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05.12.2018

Weltweit erste Geburt nach Uterus-Transplantation von verstorbener Spenderin

In Südamerika wurde einer Frau die Gebärmutter einer hirntoten Spenderin transplantiert. Nach einer künstlichen Befruchtung brachte die Empfängerin das weltweit erste Kind nach einer Uterus-Transplantation von einer Verstorbenen zur Welt.

Die 32-jährige hatte von Geburt an keinen Uterus – die Fehlbildung ist unter dem Namen Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom bekannt. Bisher wurden Gebärmütter vorwiegend nach einer Lebendspende von Verwandten oder engen Freunden transplantiert. Dieses Verfahren wurde maßgeblich in Schweden entwickelt. Bisher haben weltweit 39 Anwendungen zu elf Geburten geführt, wie im aktuellen Fallbericht berichtet wird.

Bis jetzt gab es nach Angaben der aktuellen Studie in den USA, Tschechien und der Türkei zehn Versuche einer Uterus-Transplantation von verstorbenen Frauen, von denen allerdings bisher keine zu einer Lebendgeburt geführt hat. Die brasilianischen Ärzte und Wissenschaftler der Universität São Paulo im aktuell erfolgreichen Fall hatten die Zeit zwischen Explantation und Implantation im Vergleich zum Verfahren der Lebendspende auf acht Stunden verdoppelt. Zudem haben sie die Zeitspanne zwischen Transplantation und künstlicher Befruchtung der Empfängerin auf sieben Monate verkürzt. Vier Monate vor der Operation hatte sich die Empfängerin einer Hormonstimulation unterzogen. Dabei waren acht reife Eizellen gewonnen worden, die bis zur späteren In-vitro-Befruchtung eingefroren wurden. Die südamerikanische Arbeitsgruppe hat ihre Ergebnisse im Journal „The Lancet“ veröffentlicht (siehe Primärquelle).

Eine Uterustransplantation von Hirntoten könnte den Kreis an potenziellen Spendern erweitern und mehr Frauen Zugang zu diesem Verfahren ermöglichen. In einem Kommentar, der zur gleichen Zeit veröffentlicht wird, schlagen zwei Wissenschaftler vor, die Uterustransplantation künftig auch bei weiteren Indikationen anzuwenden – zum Beispiel bei nicht operablem Gebärmutterkrebs oder unerklärlicher uteriner Unfruchtbarkeit.

 

Übersicht

  • Prof. Dr. Matthias Beckmann, Direktor der Frauenklinik, Universitätsklinikum Erlangen
  • Prof. Dr. Dr. Xavier Rogiers, Leiter des Transplantationszentrums, Universitätskrankenhaus Gent

Statements

Prof. Dr. Matthias Beckmann

Direktor der Frauenklinik, Universitätsklinikum Erlangen

„Die technischen, operativen Aspekte der Operation einer Uterustransplantation sind fast identisch zur Lebendspende. Die doppelte Versorgung mit Blutgefäßen für den Abstrom ist aber eine Option, die den venösen Rückstrom und damit den Druck in der Gebärmutter verringert. So gesehen besteht auf diesem Gebiet keine wesentliche Neuerung, die zu diesem Erfolg führte. Die Verlängerung der Ischämiezeit auf knapp acht Stunden (Zeitspanne, während der zu transplantierende Organe oder Gewebe nicht mit Blut und damit mit Sauerstoff versorgt werden, also meist zwischen Explantation und Implantation; Anm. d. Red.) ist bei Erfolg – das heißt Anwachsen des Uterus – akzeptabel. Grundsätzlich sollte aber die Ischämiezeit bei allen Transplantationen immer so kurz wie möglich gehalten werden.“

„Ist es aber so, dass in der Ischämiezeit eine entsprechende Perfusion (Durchblutung, zum Beispiel durch spezielle Maschinen, Anm. d. Red.) erfolgt und somit eine Zerstörung der Organfunktion nicht früher einsetzt, dann kann die Ischämiezeit theoretisch verlängert werden. Studien oder größere Kollektive existieren hier verständlicherweise nicht, sodass es sich hier bisher nur um eine Einzelaussage und Einzelversuch handelt.“

