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17.03.2023

Elektroautos: Trends, Probleme und Lösungen

     

  • für die aktuelle Debatte um die Zukunft der Mobilität spielt das Potenzial von Elektroautos eine große Rolle
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  • Probleme derzeit: Ladesäulen-Ausbau, kleines Angebot gut bezahlbarer Wagen
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  • aktuelle Lithium-Knappheit dürfte zu lösen sein, 2030 könnten E-Autos bis zu 800 Kilometer und sehr kurze Ladezeiten erreichen, wichtig wird bessere Effizienz der Autos
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Die Autoindustrie hat ihre Planung für die kommenden Jahre weitgehend auf Elektromobilität umgestellt. Mit Blick auf das eigentlich in der EU geplante Verbrennerverbot wollen zwischen 2024 und 2030 Citroën, Jaguar, Audi und Mercedes neue Modelle nur noch mit E-Motor und Batterie auf den Markt bringen. Sich ganz vom Verbrennungsmotor zu verabschieden, planen zwischen 2028 und 2035 Opel, Fiat, Ford, Mini, VW und Hyundai; BMW und Kia peilen 2030 wenigstens die Hälfte ihres Umsatzes mit Elektroautos an. Einzige Ausnahme in Europa ist einer Zusammenstellung des ADAC zufolge Porsche, die hoffen, auch nach 2035 noch ein Modell mit Verbrenner verkaufen zu können. BMW hält sich offenbar noch ein Hintertürchen offen [I].

Dabei legen aktuelle Umfragen nahe [II] [III] [IV], dass private Autokäufer in Deutschland Elektroautos offenbar immer noch eher reserviert gegenüberstehen könnten – auch wenn diese Ergebnisse sehr unterschiedliche Potenziale sehen. So ergaben diese Umfragen, dass die Befragten als wichtigste Kritikpunkte gewichteten, die E-Autos seien zu teuer, Ladestationen zu selten, die Reichweite zu kurz und das Laden zu langwierig. Außerdem zweifelte ein hoher Anteil der Befragten an der Umweltfreundlichkeit von E-Autos.

Reichweite, Ladezeiten oder auch die Umweltfreundlichkeit – konkret: Woher stammen die Rohstoffe für die Batterien? – haben sich aber in den vergangenen Jahren offenbar verbessert. Der Trend dürfte sich in den kommenden Jahren fortsetzen. Wir haben daher Forscherinnen und Forscher gefragt, wie sie die Entwicklung von Reichweite, Ladezeiten, Ladestationen und die Rohstoffsituation einschätzen.

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Martin Doppelbauer, Professor für hybridelektrische Fahrzeuge, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Karlsruhe

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  • Prof. Dr. Dirk Uwe Sauer, Professor für Elektrochemische Energiewandlung und Speichersystemtechnik, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH), Aachen

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  • Prof. Dr. Jens Tübke, Hauptabteilungsleiter Angewandte Elektrochemie, Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie, Pfinztal

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  • Hinrich Helms, Themenleiter Elektromobilität, Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu)

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  • Thorsten Koska, Co-Leiter des Forschungsbereichs Mobilität und Verkehrspolitik Abteilung Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH, Wuppertal

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Statements

Die folgenden Statements sind bewusst mit Blick auf langfristige Verwendbarkeit eingeholt und können auch in Zukunft zu diesem Thema Hintergrundinformationen bieten und zitiert werden.

Prof. Dr. Martin Doppelbauer

„Die Reichweite von Elektroautos ist heute absolut praxistauglich und stellt im Alltag keine Einschränkung dar. Typische Stadtautos mit Kapazitäten um 50 bis 60 Kilowattstunden erreichen auch im Winter 250 Kilometer, typische Familienautos mit Kapazitäten um 70 bis 90 Kilowattstunden liegen im Winter bei 350 Kilometern, im Sommer bei deutlich mehr.“

„Ich begrüße ausdrücklich den Vorstoß der EU, ab 2035 keine PKW mit Verbrennungsmotoren mehr zuzulassen. Seit über zehn Jahren ist der reale Durchschnittsverbrauch von PKW in Deutschland konstant bei rund sieben bis acht Liter pro 100 Kilometer [1]. Technologische Weiterentwicklungen (hybride Technologien) ändern daran offensichtlich nichts mehr.“

