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16.01.2017

Wege zum Kohleausstieg

In der Diskussion um den Kohleausstieg haben die Umweltorganisation World Wild Fund For Nature (WWF) und das Umweltbundesamt (UBA) Untersuchungen präsentiert, die verschiedene Optionen miteinander vergleichen. Die Studie des UBA zeigt dabei im Prinzip vier Wege auf:

     

  • die Stilllegung durch Verhandlungen oder Anordnungen,
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  • die Festlegung eines Höchstalters für Braunkohlekraftwerke und deren schrittweise Abschaltung,
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  • die Verteuerung der Emissionen,
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  • oder eine jährliche, degressive Emissionsobergrenze.
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Der beste Weg nach dieser Studie sei die schrittweise Stilllegung der ältesten Kohlekraftwerke.

 

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Claudia Kemfert, Abteilungsleiterin Abteilung "Energie, Verkehr und Umwelt", Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin
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  • Prof. Dr. Niklas Höhne, Leiter und Geschäftsführer, New Climate Institute, Köln
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  • Prof. Dr. Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
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  • Prof. Dr. Michael Sterner, Leiter der Forschungsstelle Energienetze und Energiespeicher FENES, Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg
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Statements

Prof. Dr. Claudia Kemfert

Abteilungsleiterin Abteilung „Energie, Verkehr und Umwelt“, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin

„Alle Optionen wären gleichermaßen wirksam, wenn sie durchführbar und realisierbar wären. Eine jährliche degressive Emissionsobergrenze hätte allerdings den Vorteil, dass sie effektiv, nachhaltig und politisch durchsetzbar wäre, dies zeigt unsere Studie. [1]“ 

„Auch die Stilllegung von Kraftwerken und die Festlegung des Höchstalters für Braunkohlekraftwerke wäre hilfreich und würde die gewünschten Effekte erzielen. Grundsätzlich ist auch eine Verteuerung der Emissionen denkbar, allerdings ist dieses Instrument – der Europäische Emissionsrechtehandel – bisher klimapolitisch wirkungslos: Der CO2-Preis liegt derzeit bei fünf Euro pro Tonne CO2. Eine notwendige nahezu Verzehnfachung des CO2-Preises ist in der Durchsetzung chancenlos.“ 

„Die Kosten für die Gesellschaft wären am größten, wenn kein Kohleausstieg beschlossen würde, da Kohlekraftwerke nicht in eine nachhaltige Energiewende passen. Ihnen fehlt die Flexibilität, die zu einer optimalen Kombination mit schwankenden erneuerbaren Energien notwendig ist. Zudem sind sie dafür verantwortlich, dass es einen hohen Überschuss an Strom gibt und unnötige Stromleitungen gebaut werden. Das zu lange Festhalten am alten Stromsystem macht die Energiewende unnötig teuer. Kohletagebaue verursachen enorme volkswirtschaftliche Schäden, hohe Umwelt- und Gesundheitsschäden. Zudem erzeugt die Verbrennung von Kohle gesundheitsschädliche Emissionen wie Quecksilber und Feinstaub sowie klimagefährliche Treibhausgase. Je schneller der Kohleausstieg stattfindet und je besser der Strukturwandel gehandhabt wird, desto geringer sind die volkswirtschaftlichen Kosten.“

 „Die gewählte Methode der Studie ist sehr aussagekräftig, da das Analyseinstrumentarium dem wissenschaftlichen Stand der Forschung entspricht. Das eingesetzte Strommarktmodell kann die Effekte der unterschiedlichen Szenarien ermitteln. Die Bewertung der Ergebnisse ist aussagekräftig und nachvollziehbar.“

Prof. Dr. Niklas Höhne

Leiter und Geschäftsführer, New Climate Institute, Köln

„Die Studie bestätigt die schon vorher geprägte Meinung, dass die nationalen Klimaschutzziele nur durch zusätzliche Maßnahmen eingehalten werden können. Aus Sicht des Klimas müssten dazu zuerst Braun- und dann Steinkohlekraftwerke reduziert werden, wegen des hohen CO2-Ausstoßes pro erzeugter Stromeinheit. Die Studie kommt zu dem interessanten Schluss, dass das ordnungspolitische Herunterfahren der Braun- und Steinkohle das effektivste Mittel dazu wäre. Das ist zunächst erstaunlich, denn oft wird argumentiert, dass ein höherer CO2-Preis ausreichen würde. Dies gilt aber nicht im komplexen Strommarkt, in dem einfache Lösungsansätze oft nicht gewollte Nebenwirkungen haben. Insofern ist der gut geplante und ordnungspolitisch geregelte Ausstieg aus der Kohle das Mittel der Wahl.“

