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11.12.2017

Wird Klimawandel das Windenergiepotenzial reduzieren?

Der Klimawandel könnte in den nördlichen Breitengraden eine ungünstige Entwicklung für den Ertrag von Windenergieanlagen nach sich ziehen. Diese These vertritt eine US-Forschergruppe in der aktuellen Ausgabe von Nature Geoscience (siehe *Primärquelle). Frühere Studien anderer Forschungsgruppen hatten zwar im Einzelfall starke saisonale Schwankungen für Europa ergeben, einige jedoch sehr leicht ansteigende Windenergie-Erträge [4],[15],[B].

Die Wissenschaftler stützen sich auf die Simulation von zwei Klimaszenarien, die von einem Anstieg der mittleren Temperatur der Erde entweder um rund 2,6 oder um rund 4,8 Grad Celsius ausgehen. Sie verknüpften die Simulationen mit einer Berechnung von Windenergie-Erträgen in verschiedenen Regionen der Welt. Das Ergebnis zeige, so die Forscher, dass in beiden Szenarien des zu erwartende Windenergiepotential auf der Nordhalbkugel schon in den kommenden beiden Jahrzehnten sinken könnte, auch wenn diese Studie über viele Gebiete keine Aussage treffen kann. Die Entwicklung werde sich danach fortsetzen, so die Forscher. Sie weisen zwar darauf hin, dass ihr Modell nicht ausreiche, um die Leistung einzelner Windparks zu berechnen, regen jedoch trotzdem an, bei Entscheidungen über Windenergie künftig auch mit zu berücksichtigen, wie sich der Klimawandel auf den Ertrag der Windräder langfristig auswirken wird.

Übersicht

     

  • Dr. Detlev Heinemann, Leiter der AG Energiemeteorologie, Institut für Physik, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
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  • Prof. Dr. Daniela Jacob, Direktorin, Climate Service Center Germany – Helmholtz-Zentrum Geesthacht, Hamburg
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  • Prof. Dr. Bruno Burger, Abteilung Leistungselektronik und Netztechnologien, Gruppenleiter "Neue Bauelemente und Technologien", Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme, Freiburg
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  • Dr. Christian Grams und Prof. Dr. Joaquim Pinto, Institut für Meteorologie und Klimaforschung - Department Troposphärenforschung (IMK-TRO), Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
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  • Prof. Dr. Dirk Witthaut, Institut für Energie- und Klimaforschung – Systemforschung und Technologische Entwicklung (IEK-STE), Forschungszentrum Jülich (FZJ)
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  • Dr. Gunnar Luderer, Leiter der "Global Energy Systems Group", Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK)
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  • Prof. Dr. Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
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Statements

Dr. Detlev Heinemann

Leiter der AG Energiemeteorologie, Institut für Physik, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

„Die in der Veröffentlichung beschriebenen Untersuchungen sind wichtig, weil sie helfen, das Verständnis und Wissen um die komplexen meteorologischen Zusammenhänge, die unsere künftige Energieversorgung massiv beeinflussen werden, zu verbessern. Dies ist nötig und ein Grund, warum das Forschungsgebiet Energiemeteorologie so 'boomt'.“

„Die Autoren konnten meiner Meinung nach die bestehenden Unsicherheiten bezüglich der Auswirkung von Klimaänderungen auf die Windenergienutzung nicht verringern.“

„Mögliche Ertragsminderungen aus den in der Veröffentlichung genannten Gründen bewegen sich (im schlimmsten Fall) im Bereich von bis zu 10, vielleicht 20 Prozent. Dies ist in etwa die Unsicherheit, von der wir zurzeit ohnehin ausgehen, wenn es um Einflüsse wie gegenseitige Abschattungen von Windparks, Unkenntnis der Höhe künftiger Anlagengenerationen etc. geht. Wir reden darüber hinaus von der Zukunft. Die technologische und vor allem ökonomische Entwicklung wird absehbar eine sehr pragmatische Lösung des Problems präsentieren: Die Anlagen werden größer, höher, und – wenn es denn sein muss – auch mehr. Dies beantwortet auch die Frage nach der Auswirkung für Europas Klimaziele beziehungsweise Stromversorgung: Sie ist voraussichtlich sehr gering.“

Prof. Dr. Daniela Jacob

Direktorin, Climate Service Center Germany – Helmholtz-Zentrum Geesthacht, Hamburg

