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17.01.2019

Niedrige Wolken reagieren empfindlicher auf Aerosole als angenommen

Wolken in geringer Höhe könnten viel empfindlicher auf die Konzentration atmosphärischer Aerosole reagieren als bisher angenommen. Somit könnten Aerosole einen viel stärkeren, bisher unbekannten Erwärmungseffekt auf das Klimasystem haben, der bisher in den Modellen noch nicht berücksichtigt wird.

Atmosphärische Aerosole reflektieren kosmische Strahlung und üben so einen kühlenden Effekt aus. Der Einfluss von Wolken ist schwer zu bestimmen, da sie sich schnell verändern, in unterschiedlichen Höhen vorkommen, verschiedene Strukturen aufweisen. Einige durch Wolken bedingte Effekte bewirken, isoliert betrachtet, eine Erwärmung der Atmosphäre, andere dagegen eine Abkühlung. Aerosole spielen wiederum eine wichtige Rolle bei der Wolkenbildung. Sie dienen dabei als sogenannte Kondensationskeime. Dies führt zu einem komplexen Zusammenhang und schwer zu qualifizierenden und quantifizierenden Einfluss von Wolken und Aerosolen auf das Klima. Der 5. IPCC-Sachstandsbericht spricht sogar von den „größten Unsicherheitsfaktoren bei der Abschätzung und Interpretation des sich verändernden Energiehaushalts der Erde“. Diese Lücke versuchen Arbeitsgruppen weltweit zu schließen.

Das Team um Daniel Rosenfeld von der Universität Jerusalem untersuchte für ihre aktuelle Studie nun Wolken in geringen Höhen über tropischen und subtropischen Ozeanen der südlichen Hemisphäre. Diese Wolken reflektieren einen Großteil der Sonneneinstrahlung und haben so einen kühlenden Effekt auf das Klima. Etwa drei Viertel des Kühlungseffektes flacher Wolken durch die Konzentration der Aerosol-Kondensationskeime seien so zu erklären, so die Wissenschaftler. Dieser Effekt wäre damit größer als die Modelle bisher nahelegen. Die Autoren vermuten, die Klimamodelle würden unter Berücksichtigung der Erkenntnisse ihrer Arbeit eine globale Abkühlung als Folge simulieren. Die tatsächlich beobachtete Erwärmung lässt Rosenfeld und seine Kollegen schlussfolgern: Aerosole könnten einen bisher noch unbekannten Erwärmungseffekt haben, der den bekannten Kühlungseffekt durch Aerosole kompensiert.
Die Studie ist am 17.01.2019 im Fachjournal Science erschienen (siehe Primärquelle).

 

Übersicht

  • Prof. Dr. Ulrike Lohmann, Leiterin der Arbeitsgruppe Atmosphärenphysik, Institut für Atmosphäre und Klima (IAC), Department Umweltsystemwissenschaften, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ), Zürich, Schweiz
  • Dr. Johannes Schneider, Forschungsgruppenleiter in der Abteilung Partikelchemie, Max-Planck-Institut für Chemie, Max-Planck-Institut für Chemie, Mainz
  • Dr. Stephanie Fiedler, Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Arbeitsgruppe Globale Zirkulation und Klima, Abteilung Atmosphäre im Erdsystem, Max-Planck-Institut für Meteorologie, Hamburg

Statements

Prof. Dr. Ulrike Lohmann

Leiterin der Arbeitsgruppe Atmosphärenphysik, Institut für Atmosphäre und Klima (IAC), Department Umweltsystemwissenschaften, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ), Zürich, Schweiz

„Die Methodik der Studie ist neu und neue Methoden sind immer wichtig, um neue Zusammenhänge herzuleiten. Da diese Studie vielen anderen Studien widerspricht, wird sie der Diskussion um die Bedeutung der Aerosole für das Klima neuen Aufschwung geben. Hier geht es insbesondere darum, wie die Aerosole, die als Wolkenkondensationskerne dienen, zur Kühlung des Klima beigetragen haben, also wie stark sie der Erwärmung durch Treibhausgase entgegengewirkt haben.“

„Wolken stellen eine der größten Unsicherheiten im Klimawandel dar. Im 5. IPCC Report [1] wird zusammengefasst, dass der Netto-Effekt von Wolken in sich erwärmendem Klima mit mehr als 66 prozentiger Wahrscheinlichkeit positiv ist. Das ist neu gegenüber dem 4. Report [2], in dem das Vorzeichen dieses Effekts – also ob Wolken wärmen oder kühlen – noch unklar war. Allerdings bleibt eine große Variabilität zwischen den Klimamodellen bei der Frage, wie groß der wärmende Effekt der Wolken im wärmeren Klima ist, und damit auch eine große Unsicherheit.“