„Die einzige massenmarkttaugliche Alternative zu Verbrennungsmotoren sind batterieelektrische Fahrzeuge, von denen inzwischen weltweit weit über zehn Millionen Exemplare fahren.“

„E-Fuels werden auch langfristig aufgrund des enormen Herstellungsaufwands viel zu teuer bleiben und können nicht für den Betrieb vieler Millionen Fahrzeuge bereitgestellt werden.“

„Der enorme Herstellungsaufwand ist auch für den großen CO2-Rucksack von E-Fuels ursächlich, weshalb sie immer eine deutlich schlechtere Umweltbilanz als Elektroautos haben – von null Emissionen kann auch in der Gesamtbilanz überhaupt keine Rede sein. Dazu kommen die lokalen Emissionen in den Städten, die mit E-Fuels nicht weniger werden.“

„Außerdem brauchen wir E-Fuels dort viel mehr, wo es keine Alternativen zur Dekarbonisierung gibt, zum Beispiel bei Schiffen und Flugzeugen.“

Prof. Dr. Dirk Uwe Sauer

„Die Reichweiten von Neufahrzeugen reichen derzeit von rund 300 bis 600 Kilometern. Das sind die Angaben für optimale Bedingungen. Bei schneller Fahrt und im Winter müssen davon Abstriche von bis zu 25 Prozent hingenommen werden. Prinzipiell gibt es also für jede Nutzerin und jeden Nutzer aus technischer Sicht ein Angebot, dass zusammen mit der Ultraschnellladetechnik die Reichweitenprobleme löst.“

„Das Problem ist der Preis der Fahrzeuge. Die Zahl der angebotenen Fahrzeuge in der Kompakt- und Mittelklasse mit hohen Reichweiten zu Preisen, die unter Berücksichtigung der Förderung vergleichbar sind mit konventionellen Fahrzeugen, ist nach wie vor klein. Allerdings ist die Frage, wie viele der Fahrzeuge in diesen Klassen über große Distanzen gefahren werden. Mehr Flexibilität zum Beispiel auch durch Angebote, die neben dem Kauf des Fahrzeugs beispielsweise zweimal im Jahr das Leihen eines Fahrzeugs mit größerer Reichweite beinhalten, könnten durchaus attraktiv sein.“

„Ein Zuwachs an Reichweite ist in den kommenden Jahren durchaus zu erwarten. Dabei sollte aber nicht der Ausbau der Batteriekapazität im Vordergrund stehen, weil dies sowohl den Kostenzielen als auch der Schonung von Ressourcen entgegensteht. Aber die Reichweite oder Nutzungsdauer eines batteriebetriebenen Geräts ist immer eine Frage der Batteriekapazität einerseits und der Effizienz der Anwendung andererseits. Bei Smartphones oder Tablets investieren die Hersteller mindestens genauso in die Energieeffizienz auf allen Ebenen wie in die Batterietechnologie.“

„Mercedes hat mit einem Konzeptfahrzeug letztes Jahr gezeigt, dass mit einer für heutige Oberklassefahrzeuge normalen Batterie eine Reichweite von 1200 Kilometern erreicht werden kann. Natürlich sind das die technischen Grenzen und reale Fahrzeuge werden nicht so effizient sein, aber es zeigt das Potential auf. Reichweiten von 800 Kilometern mit einer Batterie von 100 kWh sollten bis Ende des Jahrzehnts durchaus möglich werden. Der Fokus auf der Energieeffizienz ermöglicht auch Fahrzeugherstellern Alleinstellungsmerkmale zu entwickeln. Gerade auch im Kompakt- und Mittelklassesegment sind hier noch erhebliche Fortschritte möglich.“