„Die Vorhersage von jährlichen Ertragsdaten über mehrere Jahrzehnte ist nicht möglich. Die dekadische Vorhersage ist in der Erforschung, aber es gibt nur sehr wenige Parameter und Regionen, in denen erste vielversprechende Ergebnisse gefunden wurden. Die Auswertung von Klimaprojektionen erlaubt allerdings die Analyse der Veränderung von 30-jährigen Mittelwerten, auch für Windgeschwindigkeiten wie von den Autoren durchgeführt.“

„Die dargestellten Schwächen der globalen Klimamodelle sehe ich auch und es ist gut, dass die Autoren darauf hinweisen. Es ist den Autoren in der Studie aber nicht gelungen, sie zu entkräften. Die Verbindung von Reanalysedaten (Modellberechnungen des Wettergeschehens in der Vergangenheit, Anm.d. Redaktion) zu den Klimamodellergebnissen ist nicht überzeugend. Der Vergleich der Modelldaten mit nur einem Messmast in Boulder, der als repräsentativer Vergleich mit weltweiter Gültigkeit angeben wird, ist wissenschaftlich unzureichend. Die gute Übereinstimmung könnte durch die Mastpositionierung relativ zu den Rocky-Mountains entstanden sein. In Boulder herrschen im Wesentlichen Winde aus Süd. In Regionen mit ganz anderen Windregimen könnte eine schlechtere Übereinstimmung der Jahresverläufe existieren. Dies muss noch gezeigt werden. Das weltweit konstante Höhenprofil (Schwäche 2) ist eine zu große Vereinfachung – es gibt kein weltweit konstantes Höhenprofil.“

„Der entscheidende Punkt ist die dritte Schwäche, die die Forscher ja auch selbst einräumen. Da sie aus den globalen Klimamodellen die mittleren monatlichen Windgeschwindigkeiten zur Berechnung der Energie heranziehen, werden monatliche Energieerträge massiv unterschätzt. Was sie ja in Abbildung 1c für Boulder selbst zeigen. Also kann durch diese Vereinfachung jede klimatisch bedingte Windveränderung zu einer Überschätzung der Ertragsänderung führen.“

„Es ist im Moment noch nicht sinnvoll, diese Ergebnisse in die Strategien der Energiewende einfließen zu lassen. Dazu hat die Studie zu viele Schwächen.“

„Es gibt bisher relativ wenige Studien, die den Einfluss des Klimawandels auf die Windenergie-Erträge behandeln. Ich würde mich darauf noch nicht verlassen. Auch aus den Beobachtungen der vergangenen 50 Jahre kann kaum eine Veränderung herausgearbeitet werden (siehe [14]).“

„Allerdings finde ich es sehr wichtig, die möglichen Veränderungen des Windpotentials durch den Klimawandel mit den neuesten wissenschaftlichen Methoden zu analysieren, um herauszufinden, ob, wo und wie stark die Winderträge sich verändern könnten. Hierzu sollten Ergebnisse von globalen, regionalen und lokalen Klimamodellen zunächst hinsichtlich des Windenergiepotenzials validiert werden. Dann können deren Klimaprojektionen im Detail analysiert werden und so kommen wir dann zu robusteren Aussagen, die für die Energiewende wichtig sein können.“

Prof. Dr. Bruno Burger

Abteilung Leistungselektronik und Netztechnologien, Gruppenleiter "Neue Bauelemente und Technologien", Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme, Freiburg

„Ich bezweifle sehr, dass sich mit den heute verfügbaren Klimamodellen der Ertrag von Windkraftanlagen über mehr als 80 Jahre im Voraus berechnen lässt. Die vorliegende Studie rechnet in einem Raster von 100 Kilometern (S1, Z39). Das ist viel zu grob für eine detaillierte Aussage für Deutschland. Die Änderung für Deutschland inklusive Offshore in Nord- und Ostsee liegt laut Abbildung 4 (Scandinavia-Finland; UK) bei circa – 5 Prozent. Das liegt im statistischen Rauschen.“

„Die Studie [4] nutzt 22 Klimamodelle und berechnet damit ein leicht erhöhtes Potential für die Windkraft in Nordeuropa. Die Studie [15] kommt gemäß Table 5 zu einer Erhöhung in der Nordsee (NS) um 4 Prozent bis 2060 beziehungsweise 6 Prozent bis 2100. Unterschiedliche Studien kommen also zu unterschiedlichen Ergebnissen.“

