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09.05.2018

HPV-Impfung bei Mädchen laut Cochrane Review sicher und effektiv

Infektionen mit den humanen Papilloma-Viren HPV 16 und HPV 18 sind für rund 70 Prozent der Fälle von Gebärmutterhalskrebs verantwortlich. Wenn Mädchen und junge Frauen zwischen 15 und 26 Jahren gegen zumindest diese beiden Viren geimpft werden, dann schützt sie dies mit hoher Gewissheit gegen Vorstufen von Gebärmutterhalskrebs (Läsionen). Der schützende Effekt war größer bei jenen, die vor der Impfung noch nie mit den beiden Hochrisiko-Typen von HPV infiziert worden waren. Außerdem ist die Impfung überaus sicher.

Zu diesem Ergebnis kommt ein neues Cochrane Review.

Das Cochrane Review hat 26 Studien analysiert, in denen Effektivität und Sicherheit der HPV-Impfung untersucht worden waren. Das Ergebnis: Bei Mädchen und Frauen, die noch nie mit HPV 16 und HPV 18 infiziert worden waren, sank das Risiko für die gefährliche Vorstufe von Gebärmutterhalskrebs namens CIN2+ von 164 je 10.000 auf 2 je 10.000. Die Kontrollgruppen hatten je nach Studie entweder ein Scheinpräparat oder einen anderen Impfstoff erhalten. Für die noch gefährlichere Vorstufe CIN3+ sank das Risiko von 70 auf 0 je 10.000. Ließ man den HPV-Status zum Zeitpunkt der Impfung außer Acht, also ob bzw. mit welchen HP-Viren die Probanden bereits in Kontakt gekommen waren, dann ergab sich immer noch ein schützender Effekt, wenn auch ein nicht ganz so deutlicher: Das Risiko für CIN2+ in Verbindung mit HPV 16 oder HPV 18 sank mit hoher Sicherheit von 341 auf 157 je 10.000. Bei Frauen, die im Alter von 24 bis 45 Jahren gegen HPV geimpft wurden, war das Risiko mit moderater Sicherheit ähnlich wie bei den nicht gegen HPV geimpften Frauen – hatte also keinen schützenden Effekt mehr. Außerdem ergaben sich in der Metaanalyse keine Anhaltspunkte dafür, dass die HPV-Impfung mit einem erhöhten Risiko für ernste unerwünschte Nebenwirkungen einherging – die HPV-Impfung kann somit als sicher gelten.

Übersicht

     

  • Dr. Thomas Harder, Fachgebiet Impfprävention, Robert Koch-Institut (RKI), Berlin
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  • Prof. Dr. Catharina Maulbecker-Armstrong, Fachbereich Gesundheit, Medizinisches Management, Technische Hochschule Mittelhessen (THM), Gießen, und Mit-Initiatorin des Projekts „Freiwillige HPV-Schulimpfung“
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  • Prof. Dr. Karl Ulrich Petry, Chefarzt der Frauenklinik, Klinikum Wolfsburg
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  • Dr. Hedwig Roggendorf, Verantwortliche der Reise-Impfsprechstunde/ Gelbfieberimpfstelle am Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München (TUM)
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  • Prof. MD Elmar A. Joura, Ambulanz für Cervix- und Vulvapathologie, Klinik für Allgemeine Gynäkologie und gynäkologische Onkologie, Medizinische Universität Wien (Österreich)
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  • PD Dr. Andreas M. Kaufmann, Leiter der Arbeitsgruppe Gynäkologische Tumorimmunologie, Klinik für Gynäkologie, Charité-Universitätsmedizin Berlin
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Statements

Dr. Thomas Harder

Fachgebiet Impfprävention, Robert Koch-Institut (RKI), Berlin

„Eine Impfquote von 45 Prozent (vollständige Impfserie bei 17-jährigen Mädchen, 2015 [1]) signalisiert, dass die HPV-Impfung in Deutschland nicht gut akzeptiert ist bzw. es bei der Umsetzung der Impfempfehlung immer noch erhebliche Barrieren gibt.“

„In einer 2012/13 vom Robert Koch-Institut (RKI) durchgeführten Online-Befragung unter jungen Frauen mit Wohnsitz in Deutschland im Alter von 18 bis 25 Jahren gaben ungeimpfte Frauen als häufigsten Grund für eine Nicht-Impfung Sicherheitsbedenken und Angst vor Nebenwirkungen an [2]. Für jene Frauen, die sich allerdings für die Impfung entschieden haben und sich auch gegen HPV haben impfen lassen, war der wichtigster Faktor die aktive Empfehlung durch den behandelnden Arzt bzw. die behandelnde Ärztin.“

