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10.09.2018

EEG-Umlage: Weniger Ausnahmen erhöhen die Akzeptanz

Die Deutschen wären viel bereiter, die EEG-Umlage zu bezahlen, wenn es keine Ausnahmen von der Umlage für energieintensive Betriebe gäbe. Das schreiben Mark Andor, Manuel Frondel und Stefan Sommer vom RWI Essen in "Nature Energy" (siehe *Primärquelle). Die Wissenschaftler stützen sich auf eine Umfrage unter 11.000 Bürgern. Sie wurden gefragt, ob sie bereit wären, 1, 2 oder 4 Cent mehr pro Kilowattstunde (kWh) zu zahlen. Die Auswertung der Antworten zeigte nun, dass die Befragten die Ausnahmen für die energieintensive Industrie als ungerecht empfanden und ihre Bereitschaft sank, die Umlage zu zahlen. Wurde in der Umfrage jedoch nach der Akzeptanz der Umlage gefragt, wenn diese Ausnahmen abgeschafft würden, verdoppelte sich die Bereitschaft.

Die Forscher ziehen aus ihrer Studie den Schluss, dass eine gerechtere Verteilung der Kosten für die Energiewende oder vergleichbare Maßnahmen zur Rettung des Klimas wie etwa die Einführung einer CO2-Steuer die Bereitschaft der Bürger beträchtlich erhöhte, diese Kosten zu tragen.

 

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
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  • Dr. Patrick Graichen, Direktor, Agora Energiewende
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  • Prof. Dr. Claudia Kemfert, Abteilungsleiterin der Abteilung "Energie, Verkehr und Umwelt", Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin
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  • Dr. Brigitte Knopf, Generalsekretärin, Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC), Berlin
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  • Prof. Dr. Ortwin Renn, Wissenschaftlicher Direktor und Vorstand, Institute of Advanced Sustainability Studies e.V. (IASS), Potsdam
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Statements

Prof. Dr. Volker Quaschning

Professor für Regenerative Energiesysteme, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin

„Die Studie impliziert in der Fragestellung sehr unglücklich, dass für das Erreichen eines regenerativen Anteils an der Stromerzeugung von 35 Prozent Mehrkosten bei der EEG-Umlage zwischen 1 und 4 Cent/kWh zu erwarten wären. Der genannte Anteil von rund 35 Prozent wurde inzwischen bereits näherungsweise erreicht, ohne dass seit dem Befragungszeitraum die EEG-Umlage signifikant angestiegen wäre. Das könnte bei den Befragten den Eindruck erwecken, dass höhere Ausbauziele mit noch deutlich größeren Mehrkosten verbunden sind. Somit nährt die Studie – vermutlich ungewollt – völlig grundlos das Schreckgespenst der ausufernden Kosten durch die Energiewende.“

„Gleichermaßen zeigt die Studie, dass die Bereitschaft bei den Bürgern groß ist, für eine erfolgreiche Energiewende auch spürbare Mehrkosten zu akzeptieren. Die Studie zeigt, dass eine gerechte und gut kommunizierte Verteilung der Kosten der Energiewende wichtig ist. Ausnahmen für bestimmte Gruppen, wie hier die energieintensiven Betriebe, müssen gut und für alle nachvollziehbar kommuniziert werden. Außerdem sollten Ausnahmen zeitlich befristet und regelmäßig auf ihre Notwendigkeit hin überprüft werden.“

Dr. Patrick Graichen

Direktor, Agora Energiewende

„Eine deutliche Steigerung der EEG-Umlage wird es auch bei einem ambitionierten Ausbau Erneuerbarer Energien nicht geben. Insofern hat die Studie etwas abgefragt, was gar nicht zur Diskussion steht. Gleichwohl haben die Forscher jedoch bestätigt, wie überaus groß die Akzeptanz für die Förderung Erneuerbarer Energien in Deutschland quer durch alle Bevölkerungsgruppen ist. Und sie haben gezeigt, dass die Zahlungsbereitschaft der privaten Haushalte sogar noch größer wäre, wenn die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie nicht über EEG-Ausnahmen gesichert würde. Dieses ist tatsächlich eine gesamtstaatliche Aufgabe, die daher aus dem öffentlichen Haushalt bestritten werden sollte. Genauso wie die Kosten der Technologieeinführung von Photovoltaik Ende der Nuller-Jahre und die der Offshore-Windkraft heute, die wir ebenfalls aus der EEG-Umlage zahlen. Die Studie ist daher ein starkes Indiz dafür, dass die Bürger es begrüßen würden, wenn die Politik die Abgaben und Umlagen auf Energiepreise neu ordnen würden. Damit könnte die EEG-Umlage sogar fast halbiert werden.“

Prof. Dr. Claudia Kemfert

Abteilungsleiterin der Abteilung "Energie, Verkehr und Umwelt", Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin

„Die Studie zeigt eindrucksvoll, dass die Akzeptanz der breiten Bevölkerung für die Energiewende sowie die Bereitschaft, auch mehr Geld zu bezahlen, nach wie vor sehr hoch ist. Nur muss die Verteilung der Kosten fair sein. Zu Recht fordern viele Bürger eine deutlich stärkere Beteiligung der Industrie an den Kosten für die EEG-Umlage. Dabei ist es durchaus sinnvoll, energieintensive Unternehmen, die im starken internationalen Wettbewerb stehen, von der Zahlung der EEG-Umlage weitestgehend zu befreien. Allerdings wurden die Ausnahmen in den letzten Jahren auf immer mehr Unternehmen ausgeweitet und paradoxe Voraussetzungen eingeführt: Anstelle das Stromsparen zu fördern, kommen jene Unternehmen in den Genuss der Ausnahme, die hohe Energiekosten im Vergleich zu den anderen Kosten ausweisen. Dies hat teilweise zu Energieverschwendung gerührt, Lohnarbeiten wurden künstlich ausgelagert, um die Arbeitskosten geringer auszuweisen. Leider haben die letzten Regierungen trotz immer wiederkehrender Ankündigungen keine Anpassungen unternommen.“