„Viel wichtiger als die berechneten Jahressummen der Windenergie sind die Aussagen fast aller Studien, dass die Windgeschwindigkeiten im Sommer abnehmen und im Winter zunehmen werden ([15], Table 5). Im Rahmen der Energiewende müssen wir deshalb nicht nur die Stromerzeugung, sondern auch den Verkehr und den Wärmesektor dekarbonisieren. Die Wärme muss dann hauptsächlich durch Wärmepumpen bereitgestellt werden, was den Strombedarf im Winter erhöhen wird. Das würde mit einer erhöhten Stromerzeugung durch Windkraft im Winter korrelieren. Prinzipiell wird folgende einfache Erkenntnis auch im Jahr 2100 noch gelten: ‘Solar im Sommer, Wind im Winter'. Durch den Klimawandel könnte sich das noch verstärken. Heute benötigen wir ein Verhältnis der installierten Leistung von Solar zu Wind von 1 zu 1 für einen optimalen Erzeugungsmix und minimalen Speicherbedarf. Dadurch ergibt sich über die Vollaststunden ein Verhältnis bei der Energieerzeugung von 1 zu 2. Das wird sich wahrscheinlich durch den Klimawandel nicht gravierend ändern. Interessant wäre in diesem Zusammenhang eine Studie zur Veränderung der Solareinstrahlung infolge des Klimawandels. Da die Sommer heißer und trockener werden sollen und die Winter feuchter, haben wir bei der Solarenergie wahrscheinlich den gegenläufigen Trend, das heißt mehr Solar im Sommer und weniger Solar im Winter. Bei einem geschickten Verhältnis von Solar zu Wind könnten sich die gegenläufigen Trends sogar kompensieren.“

„Bei den heutigen Windparks schwanken die Leistungen und Volllaststunden schon enorm. Die deutschen Windparks in der Nordsee liegen etwa in einem Quadrat mit 100 km Seitenlänge, entsprechend dem Analyse-Grid der Studie. Auf dieser Fläche liegen die prozentualen Volllaststunden zwischen 35 Prozent und 49 Prozent (ohne 'Nordsee One'). Diese Unterschiede zwischen einzelnen Windparks sind viel größer als die prognostizierten Änderungen der Windenergie aufgrund des Klimawandels.“

„Für mich sind die Ergebnisse noch viel zu vage, um daraus eine Strategie abzuleiten. Im prognostizierten Zeitraum bis 2100 werden zudem noch viele Generationen von Windturbinen entwickelt, die an veränderte Windgeschwindigkeiten angepasst werden können. Der Zeitraum der Studie ist auch um ein vielfaches größer als die Lebensdauer einer Windturbine. Deshalb besteht meiner Meinung nach auf diesem Gebiet vorerst kein Handlungsbedarf.“

„Generell sind die Auswirkungen des Klimawandels auf die Höhe der Windstromerzeugung in Deutschland aus heutiger Sicht eher gering. Wichtiger ist wahrscheinlich die Zunahme von starken Stürmen, die eine Auswirkung auf die mechanische Konstruktion der Windturbinen haben könnte.“

„Die Ergebnisse der Studie sollten nicht dazu benutzt werden, den Klimawandel in Deutschland generell zu verharmlosen. Die wirklich wichtigen Folgen des Klimawandels sind der Temperaturanstieg und die damit verbundenen Konsequenzen wie Abschmelzen der Gletscher und Pole, Anstieg des Meeresspiegels und Überflutung von Inseln und Küstenstädten, dramatische jahreszeitliche Wetteränderungen wie extreme Dürren im Sommer und extreme Niederschläge im Winter usw. Dieser Wandel wird große Ströme von Klimaflüchtlingen zur Folge haben. Die Folgen sind nicht absehbar.“

Dr. Christian Grams und Prof. Dr. Joaquim Pinto

Institut für Meteorologie und Klimaforschung - Department Troposphärenforschung (IMK-TRO), Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

