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26.06.2018

Glioblastom-Therapie mit rekombinantem Poliovirus wohl zu optimistisch

Da Glioblastom ist ein Hirntumor, gegen den die Medizin trotz Operation, Bestrahlung und Chemotherapie bisher machtlos ist, weil er sehr schnell wächst und weil selbst bei erfolgreicher Therapie oft innerhalb eines Jahres ein Rückfall (Rezidiv) auftritt. Eine gentechnisch hergestellte Kombination aus Polio- und Rhinovirus, die direkt in das Tumorgewebe injiziert wird, verlängert angeblich das Leben von Patienten mit Glioblastom, einem Hirntumor vom Grad 4.

Ein Forscher-Team der Duke University in den USA hat in einer Studie das rekombinante Virus bei 61 Patienten mit Glioblastom getestet. Die Virus-Chimäre war so verändert, dass sie Zellen über den Poliovirus-Rezeptor CD155 infiziert, ohne jedoch neurotoxisch zu wirken: Das Virus, das eigentlich zur Kinderlähmung führt, wurde gentechnisch so verändert, dass es zum Beispiel keine Lähmungen auslösen kann. Nach Angaben der Forscher wird CD155 besonders häufig in Tumoren exprimiert. Weil das gentechnisch veränderte Virus in den Krebszellen angereichert wird, soll es dort lokale Immunreaktionen auslösen, sodass die Glioblastom-Zellen für das körpereigene Immunsystem sichtbar werden und bekämpft werden können.

Von den insgesamt 61 behandelten Patienten lebten 24 Monate nach dem Eingriff noch acht Patienten (21 Prozent) und 48 Monate nach dem Eingriff noch mindestens drei (bei den anderen fünf Versuchsteilnehmern waren noch keine 48 Monate seit der Behandlung vergangen); zwei Patienten lebten auch noch 69 bzw. 70 Monate nach der Therapie. In einer historischen Kontrollgruppe mit 104 Patienten, die früher am selben Universitätskrankenhaus behandelt worden waren, lebten nach 24 Monaten noch 14 (13 Prozent) und nach 48 Monaten noch zwei Patienten (zwei Prozent). Allerdings unterscheiden sich beide Gruppen, also die Interventionsgruppe und die retrospektive Kontrollgruppe; und viele der Probanden wurden neben der Immuntherapie noch mit anderen experimentellen Therapien behandelt.

Die Ergebnisse wurden am 26.06.2018 auf der in Bergen (Norwegen) stattfindenden International Conference on Brain Tumor Research and Therapy vorgestellt und zeitgleich im New England Journal of Medicine (NEJM) online vorab veröffentlicht (siehe *Primärquelle). Bereits früher gab es wissenschaftliche Publikationen zu dieser Langzeit-Studie [I] [II]. Die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA hatte im Jahr 2016 dem rekombinanten Virus die Bezeichnung „Durchbruch-Therapie“ für Patienten mit wiederkehrendem Glioblastom zuerkannt [III] [IV]. Jetzt werden aktualisierte Daten vorgestellt, die bis zum Stichtag 20.03.2018 erhoben worden waren.

Außerdem beginnt gerade eine Studie der Phase 2 [V], die prüfen soll, ob sich die Ergebnisse an einer größeren Patientengruppe reproduzieren lassen.

 

Übersicht

  • Prof. Dr. Klaus Cichutek, Präsident, Paul-Ehrlich-Institut – Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel (PEI)
  • Prof. Dr. Wolfgang Wick, Leiter der Klinische Kooperationseinheit Neuroonkologie, Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), und Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT), Heidelberg
  • Dr. Guido Wollmann, Leiter des Christian Doppler Forschungslabors für virale Immuntherapie von Krebs, Sektion für Virologie, Medizinische Universität Innsbruck

Statements

Prof. Dr. Klaus Cichutek

Präsident, Paul-Ehrlich-Institut – Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel (PEI)

