Prof. Dr. Susanne Modrow
Zur Situation der Bevölkerung in Süd- und Mittelamerika:
„Für Schwangere, die in den Ländern Süd- und Mittelamerikas leben, stellt die Zika-Virusinfektion momentan eine sehr große Gefahr dar. Das durch die Gelbfiebermücke (Aedes aegypti) übertragene Zika-Virus wurde vermutlich 2014/2015 nach Süd- und Mittelamerika importiert. Die Infektion traf auf eine Zika-naive Bevölkerung, das heißt ein Großteil aller Altersgruppen wurde infiziert, da alle Menschen noch nie Kontakt mit dem Zika-Virus hatten. Aufgrund der starken Präsenz der Gelbfiebermücke konnten sich die Erreger explosionsartig ausbreiten und dabei auch Schwangere infizieren.“
„Die ebenfalls durch Gelbfiebermücken übertragenen Viren für Gelbfieber, Dengue und Chikungunya sind in den tropischen und subtropischen Ländern Süd- und Mittelamerikas seit langem endemisch (vor Ort; Anm. d. Red.) verbreitet. Diese Virusinfektionen verlaufen – verglichen mit dem Zika-Virus – mit sehr viel schwereren Erkrankungen, insbesondere bei Schwangeren. Während man Gelbfieber-Virusinfektionen durch Impfung vorbeugen kann, infizieren die Dengue- und Chikungunya-Viren vor allem Kinder und Jugendliche. Hierdurch baut sich in der Bevölkerung mit zunehmendem Alter kontinuierlich ein Immunschutz auf, der dazu beiträgt, dass zukünftige Schwangere ein geringeres Risiko für akute Dengue- oder Chikungunya-Virusinfektionen haben.“
Andere gefährliche Viruserkrankungen für Schwangere in Europa:
„Ein Risiko für Schwangere können nicht nur durch Stechmücken übertragene Viren wie Zika, Gelbfieber und Chikungunya darstellen, sondern auch Krankheitserreger, die durch Tröpfchen- oder Schmierinfektionen übertragen werden. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass jeder fieberhafte Infekt das Kind im Mutterleib schädigen kann. In etlichen Fällen – hierzu zählen die Influenza (klassische Virusgrippe) sowie Infektionen mit Viren für Masern und Hepatitis E – verlaufen die Infektionen bei Schwangeren mit deutlich schwereren, auch tödlichen Erkrankungen. Dass sich das auch schädigend auf das werdende Kind auswirkt, scheint klar.“
„Schwere Schädigungen und fetale Erkrankungen sind jedoch vor allem für die Röteln-Viren, die Zytomegalie-Viren und die Parvo-Viren B19 bekannt. Werden Schwangere vor der 20. Schwangerschaftswoche mit einem dieser Erreger infiziert, so können auch sie auf das werdende Kind übertragen werden und schwere Schädigungen verursachen wie Mikrozephalie (bei Röteln, Zytomegalie) oder fetale Anämie bzw. Hydrops fetalis (Parvo-Virus B19; Blutarmut bzw. Flüssigkeitsansammlungen beim Ungeborenen; Anm. d. Red.).“
„Das größte Risiko für Schwangere in Europa und somit auch in Deutschland stellen heute Schädigungen durch akute Infektionen mit dem Zytomegalie-Virus dar. Diese Gefahr ist für Schwangere in Deutschland größer als in Süd- und Mittelamerika, weil hierzulande derzeit weniger als die Hälfte der Schwangeren vor einer Zytomegalie-Erstinfektion geschützt ist; in den Ländern Süd- und Mittelamerikas sind es hingegen deutlich über 90 Prozent. Die Mehrheit der Infektionen erfolgt im Kleinkindalter, ohne dass die Kinder schwer erkranken. Sie infizieren sich durch die Milch von Müttern, die das Zytomegalie-Virus in sich tragen und reaktivieren. Die infizierten Kinder scheiden die Zytomegalie-Viren im Speichel und Urin aus und übertragen sie in den Kinderbetreuungseinrichtungen auf die Spielkameraden, welche die Infektion dann zu Hause auf ihre Väter und möglicherweise erneut schwangeren Mütter weitergeben. Da es aktuell keine schützende Impfung gibt, sollten Schwangere durch geeignete Hygienemaßnahmen jeden Kontakt mit Urin und