Zum Hauptinhalt springen
25.01.2023

Luftverschmutzung macht Pollen allergener

     

  • Studie: Luftverschmutzung macht Birkenpollen allergener
  •  

  • dies könnte erklären, weshalb es in Gebieten mit Luftverschmutzung mehr Allergiker gibt
  •  

  • laut Forschenden reichen die Daten der Studie nicht aus, um die These ausreichend zu belegen
  •  

Birkenpollen an Orten mit hoher Luftverschmutzung ist möglicherweise allergener als Birkenpollen aus Gebieten mit sauberer Luft. Dieses Ergebnis könnte erklären, weshalb Personen in luftverschmutzten Gebieten häufiger Allergien haben, obwohl sie desensilibisiert wurden. Das schlussfolgern die Autorinnen und Autoren einer Studie, die am 25.01.2023 im Fachjournal „Plos One“ erschienen ist (siehe Primärquelle).

In Städten mit verunreinigter Luft leben prozentual mehr Menschen mit Allergien als in Gebieten mit sauberer Luft. Inwiefern die Luftverschmutzung die Beschaffenheit von Baumpollen verändert, untersuchten die polnischen Forschenden aus Krakau anhand von Birken. Sie sammelten Birkenblüten von mindestens drei Bäumen an sieben Standorten im Südosten Polens. Die Luftqualität ist an diesen Standorten unterschiedlich. Drei Standorte befinden sich im Stadtgebiet von Krakow, drei in kleineren Städten und einer in einem Wald, der als Referenz für wenig verschmutzte Luft verwendet wurde. Die gesammelten, noch ungeöffneten Birkenblüten wurden im Labor geöffnet, der Pollen entnommen und auf seine Eigenschaften untersucht.

Das Protein Bet v 1 ist das Hauptallergen in Birkenpollen. Die Forschenden untersuchten mithilfe von Raman-Spektroskopie die Proteinfaltungsstruktur von Bet v 1 in den gesammelten Proben und fanden heraus, dass sich diese in den Proben unterscheidet. Außerdem stellten sie höhere Bet v1-Konzentrationen in den Proben der stärker verschmutzten Orte fest. Sie schlussfolgern, dass dies zu einem Anstieg der Allergenität der Proteine und damit zu einem häufigeren Auftreten von Allergien bei desensibilisierten Personen führen kann.

Inwiefern die hier verwendete Methodik aussagekräftig ist, um Rückschlüsse auf den Einfluss von Luftverschmutzung auf die Beschaffenheit von Birkenpollen und sein Allergiepotenzial zu ziehen, schätzen Expertinnen und Experten in den nachfolgenden Statements ein.

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Jeroen Buters, Stellvertretender Direktor des ZAUM-Zentrums für Allergie & Umwelt und Leiter der Arbeitsgruppe „Umwelt“, TUM-Helmholtz Zentrum München
  •  

  • PD Dr. Stefanie Gilles, Leiterin des Fachbereiches "Umwelt-Immunologie", Universität Augsburg
  •  

  • Prof. Dr. Barbara Bohle, Leiterin der Forschungsgruppe Allergy Research, Medizinische Universität Wien, Österreich
  •  

  • PhD Marloes Eeftens, Assistant Professor und Leiterin der Arbeitsgruppe Sensoring and Evironmental Epidemiology, Swiss Tropical and Public Health Institute (Associated Institute to the Universtiy Basel), Allschwil, Schweiz
  •  

Statements

Prof. Dr. Jeroen Buters

Stellvertretender Direktor des ZAUM-Zentrums für Allergie & Umwelt und Leiter der Arbeitsgruppe „Umwelt“, TUM-Helmholtz Zentrum München

„Das Thema ist sexy und jeder möchte es glauben (dass Luftverschmutzung den Pollen allergener macht; Anm. d. Red.). Aber die Allergenität von Pollen wird hauptsächlich durch das Bet v 1-Protein bestimmt. Der Gehalt von Bet v 1 ist sehr stark von der Reifung der Pollen abhängig. Innerhalb des Reifungsprozesses wird jeden Tag die Menge Bet v 1 dramatisch höher. Das Gehalt hängt also sehr stark vom Sammelzeitpunkt ab. Drei Bäumen pro Ort als Probe zu nehmen, reicht nicht aus. Wir haben an über 30 Bäumen gesammelt und es war trotz der größeren Probenanzahl immer noch schwierig.“