„Um eine hohe Akzeptanz zu erreichen, sollten Sicherheitsbedenken gegenüber der HPV-Impfung in den entsprechenden Impfgruppen bzw. unter den Eltern adressiert und impfende Ärzte und Ärztinnen daran erinnert werden, den entsprechenden Altersgruppen die Impfung auch aktiv anzubieten. Da die HPV-Impfung für Mädchen im Alter von 9 bis 14 Jahren empfohlen ist, bietet sich – sofern die Impfung nicht schon früher erfolgt ist – insbesondere die J1-Vorsorgeuntersuchung zur Information bzw. Impfung gegen HPV an. Die J1-Untersuchung ist kostenlos und richtet sich an Jugendliche zwischen 12 und 14 Jahren. Eine Analyse von Daten der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) hatte gezeigt, dass die Inanspruchnahme der J1-Vorsorgeuntersuchung bei 12-jährigen Mädchen mit einer siebenfach höheren Wahrscheinlichkeit einherging, mindestens eine HPV-Impfstoffdosis erhalten zu haben [3]. Dazu könnte die Einführung eines verbindlichen Einladungswesens und Rückmeldeverfahrens für die J1-Vorsorgeuntersuchung hilfreich sein, so, wie es in vielen Bundesländern für Vorsorgeuntersuchungen im Kindesalter – die sogenannten U-Untersuchungen – geregelt ist. In Rheinland-Pfalz konnte die J1-Beteiligung durch ein solches Verfahren um 25 Prozent gesteigert werden [4].“

„Um möglichst hohe HPV-Impfquoten zu erzielen, ist zu erwägen, deutschlandweit Schulimpfprogramme einzurichten, um möglichst auch jene Kinder zu erreichen, die im Alter von 9 bis 14 Jahren keinen Arzt oder keine Ärztin besuchen bzw. nicht an der J1-Untersuchung teilgenommen haben oder denen vom Arzt oder von der Ärztin die HPV-Impfung bisher nicht angeboten wurde. Schulimpfprogramme existieren vor allem in den angelsächsischen und nordischen Ländern und führen dort in der Regel zu hohen Impfquoten von mehr als 70 Prozent, so zum Beispiel in Australien, Kanada und Großbritannien [5] [6] [7]. In Ländern ohne Schulimpfprogramm werden dagegen bisher niedrigere Impfquoten beobachtet; hierzu gehört beispielsweise auch die Schweiz mit einer Impfquote von 51 Prozent [8]. Die Ergebnisse zum Potenzial der J1-Vorsorgeuntersuchung sowie die hohen Impfquoten in Ländern mit schulbasierten Impfprogrammen legen nahe, dass strukturelle Änderungen in Deutschland notwendig sind, um über ein niederschwelliges Informations- und Impfangebot höhere HPV-Impfquoten zu erreichen.“

Prof. Dr. Catharina Maulbecker-Armstrong,

Fachbereich Gesundheit, Medizinisches Management, Technische Hochschule Mittelhessen (THM), Gießen, und Mit-Initiatorin des Projekts „Freiwillige HPV-Schulimpfung“

„Die Ständige Impfkommission empfiehlt die HPV-Impfung für Mädchen im Alter zwischen 9 und 14 Jahren. Die erste Jugenduntersuchung kann freiwillig im Alter von 12 bis 14 Jahren stattfinden. In diesem Rahmen könnte gegen HPV geimpft werden, aber eigentlich wäre es besser, früher gegen HPV zu impfen: Je früher geimpft wird, desto besser ist die Immunantwort. Doch im Grundschulalter stehen keine verpflichtenden Vorsorgeuntersuchungen mehr an. Es gibt zwar die U10 im Alter von 7 bis 8 Jahren und die U11 im Alter von 9 bis 11 Jahren; diese beiden sind zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen, also freiwillig und auch nicht von allen Krankenkassen bezahlt. Deswegen bekommt nicht jedes Grundschulkind diese Untersuchungen. Es gibt auch sonst keinen Grund mit einer Viertklässlerin zum Arzt zu gehen, außer sie ist krank – dann könnte man jedoch nicht impfen.“

„Zusätzlich ist es logistisch schwierig für die Eltern: Sie müssen erst zum Arzt gehen, ein Rezept für den Impfstoff holen, damit zur Apotheke gehen, mit dem Impfstoff und dem Kind dann zum Arzt für die Impfung kommen. Und das Ganze zweimal.“

