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15.01.2020

Cyanobakterien können Treibhausgas Methan produzieren

Auch Cyanobakterien können offenbar Methan produzieren und somit eine bisher nicht bekannte Quelle des Treibhausgases sein. Zu diesem Ergebnis kommt eine Forschergruppe um Mina Bižić vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei. Die Autorinnen und Autoren sehen durch ihre Erkenntnisse das Paradigma der Methanerzeugung durch Organismen als streng anaeroben Prozess – also in Abwesenheit von Sauerstoff – in Frage gestellt, was bisher vor allem den Archaeen (Urbakterien) zugeschrieben wurde.

Cyanobakterien sind Mikroorganismen und werden auch Blaualgen genannt. Sie kommen sowohl in marinen Ökosystemen als auch in Süßwasser-Systemen und in Böden vor und gewinnen ihre Energie wie Pflanzen durch Photosynthese, bei der Sauerstoff entsteht – also ein aerober Prozess. Zudem können sie Stickstoff fixieren. Ihre Bedeutung für die globalen Kohlenstoff- und Stickstoffkreisläufe ist somit enorm. Große Ansammlungen von Cyanobakterien sind mit bloßem Auge sichtbar, etwa als gefärbte Wasserblüten, schaumige Masse auf Wasseroberflächen oder schleimige Krusten auf feuchtem Gestein. Besonders in eutrophierten Gewässern – also in Gewässern mit einem durch Überdüngung zu hohem Nährstoffangebot – finden sie beste Bedingungen.

Die Autorinnen und Autoren weisen daher ausdrücklich darauf hin, dass durch Überdüngung häufigere Algenblüten in Meeren und Seen auftreten können. Da es sich dabei um große Ansammlungen von Cyanobakterien handelt, könnten somit auch größere Mengen des Treibhausgases Methan in die Atmosphäre gelangen und somit den Klimawandel weiter antreiben. Allerdings sei es schwierig, abzuschätzen, wie viel Methan die Algen auf globaler Ebene beitragen, da die globale Cyanobakterien-Biomasse nicht endgültig bekannt ist.

Die Studie wurde im Fachjournal Sciences Advances veröffentlicht (siehe Primärquelle). 

 

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Moritz Lehmann, Leiter der Forschungsgruppe Aquatische und Isotopen-Biogeochemie, Department Umweltwissenschaften, Universität Basel, Schweiz
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  • Prof. Dr. Hermann Bange, Leiter der Arbeitsgruppe Spurengas-Biochemie, Forschungseinheit Chemische Ozeanographie, Forschungsbereich Marine Biogeochemie, Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR), Kiel
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  • Dr. Jana Milucka, Leiterin der Forschungsgruppe Treibhausgase, Abteilung Biogeochemie, Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie, Bremen
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Statements

Prof. Dr. Moritz Lehmann

Leiter der Forschungsgruppe Aquatische und Isotopen-Biogeochemie, Department Umweltwissenschaften, Universität Basel, Schweiz

„Das ist eine tolle Arbeit! Diese Studie wurde extrem sorgfältig durchgeführt. Man hätte es meiner Meinung nach nicht besser machen können. Die Experimente wurden sehr sorgfältig geplant und unterschiedliche Methoden – molekulare, Isotopen-geochemische und so weiter – angewandt, welche zu sehr klaren Schlussfolgerungen führten. Zum Beispiel konnte ein bisher bekannter Methan-Produktionsprozess in den Experimenten – die Demethylierung von Methylphosphonat durch die Cyanobakterien – einerseits durch genetische Analysen der untersuchten Kulturen, aber auch durch das gut überlegte experimentelle Design (Phosphor-Überschuss) ausgeschlossen werden. Damit war klar, dass es sich nicht um bereits bekannte, sondern um neue Cyanobakterien-assoziierte Methan-Bildungsprozesse handelt.“

„Die Arbeit bestätigt bereits schon länger gemachten Beobachtungen von Methan-übersättigten Verhältnissen im sauerstoffreichen Oberflächenwasser von Seen und Ozeanen, sowie einer Verbindung zur Aktivität photosynthetisierender Cyanobakterien – Methan wird eigentlich unter anaeroben Bedingungen von Archaeen (Urbakterien) gebildet, also nicht von Bakterien. Die Art dieser Links zwischen Cyanobakterien und dem so genannten Methan-Paradox war unklar. Man wusste, dass Cyanobakterien, die sehr häufig vorkommen, sowohl im Meer als auch in Seen methylierte Komponenten als Quelle des wichtigen Nährstoffs Phosphor nutzen können und dabei Methan freisetzen. Neu ist nun die Erkenntnis, dass die Cyanobakterien einfach Kohlendioxid beziehungsweise Bikarbonat fixieren und dabei relativ große Mengen Methan freisetzen. Diese Freisetzung scheint in jedem Fall mit der Photosynthese-Aktivität zusammenzuhängen, was schön in den Dunkel-Hell-Experimenten gezeigt werden konnte. Interessant ist aber auch, dass auch bei Dunkelheit Methan produziert wurde. Auch weil die Mechanismen hier noch nicht zu einhundert Prozent verstanden wurden, wird diese Studie als ein guter Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen bezüglich der exakten biochemischen Prozesse dienen.“