Auf die Frage, wie solide die Methodik der Studie ist und inwiefern die Ergebnisse die Aussage stützen, dass die Birkenpollen durch die Luftverschmutzung allergener werden:
„Es fehlt ein biologischer Endpunkt. Auch wenn etwas an den Pollen anders wäre, hat das einen Effekt auf die Allergenität? Ein Effekt auf Sensibilisierung ist auch nur mit Tierversuchen zu bestimmen. Aber auch bereits der Effekt auf eine existierende Allergie ist in der aktuellen Studie nicht getestet worden.“

Auf die Frage, inwiefern man auf Basis der Pollenanalyse schließen kann, dass sie bei schlechterer Luftqualität stärker Allergien hervorrufen:
„Höheres Allergengehalt ist indikativ für eine stärkere Allergenität. Aber wie oben gesagt: Woher weiß man, dass die unterschiedliche Bet v 1-Gehalte nicht ein Artefakt der Probennahme sind?“

Auf die Frage, was über die allergene Wirkung von Pollen bei vergleichsweise niedrigen Luftverschmutzungswerten bekannt ist:
„Der Schwellenwert für Luftschadstoffe für eine Allergie ist nicht bekannt.“

Auf die Frage, welche Relevanz die Erkenntnisse haben und wie sie sich auf die Stadtplanung auswirken können:
„Luftverschmutzung ist nicht gut für die Gesundheit. Der Effekt von Feinstaub auf Allergien ist aber umstritten. Eine Städteplanung mit weniger Verkehr ist aber immer gut.“

„Es ist ein spannendes Thema, mit viel Aufmerksamkeit. Klar ist aber, dass die Autoren nicht so gut vertraut mit der Materie sind: die Sammelmethode ist fragwürdig (zu wenig Proben, unbekannter Zeitpunkt). Auch ein relevanter Endpunkt fehlt. Kurios ist auch, dass sie die von mir entwickelte Methode zur Bet v 1-Bestimmung nutzen, aber die Veröffentlichung dazu nicht zitieren.“

„Sexy but probably not relevant. Sehen sie Abbildung 3 in meiner Studie zur Problematik [1].“

PD Dr. Stefanie Gilles

Leiterin des Fachbereiches "Umwelt-Immunologie", Universität Augsburg

„Die aktuelle Studie behandelt ein äußerst wichtiges Thema: Den Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und der Allergenität von Birken. Birken sind die am stärksten allergenen Bäume in kühlen und gemäßigten Klimazonen und deren Pollen sind Auslöser von allergischem Schnupfen und Asthma bei 10 bis 30 Prozent der Bevölkerung. Wegen ihres attraktiven Aussehens und der relativen Toleranz gegenüber Umweltfaktoren wurden Birken in der Vergangenheit häufig auch in städtischen Wohngebieten angepflanzt.“

„Dass Luftschadstoffe einen direkten schädlichen Einfluss auf die Atemwege von Allergikern haben, ist unbestritten. Ein zusätzlicher, indirekter Einfluss von Luftschadstoffen auf Allergiker – über die Schadstoffbelastung allergener Pflanzen – wird in der Fachwelt diskutiert, insbesondere aufgrund der Beobachtung, dass allergische Atemwegserkrankungen in urbanen Bevölkerungen seit Jahrzehnten an Häufigkeit zunehmen.“

„Als Ergebnis der Studie stellen die Autorinnen und Autoren der aktuellen Studie eine verstärkte Allergenität von Pollen heraus, die von Birken an Standorten mit hohen Werten anthropogener Luftverschmutzung (NOx, PM10, PM2.5) isoliert wurden.“

Einordnung in den Stand des Wissens
„Dieses Ergebnis entspricht insofern den Erwartungen, als dass bereits Studien zu den Zusammenhängen zwischen Pollenallergenität und anthropogenen Schadstoffen bei Ambrosia publiziert wurden. Diese Ergebnisse stammten aus Klimakammer-Versuchen mit definierter Schadstoffexposition. Es gab auch bereits Hinweise auf eine Veränderung der Allergenität von Birken durch Ozonbelastung an ihrem natürlichen Standort [2]. Eine chemische Modifikation des Hautpallergens (Bet v 1) durch Nitrierung (Einführen einer Nitrogruppe (NO2) in ein organisches Molekül; Anm. d. Red.) ist nachgewiesen worden [3], der Einfluss einer solchen Bet v 1-Modifikation auf die Antigen-Präsentation durch dendritische Zellen wurde 2012 publiziert [4].“