„Wir haben in Südhessen ein bundesweit einzigartiges Modellprojekt durchgeführt: ein HPV-Impfprogramm in Schulen. Das ist nur zustande gekommen wegen einer breiten Allianz aus Kultusministerium, Sozial- und Gesundheitsministerium, der Kassenärztlichen Vereinigung, der Ärztekammer, dem Landrat, dem Gesundheitsamt dem Gesundheitsnetz Rhein-Neckar als Projektträger vor Ort. Auch der Krebsforscher Harald zur Hausen war beteiligt: Er hat 2008 den Nobelpreis bekommen für seine Entdeckung, dass die Typen HPV 16 und HPV 18 des humanen Papillomavirus Gebärmutterhalskrebs verursachen. Die Entdeckung des Auslösers der bei Frauen dritthäufigsten Krebserkrankung eröffnete völlig neue Perspektiven der Vorbeugung und Behandlung und führte letztlich zur Entwicklung von HPV-Impfstoffen. In Deutschland erkranken jedes Jahr 4700 Frauen neu an Gebärmutterhalskrebs und 1600 versterben [9]. Weltweit sind es für das Zervixkarzinom jährlich etwa 266 000 Todesfälle und 528 000 Erstdiagnosen [9]. Die Prävention durch die Impfung ist der beste Schutz zur Vermeidung des Zervixkarzinoms, nicht nur in Deutschland.“

„Das 2015 begonnene Schulimpfprogramm an Grundschulen in Südhessen konnten die Teilnahmerate an der HPV-Impfung auf mehr als 75 Prozent erhöhen. Angesichts des deutschen Durchschnitts gemäß Robert Koch-Institut (RKI) von 31 Prozent ist dies eine Steigerung, die nahe an die Impfraten von anderen Ländern mit Schulimpfprogrammen herankommt, wie zum Beispiel Schweden mit 80 Prozent.“

„Im Rahmen des Schulimpfprogramms wurden die Eltern an einem Elternabend informiert. Nach Vorlage des Impfpasses und der Einwilligung zur Impfung wurde das Mädchen von einem Arzt aus der Region mit Impfberechtigung geimpft; das waren meist Kinderärzte, Hausärzte oder Frauenärzte. Die Impfung wurde über die Versichertenkarte regulär abgerechnet. Das Gesundheitsamt hat organisatorisch unterstützt und in seiner Impfsprechstunde über dieses Angebot informiert. 34 Prozent der Mädchen ließen sich in der Schule impfen, 43 Prozent wurden in einer Praxis geimpft. Auch in den Folgejahren und an weiteren Schulen in der Region konnten diese Impfraten erreicht werden [10].“

„Wenn man sich die Impfquoten in verschiedenen Ländern anschaut, sieht man: In Ländern, die Schulimpfungen haben, ist die HPV-Impfquote 60 bis 90 Prozent. In Deutschland sind 31 Prozent der 15 Jahre alten Mädchen gegen HPV geimpft und 43 Prozent der 17-Jährigen Mädchen.“ [11]

„Bei manchen Elternabenden haben Eltern auch gefragt: ‚Wieso sollen nur die Mädchen geimpft werden, aber nicht mein Sohn?’ Die Krankheiten, die durch gefährliche humane Papilloma-Viren entstehen, zeigen sich oft erst nach Jahren oder Jahrzehnten; und einige davon können Männer wie Frauen betreffen. Zum Beispiel Krebserkrankungen im Mund oder Rachen, sogenannte Kopf-Hals-Karzinome, stehen in 40 bis 60 Prozent der Fälle mit HPV in Verbindung; es bedarf jedoch auch noch zusätzlicher Risikofaktoren wie Rauchen oder Alkohol. Ein weiteres Argument dafür, auch Jungen gegen HPV zu impfen: Wenn man mit einem Impfstoff geimpft wird, der nicht nur HPV 16 und HPV 18 enthält, sondern auch HPV 6 und HPV 11, dann lassen sich Genitalwarzen verhindern. Die sind für Jungen wie für Mädchen, Männer wie Frauen, höchst unangenehm.“

„Ärzte möchten ihren Patienten den höchstmöglichen Schutz zukommen zu lassen. Sie werden darum den Impfstoff verwenden, der ein möglichst breites Spektrum an HP-Viren abdeckt.“