„Es ist immer ein gewisses Problem, Resultate aus Laborexperimenten auf die Natur anzuwenden. Nährstoff-, Temperatur-, Licht- und andere Bedingungen – in diesem Fall zum Beispiel bakterielle Zellzahlen – sind sehr variabel beziehungsweise anders als in der Natur, und eine räumliche Extrapolation von in Laborversuchen ermittelten Methan-Produktionsraten ist deswegen problematisch. Die Autoren machen daraus keinen Hehl. In sehr ehrlicher Art und Weise versuchen sie, eine grobe Einschätzung der Methan-Produktion im Ozean zu liefern. Es ist klar, dass zumindest theoretisch Cyanobakterien einen wichtigen Beitrag zur Methan-Übersättigung in Oberflächenwässern von Seen und Ozeanen liefern können und damit auch relevant sind im Kontext globaler Methan-Budgets und -Flüsse. Cyanobakterien gibt es überall en masse. Es handelt sich also hier nicht um einen exotischen Prozess, der von exotischen Mikroben unter ganz speziellen Bedingungen stattfindet, sondern um omnipräsente Bakterien. Dies alleine unterstreicht die globale Relevanz der Studie.“

„Die Studie ist auch insofern relevant, als dass im Zuge der Überdüngung unserer Gewässer und der Klimaerwärmung Cyanobakterien immer dominanter werden könnten. Damit bietet diese Studie ein kausales Bindeglied zwischen menschengemachten Einflüssen auf die Meere und Seen und zu erwartenden erhöhten Methan-Emissionen in der Zukunft, auch wenn dies die Autoren so nicht direkt sagen.“

Auf die Frage, welchen Quellen die Methan-Emissionen der Cyanobakterien bisher zugerechnet worden sein könnten, da das aus dieser Quelle stammende Methan bei atmosphärischen Messungen bereits mit eingeflossen ist, ohne die tatsächliche Quelle zu kennen:
„Die aus der Messung von Methan-Konzentrationen und -Flüssen abgeleiteten Emissionsschätzungen heute sind in der Tat unabhängig von der genauen Kenntnis der Quelle. Aber für Prognosen des Methan-Budgets für die Zukunft, ist es natürlich wichtig zu wissen, welche Mechanismen an der Methanproduktion beteiligt sind, und wie die daran beteiligten Prozesse und Mikroorganismen auf veränderte Umweltbedingungen reagieren werden.“

„Wie oben und im Artikel beschrieben, könnten Cyanobakterien im Oberflächenozean einen wichtigen Beitrag zu den Gesamt-Methan-Flüssen aus dem Ozean an die Atmosphäre spielen. Es ist aber auch wichtig zu wissen, dass der Ozean keine allzu große Methan-Quelle im globalen Methan-Budget ist. Böden, Sumpfgebiete und zum Teil Seen zum Beispiel sind deutlich wichtiger. Zudem gilt es zu verstehen, dass auch in Seen, anaerobe beziehungsweise Fermentations-Prozesse – zum Beispiel die Methanogenese durch Archaeen – nach wie vor deutlich wichtiger sind als die aerobe Methanproduktion. Und: Zuletzt bestimmen nicht nur die Quellen, sondern auch die biologischen Senken in Böden, Seen, Ozeanen – zum Beispiel durch Methanoxidation durch ‚methanfressende‘ Mikroorganismen – wie viel Methan in die Atmosphäre abgegeben wird.“

Prof. Dr. Hermann Bange

Leiter der Arbeitsgruppe Spurengas-Biochemie, Forschungseinheit Chemische Ozeanographie, Forschungsbereich Marine Biogeochemie, Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR), Kiel

„Die von Bižić und Kollegen veröffentlichten Ergebnisse zur Bildung von Methan im Ozean sind sehr spannend, weil sie neue und sehr überraschende Erkenntnisse über die Bildung von ozeanischem Methan liefert.“

„Methan (CH4) ist ein klimarelevantes Spurengas in der Atmosphäre, welches entscheidend zum Treibhauseffekt, zum Abbau von Ozon in der Stratosphäre und zur oxidativen Kapazität – das ist die Selbstreinigungskraft der Erdatmosphäre – beiträgt. Aus diesem Grund werden seit mehreren Jahrzenten die möglichen Bildungs- und Abbauwege von Methan untersucht, auch um Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung der Quellen und Senken von Methan im Zeitalter der globalen Umweltveränderungen ziehen zu können.“