Auf die Frage, ob die Schlussfolgerung der Autoren zulässig ist, dass ihre Erkenntnisse, eingespeist in die Klimamodelle, eine Abkühlung prognostizieren müssten, da real aber eine Erwärmung beobachtet wird, die Aerosole einen viel stärker als bisher angenommen erwärmenden Effekt auf andere Klimarelevanten Faktoren haben müssen:
„Die Schlussfolgerung der Autoren ist spekulativ. Richtig ist: Wenn die Aerosole mehr kühlen als angenommen wird, muss es einen erwärmenden Effekt geben, der das stärkere Kühlen kompensiert. Sonst würden wir keine globale Erwärmung sehen. Allerdings schreiben die Autoren auch, dass ihre Studie vielen anderen Studien widerspricht. Es bleibt also abzuwarten, welche Studie(n) Recht hat/haben.“

Auf die Frage, inwiefern die in der Studie verwendete Auflösung von 110 Kilometern mal 110 Kilometern und die ausschließliche Betrachtung von Wolken bis in 800 Meter Höhe ausreichend sind:
„Diese Fragen sind zentral. Konvektive Wolken, von denen die Autoren sprechen, sind viel kleiner. Eine Schönwetter-Kumuluswolke hat eine horizontale Ausdehnung von etwa einem Kilometer, eine Gewitterwolke von zehn Kilometern. Beides ist kleiner als das Raster, welches die Autoren verwenden. Warum sich die Autoren auf Wolken mit Höhen bis 800 Metern beschränken, ist mir auch nicht ganz klar. Sie argumentieren, dass sie sich auf flache Wolken beschränken wollen und dadurch nur zwei Prozent der Daten verlieren. Normalerweise werden Wolken, die in Höhen bis zu 680 hPa – also bis in 3 bis 3,5 Kilometer Höhe – zu finden sind, als flach bezeichnet. Grundsätzlich sind flache Wolken extrem wichtig für das Klima, da sie kaum einen langwelligen Strahlungseffekt haben und viel Sonnenlicht in den Weltraum reflektieren [1, Abb. 7.7]. Sie sind der dominante Wolkentyp in dem von Daniel Rosenfeld und seinen Kollegen analysierten Gebiet [1, Abb. 7.6].“

Dr. Johannes Schneider

Forschungsgruppenleiter in der Abteilung Partikelchemie, Max-Planck-Institut für Chemie, Max-Planck-Institut für Chemie, Mainz

„Ich bin kein Experte für die Auswertung von Satellitendaten. Die Ableitung der Wolkenparameter aus Satellitendaten scheint mir jedoch korrekt zu sein. Die Zahl der Wolkentröpfchen an der Unterkante der Wolke wird dann – mit Korrekturen – mit der Zahl der Wolkenkondensationskeime CCN (CCN – Cloud Condensation Nuclei; Anm. d. Red.) gleichgesetzt. Dieses ist möglich, wenn auch mit Unsicherheiten behaftet.“

„Anschließend wird allerdings ‚CCN‘ mit ‚Aerosol‘ gleichgesetzt, was nicht korrekt ist, denn nicht jedes Aerosolpartikel kann gleichermaßen als Wolkenkondensationskeim agieren. Hier spielen Größe und chemische Zusammensetzung eine Rolle [z.B. 3], Rosenfeld und Kollegen schreiben selber in ihrer Studie, dass die Zahl der Wolkenkondensationskeime und die optische Dicke der Aerosolpartikel, welche ein unabhängiger Messparameter wäre, nur schlecht korreliert sind. Daher kann man auch nicht im Umkehrschluss aus der Zahl der Wolkenkondensationskeime die Anzahl, Größe oder Zusammensetzung der Aerosolpartikel ableiten.“

„Aussagen über den Einfluss von Aerosolpartikeln auf die Wolkeneigenschaften sind daher an dieser Stelle eine Vereinfachung bzw. ein Ringschluss. In den Abbildungen der Studie wird immer korrekt ‚Zahl der Wolkentröpfchen‘ angegeben, dagegen im Text und auch im Titel leider viel zu oft vereinfachend von ‚Aerosol‘ gesprochen. Es wäre besser gewesen, ‚Aerosol-driven" im Titel durch ‚CCN-driven‘ zu ersetzen und im Text statt von ‚Aerosol‘ konsequent von ‚Wolkentröpfchenanzahl‘ oder ‚CCN‘ zu sprechen.“