Prof. Dr. Karl Ulrich Petry

Chefarzt der Frauenklinik, Klinikum Wolfsburg

„Cochrane Reviews sind eigentlich immer nützlich, und dieser hier zur HPV-Impfung bei Mädchen und Frauen passt gut in die Tendenz, die sich in den vergangenen Jahren abgezeichnet hat bei Studien zur HPV-Impfung: Die Impfung ist sehr effektiv und sehr sicher. Mehr noch: Gegen HPV zu impfen erweist sich als besser als all das, was sich selbst die kühnsten Befürworter der Impfung hätten vorstellen können. Wer Vorbehalte hatte gegenüber der HPV-Impfung, sollte diese nun über Bord werfen.“

„Ernste Nebenwirkungen treten keine auf. Das bestätigen die Langzeitdaten aus den verschiedenen analysierten Studien auch. Insbesondere jene aus Skandinavien, denn dort gibt es Impfregister, bei denen besonders aufmerksam auf Nebenwirkungen geachtet wird. Und kleinere Nebenwirkungen treten nicht häufiger auf als bei der Placebo-Impfung. Geimpfte bekommen lediglich etwas häufiger erhöhte Temperatur oder haben typische Lokalreaktionen, also zum Beispiel, dass die Einstichstelle etwas gerötet ist oder man das Gefühl eines Muskelkaters hat für ein, zwei Tage. Doch das ist nicht schlimm und vergeht wieder.“

„Das Allervernünftigste ist, früh zu impfen. Wer mit neun Jahren zweimal gegen HPV geimpft wurde, hat mit 15 Jahren einen Antikörper-Titer wie jemand, die oder der mit 15 Jahren dreimal geimpft wurde. Das ist auch wichtig, weil in Deutschland der Impfstoff teurer ist als in anderen Ländern, zum Beispiel in Schweden oder Australien.“

„Selbst eine Einmal-Gabe kann einen vernünftigen Schutz bieten. Es ist noch nicht belegt, dass dies lebenslang gilt, aber es spricht immer mehr dafür. Entsprechende Studien aus Indien und Mexiko werden gerade analysiert [12]. Für Entwicklungsländer ist das besonders relevant, wo Impfprogramme schwieriger umzusetzen sind als hierzulande.“

„Hier in Wolfsburg konnten wir mittlerweile auch zeigen, dass es durch die Impfung einen sogenannten Kohortenschutz gibt. Lediglich etwas mehr als die Hälfte der Frauen der Jahrgänge 1993 und 1994 sind mit einem der HPV-Impfstoffe geimpft. Nun hat sich gezeigt: Condylome – sogenannte Genitalwarzen, die von HPV 6 und HPV 11 verursacht werden – sind komplett verschwunden, sowohl bei den geimpften als auch bei den nicht geimpften Frauen. Wir haben nur rund 600 Frauen beobachtet; mag sein, dass unter 6000 Frauen doch der eine oder andere Fall auftauchen würde. Das Entscheidende ist aber, dass es auch unter den Nicht-Geimpften weniger HPV-Infektionen gibt als bei früheren Jahrgängen. Diese profitieren von der Herdenimmunität.“

„Eine Studie aus Schottland [13] zeigt auch sehr gut die Herdenimmunität unter Mädchen bei guter Impfrate. Aus dieser lässt sich indirekt ableiten, dass durch das Impfen von Jungen ein ähnlicher Effekt erwartet werden kann – und übrigens in Australien auch beobachtet wurde.“

„Man kann in Modellen berechnen, wie die Impfquote sein müsste, um eine Herdenimmunität zu erreichen. Wenn man zum Beispiel weiß, dass 80 Prozent der Frauen geimpft sein müssten, damit keine einzige Frau durch eine HPV-Infektion Gebärmutterhalskrebs bekommt, und wenn man weiß, dass diese Quote in Realität nicht erreicht wird, dann kann es sinnvoll sein, auch Jungen zu impfen. Dann kann bei niedrigeren Impfraten bei Frauen dennoch durch die Impfung von Jungen die Herdenimmunität für die Mädchen und der Schutz vor Gebärmutterhalskrebs erreicht werden.“

„Die Impfung sollte auch aus anderen Gründen auf Jungen ausgedehnt werden. Zum Beispiel sterben in den USA an Kopf-Hals-Tumoren, die durch HPV (mit-)verursacht werden, mehr Männer als Frauen, und zwar sowohl in absoluten, als auch relativen Zahlen.“