„Eine Verkürzung der Zeit bis zur Implantation eines Embryos ist aus meiner Sicht nicht kritisch. Grundsätzlich ist es so, dass wir nach Operationen am Uterus bei gutartigen Erkrankungen – zum Beispiel nach einer Myom-Entfernung oder nach einer Kaiserschnitt-Operation – eine Wartezeit von sechs Monaten anstreben. Da bei der Transplantation keine Operation am Uterus mit Verletzung der Uteruswand durchgeführt wird, sondern der Uterus ja ‚nur‘ an der Scheide und den Bändern fixiert wird, ist es nicht einzusehen, warum hier eine längere Heilungszeit einen besseren Erfolg haben sollte. Somit ist die Verkürzung des Zeitfensters zur Implantation des Embryos nachvollziehbar.“

„Persönlich bin ich nicht davon überzeugt, dass die Transplantation von Uteri von verstorbenen Frauen in die klinische Routine eingehen wird. Der Uterus ist das Organ, was im Rahmen der Explantation einer Organspenderin mit als Letztes entnommen wird. Somit besteht bereits bevor der Uterus entnommen wird eine zu lange Zeit, in der die Perfusionsqualität nicht ausreichend ist. Dieses ist auch aus meiner Sicht der Hintergrund dafür, dass die bisherigen Transplantationen von toten Spenderinnen nicht so erfolgreich waren (siehe Tabelle im Anhang der Studie; Anm. d. Red.). Dieses Zeitfenster plus das Zeitfenster bis zur Re-Anastomisierung (die Verknüpfung der Blutgefäße von Transplantat und Empfängerkörper; Anm. d. Red.) sind aus meiner Sicht entscheidend für den Erfolg. Da das bei den meisten Organentnahmen aber sowieso länger dauert, ist diese Transplantation vermutlich eher kein Routineverfahren.“

„Voraussetzung von Seiten der Spender und der Klinik für eine Uterus-Transplantation sind die, dass das Entnahme- und Transplantationsteam eigentlich identisch sein müssen. Während hingegen bei anderen Organen Erfahrungen zur Explantation an vielen Orten existieren, so existieren keine Erfahrungen oder wenig Erfahrungen für die Entnahme von Uteri. Das Besondere ist somit, dass das Entnahmeteam und Transplantationsteam identisch sein müssen. Dieses wird auch ein Grund dafür sein, dass die Gebärmutter-Transplantation kein Routineverfahren werden wird, weil die Spenderin ja nicht grundsätzlich an der identischen Klinik zur Organentnahme ist, wie die Empfängerin und wo die Transplantation durchgeführt werden sollte. Somit müsste eine flächendeckende Entnahmeoption vorhanden sein, was zum derzeitigen Zeitpunkt insbesondere in Deutschland beziehungsweise in keinem anderen Land vorhanden ist.“

„Die Empfängerin nimmt die Risiken der Abstoßungsreaktion auf sich und geht selbstverständlich das Risiko einer zusätzlichen Operation ein, die bei Frauen mit vorhandenem Uterus nicht nötig ist. Da unerfüllter Kinderwunsch aber eine Erkrankung ist, ist eine solche Einstellung sicherlich gut nachvollziehbar.“

Auf die Frage: Wie bewerten Sie das Managements der Blutgefäße/ des Blutflusses mit Anastomosen, um Zeit zu sparen und dadurch Blutungen zu riskieren? Geht diese Kosten-Nutzen-Rechnung auf? Gibt es Alternativen?
„Das Management der Blutgefäße, des Blutflusses und der Anastomosen ist etwas, was wir ebenfalls in etwas anderer Weise an Tierversuchen bereits versucht haben. Der venöse Rückfluss ist entscheidend, um eine Blutstauung und damit Probleme im Organ zu reduzieren. Bei hoher Stauungsproblematik entsteht eine sekundäre Ischämie (Minderversorgung mit Blut und Sauerstoff; Anm. d. Red.) durch die hohen Druckverhältnisse. Ein guter venöser Abfluss ist somit die Grundlage dafür, dass keine zusätzliche Drucksymptomatik entsteht. Je besser der Blutzufluss, beziehungsweise insbesondere der Blutabfluss ist, desto höher ist die Chance, das Organ ohne zusätzliche Stauungssituation zu implantieren. Ob diese Kosten-Nutzen-Rechnung aufgeht, oder es noch andere Alternativen gibt, wissen wir momentan aufgrund mangelnder Datenlage noch nicht.“