Solidität der Methodik
„Leider wurden an den ausgewählten Standorten keine direkten Messungen der Schadstoffe durchgeführt – beispielsweise mit Passivsammlern am Baum. Die Schadstoffwerte stammen dagegen von Messstationen, die in zwei Fällen mehr als drei Kilometer entfernt vom Baum stehen. Ich gehe daher davon aus, dass die Ergebnisse, die berichtet werden – und die keinen genauen Zusammenhang zum Grad der Schadstoffbelastung aufweisen –, möglicherweise viel deutlicher hätten ausfallen können, wenn die Schadstoffe direkt am Baum gemessen worden oder wenn Daten aus einem hochauflösenden Modell verwendet worden wären – das ist allerdings Spekulation!“

„Die Validität der Schlussfolgerungen aus den chemischen Analysen kann ich nicht beurteilen, da mir die Expertise fehlt, insbesondere zu den Techniken der Raman-Spektralanalyse. Hier könnten Ergebnisse eventuell überinterpretiert worden sein. Einige der Interpretationen – wie zum Beispiel zur Agglomeration von Bet v 1 – erscheinen mir rein auf der Basis von bereits bestehender Literatur entstanden zu sein und nicht auf der Basis eigener, weiterführender Analysen. Auch wurde im Paper nicht klar dargestellt, wie das Bet v 1 für die Raman-Spektralanalyse ‚isoliert‘ wurde. Das heißt, es existiert keine genaue Methodenangabe dazu, ausschließlich eine Beschreibung der Herstellung von wässrigen Extrakten, die Bet v 1 enthalten – aber eben daneben auch andere Proteine!“

„Was den Bet v 1-Gehalt der Pollen, gemessen im ELISA, angeht, so sind die Ergebnisse plausibel und die Methodik ist einwandfrei. Die Pollen von den am stärksten verschmutzten Bäumen hatten die höchsten Bet v 1-Werte, allerdings sind nur zwei der Unterschiede im post-hoc-Test (Signifikanztest aus der mathematischen Statistik; Anm. d. Red.) signifikant.“

„Die Schlussfolgerung, dass die beobachteten Unterschiede an den Pollen tatsächlich zu einer verstärkten Immunreaktion bei Allergikern führen, ist jedoch nicht zulässig, da keinerlei entsprechende Tests an Patienten mit den Pollenproben durchgeführt wurden. Versuche in vitro (Immunoblots mit Patienten-Seren, Basophilen-Aktivierungstest), im Mausmodell oder an Birkenpollenallergikern (nasale Provokation, Haut-Pricktest, Expositionskammer) wären unerlässlich, um eine solche Schlussfolgerung zu stützen.“

Relevanz der Befunde für Deutschland, insbesondere für die Stadtplanung
„Die mittleren Schadstoffwerte, die in der polnischen Studie angegeben werden, sind zum Teil sehr hoch. Werte bis 80 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft kommen in deutschen Städten aber durchaus immer wieder vor, sie entsprechen bei uns allerdings eher einer Spitzenbelastung an Hauptverkehrsadern (Beispiel: LfU Messstation in München, Landshuter Allee: NO2-Konzentrationen über 70 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft wurde in 95 Stunden im Januar 2023 aufgezeichnet).“

„Da Birken noch immer sehr häufig in Städten vorkommen, ist der Befund, dass die Allergenität von Birkenpollen durch Verkehrsemissionen verstärkt werden könnte, durchaus ernst zu nehmen. Bei der Planung neuer Grünflächen könnte in Zukunft darauf geachtet werden, keine stark allergenen Pflanzen wie Hasel, Erle oder Birken an Stellen zu pflanzen, in der die Belastung mit Luftschadstoffen hoch ist. Speziell in Wohngebieten mit hoher Luftverschmutzung in der Nähe von stark befahrenen Straßen könnte dies in Zukunft berücksichtigt werden.“

Prof. Dr. Barbara Bohle

Leiterin der Forschungsgruppe Allergy Research, Medizinische Universität Wien, Österreich