„Die Therapieoptionen beim Glioblastom sind nach wie vor sehr beschränkt. Daher sind neue Ansätze dringend von Nöten. Die Publikation im NEJM kommt in der Tat nicht unerwartet, da bereits auf Konferenzen dazu berichtet wurde. Zudem reiht sie sich in weitere Ansätze mit anderen onkolytischen Viren bzw. Gentherapeutika ein. So war bereits in 2016 über die Behandlung von Gliompatienten mit einem Gentherapeutikum in einer Phase-1-Studie berichtet worden [1]. Dies schmälert nicht die Bedeutung von PVSRIPO und dem vorliegenden Beitrag. Vielmehr müssen alle neuen Therapieoptionen für diese Patientengruppe intensiv verfolgt werden. Dies gilt auch für die Virotherapie, da die Fähigkeit von onkolytischen Viren, Tumorgewebe selektiv zu zerstören und dadurch dem Immunsystem Antigene im Kontext von Virusproteinen zu präsentieren, sich grundlegend von anderen Strategien der modernen Krebsforschung unterscheidet. Die geplante größere Studie [II] ist nun wichtig, um die bisherigen Ergebnisse zu bestätigen und zu erweitern sowie dem Ziel einer Zulassung des Arzneimittels näher zu kommen.“

„Beim Glioblastom handelt es sich um eine schwer zu behandelnde und oft tödlich verlaufende Krebsart. Die Patienten wurden bisher in eine Phase-1/2-Studie eingeschlossen und behandelt. Ziel der Studie war es, die geeignete Dosis zu finden und erste Daten zur Sicherheit zu generieren. Zusätzliche Studien sind notwendig, um aufbauend auf dieser ‚explorativen’ Studie zu erforschen, ob die Prüfsubstanz wirksam ist. Dafür sind bekanntermaßen größere Patientenzahlen in Prüfungen der Phase 2 und Phase 3 notwendig.“

Prof. Dr. Wolfgang Wick

Leiter der Klinische Kooperationseinheit Neuroonkologie, Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), und Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT), Heidelberg

„Diese unkontrollierte Phase-1-Studie, in der Patienten mit einem rekombinanten Poliovirus in dem Bereich des Tumors behandelt worden sind, ist interessant. Insgesamt wurden 61 Patienten über einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren therapiert. Die Dauer des Einschlusses und die überschaubare Anzahl der Patienten spricht in einem der weltgrößten Hirntumorzentren für eine erhebliche Patientenselektion bzw. Vorsicht beim Einschluss in die Studie.“

„Die Patienten erfüllten formal klassische Einschlusskriterien für eine Rezidiv-Studie. Ohne Kontrollarm ist eine solche Studie hinsichtlich des Auftretens sogenannter Pseudoprogressionen vor Einschluss der Patienten in die Studie vulnerabel, das heißt, es ist nicht möglich zu entscheiden, ob wirklich alle Patienten einen wachsenden Tumor hatten oder möglicherweise Hinweise für entzündliche Veränderungen nach der vorhergehenden Therapie bestehen. Die Autoren der Studie adressieren diese Problematik, indem sie darauf hinweisen, dass die Patienten, bei denen eine Autopsie durchgeführt werden konnte, Hinweise für einen Hirntumorbefall des Gehirns hatten.“

„Die Toxizitätsergebnisse sind gut; hierfür wurde die Studie ausgelegt. Dass jetzt auch versucht wird, aus den Effektivitätsdaten im Vergleich zu einer historischen Kontrolle der Hinweis oder sogar Beweis für eine relevante Effektivität der Studie abzuleiten, halte ich für unseriös. Das Zentrum in Duke hat eine leider ungünstige Geschichte dieser Überinterpretation unkontrollierter Studienergebnisse (Ergebnisse aus Studien ohne Kontrollgruppe zum Vergleich; Anm. d. Red.). Zuletzt wurde eine große randomisierte Phase-3-Studie [2], in der viele tausend Patienten für den Studieneinschluss untersucht worden sind, publiziert, die eine ebenfalls kleinere und angeblich kompetitiv gegenüber historischen Kontrollen bewertete Studie in keiner Weise reproduzieren konnte. In dieser Studie stellte sich heraus, dass die untersuchte Impftherapie überhaupt keine Effekte auf den Verlauf der Tumorerkrankung hatte.“