Prof. Dr. Volker Quaschning

Professor für Regenerative Energiesysteme, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin

„Der Klimaschutzplan 2050 sieht eine Reduktion der Treibhausgasemissionen von 80 bis 95 Prozent bis zum Jahr 2050 vor. Mit diesen schwachen Reduktionszielen ist ein Einhalten der Pariser Klimaschutzbeschlüsse mit einer Begrenzung der Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad Celsius definitiv nicht einzuhalten. Selbst eine Temperaturbegrenzung auf 2,0 Grad Celsius ist damit nur schwer zu erreichen. Insofern widersprechen die Maßnahmen des Klimaschutzplans schon im Grundsatz den eigenen Klimaschutzansprüchen. Um diesen gerecht zu werden, wäre ein vollständiger Kohleausstieg bereits zwischen den Jahren 2025 und 2030 erforderlich.“ 

„Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen und damit die Lebensgrundlagen künftiger Generationen zu erhalten, müssen die Lasten gesamtgesellschaftlich getragen werden. Die Energiekonzerne stehen dabei allerdings in besonderer Verantwortung. Der Staat kann durch Verschärfung der Emissionsgrenzwerte den nötigen Druck zu einer Einigung aufbauen. Dabei muss er sich nicht nur auf Kohlendioxid beschränken, sondern kann dies auch auf gesundheitsschädliche Quecksilberemissionen ausdehnen, die in Deutschland erheblich höher liegen als beispielsweise in den USA.“ 

„Die Klimafolgekosten für alte Braunkohlekraftwerke liegen in der Größenordnung von zehn Cent pro Kilowattstunde. Hinzu kommen die Schäden durch Luftverschmutzung wie Quecksilber, Feinstaub oder Stickoxide. Werden diese Folgekosten in die Berechnung mit einbezogen, dürfte ein schneller Kohleausstieg am Ende sogar zu Kosteneinsparungen führen.“

Prof. Dr. Michael Sterner

Leiter der Forschungsstelle Energienetze und Energiespeicher FENES, Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg

„Nur durch konkrete Maßnahmen wird der Kohleausstieg Realität. Das Umweltbundesamt hat entsprechende Optionen anhand fundierter Modelle untersucht. Dabei erscheint eine Stilllegung von Kohlekraftwerken mit einem Alter von über 40 Jahren am besten geeignet: die größten Klimasünder gehen vom Netz, gleichmäßig in allen Regionen, und die verbleibenden emissionsärmeren Kraftwerke profitieren davon. Eine Steuerung über CO2-Preise ist hingegen weitaus schwieriger umzusetzen, da eine Generaldebatte über Emissionsarten und Sektoren zu erwarten wäre. Zudem wäre sie für Gaskraftwerke nachteilig, die langfristig für die Versorgungssicherheit gebraucht werden. International gesehen ist die stärkere Bepreisung von CO2 und die Reduktion fossiler Subventionen jedoch der entscheidende Weg, um die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen. Jeder Weg beginnt vor der eigenen Haustür mit den ersten Schritten. Der Kohleausstieg gehört dazu. Er ist auch essentiell für die Etablierung von Energiespeichern. Die Kosten dafür sind viel geringer als ein Beibehalten der Kohleverstromung samt der Folgekosten für Umwelt, Mensch und Klima.“

Mögliche Interessenkonflikte

Alle: Keine angegeben.

Primärquelle

Hermann H. et al. (2017): Klimaschutz im Stromsektor 2030 – Vergleich von Instrumenten zur Emissionsminderung. Herausgegeben durch das Umweltbundesamt, Reihe Climate Change 02/2017.

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Pao-Yu Oei et al. (2015): Auswirkungen von CO2- Grenzwerten für fossile Kraftwerke auf Strommarkt und Klimaschutz in Deutschland. DIW Politikberatung Kompakt 104.