„Die aktuelle Studie hat einen globalen Fokus und sieht im Mittel für die mittleren Breiten der Nordhalbkugel einen deutlichen Rückgang der möglichen Windstromproduktion. Dabei wird angenommen, dass die globale Mitteltemperatur bis Ende des Jahrhunderts um circa 4,5 Grad Celsius ansteigt (RCP8.5). Laut der Studie wäre der Rückgang der Windstromproduktion in Europa aber geringer als in anderen Regionen. Dieses Ergebnis stimmt nur teilweise mit anderen Studien überein, die zeitlich und räumlich deutlich höher aufgelöste Daten verwenden und sich auf Europa fokussieren (z.B. [3], [4], [12]). Diese zeigen, dass aufgrund des Klimawandels in Europa mit einem leichten Rückgang oder einer nur geringfügigen Änderung der möglichen Windstromproduktion von circa +/- 5 Prozent bezogen auf den gesamten Kontinent, beziehungsweise +/- 15 bis 20 Prozent bezogen auf einzelne europäische Länder zu rechnen ist. Dabei ergeben sich außerdem saisonale und regionale Unterschiede. Solche Veränderungen wären durch geeignete Gegenmaßnahmen auf der europäischen Skala verkraftbar.“

„Weiter zeigen diese auf Europa bezogenen Studien aber auch, dass der Klimawandel vor allem eine erhöhte Variabilität der möglichen Windstromproduktion auf Zeitskalen von wenigen Stunden bis Tagen verursachen könnte [12]. Die Unterschiede zu der nun in Nature Geoscience veröffentlichten Studie sind teilweise auf die niedrige räumliche und zeitliche Auflösung der dort genutzten Daten zurückzuführen.“

„Die Studie von Moemken et al. [12] zeigt unter anderem, dass mit einer Häufung von Perioden mit niedriger Windstärke in Europa zu rechnen ist. In Deutschland sorgt man sich um solche sogenannten 'Dunkelflauten' – andauernde wind- und sonnenarme Hochdrucklagen im Winter, in denen weder Wind- noch Solarstromproduktion rentabel sind. Wie wir in einer weiteren Studie zeigen konnten, sind solche mehrtägigen Schwankungen der Windstromproduktion in Europa nicht allein durch das Wetter bedingt, sondern vielmehr durch nationale Ausbaustrategien, die eine Konzentration von Windparks im Nordseeraum verursachen und die Variabilität des Wetters zu wenig berücksichtigen [13].“

„Wie Grams et al. [13] zeigen, könnte man mit einer gesamteuropäischen Strategie zum dezentralen Ausbau der Windenergie in den verschiedenen Klimaregionen Europas sowie dem Ausbau der europäischen Verteilnetze solche mehrtägigen Schwankungen ausgleichen und eine verlässlichere Windstromproduktion in Europa erreichen. Dies wäre auch eine gangbare Strategie um die Windstromproduktion robust gegen eine möglicherweise höhere Variabilität der Windverhältnisse in einem zukünftigen Klima zu machen. Auch eine 'Ausbalancierung' mit anderen erneuerbaren Energiequellen wie Solarenergie könnte zu einer stabileren und verlässlichen emissionsfreien Energieversorgung beitragen.“

Prof. Dr. Dirk Witthaut

Institut für Energie- und Klimaforschung – Systemforschung und Technologische Entwicklung (IEK-STE), Forschungszentrum Jülich (FZJ)

„Die Begrenzung des Klimawandels ist eine wesentliche Motivation für den Umbau unseres Energiesystems. Fossile Kraftwerke müssen durch erneuerbare Energiequellen ersetzt werden, insbesondere Wind- und Solarenergie. Deren Erzeugung wird aber durch das Wetter bestimmt – und somit auch durch das Klima.“

„Die neue Studie im Fachmagazin Nature Geoscience zeigt nun erstmals, wie der Klimawandel langfristig den mittleren Ertrag von Windkraftanlagen auf der globalen Skala beeinflussen kann. Die Autoren beziehen dabei Klimaprognosen von zehn Klimamodellen für den gesamten Globus in die Untersuchung mit ein und erhalten so ein zweigeteiltes Bild der möglichen Veränderungen. Dazu gehören eine Abnahme der Winderträge über Landmassen der Nordhalbkugel, und Hinweise für eine Zunahme über Teilen der Südhalbkugel. Bisherige Studien zum Thema waren auf bestimme Regionen wie zum Beispiel Europa beschränkt, wo die erwarteten Auswirkungen vergleichsweise gering sind [1], [2], [3], [4].“