Prof. Dr. Jens Tübke

„Für durchschnittliche batterieelektrische Fahrzeuge liegt die Reichweite im Bereich von 200 bis 600 Kilometern je nach Fahrzeuggröße. Wenn bisher die Reichweite der Fahrzeuge und die Kosten der Batterien Hauptentwicklungsrichtungen der OEM (OEM = Original Equipment Manufacturer, in der Autoindustrie synonym zu Fahrzeughersteller; Anm. d. Red.) und auch Hauptkritikpunkt der Nutzer waren, so zeigen sich aktuell weitere zusätzliche Trends, die in den Vordergrund rücken. Zum einen kommen kleinere Fahrzeuge für die Kurzstrecke und Stadtfahrten mit kleineren Batterien und etwas geringeren Reichweiten zu deutlich günstigeren Preisen auf den Markt und bedienen damit ein Fahrzeugsegment, in dem sich Elektromobilität sehr schnell rentiert.“

„Zum anderen werden Fahrzeuge mit höheren Reichweiten (größer als 500 Kilometer) mit schnellladefähigen Batteriesystemen (20 bis 80 Prozent Batterieladezustand in unter zwölf Minuten) ausgestattet, womit die Reichweite nicht mehr unbedingt im Fokus steht und damit die Größe – und Kosten – der Batterie beschränkt werden kann. Dies spart wertvolle Materialressourcen in der Batterieherstellung und reduziert das Fahrzeuggewicht, was sich wiederum günstig auf den Verbrauch auswirkt. Neben etwas Zuwachs an Reichweite – vielleicht bis auf 700 bis 800 Kilometer – werden mittelfristig Batterien zur Verfügung stehen, die deutlich einfacher recycelt werden können und möglichst auf kritische Rohstoffe – zum Beispiel heute bereits vollständig auf Kobalt – verzichten.“

Prof. Dr. Martin Doppelbauer

„Ladezeiten an Schnellladern liegen typischerweise bei 20 bis 30 Minuten und sind damit kurz genug, um problemlos auch lange Fahrten zu bewältigen.“

Prof. Dr. Dirk Uwe Sauer

„Bei den Oberklassefahrzeugen mit Reichweiten von 400+ Kilometern kann die 350 kW-Ladetechnik angewendet werden. Dabei wird in etwa drei Minuten die Energie für rund 100 Kilometer Reichweite nachgeladen. Da sich die Batterie in der Geschwindigkeit nicht vollständig aufladen lassen, würde das etwa alle 300 Kilometer einen Nachladestopp von 10 Minuten bedeuten. Wenn die Fahrzeuge effizienter werden, dann verkürzt sich die Nachladedauer für 100 Kilometer Reichweite bei gleicher Ladeleistung auf vielleicht zwei Minuten. Das ist aus meiner Sicht keine große Einschränkung der Mobilität gegenüber den bekannten Verbrennungsmotoren, zumal die Mehrzahl der Fahrerinnen und Fahrer die Pausen auch gerne für eine kurze Entspannung und vor allem das Abarbeiten von digitalen Nachrichten nutzen. Die allermeisten Nutzerinnen und Nutzer von Elektrofahrzeugen gewöhnen sich schnell an diesen Rhythmus und nehmen ihn in den wenigsten Fällen als lästig war.“

„Bei Fahrzeugen mit etwas kleineren Batterien beziehungsweise Reichweiten werden die maximalen Ladeleistungen geringer sein, weil die Batterien die hohen Ladeleistungen nicht aufnehmen können. Damit verlängern sich die Ladezeiten dann auf vielleicht fünf bis sechs Minuten pro 100 Kilometer Reichweite. Die Fahrzeug- und Batteriehersteller werden daran arbeiten, auch hier die Ladefähigkeit zu verbessern, aber das geht meist zu Lasten der gerade in diesen Fahrzeugklassen alles entscheidenden Kosten für die Batterien. Hier werden Kompromisse zwischen den Preisen für die Batterien und der Schnellladefähigkeit notwendig sein.“