„Ein wichtiger Grund, warum die Impfquote gegen HPV zu gering ist in Deutschland, ist: Kinderärzte sind mit den Krankheiten, die von humanen Papilloma-Viren verursacht werden, nicht konfrontiert: Gebärmutterhalskrebs, Zungengrundkrebs etc. entstehen erst oft erst viel später. Kinderärzte haben also mitunter kaum ein Gefühl für die Gefahr. Hier in der Frauenklinik habe ich schon hunderte Frauen an HPV-Krankheiten leiden und sterben sehen. Allein im vergangenen Jahr waren es rund 60 schwerkranke Frauen mit HPV-Infektionen und ein Teil von ihnen wird wohl daran sterben, leider. Weltweit sterben immer noch rund 300 000 Frauen pro Jahr an Gebärmutterhalskrebs, davon mehr als 1500 in Deutschland. Frauen mit Gebärmutterhalskrebs verlieren etwa 25 Lebensjahre; Männer mit Prostatakrebs etwa sechs Lebensjahre. Und: Brustkrebs ist längst im Bewusstsein aller – HPV-Krankheiten nicht.“

„Medizinisch würde eine Impfung auch noch mit Anfang 30 Sinn machen. Aber gesundheitsökonomisch macht das weniger Sinn, weil die Frauen dann sehr wahrscheinlich schon mindestens einmal mit den HPV-Hochrisiko-Typen in Kontakt gekommen sind und weil der Impfstoff so teuer ist. In Deutschland zum Beispiel liegen die Kosten für eine Impfung mit drei Dosen bei etwa 500 Euro. Wenn die Impfung nur zehn Euro kosten würde, dann würde es sich sogar rechnen, bis zu 45 Jahren zu impfen.“

„Es sollte so früh wie möglich geimpft werden. Denn wir wissen mittlerweile auch: Jene HPV-Infektionen, die zum Krebs führen, sind eher jene, die mit 15 Jahren erworben wurden, und nicht jene mit 45 Jahren. Das Alter ist also ein extrem wichtiger Faktor.“

„Das Cochrane Review hat keine Studien einbezogen, die den Neunfach-Impfstoff Gardasil-9 untersucht haben. Dabei gibt es diesen Impfstoff schon seit einigen Jahren auf dem Markt.“

Dr. Hedwig Roggendorf

Verantwortliche der Reise-Impfsprechstunde/ Gelbfieberimpfstelle am Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München (TUM)

„Die in Deutschland so geringe Durchimpfungsquote ließe sich einfach ändern: Niederschwellige, freiwillige Impfangebote in den Schulen! Durch schulbasierte Impfprogramme sind in England und Schottland mehr als 90 Prozent der 12 und 13 Jahre alten Mädchen gegen HPV geimpft. Auch in Australien und Kanada sind Schulimpfprogramme erfolgreich: Australien hat eine Durchimpfungsrate von rund 90 Prozent im Schulimpfprogramm und rund 80 Prozent bei den 9- bis 26-Jährigen; Kanada je nach Provinz bis zu 80 Prozent. In Norwegen und Rumänien wird ebenfalls an Schulen geimpft. [14]”

„Ein besonderer Erfolg der Impfstoffentwicklung sind die ‚Impfungen gegen Krebs’ wie die Impfung gegen Hepatitis B (Leberkrebs) und humane Papilloma-Viren (Gebärmutterhalskrebs u. a). Anders als die Impfung gegen Hepatitis B, mit einer Impfquote von 87,6 Prozent bei der Schuleingangsuntersuchung 2015, wird die Impfung gegen humane Papilloma-Viren weiterhin nur sehr unzureichend wahrgenommen.“

„Deutschlandweit waren nur 31 Prozent der 15-jährigen Mädchen im Jahr 2015 dreimal geimpft [1] . Die höchste Impfquote für eine vollständige Impfserie war mit 53 Prozent in Sachsen-Anhalt; die niedrigste mit 21,1 Prozent in Bayern, und das trotz Kostenübernahme durch die Krankenkassen. Und obwohl inzwischen weltweit mehr als 270 Millionen Impfstoffdosen verimpft worden sind und die Effektivität und Sicherheit belegt sind – mit der aktuellen Studie nun einmal mehr.“

„Wie Benjamin Franklin gesagt haben soll: ‚Eine Unze Prävention ist besser als ein Pfund Therapie.’ Dies müsste noch besser kommuniziert werden.“

Prof. MD Elmar A. Joura

Ambulanz für Cervix- und Vulvapathologie, Klinik für Allgemeine Gynäkologie und gynäkologische Onkologie, Medizinische Universität Wien (Österreich)