„In der Klimafolgenforschung werden in der Regel mehrere Klimamodelle verglichen, um die Robustheit der Simulationsergebnisse einschätzen zu können. Die Ergebnisse von Karnauskas et al. für die Nordhalbkugel werden als robust angesehen, da sie sowohl in einem moderaten als auch einem pessimistischen Zukunftsszenario in mindestens acht von zehn Klimamodellen gefunden werden. Eine Zunahme der Winderträge auf der Südhalbkugel zeigt sich hingegen ausschließlich für das pessimistische Szenario.“

„Der mittlere Ertrag ist aber nicht das einzig relevante Kriterium – es kommt auch darauf an, wie stark die Erzeugung schwankt und ob wir die erzeugte Windenergie auch verwenden oder speichern können. Zum Beispiel ist der Windenergieertrag in Deutschland im Winter größer als im Sommer, und diese Ungleichheit wird bei einem starken Klimawandel wahrscheinlich zunehmen [4]. Zudem erwarten Forscher in diesem Fall längere Flauten in Deutschland [5] und gleichmäßigere Windbedingungen über Europa, die zwischenstaatlichen Stromhandel erschweren [6].“

„Noch stärkere Auswirkungen des Klimawandels findet man für die verbliebenen konventionellen Kraftwerke und auch für Wasserkraftwerke. Es ist wahrscheinlich, dass in einigen Regionen der Welt weniger Regen fällt – mit möglicherweise kritischen Auswirkungen auf die Kühlwasserversorgung und den Zufluss von Stauseen [7],[8]. Bereits in den vergangenen Jahren musste im Sommer die Leistung einiger Kraftwerke in Europa wegen Kühlwassermangels gedrosselt werden. Weiterhin wird auch eine Änderung der Energienachfrage erwartet. Durch die globale Erwärmung wird lokal mehr Energie für Kühlung, aber weniger für die Heizung benötigt [9]. Durch die resultierenden räumliche Verschiebungen der Verbraucher [10], [11] können sich neue Herausforderungen für die Stromnetze ergeben.“

Dr. Gunnar Luderer

Leiter der "Global Energy Systems Group", Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK)

„Karnauskas und Kollegen zeigen, dass der Klimawandel auch den Ertrag von Windkraftanlagen beeinflusst und dass dieser Einfluss schon in den nächsten Jahrzehnten spürbar werden könnte. Insgesamt erwarte ich nicht, dass diese Studie einen großen Einfluss auf den Ausbau des Windenergie hat. Einerseits ist die Windenergie dank des technischen Fortschritts die günstigste aller Klimaschutztechnologien, andererseits hat die Branche über die Jahre sehr viel Erfahrung im Umgang mit Unsicherheit gesammelt. Bei der letzten Ausschreibungsrunde der Bundesnetzagentur wurden neue Windkraftanlagen zu Einspeisevergütungen von unter 5 ct/kWh angeboten – das ist extrem günstig! Wie viele andere Studien über Klimawirkungen zeigt auch diese, dass ein großer Zusatznutzen des Klimaschutzes darin besteht, die Unsicherheit über die langfristige Entwicklung zu reduzieren.“

Prof. Dr. Volker Quaschning

Professor für Regenerative Energiesysteme, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin

„Der Klimawandel wird die globalen Luftzirkulationen verändern und damit auch die lokalen Windgeschwindigkeiten. Aufgrund der größeren Temperaturunterschiede durch den Klimawandel kann allgemein mit einer Zunahme der Windgeschwindigkeiten gerechnet werden. Insofern überrascht das vorliegende Paper, da es an vielen Orten der Erde rückläufige Windgeschwindigkeiten ausweist. Bleibt die Frage, was für Auswirkungen das für die Windbranche hat, vorausgesetzt die Berechnungen bilden die zu erwartenden Entwicklungen korrekt ab. Leider bestimmt das Paper nur die Windgeschwindigkeiten in einer Höhe von 80 Metern und spiegelt damit nicht den aktuellen Stand der Technik und ganz sicher nicht den technischen Stand zukünftiger Windkraftanlagen wider. Aussagen über Veränderungen in größeren Höhen sind mit den Berechnungen aber nur bedingt möglich. Die Veränderungen liegen an den meisten Standorten bis zur Mitte des Jahrhunderts bei weniger als zehn Prozent. Bis dahin sind bei Windkraftanlagen technische Verbesserungen und Kostensenkungen zu erwarten, die deutlich größer sein werden. Bereits heute können Windkraftanlagen Strom zu den gleichen Preisen wie an der Strombörse erzeugen und sind damit zu fossilen, klimaschädlichen Kraftwerken an vielen Standorten konkurrenzfähig. Selbst eine längerfristige geringfügige Abnahme der Windgeschwindigkeiten an einigen Standorten wird an dieser Situation nichts ändern. Insofern sind die Aussagen des Papers eher rein akademischer Natur. Es bleibt zu hoffen, dass die Aussagen nicht verwendet werden, um Unsicherheiten bei Investoren zu erzeugen.“

Mögliche Interessenkonflikte

Alle: Keine angegeben.