„In der vorliegenden Studie wurden diverse Eigenschaften von Birkenbäumen untersucht, die an verschiedenen Standorten wachsen, die sich bezüglich der Konzentration an Stickoxiden, sowie der Staubkomponenten PM10 und PM2,5 unterscheiden. Ein Augenmerk lag dabei auch in der Bestimmung der Konzentration des Birkenpollen-Hauptallergens Bet v 1 in den Pollen. Es ist nicht neu, dass Umweltverschmutzung Einfluss auf Pflanzen einschließlich Birken hat und auch zu erhöhter Produktion von Allergenen führen kann. Diesbezügliche Studien wurden bereits Ende der 1990er-Jahre durchgeführt und auch dieselbe Forschergruppe hat diesbezügliche Vorarbeiten. Die Autoren der aktuellen Studie beschreiben, dass die Bet v 1-Konzentration an Standorten höherer Umweltverschmutzung höher ist als an Standorten mit weniger Belastung. Aufgrund der hohen Standardabweichungen sind die diesbezüglichen Ergebnisse jedoch nicht wirklich überzeugend.“

„Mittels FT-Raman Spektroskopie haben die Autoren Veränderungen in der Sekundärstruktur von Bet v 1 nachgewiesen. Die vorliegende Studie zeigt jedoch keine Hinweise auf eine erhöhte Allergenität von Bet v 1, da dementsprechende Experimente fehlen.“

„Generell enthält die vorliegende Studie keine bahnbrechenden, neuen Ergebnisse von hoher Relevanz. Da Birkenpollen generell hohe Allergenität haben, sollten diese Bäume nicht in stark besiedelten Regionen angebaut werden. Ich glaube aber, dass dieser Umstand bereits bei Städteplanungen berücksichtigt wird.“

PhD Marloes Eeftens

Assistant Professor und Leiterin der Arbeitsgruppe Sensoring and Evironmental Epidemiology, Swiss Tropical and Public Health Institute (Associated Institute to the Universtiy Basel), Allschwil, Schweiz

„Die Autoren sammelten Birkenpollenproben an sieben verschiedenen Orten mit unterschiedlichen Luftverschmutzungskonzentrationen (als Marker für städtischen Stress). Sie untersuchten, ob die Luftverschmutzungskonzentration mit den folgenden Baum- beziehungsweise Pollen-bezogenen Parametern zusammenhängt: der photosynthetischen Lichtreaktivität (ein Maß für den allgemeinen Gesundheitszustand des Baumes), dem Kohlenstoff-13-Isotopengehalt (ein weiterer Indikator für den allgemeinen Gesundheitszustand des Baumes, insbesondere die Fähigkeit, CO2 zu binden) und der Zusammensetzung der Pollenkörner (Zuckergruppen, Lipidgruppen, und weitere, siehe Tabelle 2). Hier finde ich die Aussage der Schlussfolgerung ziemlich vage. Ich bin mir bezüglich der Relevanz dieser Unterschiede nicht sicher. Außerdem untersuchten die Autoren der Studie die Bet v1-Konzentration (Proteinexpression): Dies ist ein Maß für den Allergengehalt der Pollen. Je höher die Bet v1-Konzentration ist, desto stärker wäre die allergische Reaktion, die man bei Allergikern erwarten würde, wenn sie diesen Pollen ausgesetzt wären. Hier bestätigen sie die Ergebnisse früherer Studien, wonach die Bäume aus Krakau – die in einer stärker verschmutzten Umgebung wachsen – tatsächlich eine höhere Bet v1-Expression aufweisen.“

„Als letztes analysierten sie die Struktur des Bet v1-Proteins. Hier werden die Aminosäuren und Strukturelemente des Proteins untersucht. Sie kommen zu dem Schluss: ‚Our experiment has shown that air pollution resulted in the decrease of regular α-helix and β-structures and a pronounced increase of the bands characteristic for β-turns (1675–81 cm-1) together with those at the highest frequency (1684–94 cm-1), manifesting a formation of anti-parallel β-sheet structures.’ Die Auswirkungen dieser Unterschiede sind für mich als Leser nicht ganz klar. Außerdem habe ich nicht herausgefunden, ob sie den statistischen Zusammenhang mit der Luftverschmutzung getestet haben oder ob es ein Konfidenzintervall für diese Aussage gibt.“