„Das systematische Review weist nach, dass die erste Generation der HPV-Impfungen sehr wirksam die Vorstufen des Gebärmutterhalskarzinoms verhindern und sehr sicher sind. Je jünger geimpft wird, desto effektiver ist die Impfung; die Wirksamkeit ist bis 45 Jahre dokumentiert. Leider wurden nicht die vorliegenden, sehr umfangreichen Daten der zweiten Generation, d. h. des Neunfach-Impfstoffs, beschrieben und auch nicht die Wirkung bei anderen Erkrankungen an Vulva, Scheide, Anus sowie Genitalwarzen und die Wirkung bei Männern beschrieben; dabei sind diese ebenfalls exzellent.“

PD Dr. Andreas M. Kaufmann

Leiter der Arbeitsgruppe Gynäkologische Tumorimmunologie, Klinik für Gynäkologie, Charité-Universitätsmedizin Berlin

„Dieses Cochrane Review bestätigt die hohe Effektivität und Sicherheit der Impfung gegen humane Papillom-Viren. Cochrane Reviews sind hochrangige Auswertungen von veröffentlichten Daten, um eine Übersicht über die verfügbare Evidenz zu einem Thema zu generieren. Arbyn und Kollegen haben das Thema Effektivität und Sicherheit der Impfung gegen humane Papillom-Viren untersucht. Hierzu wurden alle hochrangigen und qualitativ sehr gut durchgeführten Studien zusammengefasst und die Impfstoffgruppen mit den Placebo-Gruppen verglichen. Insgesamt 26 Publikationen mit 73 428 Teilnehmerinnen und Nachbeobachtung von bis zu acht Jahren nach Impfung wurden ausgewertet.“

„Es zeigte sich für Impflinge, die zum Impfzeitpunkt für die Hochrisiko-Typen HPV 16 und HPV 18 negativ waren, eine Abnahme eines Erkrankungsrisikos durch HPV-induzierte Krebsvorstufen um mehr als 99 Prozent: 164/10 000 bei Placebo-Geimpften auf 2/10 000 Personen bei HPV-Geimpften. Die Personen, die zum Impfzeitpunkt für die HPV-Impfstofftypen HPV16 und HPV 18 negativ waren, hatten eine Reduktion von durch diese Typen hervorgerufenen Vorstufen um 95 Prozent und eine Verhinderung aller kontrollwürdigen Krebsvorstufen von 59 Prozent unabhängig vom verursachenden HPV-Typ. Wenn der vorliegende HPV-Status bei den Impflingen nicht berücksichtigt wurde, war die Effektivität immer noch bei 54 Prozent für HPV16 und HPV 18 induzierte Krebsvorstufen und 30 Prozent für alle Krebsvorstufen. Die Effektivität gegen Karzinome wird noch darüber liegen, weil diese hauptsächlich durch HPV16 und HPV 18 hervorgerufen werden.“

„Die Analyse bestätigt auch die sehr hohe Sicherheit der HPV-Impfung, da in keiner Studie ein Signal für schwerwiegende Nebenwirkung gefunden wurde: Die Häufigkeit von Erkrankungen bis hin zu Todesfällen waren vergleichbar zwischen den Placebo- und Impfgruppen, und es wurde keinerlei Zusammenhang bezüglich Zeitpunkt oder Ursache dieser Vorfälle mit der HPV-Impfung gesehen.“

„Damit bestätigt das Cochrane Review die zuvor durchgeführten Untersuchungen und die uneingeschränkten Empfehlungen der generellen HPV-Impfung durch deutsche und internationale Autoritäten, insbesondere die Empfehlungen der International Papillomavirus Society [15] [16] und des Globalen Beratenden Ausschuss für Impfstoffsicherheit der Weltgesundheitsorganisation (Global Advisory Committee on Vaccine Safety, GACVS) [17]. Hinsichtlich deutscher Institutionen: Die HPV-Impfung wird uneingeschränkt empfohlen von der Ständigen Impfkommission [I], dem Paul-Ehrlich-Institut, den Gynäkologischen Fachgesellschaften sowie weiterer Fachgesellschaften sowie der Leitliniengruppe HPV-Management Forum [II].“

„Jegliche bisherigen Informationen über eine Gefährdung durch HPV-Impfung sind völlig unbegründet und vermindern den Schutz von Frauen vor vermeidbarer Erkrankung bei Unterlassung der Impfprävention.“