Prof. Dr. Jens Tübke

„Für Kurzstrecken und Stadtfahrzeuge ist in der Regel keine Schnellladefähigkeit gefordert, da diese Fahrzeuge über Nacht oder bei den Stadtfahrten beim Parken geladen werden. Für größere Fahrzeuge und längere Fahrstrecken besteht natürlich die Notwendigkeit der Schnellladung, die bereits heute mit Ladezeiten von unter zwölf Minuten (20 bis 80 Prozent Batterieladezustand) bei einigen Fahrzeugen erhältlich ist. Damit können bei einem Elektroauto mit circa 500 Kilometern Reichweite etwa 300 Kilometer in zwölf Minuten geladen werden und man kann davon ausgehen, dass auch diese Zeiten noch etwas verkürzt werden können.“

Prof. Dr. Martin Doppelbauer

„Die Versorgung mit Schnellladesäulen ist in Zentral- und Nordeuropa bereits sehr gut, in Südeuropa wird es zunehmend besser.“

Prof. Dr. Dirk Uwe Sauer

„Wir sehen seit einiger Zeit, dass die Zahl der Elektrofahrzeuge deutlich schneller als die öffentliche Ladeinfrastruktur ansteigt. Die Zahl der Fahrzeuge pro öffentlichem Ladepunkt steigt also zu Ungunsten der Nutzerinnen und Nutzer. Der aktuelle Fokus im Ausbau der Ladeinfrastruktur liegt auf den Ultraschnellladeeinheiten, vor allem entlang der Autobahnen. Das ist grundsätzlich auch sinnvoll, wird aber viel zu halbherzig durchgeführt. Aktuell finden sich in Deutschland inzwischen an sehr vielen Raststätten Ultraschnelllader, aber meist mit einer Säule und zwei Anschlüssen. Damit wird es schon wieder zum Glückspiel, eine freie Ladestation zu finden. Hier wird halbherzig agiert. Es muss endlich klar durchdringen, dass die Elektrofahrzeuge kommen und gerade an den Autobahnen müssen neue sehr leistungsstarke Anschlüsse gelegt werden, die dann auch die MW-Ladeanlagen für Lkw ermöglichen. Der tröpfchenweise Ausbau kostet viel Geld in wiederholte Planungsvorgänge oder auch die Installation neuer Trafos, die dann schnell wieder zu klein sind.“

„Dazu müssen die Möglichkeiten der Nachladung bei Arbeitgebern stärker ausgebaut werden. Das würde auch das Problem vieler Menschen, die nicht direkt zu Hause laden können, lösen. Da reichen relativ geringe Ladeleistungen aus, denn die Fahrzeuge parken ja über viele Stunden hinweg. Auch Ladestationen bei Einkaufsmärkten sollten stärker in den Fokus genommen und ausgebaut werden.“

„Rechtlich müssen die Rahmenbedingungen geschaffen werden, dass im Bereich der Wohnbebauung Ladestellen flächendeckend möglich werden. Gerade Mieterinnen und Mieter führen teilweise extrem aufwendige Auseinandersetzungen mit den Vermieterinnen und Vermietern und geben nicht selten entnervt auf. Hier müssen gesetzliche Grundlagen geschaffen werden, die Ladepunkte zumindest auf eigene Kosten auch in Mietgebäuden ermöglichen.“

Prof. Dr. Jens Tübke

„Aktuell findet ein deutlich wahrnehmbarer Ausbau an Ladeinfrastruktur statt, aber noch nicht flächendeckend. Während die meisten Autobahnabschnitte schon gut mit Ladestationen ausgestattet sind, fehlen diese noch an Schnellstraßen und in sehr vielen Innenstädten. Gerade Fahrzeugbesitzer, die nicht zu Hause an der eigenen Wallbox über Nacht laden können, sind auf die Möglichkeiten angewiesen, in der Stadt beim Parken oder zum Beispiel auch beim Arbeitgeber tagsüber laden zu können. Generell ist es aber nach wie vor nötig, den Ausbau weiterhin zu beschleunigen.“