„Die Studie fügt jedoch dem Stand der Forschung einen wichtigen Punkt hinzu. Denn die Ergebnisse deuten an, dass der Einfluss der Wolkenkondensationskeime bzw. des Aerosols auf Wolkenparameter wie Wolkenbedeckungsgrad und Strahlungseigenschaften –insbesondere von flachen Kumuluswolken – sehr stark ist, während frühere Modellrechnungen teilweise ergaben, dass Aerosole nur einen kleinen Einfluss haben [z.B. 4]. Insbesondere die gleichzeitige Variation von Aerosol- und Wolkenparametern, bedingt durch sich ändernde meteorologische Bedingungen, stellen hier eine Herausforderung dar [4]. Neue Erkenntnisse zu diesen Wechselwirkungen sind daher von höchstem Interesse.“

„Wolken – und insbesondere der Einfluss von Aerosolpartikeln auf Wolken, der sogenannte indirekte Aerosoleffekt – stellen immer noch eine große Unsicherheit in der Klimaforschung dar, auch wenn sich der Kenntnisstand in den letzten Jahren sehr verbessert hat. Allerdings geht man zurzeit noch davon aus, dass der indirekte Effekt in den Modellen überschätzt wird [5].

Auf die Frage, inwiefern die in der Studie verwendete Auflösung von 110 Kilometern mal 110 Kilometern und die ausschließliche Betrachtung von Wolken bis in 800 Meter Höhe ausreichend sind:
"Die Autoren spekulieren lediglich, dass ihre Ergebnisse ‚wahrscheinlich‘ dazu führen würden, dass die globalen Klimamodelle eine Abkühlung der Erde ergeben würden, obwohl die Erde sich ja nachgewiesenermaßen erwärmt. Das bedeutet, dass die Modelle den indirekten Aerosoleffekt – also den Einfluss von Aerosolpartikeln auf Wolken – überschätzen, was ja auch schon seit einiger Zeit diskutiert wird [5]. Weiterhin folgern die Autoren – wiederum spekulativ – aus der Diskrepanz zwischen der beobachteten Erwärmung und der zu starken Kühlung durch den indirekten Effekt in den Modellen, dass Aerosolpartikel noch einen weiteren, unbekannten erwärmenden Wolkeneffekt haben könnten, eventuell in hochreichenden konvektiven Wolken, der in den Modellen nicht enthalten ist. Dieses bleibt aber alles spekulativ, solange die Ergebnisse von Rosenfeld und Kollegen nicht wirklich in globalen Klimamodellen getestet wurden.“

„Generell ist aber zu erwarten, dass der kühlende Effekt der Aerosole – direkt und indirekt – abnehmen wird, wenn weniger anthropogene Aerosolpartikel emittiert werden. Man spricht davon, dass die Erderwärmung zurzeit durch Aerosolpartikel noch ‚maskiert‘ wird. Es ist aber, wie oben erwähnt, auch von der Art der Aerosolpartikel abhängig, wie stark die Kühlung durch direkten und indirekten Effekt ist, so dass hier auch noch Unsicherheiten in der vorhergesagten Abnahme der anthropogenen Partikel vorhanden sind. So sind beispielsweise Sulfat-Aerosole gute Wolkenkondensationskeime und haben daher über den indirekten Effekt eine stärkere Kühlungswirkung als Rußpartikel, die keine guten Wolkenkondensationskeime sind und obendrein noch Strahlung absorbieren.“

„Die Beschränkung auf Wolken bis 800 Meter Höhe ist bei der angewandten Methode notwendig, um sicherzustellen, dass reine Wasserwolken vorliegen und die Wolken nicht von darüber liegenden Wolken verdeckt werden.“

„Es handelt sich hier um eine Untersuchung des prinzipiellen Zusammenhangs zwischen Tröpfchenanzahl und weiterer Wolkenparameter wie den Bedeckungsgrad und Strahlungseffekt (Kühlung). Diese Effekte müssen in Klimamodellen für jede Wolke richtig parametrisiert sein. Daher ist es sinnvoll, sich auf eine spezielle Wolkenart zu beschränken.“

„Für die Klimawirkung bedeutet dies, dass andere Wolken – hochreichende Gewitterwolken, Zirren – einen stärker erwärmenden Effekt haben müssen als bisher angenommen, um die hier gefundenen Abhängigkeiten mit der beobachteten Erwärmung in Einklang zu bringen. Aber, wie oben schon gesagt, diese Aussage bleibt spekulativ.“