Speichel der Kinder vermeiden, also zum Beispiel beim Windeln Einmalhandschuhe tragen oder anschließend die Hände mit Wasser und Seife waschen bzw. beim Füttern nicht dasselbe Geschirr und Besteck verwenden. Schwere Schädigungen mit Mikrozephalie verursachen Zytomegalie-Primärinfektionen in der Frühschwangerschaft, in Deutschland geschätzt 150 bis 180 Fälle pro Jahr (die Zahlen werden nicht offiziell gemeldet und erfasst). Deutlich höher, aber ebenfalls nicht erfasst, ist jedoch die Zahl von weniger schwer geschädigten Kindern, die augenscheinlich gesund zur Welt kommen, in den ersten Lebensmonaten und Lebensjahren aber Hörstörungen und Taubheit entwickeln.“
„Auch das Parvo-Virus B19, bekannt als Erreger der Ringelröteln, kann bei einer akuten Infektion der Schwangeren vor der 20. Schwangerschaftswoche auf das werdende Kind übertragen werden, mit der Folge einer Fehlgeburt oder einer Blutarmut beim Ungeborenen, weil die Vorläuferzellen der roten Blutkörperchen im fetalen Blut infiziert und zerstört werden. Auch in diesem Fall gibt es keine Impfung. Jedoch kann man bei rechtzeitiger Diagnose der Infektion durch Ultraschall überprüfen, ob sich im Fötus eine Anämie ausbildet. Diese kann durch Transfusion von roten Blutkörperchen über die Nabelschnurvene therapiert werden.“
„Weil seit über 30 Jahren in Europa gegen Röteln geimpft wird, stellt die Röteln-Infektion für Schwangere keine Gefahr mehr dar. Jedoch soll jede Frau eine regelgerecht vor der Schwangerschaft durchgeführte Impfung dokumentiert haben. Dies gilt insbesondere vor Reisen in osteuropäische, afrikanische und asiatische Länder.“
Situation für schwangere Reisende aus Europa:
„Erleiden Schwangere während des ersten Trimesters (Schwangerschaftsdrittel; Anm. d. Red.) eine akute Zika-Virusinfektion, dann können die Erreger über die Plazenta auf das werdende Kind übertragen werden. Folgen können Spontanaborte sein (natürliche Schwangerschaftsabbrüche; Anm. d. Red.) oder Fetopathien (Erkrankungen des Fötus; Anm. d. Red.), die zu Totgeburten oder zur Geburt von Kindern mit Fehlbildungen des Kopfes und Gehirns (Mikrozephalie) sowie der Extremitäten führen können – inzwischen bekannt als kongenitales oder angeborenes Zika-Syndrom. Es gibt bisher keine Daten, dass Zika-Virusinfektionen, die vor der Befruchtung erworben wurden, mit Schädigungen des Kindes einhergehen können.“
„Für Schwangere, die während des ersten Trimesters in Länder Süd- und Mittelamerikas reisen oder sich dort aufhalten, stellt die Zika-Virusinfektion ein großes Risiko für die Gesundheit des werdenden Kindes dar. Deswegen sollten diese Frauen nach Möglichkeit nicht in die vom Zika-Ausbruch betroffenen Länder reisen oder sich konsequent vor Mückenstichen schützen (kein Aufenthalt im Freien, Verwendung von Repellentien, Mückennetzen etc). Dies gilt auch für Frauen mit Kinderwunsch, die während des Aufenthalts in Süd- und Mittelamerika eine Schwangerschaft planen und sich in der folgenden Phase der Frühschwangerschaft in diesen Ländern aufhalten.“
„Ebenso sollen Schwangere, die keinen Immunschutz gegen Gelbfieber-Virusinfektionen haben, nicht in Länder und Regionen reisen, in welchen die Gelbfieber-Viren verbreitet sind. Geimpft werden muss vor Beginn der Schwangerschaft.“
„Auch wenn es keine Daten für die Übertragung von Dengue- und Chikungunya-Viren auf das werdende Kind gibt, sind Infektionen mit diesen Erregern wegen des fehlenden Immunschutzes für Schwangere aus Europa ebenfalls mit Gefahren verbunden: Dengue- und Chikungunya-Erkrankungen können bei Schwangeren sehr schwer verlaufen, ihre Gesundheit gefährden und zu Spontanaborten, Früh- und Totgeburten führen.“