Wasserstoff zur Verfügung haben. Die Wirkungsgrade zur Herstellung von e-Fuels sind vergleichsweise schlecht.“

4. Inwiefern ist ein Verbot des Verkaufs oder des Betriebs von Verbrennerfahrzeugen sinnvoll, um den Übergang zu klimafreundlicher Mobilität zu beschleunigen?


Dr. Wiebke Zimmer

„Ein längerfristig angekündigtes Verbot des Verkaufes macht durchaus Sinn. So können sich Hersteller und Verbraucher:innen frühzeitig darauf einstellen.“

Dr. Thomas Grube

„Das Verbrennungsmotor‑Aus ist dann eine Option für den schnellen Umstieg, wenn die Vorteile der alternativen Pkw-Antriebe klar sichtbar sind. Für die Klimafreundlichkeit ist das bereits heute der Fall. Fraglich ist, ob das Verbot von Verbrennern auch notwendig ist. Einerseits sind bereits Entscheidungen der OEM (Original Equipment Manufacturer, in der Autoindustrie synonym zu Fahrzeughersteller; Anm. d. Red.) gegen diese Technik gefallen, andererseits zeigen die Entwicklung der Kraftstoffpreise – CO2-Bepreisung – heute und die absehbaren Kostensteigerungen durch den Einsatz von e-fuels, dass der Betrieb von Pkw mit Verbrennungsmotoren unwirtschaftlich wird.“

Dr. Michael Krail

„Die Ankündigung eines Verbots des Verkaufs von Pkw mit Verbrennungsmotoren würde zum einen den Umstiegsprozess in der Produktion bei den Herstellern und Zulieferern erleichtern und planbarer machen. Zahlreiche Länder haben dieses Verkaufsverbot bereits beschlossen, Norwegen startet damit bereits 2025. Zum anderen hätte diese Ankündigung voraussichtlich auch Effekte auf das Kaufverhalten der Verbraucher. Es ist davon auszugehen, dass zahlreiche Verbraucher alleine durch die Ankündigung den Umstieg auf EVs früher in Erwägung ziehen werden, um einen Wertverlust ihrer alten Pkws mit Verbrennungsmotor auf dem Gebrauchtwagenmarkt zuvorzukommen. Dadurch kann der Übergang beschleunigt werden.“

Prof. Dr. Thomas Spengler

„Die von der EU beschlossene Verschärfung der durchschnittlichen Flottenemissionsgrenzwerte ist unter marktwirtschaftlichen Bedingungen ein guter Weg, auf jeden Fall deutlich besser als Verbote.“

5. Was wird aus Ihrer Sicht das größte Problem beim Übergang zur klimaneutralen Mobilität in den kommenden Jahren werden?

Dr. Wiebke Zimmer

„Die Angst der Politik, grundlegende Änderungen bei den Rahmenbedingungen für eine schnelle Verkehrswende zu schaffen. Also nicht nur Förderprogramme aufzulegen, sondern das bestehende System an Abgaben und Steuern im Verkehr umwelt- und sozialverträglicher zu gestalten. Ein Beispiel ist die derzeitige Kaufprämie für E-Pkw, von der großenteils Besserverdienende profitieren.“

„Diese soziale Schieflage könnte ganz einfach gelöst werden: Bei einem Bonus-Malus-System werden besonders CO2-arme Fahrzeuge mit einem Bonus beim Kauf versehen, wie zum Beispiel die derzeitige Kaufprämie für E-Pkw, und Pkw mit höheren CO2-Emissionen mit einem Malus, steigend mit deren CO2-Ausstoß. Wer das Klima weniger belastet, bekommt also einen Zuschuss, und wer es stärker belastet, muss mehr bezahlen. Durch die Mehreinnahmen von CO2-intensiven Fahrzeugen – Malus – kann die Kaufprämie – Bonus – gegenfinanziert werden. Damit finanzieren nicht alle Steuerzahlenden den Kauf von E-Pkw, sondern nur diejenigen, die sich einen Neuwagen leisten können. Das ist sozial gerechter und hat gleichzeitig den Effekt, dass sich mehr Menschen beim Fahrzeugkauf für ein effizienten Pkw oder einen E-Pkw entscheiden.“