„Ohne zu vermuten, dass es in diesem Fall ähnlich ist, gibt es Hinweise, dass die Ergebnisse schlicht nicht seriös interpretierbar sind: Dazu gehört, dass die Patienten in der sogenannten Dosis-Expansionsphase der Studie, die immerhin 52 der 61 Patienten betroffen hat, in unmittelbarem Anschluss an die Virusbehandlung eine zusätzliche Therapie erhielten. Diese Therapie bestand bei vielen der Patienten aus Bevacizumab, einem Medikament, das in erheblichem Maße Bildgebungen positiv beeinflusst, wie man auch an den Abbildungen in der Fachpublikation sehen kann; gleichzeitig aber leider das Überleben von Patienten in vergleichenden Studien [3] nicht verändert hat.“

„In der Summe halte ich den Wirkmechanismus des eingesetzten Virus für attraktiv. Jedoch finde ich die Effektivitätsunterschiede der Daten nicht aussagekräftig. Und das Fehlen substanzieller wissenschaftlicher Untersuchungen zu ansprechenden bzw. nicht ansprechenden Patienten ist eine klare Limitation für die weitere Entwicklung der Therapie.“

Auf die Frage, inwiefern die Interventions- und die Kontrollgruppe sich in grundlegenden Charakteristika unterscheiden und welche Bedeutung dies für die Ergebnisse insbesondere zum Langzeit-Überleben haben könnten:
„Einerseits ist es beeindruckend, dass offenbar acht Patienten längerfristig ein Plateau erreicht haben, d.h. über einen Zeitraum von mehreren Jahren überleben. Andererseits sind spontan langzeitüberlebende Patienten in der bisherigen Entwicklung in der Neuroonkologie meist das Produkt molekularer Ausgangsvoraussetzungen im Tumorgewebe wie einer vermehrter IDH-Mutation in den virusbehandelten Patienten – und unerfreulicher Weise nicht das Produkt der eigentlichen Therapie.“

„Die bereits mehrfach in Teilen präsentierten Studienergebnisse zeigen aus meiner Sicht die Durchführbarkeit des Ansatzes, helfen jedoch insbesondere wegen der massiven Co-Behandlung der Patienten und der konzeptionellen Mängel bei der Verwendung historischer Kontrollen nicht, die Therapie klinisch einzuordnen.“

„Nachdem in der Virusgruppe Bevacizumab zumindest in der Erweiterungskohorte regelmäßig als Co-Therapie eingesetzt worden ist, spielt dieses Ungleichgewicht aufgrund der limitierten Behandlungsoptionen in der historischen Kontrolle natürlich eine Rolle. Wenn eine Behandlung mit Bevacizumab versagt, führt dies zu einer rascheren Progression (Fortschreiten der Erkrankung; Anm. d. Red.).“

„Aufgrund der sehr geringen Fallzahl – für die langzeitüberlebenden Patienten werden Zahlen unter 10 genannt – halte ich die Daten bei 24 und 36 Monaten für interessant, aber in keiner Weise hinweisend oder gar belegend für eine Effektivität der Therapie.“

„Prinzipiell halte ich die Polio-Rhinoviren für nicht uninteressant. Es scheint einen gewissen Tumorzelltropismus über CD155 zu geben (Fähigkeit des Virus’, einen Tumor über den Rezeptor CD155 zu infizieren; Anm. d. Red.), der Nebenwirkungen limitieren sollte.“

„Dass es Dosisanpassungen gab, ist bei einer direkten Therapie im Gehirn nicht ungewöhnlich, spricht aber für eine weitere wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Wirkmechanismus und möglicherweise in Frage kommenden bzw. auszuschließenden Patientengruppen. Inwiefern die Effekte direkte Virustoxizität darstellen oder einen indirekten immunstimulierenden Mechanismus bewirken, müsste untersucht werden.