Thorsten Koska

„Aktuell reicht die in Deutschland verfügbare Ladeinfrastruktur für die heute zugelassenen Elektrofahrzeuge aus. Allerdings ist für die Erreichung des Flottenziels von 15 Millionen E-Fahrzeugen bis 2030 ein deutlich beschleunigter Ausbau notwendig. Neben der öffentlichen Ladeinfrastruktur ist hierzu besonders der Ausbau privater Lademöglichkeiten relevant: Das Laden zu Hause oder auf der Arbeit ist deutlich preisgünstiger realisierbar und kann so die Elektromobilität attraktiver machen. Zudem sind hier Synergien mit selbsterzeugtem PV-Strom realisierbar. Durch die langen Standzeiten der E-Autos in der eigenen oder gemieteten Garage und am Arbeitsplatz lassen sich auch die Potenziale von gesteuertem und bidirektionalen Laden dort besser nutzen – geladen wird dann, wenn viel erneuerbarer Strom zur Verfügung steht, bei schwachem Angebot können die Fahrzeuge Strom ins Netz oder den Haushalt zurückspeisen. Beides kann den Bedarf an zusätzlichem Netzausbau reduzieren und die Potenziale von E-Fahrzeugen zur Abfederung der volatilen Erzeugung erneuerbaren Stroms besser nutzen. Hierzu können verbindliche Vorgaben und gezielte Förderung beitragen.“

Prof. Dr. Martin Doppelbauer

„Die Entwicklung der Batterietechnik schreitet weiter voran. Heutige Rohstoffe – neben Lithium vor allem Nickel, Kobalt, Mangan – werden zukünftig vielleicht kaum noch benötigt. Es gibt schon in vielen Autos Lithium-Eisenphosphat-Batterien ohne diese Rohstoffe. Seltene Erden werden in Batterien übrigens nicht eingesetzt. Sicher erscheint, dass wir in hochleistungsfähigen Batterien langfristig nicht ohne Lithium auskommen werden, wenngleich erste Autobatterien auf Natriumbasis gerade in Serienproduktion gehen – allerdings nur mit der rund halben Energiedichte. Erfreulicherweise gibt es große Lithiumvorkommen auf der ganzen Welt, selbst in Deutschland, und man kann den Rohstoff inzwischen umweltfreundlich gewinnen. Batterien lassen sich zudem gut recyceln und ein Großteil der eingesetzten Rohstoffe kann zurückgewonnen werden.“

Prof. Dr. Dirk Uwe Sauer

„Die Förderkapazität für Lithium wird in den kommenden Jahren knapp. Die Erweiterung der Förderkapazitäten ist am Laufen, aber zum Beispiel die Länder Argentinien und Bolivien mit sehr großen Lithiumreserven liefern bislang noch keine substantiellen Mengen. Aktuell liegt der Lithiumpreis so hoch, dass auch bislang als wenig ergiebig geltende Vorkommen wirtschaftlich erschlossen werden können. Daher rechne ich mit nur einer kurzfristigen Knappheit am Markt. Daneben wird zum Beispiel die Natrium-Ionen-Batterietechnologie in verschiedenen Segmenten eine gewisse Entlastung des Rohstoffmarktes für Lithium-Ionen-Batterien ergeben.“

„Die Knappheit an Lithium wird aber temporär sein und das Problem kann auch nicht durch eine Verschiebung hin zu anderen Technologien wie Brennstoffzellen/Wasserstoff oder E-Fuels behoben werden, weil hier die Produktionskapazitäten so gering sind, dass sie auf der Zeitskala nur weniger Jahre gar nicht in den Bereich der bereits vorhandenen Batteriefertigung inklusive der gesamten Wertschöpfungskette hochgefahren werden kann.“

„Die Verwendung von Kobalt wird in Pkw-Batterien immer weiter reduziert und mit Lithium-Eisenphosphat- (LFP) und Natrium-Ionen-Batterie stehen kobalt- und gegebenenfalls auch nickelfreie Alternativen zur Verfügung, die vor allem in kostengünstigen Fahrzeugen und stationären Anwendungen zum Einsatz kommen können und damit den Rohstoffmarkt entlasten.“

„Zur direkten Verfügbarkeit von Seltenen Erden kann ich nichts sagen. Die kommen in modernen Li-basierten Batterien nicht zum Einsatz.“

„In der Elektromobilität werden Seltene Erde in Permanentmagneten von Elektromotoren eingesetzt. Mit der geschalteten Reluktanzmaschine steht allerdings auch ein elektrisches Motorenkonzept zur Verfügung, das ohne Permanentmagnete auskommt. Wenn es also zu einer anhaltenden Knappheit kommen sollte, gibt es eine Alternative für die Elektromotoren, die frei von Seltenen Erden ist.”
 