„Die prophylaktische HPV-Impfung gegen die häufigsten krankheitsrelevanten humanen Papillom-Viren ist in Deutschland derzeit von der Ständigen Impfkommission für alle Mädchen und jungen Frauen im Alter zwischen 9 und 14 Jahren mit zwei Impfdosen und zwischen 15 und 17 Jahren mit drei Impfdosen empfohlen und wird vom Gesundheitssystem finanziert. Impfquoten in Deutschland betragen aber nur etwa 50 Prozent und der Impfzeitpunkt liegt eher im Alter über 14 Jahre, was die Effektivität der Impfung beeinträchtigt und die Kosten erhöht.“

„Mit dem Beleg der hohen Effektivität und Sicherheit und der uneingeschränkten Empfehlung der HPV-Impfung braucht es in Deutschland eine konzertierte Aktion, um Frauen zukünftig vor vermeidbarer Erkrankung und Tod zu schützen.“

„HPV Infektionen betreffen jede und jeden. Wir haben heute eine höchst effektive und sichere Impfmethode, die wichtigsten krankheitsinduzierenden HP-Viren zu verhindern und damit zukünftig die Erkrankungen erheblich zu reduzieren. Dies ist bereits sichtbar in Ländern mit hohen Durchimpfungsquoten wie Australien und Schottland. In Deutschland erreichen wir diese notwendigen Impfquoten leider nicht, und wir haben keine Messsysteme verfügbar, die uns die Effektivität im deutschen Gesundheitssystem belegen.“

„Die HPV-Impfung wurde ursprünglich empfohlen für die Verhinderung von Erkrankung bei Mädchen und Frauen. Heute wissen wir auch um die Krankheitslast – wie Genitalwarzen und Mund-Rachenkrebs – bei Jungen und Männern, die durch HPV hervorgerufen wird. Und wir wissen, dass diese Krankheitslast ebenso durch Impfung reduziert werden kann. Daher ist es Zeit, auch Jungen in die Impfempfehlung mit aufzunehmen.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

PD Dr. Andreas M. Kaufmann: „Andreas Kaufmann hat Studienfinanzierung und Vortragshonorare von Firmen erhalten, die Impfstoffe und HPV-Screeningtests entwickeln und vermarkten (Roche, AID/GenID, Mikrogen, GSK, Merck). Er erhielt Bundesmittel und EU-Forschungsgelder zu dieser Thematik.“

Prof. MD Elmar A. Joura: „Investigator und Autor bei mehreren klinischen HPV-Impfstudien.“

Prof. Dr. Karl Ulrich Petry: „1. Vor drei Jahren Mitglied in einem Advisory Board der Firma Merck. 2. Die Firma MSD finanziert eine epidemiologische Studie der Frauenklinik.“

Prof. Dr. Catharina Maulbecker-Armstrong: „Keine“

Alle anderen: Keine Angaben erhalten.Keine angegeben.

Primärquelle

Arbyn M et al. (2018): Prophylactic vaccination against human papillomaviruses to prevent cervical cancer and its precursors. Cochrane Database of Systematic Reviews 2018; 5, Art. No.: CD009069. DOI: 10.1002/14651858.CD009069.pub3.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Rieck T et al. (2018): Aktuelles aus der KV-Impfsurveillance – Impfquoten ausgewählter Schutzimpfungen in Deutschland. Epidemiologisches Bulletin;(1):1-14.

[2] Remschmidt D et al. (2014): Knowledge, attitude, and uptake related to human papillomavirus vaccination among young women in Germany recruited via a social media site. Hum Vaccin Immunother; 10(9):2527-35. DOI: 10.4161/21645515.2014.970920

[3] Rieck T et al. (2014): Utilization of administrative data to assess the association of an adolescent health check-up with human papillomavirus vaccine uptake in Germany. Vaccine;32(43):5564-9. DOI: 10.1016/j.vaccine.2014.07.105

[4] Thaiss H et al. (2010): Früherkennungsuntersuchungen als Instrument im Kinderschutz. Erste Erfahrungen der Länder bei der Implementation appellativer Verfahren. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz;53(10):1029-47.

[5] Australia NHVPR: National (Australia) HPV 3 dose vaccination coverage for adolescents turning 15 years of age.

[6] Canada S. Childhood National Immunization Coverage Survey, 2013.

[7] Public Health England (2016): HPV vaccine coverage data for vaccinations given from 1 September 2015 to 31 August 2016 by local authority and area team.