„Die jetzt veröffentlichte Studie zeigt eindrucksvoll, dass die Haushaltskunden die unnötig und unfaire Entlastung der Industrie nicht mehr mittragen wollen. Eine Anpassung der Verteilung der EEG Umlagekosten ist spätestens nach Veröffentlichung dieser Studie einmal mehr überfällig.“

Dr. Brigitte Knopf

Generalsekretärin, Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC), Berlin

„Die Studie macht einmal mehr deutlich, dass die gesellschaftliche Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg von Klimapolitik ist. Die Verteilung der Kosten ist dafür von entscheidender Bedeutung. Im Kern zeigt die Studie, dass sich die Menschen mehr Gerechtigkeit in der Klimapolitik wünschen.“

„Die Politik sollte daher auf mehr Transparenz in Bezug auf die Kostenverteilung setzen. Das zeigen auch Analysen, die wir am Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) zur Einführung eines CO2-Preises gemacht haben: Ausschlaggebend ist demnach eine transparente Kommunikation der Kosten und Nutzen einer CO2-Preisreform. Daneben spielt Verteilungsgerechtigkeit – etwa durch eine Rückverteilung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung an die Bevölkerung – eine wichtige Rolle.“

„Die Ergebnisse der Studie bedeuten daher nicht unbedingt, dass nun alle Ausnahmen für die energieintensive Industrie abgeschafft werden müssen. So gibt die Studie keinen Aufschluss darüber, ob das Ergebnis der Befragung anders ausgefallen wäre, hätte man den Leuten erklärt, warum es bestimmte Ausnahmen gibt. In Ländern mit CO2-intensiven, stark dem Weltmarkt ausgesetzten Industriezweigen, können Ausnahmeregelungen oder Steuererleichterungen für Unternehmen die Akzeptanz von Klimapolitik sogar fördern. Das kann gerade in der Anfangsphase dabei helfen, die Einführung eines CO2-Preises überhaupt zu ermöglichen – so ist es zum Beispiel in der kanadischen Provinz British Columbia gemacht worden. Ausnahmen sollten allerdings mit einem klar definierten Ausstiegsdatum versehen werden.“

Prof. Dr. Ortwin Renn

Wissenschaftlicher Direktor und Vorstand, Institute of Advanced Sustainability Studies e.V. (IASS), Potsdam

„Die Studie vom RWI legt zum ersten Mal genauere quantitative Angaben zu den Fairness-Bedingungen vor, unter denen Bürgerinnen und Bürger bereit wären, einen höheren finanziellen Beitrag für die Energiewende zu leisten. Demnach hat es einen positiven Einfluss auf die Zahlungsbereitschaft der Menschen, wenn Betriebe, die Großabnehmer von Strom sind, den gleichen Zahlungsverpflichtungen unterliegen wie die Privathaushalte. Diese Erkenntnisse sind für die weitere Gestaltung der Kostenverteilung im Rahmen der Energiewende von großer Relevanz. Auch aus unserer eigenen Forschung zum Thema Verteilungsungerechtigkeit bei der Energiewende [1] [2] wissen wir bereits, dass ein Großteil der Bevölkerung (über 70 Prozent) der Privilegierung von großen Industrieunternehmen bei Zahlungen für die Energiewende kritisch gegenübersteht. Die Begründung der Bundesregierung, dies sei aus Wettbewerbsgründen notwendig, überzeugt die Menschen mehrheitlich nicht. Eine breite Mehrheit wünscht sich stattdessen, dass Vielverbraucher stärker an der Finanzierung der Energiewende beteiligt werden sollen.“

„Die Akzeptanz von Steuern oder Abgaben zur Förderung von Klimaschutz und Energiewende hängt auch davon ab, wie die Großverbraucher dabei einbezogen werden. Deshalb sollte sich die Bundesregierung um deutlich mehr Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft bei der Gestaltung von Ausnahmeregeln bemühen. Alternative Wege zu finden, um sowohl Unternehmen ausreichend zu schützen, die im internationalen Wettbewerb stehen und gleichzeitig dem Eindruck der ungerechten Lastenverteilung entgegenwirken, ist nicht trivial. Diese Aufgabe aber beherzt anzugehen, ist aus unserer Sicht die dringende Handlungsempfehlung, die sich aus dem Ergebnis der Studie ergibt.“

„Die Studie basiert auf einer repräsentativen Umfrage mit einer sehr breiten empirischen Basis. Das methodische Vorgehen ist mit Bedacht gewählt und überzeugt.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Dr. Brigitte Knopf: „Es besteht kein Interessenkonflikt.“

Alle anderen: Keine angegeben.

Primärquelle

Andor A et al. (2018): Equity and the willingness to pay for green electricity in Germany. Nature Energy; DOI: 10.1038/s41560-018-0233-x.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Setton D et al. (2018): Deutsche wollen mehr Kostengerechtigkeit und Bürgernähe bei der Energiewende. Energiewirtschaftliche Tagesfragen; Heft 1-2, S. 27-31.

[2] Setton D et al. (2017): Soziales Nachhaltigkeitsbarometer der Energiewende 2017: Kernaussagen und Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse. Potsdam (Institute for Advanced Sustainability Studies: 2017), DOI: 10.2312/iass.2017.019

Weitere Recherchequellen

Science Media Center Germany (2016): Warum die EEG-Umlage steigt. Fact Sheet. Stand: 14.10.2016.