Dr. Thomas Grube

„Der Umstieg auf klimaneutrale Pkw-Mobilität gelingt nur, wenn in allen Lebensphasen der Fahrzeuge der Übergang zu klimafreundlichen Rohstoffen, Materialien und Prozessen erfolgt. Dies betrifft die Pkw-Herstellung, die Nutzungsphase unter Einsatz klimaneutraler Kraftstoffe und schließlich die Entsorgung beziehungsweise Rezyklierung. Die damit sichtbar enge Anbindung an die Energieversorgung macht deutlich, dass der Erzeugung von erneuerbarem Strom die höchste Bedeutung zukommt.“

„Die heute vielfach diskutierten Umweltwirkungen neuer Materialen – seltene Erden, Kobalt und andere Elemente – und veränderter weltweiter Materialströme müssen dabei ebenfalls beachtet werden.“

„Mitentscheidend für den Umstieg auf klimafreundliche Pkw‑Antriebe dürfte schließlich auch sein, ob Elektrofahrzeuge mit Batterie und Brennstoffzelle im Markt auch angenommen werden, sprich alle Anforderungen künftiger Pkw-Mobilität erfüllen. Wichtig dabei sind neben den erwähnten Kosten auch Performance, Nutzerfreundlichkeit sowie Tank- und Ladedauern.“

„Und nicht zuletzt stellt sich die spannende Frage nach der zukünftigen Art und Weise der Fahrzeugnutzung. Ob und in welchem Maße neue Konzepte, wie das autonome und vernetzte Fahren sowie Sharing-Modelle, ihrerseits zur Klimaneutralität beitragen, ist Gegenstand aktueller Forschung. Die kontrovers geführte Diskussion zum Thema zukünftige Mobilität bewegt sich damit zunehmend im komplexen Spannungsfeld der Vermeidung von Umweltwirkungen, neuer Antriebs‑ und Mobilitätskonzepte sowie der verstärkten Einbindung des Verkehrssektors in die Energieversorgung über das Konzept der Sektorenkopplung.“

Dr. Michael Krail

„Möchte man den Übergang nicht nur durch eine Dekarbonisierung der Pkw-Flotte hinbekommen, dann gilt es, den Ausbau des öffentlichen Verkehrs zu beschleunigen und die Nutzung von Carsharing und Ridepooling sowie den Verkehrsmitteln des Umweltverbunds zu stärken. Hierzu werden hohe Kosten für den Aufbau entstehen und gleichzeitig die Einnahmen aus den Energiesteuern durch die sinkenden Einnahmen aus dem Verkauf fossiler Kraftstoffe fallen. Bei der Elektrifizierung der Pkw-Flotte kann es zu einer Verzögerung des Markthochlaufs kommen, wenn die Umweltprämie ausläuft und man zunehmend auch Pkw-Nutzer mit fehlender privater Lademöglichkeit oder die Segmente der Vielfahrer wie beispielweise Außendienstmitarbeiter erreichen will.“

Prof. Dr. Thomas Spengler

„Die wichtigsten Probleme werden die ausreichende Erzeugung regenerativer Energie und der Aufbau entsprechender Infrastrukturen zur Ladung von Batterien oder Verteilungsnetze für grünen Wasserstoff sein.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Alle: Keine Angaben erhalten.

Literaturstellen, die von der Expertin und den Experten zitiert wurden

[1] Prognos, Öko-Institut, Wuppertal-Institut (2021): Klimaneutrales Deutschland 2045. Wie Deutschland seine Klimaziele schon vor 2050 erreichen kann. Zusammenfassung im Auftrag von Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende und Agora Verkehrswende.

[2] Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (2021): Wege für mehr Klimaschutz im Verkehr.

Weitere Recherchequellen

[I] Science Media Center (2019): Kann ein CO2-Preis unser Klima retten? Fact Sheet. Stand: 10.07.2019.

[II] Science Media Center (2020): Welche Rolle können synthetische Treibstoffe für PKW beim Klimaschutz spielen? Fact Sheet. Stand: 15.12.2020.

[III] Science Media Center (2020): Welche Rolle können synthetische Treibstoffe für PKW beim Klimaschutz spielen? Science Response. Stand: 22.12.2020.