„Ich wäre sehr verwundert, wenn die Daten, die aus meiner Sicht unkontrolliert und hinsichtlich der klar auf die Virustherapie zurückzuführenden Effekte sehr limitiert sind, für eine vorläufige Zulassung des Präparats ausreichen würden. Allerdings scheint es diese Möglichkeit zu geben. Nicht zuletzt Bevacizumab wurde vor vielen Jahren aufgrund unkontrollierter Daten unter Mitwirkung des auch aktuell federführenden Zentrums in den USA vorläufig zugelassen. Eine endgültige Zulassung erfolgte dann aufgrund einer von mir geleiteten Studie, die hinsichtlich des primären Endpunkts im Gesamtüberleben negativ war, aber hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens positiv verlaufen ist. Für einen Neuroonkologen und bei der Untersuchung von Medikamenten leidgeprüften Wissenschaftler gibt die Mischung aus Virusbehandlung und Bevacizumab dem vorliegenden Konzept einen seltsamen Beigeschmack.“

Dr. Guido Wollmann

Leiter des Christian Doppler Forschungslabors für virale Immuntherapie von Krebs, Sektion für Virologie, Medizinische Universität Innsbruck

„Die Ergebnisse der aktuellen Studie bestätigen die Kernaussagen, die das Forscherteam in den vergangenen Jahren bereits bei Kongressen vorgestellt hat. Unerwartet bei diesem Update war die Menge an Versuchsteilnehmern: Mittlerweile gibt es 61 Probanden. Das sind relativ viele für eine Phase-1-Studie und liefert eine solidere Datenlage.“

„Wenn man sich die Überlebenskurve in der Fachpublikation ansieht, dann erkennt man: In den ersten 18 Monaten sind die Überlebenskurven für die Patienten, die das Virus bekommen haben, und jene für die historische Kontrollgruppe fast deckungsgleich – erst danach sieht man einen Unterschied: In der Kontrollgruppe sterben weiterhin Patienten; von den behandelten Patienten überleben einige noch länger oder leben nach wie vor. Dies impliziert: Patienten, die per se auf eine Therapie ansprechen, sprechen für lange Zeit auf die Therapie an. Dieses Phänomen sieht man auch in der Immuntherapie gegen Krebserkrankungen.“

„Die veröffentlichte Studie macht Hoffnung, dass die Virustherapie bald auch bei bösartigen Gehirntumoren zum Einsatz kommen könnte. Dieser Konjunktiv ist bewusst gewählt: Erst wenn in einer größeren Studie mit kontrollierter Vergleichsgruppe ein therapeutischer Nutzen nachgewiesen wird, kann von einer möglichen neuen Therapieoption gesprochen werden.“

„Die Aussage, dass momentan bei 20 Prozent Überlebenswahrscheinlichkeit ein Plateau erreicht ist, ist nicht unbedingt falsch, aber durchaus grenzwertig. Denn bislang haben lediglich 2 der 61 Probanden mindestens sechs Jahre überlebt. Von den anderen, die noch leben, haben einige erst vor rund einem Jahr das rekombinante Virus erhalten. Für diese Personen liegen also noch keine Langzeit-Daten vor. Wahrscheinlich werden einige von ihnen leider auch noch sterben. Insofern ist die aktuelle Überlebenskurve etwas beschönigt. In zwei Jahren kann sie ganz anders aussehen und die Langzeit-Überlebenswahrscheinlichkeit somit doch noch unter 20 Prozent sinken.“