Dr. Stephanie Fiedler

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Arbeitsgruppe Globale Zirkulation und Klima, Abteilung Atmosphäre im Erdsystem, Max-Planck-Institut für Meteorologie, Hamburg

„Die Effekte von anthropogenen Aerosolen auf Wolken sind aktuell Gegenstand wissenschaftlicher Forschung und Diskussion. Die aktuelle Studie von Rosenfeld und seinen Kollegen nutzt Daten von Modellen und Satelliten, die – wie alle Daten – Unsicherheiten haben, zum Beispiel bezüglich der verwendete Wolkentropfenverteilung von Satellitenbeobachtungen [6]. Trotz der Unsicherheiten ist die Studie ein interessanter Beitrag zur wissenschaftlichen Diskussion zur Auswirkung von Aerosolen auf tiefe Wolken über Ozeanen.“

„Die Studie unterscheidet nicht zwischen natürlich entstehenden Aerosolen – zum Beispiel Seesalz aus Meeren – und durch Menschen verursachten Aerosolen. Der globale Anteil der anthropogenen Aerosole ist wesentlich kleiner als der Beitrag aus natürlichen Quellen. Für die Abschätzung der Klimaerwärmung werden Effekte durch anthropogene Aerosole auf die Ausbreitung von Sonnenstrahlung und Wolkeneigenschaften untersucht. Zahlreiche Studien berechnen einen insgesamt abkühlenden Effekt durch anthropogene Aerosole. Die abkühlende Wirkung durch anthropogene Aerosole steht der wärmenden Wirkung durch Treibhausgase gegenüber, die überwiegt und zur Klimaerwärmung führt.“

„Das Verständnis der Rolle von Wolken im Klimawandel ist eine der aktuellen Herausforderungen, die von Klimawissenschaftlern weltweit identifiziert wurde und auch bei uns am Institut untersucht wird. Die abkühlende Wirkung durch anthropogene Aerosole wurde auf dem letzten Expertentreffen zur Einschätzung der Wirkung anthropogener Aerosole auf das Klima bestätigt, aber die exakte Größe der Effekte bleibt unsicher.“

„Klimamodelle können zum Beispiel kleinräumige Prozesse in Wolken nicht im Detail simulieren. Der aktuelle Trend geht stattdessen hin zu hochauflösenden Simulationen, die der Klimaforschung zu Wolken und deren Wechselwirkung mit anthropogenen Aerosolen neue Möglichkeiten eröffnet.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Dr. Johannes Schneider: „Ich habe mit Herrn Rosenfeld 2014 in einem Projekt (ACRIDICON-CHUVA) zusammengearbeitet, und es gibt zwei Publikationen, auf denen wir beide Co-Autoren sind, allerdings sind bei beiden Publikationen weder er noch ich federführende Autoren gewesen. Die anderen Autoren der aktuellen Studie von Rosenfeld et al. sind mir nicht bekannt."

Dr. Stephanie Fiedler: "Ich bestätige gerne, dass Daniel (der Autor der Studie; Anm. d. Red.) und ich keine Interessenskonflikte haben."

Alle anderen: Keine angegeben.

Primärquelle

Rosenfeld D et al. (2019): Aerosol-driven droplet concentrations dominate coverage and water of oceanic low-level clouds. Science; DOI: 10.1126/science.aav0566. 

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] IPCC AR5 (2013): Climate Change 2013 – The Physical Science Basis. Working Group I Contribution. Kapitel 7: Clouds and Aerosols, S. 571 ff. 

[2] IPCC AR4 (2007): Climate Change 2007 – The Physical Science Basis. Working Group I Contribution. 

[3] Dusek U et al. (2006): Size Matters More Than Chemistry for Cloud-Nucleating Ability of Aerosol Particles. Science. Vol 312; 5778 (1375-1378). DOI: 10.1126/science.1125261

[4] Gryspeerdt E et al. (2016): Constraining the aerosol influence on cloud fraction. J. Geophys. Res. Atmos. Vol 121; 7 (3566-3583). doi:10.1002/2015JD023744 

[5] Michibata T et al. (2016): The source of discrepancies in aerosol–cloud–precipitation interactions between GCM and A-Train retrievals. Atmos. Chem. Phys., 16, 15413–15424. doi:10.5194/acp-16-15413-2016 und darin enthaltene Referenzen 

[6] Grosvenor DP et al. (2018): Remote sensing of droplet number concentration in warm clouds: A review of the current state of knowledge and perspectives.

Reviews of Geophysics, 56, 409–453. doi.org/10.1029/2017RG000593