Primärquelle

Karnauskas K et al. (2017): Southward shift of the global wind energy resource under high carbon dioxide emissions. Nature Geoscience; DOI: 10.1038/s41561-017-0029-9.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Pryor S C et al. (2010): Climate change impacts on wind energy: a review. Renewable and sustainable energy reviews Vol 14, 2010; 430–437. DOI: 10.1016/j.rser.2009.07.028.

[2] Tobin I et al. (2015): Assessing climate change impacts on European wind energy from ENSEMBLES high-resolution climate projections. Climatic Change Vol 128, 2015; 99–112. DOI: 10.1007/s10584-014-1291-0.

[3] Tobin I et al. (2016): Climate change impacts on the power generation potential of a European mid-century wind farms scenario. Environmental Research Letters Vol 11; 034013. DOI:10.1088/1748-9326/11/3/034013.

[4] Reyers M et al. (2016): Future changes of wind energy potentials over Europe in a large CMIP5 multi-model ensemble. International Journal of Climatology Vol 36, 2016; 783–796. DOI:10.1002/joc.4382.

[5] Weber J et al. (2017): Impact of climate change on backup energy and storage needs in wind-dominated power systems in Europe. Preprint 2017.

[6] Wohland J et al. (2017): More homogeneous wind conditions under strong climate change decrease the potential for inter-state balancing of electricity in Europe. Earth System Dynamics 2017, Vol 8; 1047-1060, DOI: 10.5194/esd-8-1047-2017.

[7] van Vliet M T H et al. (2012): Vulnerability of US and European electricity supply to climate change. Nature Climate Change Vol 2, 2012; 676-681. DOI: 10.1038/nclimate1546.

[8] van Vliet M T H et al. (2016): Power-generation system vulnerability and adaptation to changes in climate and water resources. Nature Climate Change Vol 6, 2016; 375-380. DOI: 10.1038/nclimate2903.

[9] Allen M R et al. (2016): Impacts of climate change on sub-regional electricity demand and distribution in the southern united states. Nature Energy Vol 1:16103 2016. DOI: 10.1038/nenergy.2016.103.

[10] Aufhammer M et al. (2017): Climate change is projected to have severe impacts on the frequency and intensity of peak electricity demand across the United States. Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) 2017; Vol 114:8, 1886-1891. DOI: 10.1073/pnas.1613193114.

[11] Wenz L et al. (2017): North-South polarization of European electricity consumption under future warming. Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) 2017; Vol 114:38, E7910-E7918. DOI: 10.1073/pnas.1704339114.

[12] Moemken J et al. (2018): Wind speed and wind energy potentials in EUROCORDEX ensemble simulations: evaluation and future changes, Journal of Geophysical Research. Atmospheres, in revision.

[13] Grams, C. M., R. Beerli, S. Pfenninger, I. Staffell, and H. Wernli, 2017: Balancing Europe’s wind-power output through spatial deployment informed by weather regimes. Nature Climate Change Vol. 7; 557–562, DOI:10.1038/nclimate3338.Weitere Informationen zu dieser Studie durch den Autor hier.

[14] Pinto J, Reyers, M. (2016): Winde und Zyklonen. In: Brasseur, G et al. (2016), Klimawandel in Deutschland, 67-75.

[15] Hueging H et al. (2013): Regional Changes in Wind Energy Potential over Europe Using Regional Climate Model Ensemble Projections. Journal of Applied Meteorology and Climatology 2013; 52:4, 903-917. DOI: 10.1175/JAMC-D-12-086.1.

Weitere Recherchequellen

[B] Bett P et al. (2017): Using the Twentieth Century Reanalysis to assess climate variability for the European wind industry. Theoretical and Applied Climatology January 2017; 127 1–2, 61–80. DOI:10.1007/s00704-015-1591-y.