„Eine Phase-1-Studie ist die Phase klinischer Studien, in der man ein Medikament erstmals am Menschen testet. Da geht es um die Sicherheit der Substanz und darum, die richtige Dosis zu finden. Insofern kann man hier nur historische Daten zum Vergleich heranziehen. Den wahren therapeutischen Effekt, den Nutzen gegenüber der aktuellen Standardtherapie, wird man aber nur erfahren, wenn man eine randomisiert-kontrollierte Studie durchführt (eine Studie, in der die Versuchsteilnehmer zufällig auf Interventions- oder Kontrollgruppe verteilt werden; Anm. d. Red.). Eine Phase-2-Studie mit dem modifizierten Poliovirus rekrutiert gerade Probanden [V].“

„Die beiden Untersuchungsgruppen in dieser Studie unterscheiden sich zum Beispiel im Hinblick auf Bevacizumab, wobei ein ausgeprägter Einfluss auf den Langzeitstudienverlauf eigentlich nicht zu erwarten ist: Studien haben gezeigt, wer auf das Medikament anspricht, spricht initial an, aber hat kaum einen Vorteil beim Langzeitüberleben. Außerdem sind mittlerweile einige Biomarker bekannt, die sowohl prognostisch als auch prediktiv sind, d.h. wer den Biomarker hat, lebt länger und spricht auch besser auf die Therapie an. In der Kontrollgruppe gibt es wenige bis gar keine Informationen dazu; also bleibt unklar, wie ähnlich oder verschieden die Kontrollgruppe ist.“

„Durch die Infektion mit dem rekombinanten Poliovirus im Tumor kommt es zu einer Entzündung. Das ist durchaus gewollt, weil so das Immunsystem aktiviert wird und gegen das Virus vorgeht und damit zugleich gegen den Tumor. Im Gehirn ist das allerdings problematisch, denn: Wenn die Entzündung zu stark ist, dann schwillt das Gehirn an, es kann zu neurologischen Ausfällen bis hin zum Koma kommen. Solch ein Hirn-Ödem ist eine sehr kritische Nebenwirkung und ist in dieser Studie aufgetreten, vor allem bei höheren Dosen. Um die Schwellung zu reduzieren, mussten die Probanden mit Glukokortikoid-Steroiden behandelt werden, aber die wirken auch immunsupprimierend, hemmen also die Immunantwort, die man ja eigentlich gegen den Tumor erzeugen möchte. Eine gute Balance zu finden, ist eine delikate Angelegenheit. Mittlerweile verwenden die Duke-Forscher daher eine Dosis, die geringer ist als jene Minimaldosis, die man zu Beginn der Studie im Sinn hatte.“

„Dass die FDA das rekombinante Poliovirus gegen das Glioblastom als ‚Durchbruch-Therapie’ eingestuft hat [III] [IV], hat dazu geführt, dass die ganze Welt über diese eine Studie der Duke University gesprochen hat. Einerseits ist das gut, weil so das gesamte Forschungsgebiet der sogenannten onkolytischen Viren wahrgenommen wird als stark beforschtes Gebiet mit viel Potenzial. Andererseits gibt es ähnliche Studien, die auch wichtige Ergebnisse gezeigt haben, ohne den FDA-Status bekommen zu haben, mit dementsprechend geringerer Aufmerksamkeit.“

„Wenn die FDA einem Produkt die ‚breakthrough therapy designation’ gibt, also das Label ‚Durchbruch-Therapie’, dann klingt das zunächst wie: ‚Das ist die Revolution. Das wird funktionieren.’ Aber so ist es nicht. Das Label dient dazu zu signalisieren: Das sieht vielversprechend aus und sollte schnell in einer Vergleichsstudie genauer untersucht werden. Damit das vermeintliche Durchbruch-Medikament dann zugelassen wird, muss es die klinischen Studien-Phasen genauso durchlaufen wie andere Präparate auch. Die Entwicklung einer Therapie wird mit dem FDA-Label ‚Durchbruch-Therapie’ also nicht weniger aufwändig und auch nicht preiswerter – nur schneller.“

