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18.09.2017

Tesla-Unfall: Untersuchungsbehörde rät Herstellern zu Nachrüstungen

Zwar hat den Tesla-Unfall vom Mai 2016 der Fahrer des LKW verursacht. Doch Teslas „Autopilot“ war nicht gegen Missbrauch durch den Fahrer gesichert. Zu diesem Schluss kommt das National Transportation Safety Bord (NTSB). Gleichzeitig legt die Untersuchungsbehörde sieben Sicherheits-Empfehlungen vor, die darauf zielen, schon Level 2 Fahrer-Assistenzsysteme wie Spurhalteassistenten sicherer zu gestalten. So empfehlt das NTSB dem US-Verkehrsministerium und der Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA, von den Herstellern standardisierte Daten über die Funktion und Nutzung dieser Systeme zu erheben und den Behörden für eine Unfalluntersuchung bereit zu stellen. Ferner legen sie den Herstellern, die diese Systeme in den USA anbieten (genannt werden: Audi, BMW, Infiniti, Mercedes-Benz, Tesla und Volvo) nahe, Systeme zu entwickeln, die einen Einsatz von teilautomatischen Fahrsystemen (Level 2) auf dafür nicht geeigneten Straßen oder unter dafür nicht geeigneten Bedingungen verhindern. Weitere Systeme sollten kontrollieren, ob die Aufmerksamkeit der Fahrer sich auf die Straße richtet und diese bei Bedarf wieder dorthin lenken.Zu den verschiedenen Entwicklungsstufen des automatischen Fahrens hat das SMC ein Factsheet veröffentlicht.

 

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Philipp Slusallek, Wissenschaftlicher Direktor Agenten und Simulierte Realität, Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz GmbH (DFKI), Saarbrücken
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  • Prof. Dr. Dr. Raúl Rojas, Leiter des Dahlem Center for Intelligent Systems, Freie Universität Berlin
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Statements

Prof. Dr. Philipp Slusallek

Wissenschaftlicher Direktor Agenten und Simulierte Realität, Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz GmbH (DFKI), Saarbrücken

„Eine Einschränkung automatischen Fahrens auf Situationen in denen ein ‚Autopilot’ das Fahrzeug wirklich sicher unter Kontrolle hat, ist zurzeit nicht vollständig möglich. Zwar kann man mit Hilfe von genauen Straßenkarten die Funktion, etwa auf Autobahnen, beschränken. Aber auch da kann es Situationen geben, für die eine automatische Funktion nicht garantiert werden kann – zum Beispiel Wanderbaustellen, lokales Glatteis etc.“

„Eine Überwachung des Fahrers, ob er ständig die korrekte Funktion seines Fahrzeuges überwacht, ist prinzipiell möglich – zum Beispiel Blickrichtung, Gestik, Müdigkeit – führt aber die ganze Idee des (teil-) automatischen Fahrens weitgehend ad absurdum. Das Fahrzeug soll den Nutzer ja durch seine Autonomie entlasten. Aus der Psychologie ist auch bekannt, das Menschen sich sehr schwer tun, eine weitgehend als unnötig empfundene Überwachung auf längere Sicht durchzuhalten. Darüber hinaus ist es für den Nutzer sehr schwer, die Grenzen einer Fahrautomatik überhaupt richtig einschätzen zu können, um dann im richtigen Augenblick rechtzeitig – und korrekt! – eingreifen zu können.“

„Das Hauptproblem für das Eingreifen ist die oft sehr lange Reaktionszeit zur Kontrollübernahme durch den Nutzer, wenn dieser gerade mit anderen Dingen beschäftigt ist – oft deutlich größer 10 Sekunden. Das kann nur funktionieren, wenn eine Gefahrensituation ‚zuverlässig’ und vor allem ‚rechtzeitig’ erkannt werden kann. Das zu garantieren ist allerdings sehr schwierig. Viele Experten gehen davon aus, dass wenn man eine Gefahrensituation erst mal korrekt erkannt wurde, sie dann auch relativ einfach automatisch beherrschbar wäre. Frei nach dem Motto: ‚Gefahr erkannt, Gefahr gebannt’. Bisher ist es sehr schwer diese Annahme in ganzer Breite verifizieren zu können.“

„Am DFKI arbeiten wir zusammen mit Partnern aus der Industrie an der Möglichkeit, automatische Fahrfunktionen im Rechner auf ihre Grenzen testen zu können. Durch das Testen mit vielen, automatisch generierten, virtuellen Verkehrssituationen, die aus realen Verkehrssituationen und Fahrdaten gelernt werden, soll eine automatische ‚Führerscheinprüfung für automatisierte und autonome Fahrzeuge’ entstehen, die alle Fahrzeuge vor der Zulassung bestehen müssten. Damit können die Grenzen der Automatik selbst, aber eben auch die Grenzen der Erkennung von nicht mehr kontrollierbaren Situationen objektiv überprüfbar gemacht werden.“

„Diese Daten sind nicht nur für Unfalluntersuchungen notwendig, sondern auch für die stetige Verbesserung der genannten ‚Führerscheinprüfung’, die mit diesen Daten ständig auf neue Verkehrssituationen angepasst werden kann. Natürlich müssen dabei die Rechte der Nutzer und anderer Verkehrsteilnehmer vollständig gewahrt bleiben – etwa durch Anonymisieren.“

Prof. Dr. Dr.  Raúl Rojas

Leiter des Dahlem Center for Intelligent Systems, Freie Universität Berlin

„Es wäre einigermaßen trivial: herkömmliche sogenannte ‚Autopiloten’ sind vom Navigationssystem heute entkoppelt. Die Videokameras erfassen die Spur, wissen aber nicht wo das Auto ist. Wenn der Hauptrechner aber das Navigationssystem fragen könnte, ob die Straße in der Navigationskarte für die Automatik freigegeben worden ist, könnte verhindert werden, dass zum Beispiel Systeme für die Autobahn in der Stadt verwendet werden. Wenn die Navigationskarte die Nutzung der Automatik verbietet, kann der Fahrer sie auch nicht einschalten. Videosensorik und Navigationskarte müssten dafür gemeinsam und nicht getrennt arbeiten.“

Zur Empfehlung, die Aufmerksamkeit der Fahrer zu überwachen:

„Einige Prototypen haben Videokameras für die Erfassung der Augen und Blickrichtung des Fahrers. Das sollte generell eingeführt werden.“

Zur Frage, ob Hersteller bei der Entwicklung vollautomatischer Fahrzeuge die jetzt in Deutschland zugelassene Stufe des hochautomatisierten Fahrens überspringen können, wie es einzelne Hersteller und US-Politiker beabsichtigen:

„Ich denke man kann, aber man sollte keine Stufen überspringen. Es ist eine komplizierte Technik und viel Testerfahrung ist notwendig, um alle Systeme richtig zu entwickeln.“

Mögliche Interessenkonflikte

Alle: Keine angegeben.

Primärquelle

National Transportation Safety Board (NTSB) – Collision between a Car Operating with Automated Vehicle Control Systems and a Tractor - Semitrailer Truck. Abstract und Forderungen September 2017