„Wie die Autoren ebenfalls anerkennen, baut diese Studie auf früheren Arbeiten auf, die zeigen, dass die Pollenallergenität in städtischen Umgebungen tendenziell höher ist als in ländlichen Umgebungen. Städtische Umgebungen sind häufig stärker verschmutzt. So sind die Luftverschmutzungskonzentrationen an Orten mit viel Verkehr, Bevölkerung, Verbrennung und anderen anthropogenen Aktivitäten in der Regel höher. In dieser Studie (aber auch in früheren Studien) wurde festgestellt, dass das Allergen Bet v1 stärker ausgeprägt ist. Allergene wie dieses sind diejenigen, die die allergischen Reaktionen auslösen.“

Auf die Frage, wie solide die Methodik der Studie ist und inwiefern die Ergebnisse die Aussage stützen, dass die Birkenpollen durch die Luftverschmutzung allergener werden:
„Es ist zwar klar, dass die verschiedenen Messgrößen zwischen den Standorten unterschiedlich sind, aber die Autoren hätten deutlicher machen können, wie sie die Assoziationen mit der Luftverschmutzung berechnet haben. Haben sie eine einfache Unterscheidung zwischen Stadt und Land oder die Luftverschmutzungskonzentration verwendet? Sie erwähnen NOx, PM10 und PM2.5, aber es ist nicht klar, welchen Schadstoff sie für die Auswertung betrachtet haben, und nicht alle Schadstoffe scheinen an allen sieben Standorten gemessen worden zu sein. Der Zusammenhang mit der Luftverschmutzung scheint also nur anekdotisch zu sein: Es werden weder Assoziationsdiagramme noch statistische Konfidenzintervalle vorgelegt. Daher kann ich leider nicht beurteilen, wie solide dieser Zusammenhang wirklich ist.“

„Ein weiterer Punkt ist, dass die Autoren den offensichtlichen Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und allen oben genannten Messgrößen zu untersuchen scheinen. Dieser Zusammenhang würde auf sieben Standorten beruhen, während Unterschiede zwischen einzelnen Bäumen (vom selben Standort) statistisch nicht berücksichtigt werden. Wie immer gilt: Das Vorhandensein eines Zusammenhangs bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Luftverschmutzung in einem kausalen Zusammenhang mit diesen Messgrößen steht. Es kann auch wichtig sein, mögliche Störfaktoren für den Zusammenhang zu berücksichtigen. Störfaktoren sind Faktoren, die sowohl mit der Luftverschmutzungskonzentration als auch mit der Allergenexpression zusammenhängen. Ein hypothetisches Beispiel wäre, wenn Bäume in der Stadt während der Dürre bewässert werden und Bäume auf dem Land nicht, und die Dürre (unabhängig von der Luftverschmutzung) mit der Allergenexpression verbunden ist. Man könnte hier meinen, es handele sich um einen (reinen) Luftverschmutzungseffekt, während es sich in Wirklichkeit um den Effekt der Bewässerung beziehungsweise Nichtbewässerung handelt. Es kann oft schwierig sein, solche Störfaktoren vollständig ‚auszuschließen‘, vor allem bei Freiland-Studien.“

„Was mir in dieser Studie nicht ganz klar wurde: sind die Bäume, von denen die Pollen kommen, genetisch identisch sind oder nicht. Wenn nicht, dann könnte es einfach zufällig so sein, dass der eine Baum andere Pollen bildet (zum Beispiel mit höheren Bet v 1-Werten) als der andere Baum, egal wo man ihn anpflanzt. Noch besser wäre es, zu untersuchen, wie es zwei genau gleichen Birkenbäumen (oder eben noch weitere Paare) unter verschiedenen Umweltkonditionen geht.“

„Der ideale Studienaufbau wäre in diesem Fall eine Art ‚Placebo-kontrollierte Studie‘, wie wir sie auch bei Medikamenten durchführen, bevor wir sie auf den Markt bringen. In einem solchen Experiment könnten wir eine Reihe von Birken in einem Gewächshaus beobachten, die wir sauberer Luft aussetzen, und im Gewächshaus nebenan könnten wir eine Reihe von (genetisch identischen) Bäumen untersuchen, die wir verschmutzter Luft (in verschiedenen Konzentrationen) aussetzen. Dann könnten wir wirklich alle anderen Faktoren außer der Exposition gegenüber Luftverschmutzung ‚ausschließen‘. Noch besser wäre es, wenn wir im zweiten Jahr die Bedingungen umkehren würden – die Bäume, die vorher saubere Luft bekamen, bekommen jetzt verschmutzte Luft und umgekehrt. Wenn dann die Allergenexpression in der stärker verschmutzten Umgebung reproduzierbar höher ist, wäre dies ein klares Zeichen für Kausalität. Natürlich würde die Durchführung dieses Experiments viele Jahre dauern.“