„Die ozeanische Quelle von Methan ist im Vergleich mit anderen natürlichen Quellen, wie den Emissionen aus Feuchtgebieten, von sehr untergeordneter Bedeutung. Dennoch ist allein die Tatsache, dass der Ozean signifikante Mengen von CH4 an die Atmosphäre abgibt, bemerkenswert, weil der ‚klassische‘ Bildungsweg von Methan – das ist die Methanogenese durch Urbakterien (Archaeen) als letzter Schritt des Abbaus von organischem Material – nur unter striktem Ausschluss von Sauerstoff (O2) stattfindet. Nun ist aber der Oberflächenozean im steten Kontakt mit der Atmosphäre, das heißt gesättigt mit Sauerstoff. Deshalb sollte keine Methanogenese stattfinden und der Ozean kein Methan an die Atmosphäre abgeben. Vorhergehende Studien legten den Schluss nahe, dass die Methanbildung auch von Bakterien unter sauerstoffhaltigen Bedingungen betrieben werden könnte.“

„Hier setzt die Studie von Bižić und Kollegen an: Mit umfassenden Untersuchungen von mehreren Kulturen verschiedenen mariner, limnischer (in Binnengewässern lebende; Anm. d. Red.) und terrestrischer Cyanobakterien konnten sie zeigen, dass Cyanobakterien in der Tat Methan unter sauerstoffhaltigen Bedingungen bilden und abgeben können. In eleganten Versuchen zur Charakterisierung der Isotopensignatur des gebildeten Methans konnten die Autoren darüber hinaus zeigen, dass der ‚klassische‘ Bildungsweg der Methanogenese nicht von den Cyanobakterien beschritten wird. Es bleibt jedoch rätselhaft, warum Cyanobakterien sich überhaupt ‚die Mühe machen‘, Methan zu produzieren und abzugeben. Hier sind noch weitere Untersuchungen notwendig, auch um zu zeigen, ob die Ergebnisse der hier präsentierten Kulturexperimente auf die Natur übertragbar sind.“

„Eine erste, sehr grobe, Abschätzung der Autoren zeigt, dass die untersuchten marinen Cyanobakterien den größten Beitrag der Methanbildung liefern könnten und dass die untersuchten nicht-marinen Cyanobakterien von eher untergeordneter Bedeutung sind. Das heißt, marine Cyanobakterien könnten in der Tat die Quelle des ozeanischen Methans sein. Die Ergebnisse von Bižić und Kollegen bedeuten jedoch nicht, dass die vorliegenden Abschätzungen der ozeanischen Quellen neu berechnet werden müssten. Es könnte aber ermöglichen abzuschätzen, wie die Cyanobakterien als Quelle für ozeanisches Methan auf aktuelle und zukünftige Veränderungen des Ozeans – Erwärmung, Versauerung, Eutrophierung – reagieren könnten. Im Übrigen sollte man aber nicht vergessen, dass Methan im Ozean auch mikrobiell zu Kohlendioxid oxidiert wird. Das heißt, die ozeanischen Methanemissionen werden durch das Zusammenspiel von Quelle und Senke gesteuert und nicht nur von der Quelle allein.“

Dr. Jana Milucka

Leiterin der Forschungsgruppe Treibhausgase, Abteilung Biogeochemie, Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie, Bremen

Auf die Frage, inwiefern sich die Erkenntnisse aus dem Labor auf die Prozesse in natürlicher Umgebung übertragen lassen:
„Es ist leider schwierig, Messungen unter Laborbedingungen auf die Umwelt zu übertragen, wo wir das Spektrum der Faktoren, die die mikrobielle Aktivität regulieren, nicht vollständig verstehen.Cyanobakterien sind eine umweltrelevante Gruppe von Organismen, da sie Sauerstoff produzieren und der Atmosphäre Kohlendioxid entziehen. Gleichzeitig können sie potenziell verheerende Auswirkungen auf die Wasserqualität und die Gesundheit von Mensch und Tier haben. Gegenwärtig nehmen die Blüten der Cyanobakterien in ihrer Häufigkeit und ihrem Ausmaß zu [1]. Daher sind Studien, die die metabolischen Kapazitäten dieser Organismen aufklären, sehr zeitgemäß.“

„Wissenschaftler vermuten seit langem, dass gewisse Organismen in sauerstoffreichen Wasserschichten Methan produzieren können. In den letzten Jahren wurden einige der Mechanismen entschlüsselt und die mikrobiellen Gruppen identifiziert, die zur Methanproduktion in Oberflächengewässern beitragen. Diese neue Studie ergänzt unser aktuelles Wissen über die potenziellen Quellen dieses wichtigen Treibhausgases.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Alle: Keine angegeben.

Primärquelle

Bižić et al. (2020): Aquatic and terrestrial cyanobacteria produce methane. Sci. Adv. 2020; 6, eaax5343.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Huisman J et al. (2018): Cyanobacterial blooms. Nature Reviews Microbiology 16, 471-483. doi: 10.1038/s41579-018-0040-1.