„Was sehr wichtig ist im Zusammenhang mit dieser Studie: Eine Phase-1-Studie wird normalerweise mit gesunden Versuchsteilnehmern durchgeführt, im Bereich von Krebs werden allerdings bereits Patienten in die Studien aufgenommen. Der Hauptfokus liegt auf der Erfassung möglicher unerwünschter Nebenwirkungen und auf der Bestimmung der optimalen Dosis. Erst danach folgen in weiteren, wesentlich umfangreicheren Studien die Vergleiche mit Standardtherapien und damit die eigentliche Testung der Effektivität. Aber weil diese Studien so teuer sind, versucht man bereits bei Phase-1-Studien Trends für einen therapeutischen Nutzen abzugreifen. Diese Trends können dann helfen, den Weg zu den deutlich teureren Studien der Phase 2 und 3 zu ebnen.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Dr. Guido Wollmann:
„Ich leite ein Labor, welches zum Teil durch Industriegelder unterstützt wird (über das Christian Doppler Forschungsprogramm in Österreich). Meine Industriepartner sind im Bereich Immuntherapie (Boehringer Ingelheim) und Virotherapie (ViraTherapeutics GmbH) aktiv.“

Alle anderen:
Keine angegeben.

Primärquelle

Desjardins A et al. (2018): Recurrent Glioblastoma Treated with Recombinant Poliovirus (PVSRIPO). NEJM. DOI: 10.1056/NEJMoa1716435.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Cloughesy TF et al. (2016): Phase 1 trial of vocimagene amiretrorepvec and 5-fluorocytosine for recurrent high-grade glioma. Sci Transl Med; 8(341):341ra75. DOI: 10.1126/scitranslmed.aad9784.

[2] Weller M et al. (2017): Rindopepimut with temozolomide for patients with newly diagnosed, EGFRvIII-expressing glioblastoma (ACT IV): a randomised, double-blind, international phase 3 trial. Lancet Oncology; 18:1373–1385. DOI: 10.1016/S1470-2045(17)30517-X.

[3] Wick W et al. (2017): Lomustine and Bevacizumab in Progressive Glioblastoma. NEJM; 377:1954-1963. DOI: 10.1056/NEJMoa1707358.

Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Brown MC (2014): Induction of Viral, 7-Methyl-Guanosine Cap-Independent Translation and Oncolysis by Mitogen-Activated Protein Kinase-Interacting Kinase-Mediated Effects on the Serine/Arginine-Rich Protein Kinase. J Virol.; 88(22): 13135–13148. DOI: 10.1128/JVI.01883-14.

[II] Studie “PVSRIPO for Recurrent Glioblastoma (GBM) (PVSRIPO)” im Studienregister von ClinicalTrials.gov.

[III] Friends von Cancer Research: Breakthrough Therapies Designation and Approval.

[IV] Cancer Updates, Research & Education (cure) (2016): FDA Accelerates Development of Polio Virus Treatment for Brain Cancer.

[V] Studie “PVSRIPO With/Without Lomustine” im Studienregister von ClinicalTrials.gov.

Weitere Recherchequellen

Lewis R (2017): Poliovirus To Treat Brain Cancer: A Curious Chronology. PLoS Blogs.

Monticelli M et al. (2018): The post-surgical era of GBM: How molecular biology has impacted on our clinical management. A review. Clin Neurol Neurosurg; 170:120-126. DOI: 10.1016/j.clineuro.2018.05.015.

Thompson EM et al. (2018): Poliovirus Receptor (CD155) Expression in Pediatric Brain Tumors Mediates Oncolysis of Medulloblastoma and Pleomorphic Xanthoastrocytoma. J Neuropathol Exp Neurol. DOI: 10.1093/jnen/nly045.

Gromeier M et al. (2018): Recombinant Poliovirus for Cancer Immunotherapy. Annual Review of Medicine; 69:289-299. DOI: 10.1146/annurev-med-050715-104655

Science Media Center Germany (2017): Arzneimittel: Von der Entwicklung bis zur Zulassung. Fact Sheet. Stand: 02.12.2017.