Auf die Frage, was über die allergene Wirkung von Pollen bei vergleichsweise niedrigen Luftverschmutzungswerten bekannt ist:
„Diese Luftverschmutzungswerte sind in der Tat recht hoch und liegen zumindest an einigen Standorten und für alle Schadstoffe deutlich über den zulässigen EU-Luftverschmutzungsgrenzwerten. Aber auch im übrigen Europa, in den größeren Städten und in der Nähe größerer Schadstoffquellen, sind ähnliche Konzentrationen zu beobachten, und die in der Studie untersuchten Kontraste sind durchaus relevant.“

Auf die Frage, welche Relevanz die Erkenntnisse haben und wie sie sich auf die Stadtplanung auswirken können:
„Es könnte interessant sein, in Zukunft nicht nur die Pollenkonzentration zu berücksichtigen, wie es derzeit routinemäßig getan wird. Ein besserer Prädiktor für allergische Symptome könnte die Exposition gegenüber dem eigentlichen Allergen (in diesem Fall Bet v1) sein. In den vergangenen Jahren wurden große Fortschritte erzielt, die es uns ermöglichen, Pollenkonzentrationen automatisch und in Echtzeit zu erfassen, auch in der Schweiz. Dies sind in der Tat sehr vielversprechende neue Entwicklungen. Aber die Messung der Allergenkonzentration ist noch ein weiterer Schritt. Ich denke, dass dies in großem Maßstab noch eine Weile nicht möglich sein wird, weil es viel manuelle Arbeit erfordert: Probensammlung und manuelle Laborarbeit.“

„Was die Stadtplanung angeht: Hier können wir überlegen, ob es klug ist, zu prüfen, ob wir hochallergene Baumarten in Städten und dicht besiedelten Gebieten überhaupt anpflanzen wollen. Unabhängig davon, ob sie in Gegenwart von Luftschadstoffen allergener werden oder nicht. Eine Birke wird immer einen Teil der Allergene freisetzen. Ich würde empfehlen, nicht zu viele Birken zu pflanzen.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Prof. Dr. Jeroen Buters: „Ich habe keinen Interessenkonflikt.“

PD Dr. Stefanie Gilles: „Ich erkläre ferner, dass ich keinen Interessenkonflikt habe.“

Prof. Dr. Barbara Bohle: „Ich habe zu dieser Studie keinen Interessenkonflikt.“

PhD Marloes Eeftens: „Ich habe keine Interessenkonflikte.“

Alle anderen: Keine Angaben erhalten.

Primärquelle

Stawoska I et al. (2023): Air pollution in the places of Betula pendula growth and development changes the physicochemical properties and the main allergen content of its pollen. Plos One. DOI: 10.1371/journal.pone.0279826.

Weiterführende Recherchequellen

Biedermann T et al. (2019): Birch pollen allergy in Europe. Allergy. DOI: 10.1111/all.13758.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Buters JTM et al. (2010): The allergen Bet v 1 in fractions of ambient air deviates from birch pollen counts. Allergy. DOI: 10.1111/j.1398-9995.2009.02286.x.

[2] Beck I et al. (2013): High Environmental Ozone Levels Lead to Enhanced Allergenicity of Birch Pollen. Plos One. DOI: 10.1371./journal.pone.0080147.

[3] Reinmuth-Selzle K et al. (2014): Nitration of the Birch Pollen Allergen Bet v 1.0101: Efficiency and Site-Selectivity of Liquid and Gaseous Nitrating Agents. Journal of Proteome Research. DOI: 10.1021/pr401078h.

[4] Karle AC et al. (2012): Nitration of the pollen allergen bet v 1.0101 enhances the presentation of bet v 1-derived peptides by HLA-DR on human dendritic cells. Plos One. DOI: 10.1371/journal.pone.0031483.