Hinrich Helms

„Eine steigende Anzahl an Neuzulassungen von Elektro-Pkw führt zu einer steigenden Nachfrage insbesondere nach Kupfer, Nickel, Kobalt, Lithium und seltenen Erden. Diese Materialien werden hauptsächlich für Batterien und Elektromotoren benötigt. Mehrere Szenarienstudien [3] [4] [5] zeigen, dass diese Rohstoffe prinzipiell auch für ein weltweites Wachstum der Elektromobilität ausreichend vorhanden sind, die weltweiten Vorkommen übersteigen den prognostizierten Bedarf jeweils deutlich.“

„Temporäre Verknappungen oder Preissteigerungen für einzelne Rohstoffe sind jedoch nicht auszuschließen, dies gilt insbesondere für Lithium und Kobalt, eventuell auch Nickel. Hier kann die Fördermenge gegebenenfalls nicht rechtzeitig hochgefahren werden oder der Export aus den Förderländern nicht zu jeder Zeit in ausreichenden Mengen garantiert werden. Kobaltarme Batterietechnologien können der Kobaltnachfrage jedoch möglicherweise entgegenwirken. Zusätzlich können Kobalt und Nickel prinzipiell auch zu 90 Prozent aus Batterien zurückgewonnen werden, was aber den Aufbau entsprechender Recyclingkapazitäten voraussetzt.“

„Die Produktion ist insbesondere beim Kobalt stark konzentriert auf die Demokratische Republik Kongo und findet dort auch unter kritischen Umwelt- und Sozialstandards statt. Die Lithiumproduktion findet schwerpunkmäßig in Australien, Chile, Argentinien und China statt. Bei Nickel sind die Hauptförderländer Indonesien, die Philippinen und Russland – insgesamt ist die Produktion hier etwas diversifizierter. Die Sicherung und Diversifizierung der Lieferketten bleibt neben der Gewährleistung von Umwelt- und Sozialstandards wichtig. Zu beachten ist dabei aber: Auch Rohöl für die Kraftstoffherstellung kommt zu großen Anteilen aus einer Reihe von Staaten mit problematischer Menschenrechtssituation und schlechten Umweltstandards, zum Beispiel Nigeria und Libyen.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Prof. Dr. Dirk Uwe Sauer: „Ich bin Gesellschafter mehrerer Start-up-Unternehmen, die im Bereich des Batterietestens, der Batteriediagnostik und der Batteriedatensammlung beschäftigt sind. Mein Lehrstuhl an der RWTH Aachen beschäftigt sich überwiegend mit den systemtechnischen Fragen der Integration von Batterien in verschiedene Anwendungen. Aktuell bin ich Vorsitzender des Sounding Boards des Projekts H2-Kompass, gefördert von BMWK und BMBF und durchgeführt durch acatech und DECHEMA zur wissenschaftlichen Unterstützung des Nationalen Wasserstoffrats.“

Alle anderen: Keine Angaben erhalten.

Literaturstellen, die von den Forschenden zitiert wurden

[1] Umweltbundesamt (31.01.2022): Kraftstoffverbrauch.

[3] Thielmann A et al. (2020): Batterien für Elektroautos: Faktencheck und Handlungsbedarf. Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI.

[4] Betz J et al. (2021): Resource consumption of the passenger vehicle sector in Germany until 2035 – the impact of different drive systems.Öko-Institut e.V.

[5] Öko-Institut (2017): Strategien für die nachhaltige Rohstoffversorgung der Elektromobilität. Studie im Auftrag der Agora Verkehrswende.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] ADAC (03.11.2022): Ausstieg Verbrennungsmotor: Wann wird welcher Hersteller elektrisch?

[II] Deloitte (2023): Deloitte Global Automotive Consumer Study 2023.

[III] Acatech (2023): Mobilitätsmonitor. Untersuchung des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften.

[IV] Deutsche Automobil Treuhand DAT (2023): DAT-Report.