„Zum derzeitigen Zeitpunkt sehe ich noch nicht die Option, dass die Gebärmutter-Transplantation eine Routineoperation wird. Die strukturellen Voraussetzungen bei Entnahme- und Implantationsort, die Kenntnisse über die Kurzzeit- und Langzeitfolgen, die Information zur Modifikation der Technik und so weiter sind allesamt Hinweise darauf, dass dieses Verfahren eigentlich ein Verfahren sein sollte, was nur in hoch spezialisierten Zentren selektiv durchgeführt wird. Eine flächendeckende Ausbreitung dieser Operationstechnik sehe ich daher nicht. Wenn ein Uterus transplantiert wird, sollte dies nur in gesetzlich zugelassenen Transplantationszentren erfolgen. Nur so ist gewährleistet, dass die gesetzlichen, die ethischen und auch die wissenschaftlichen Aspekte prospektiv berücksichtigt und beurteilt werden. Deshalb hat das Zentrum in Erlangen die Gebärmuttertransplantation nicht im Rahmen eines individuellen Heilversuchs eingeführt, sondern die klassischen Regularien zur Etablierung eines Zentrums für Uterus-Transplantation nach den Maßgaben der Bayerischen Landesregierung und des Hochschulplanungsausschusses etabliert. Zusätzlich liegen Voten der Landesärztekammer und des Ethikkomitees vor (Am Universitätsklinikum Erlangen entsteht ein Zentrum für Uterus-Transplantationen, Anm. d. Red.).“

Prof. Dr. Dr. Xavier Rogiers

Leiter des Transplantationszentrums, Universitätskrankenhaus Gent

„Mit der Uterus-Transplantation gibt es zum ersten Mal eine medizinische Lösung für uterine Infertilität, nachdem vor 40 Jahren mit der In Vitro Fertilisation eine Lösung für die ovarielle Infertilität gefunden wurde. Bei Uterus-Transplantationen muss man noch alles erlernen, was man bei der Transplantation von anderen Organen schon weiß: Ischämieresistenz, Lebend- oder Leichenspende, optimale Immunsuppression, Bedeutung von Abstoßungen, Funktionsfähigkeit des Uterus, Zeitpunkt der Schwangerschaft und so weiter.“

„Nach unseren ersten Erfahrungen stört die Entnahme des Uterus das Verfahren der Organspende nur sehr minimal. Es kann sehr einfach in die bestehenden Entnahmeprozesse integriert werden. Dieses setzt aber ein sehr erfahrenes Team an erfahrenen Transplantations-Chirurgen für die Gebärmütter voraus.“

„Das Besondere ist, dass es bei der Gebärmutter um eine zeitlich begrenzte Transplantation geht. Der Uterus wird nach ein oder zwei erfolgreichen Schwangerschaften wieder entfernt, deshalb kann die Immunsuppression gestoppt werden.“

„Diese Form der Transplantation hat alle Chancen, eine sehr wichtige Rolle in der künftigen Behandlung der uterinen Infertilität zu spielen.“

„Die Risiken der Empfängerin sind die einer Operation, und vielleicht wichtiger, die einer allerdings zeitlich begrenzten Immunsuppression.“

„Es ist in der Tat zu erwarten, dass die Indikationen sich über das Gebiet der uterinen Infertilität hinaus ausdehnen werden, sobald die Technik und das Management stabil eingesetzt werden können. Ich denke schon, dass die Zahl der transplantierten Uteri irgendwann zehn pro einer Million Einwohner pro Jahr übersteigen wird. Das bedeutet aber, dass wir – genau wie für andere Organe – transparente Allokationsregelungen (Verteilungsregeln; Anm. d. Red.) einführen werden müssen.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Alle: Keine Angaben erhalten.

Primärquelle

Ejzenberg D et al. (2018): Livebirth after uterus transplantation from a deceased donor in a recipient with uterine infertility. The Lancet. DOI: 10.1016/ S0140-6736(18)31766-5i.

Weitere Recherchequellen

Brännström M et al. (2015): Livebirth after uterus transplantation. Lancet; 385: 607-16. DOI: 10.1016/S0140-6736(14)61728-1.

Testa G et al. (2018): Deceased donor uterus retrieval: a novel technique and workflow. Am J Transplant; 18: 679-83. DOI: 10.1111/ajt.14476.