[8] Bundesamt für Gesundheit (2017): Kantonales Durchimpfungsmonitoring Schweiz

[9] Sackmann A et al. (2018): Hysterektomiekorrigierte Inzidenz und Mortalität von Gebärmutterhalskrebs in Deutschland. GMS Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie; 14(1). DOI: 10.3205/mibe000181.

[10] Gruner LF et al. (2017): HPV-Schutz – Impfen macht Schule. Der Allgemeinarzt, 39(14):26-28.

[11] Brotherton JML et al. (2017): Population-based HPV vaccination programmes are safe and effective: 2017 update and the impetus for achieving better global coverage. Best Practice & Research: Clinical Obstetrics and Gynaecology; 47:42-58. DOI: 10.1016/j.bpobgyn.2017.08.010.

[12] Sankaranarayanan R (2016): Immunogenicity and HPV infection after one, two, and three doses of quadrivalent HPV vaccine in girls in India: a multicentre prospective cohort study. Lancet Oncol; 17(1):67-77. DOI: 10.1016/S1470-2045(15)00414-3.

[13] Kavanagh K et al. (2017): Changes in the prevalence of human papillomavirus following a national bivalent human papillomavirus vaccination programme in Scotland: a 7-year cross-sectional study. Lancet Inf Dis; 17(12):1293-1302. DOI: 10.1016/S1473-3099(17)30468-1.

[14] Bonanni P et al. (2011): An overview on the implementation of HPV vaccination in Europe. Human Vaccines; 7(sup1):128-135, DOI: 10.4161/hv.7.0.14575.

[15] Garland et al. (2017): HPV vaccination of immunocompromised hosts. Papillomavirus Research; 4: 35-38. DOI: 10.1016/j.pvr.2017.06.002.

[16] Garland et al. (2018): IPVS Statement Moving towards Elimination of Cervical Cancer as a Public Health Problem. Papillomavirus Research; 5:87-88. DOI: 10.1016/j.pvr.2018.02.003.

[17] WHO Global Advisory Committee on Vaccine Safety: Safety update of HPV vaccines, 7–8 June 2017.

Literaturstellen, die von der SMC-Redaktion zitiert wurden

[I] Ständige Impfkommission (STIKO): Impfkalender (Standardimpfungen) für Säuglinge, Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Stand: 24.08.2017.

[II] Leitliniengruppe HPV-Management Forum: Leitlinie „Impfprävention HPV-assoziierter Neoplasien“

[III] Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (Österreich): HPV-Impfung in Österreich.

[IV] Bundesamt für Gesundheit (Schweiz): Humane Papillomaviren (HPV)

Weitere Recherchequellen

Leitlinie „Prävention des Zervixkarzinoms“

Krebsinformationsdienst: HPV als Krebsrisiko

Hintergrundinformationen

Empfehlungen zu HPV-Impfungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz

In Deutschland sind momentan zwei HPV-Impfstoffe verfügbar: Cervarix wirkt gegen HPV 16 und HPV 18; Gardasil-9 wirkt gegen HPV 16 und HPV 18 sowie gegen HPV 6 und HPV 11, die häufigsten Erreger von Genitalwarzen, sowie fünf weitere HPV-Typen. Beide Impfstoffe enthalten keine vollständigen Viren und lösen somit keine HPV-Infektion aus.

In Deutschland empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) als Standardimpfung, Mädchen zwischen 9 und 14 Jahren zweimal im Abstand von fünf Monaten zu impfen. Bis zum 18. Geburtstag kann die Impfung nachgeholt werden, dann aber mit drei statt zwei Dosen. Krankenkassen übernehmen die Kosten [I]. Die Leitlinie „Impfprävention HPV-assoziierter Neoplasien“ empfiehlt, auch Jungen zu impfen, und zwar ab dem neunten Lebensjahr. [II]

In Österreich ist der Neunfach-Impfstoff Teil des nationalen, kostenfreien Impfprogramms „für Mädchen und Buben vom vollendeten 9. Lebensjahr bis zum vollendeten 12. Lebensjahr“; Nachholimpfung sind zum „vergünstigten Selbstkostenpreis“ möglich [III].

In der Schweiz wird die HPV-Impfung allen im Alter von 11 bis 14 Jahren empfohlen; den Mädchen als Basisimpfung, den jungen als ergänzende Impfung; 15- bis 26-Jährige können die HPV-Impfung nachholen. Die Impfung ist kostenlos für 11- bis 26-Jährige im Rahmen der kantonalen Impfprogramme [IV].