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26.10.2021

Schutz der Älteren bei steigenden Inzidenzen

Die kälteren Monate nahen und mit ihnen steigt auch das Infektionsrisiko erneut. Das Robert Koch-Institut (RKI) hat am 26.10.2021 bereits eine Sieben-Tage-Inzidenz von 113,0 gemeldet. Eine Woche zuvor hatte der Wert noch bei 75,1 gelegen. Die Zahl der in den Kliniken aufgenommenen Corona-Patienten je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen gab das RKI mit 2,95 an (vergangene Woche: 2,13). Bei dem Indikator muss berücksichtigt werden, dass Krankenhausaufnahmen teils mit Verzug gemeldet werden, wodurch die tatsächliche Hospitalisierungsrate höher liegt.

Betrachtet man die gemeldete Inzidenz nach Altersgruppe, so ist das Infektionsgeschehen bei den 5- bis 19-Jährigen besonders hoch. Die größten Wachstumsraten gibt es derzeit aber in den Altersgruppen ab 50 Jahren. Diese machen fast 80 Prozent der COVID-19-Fälle auf den Intensivstationen aus. Ein Inzidenzwachstum in diesen Altersgruppen hat also einen größeren direkten Einfluss auf die Belastung der Kliniken als bei den unter 50-Jährigen.

Die Zahl der mit COVID-19-Fällen belegten Betten auf den Intensivstationen wächst aktuell mit etwa 15 Prozent pro Woche – mit steigender Tendenz. Ein kontinuierlicher Trend in diesem Maße würde dazu führen, dass gegen Ende des Jahres wieder ähnlich viele Intensivbetten mit Corona-Patienten belegt wären wie im vergangenen Jahr.

Es stellt sich aktuell die Frage, inwiefern die Infektionszahlen möglichst gering gehalten werden können, um so eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern, ohne erneut einen nationalen Lockdown zu erlassen. Das SMC hat Forschende deshalb zu den Schutzmaßnahmen der Älteren befragt, ebenso zur Notwendigkeit von strengeren Regeln für Ungeimpfte

Übersicht

     

  • Prof. Dr. Christian Althaus, Leiter der Forschungsgruppe Immuno-Epidemiologie, Institut für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM), Universität Bern, Schweiz
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  • Prof. Dr. Ralf Reintjes, Professor für Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW), Hamburg
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  • Dr. Till Koch, Facharzt für Innere Medizin, I. Medizinische Klinik und Poliklinik - Sektion Infektiologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)
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Statements

Prof. Dr. Christian Althaus

Leiter der Forschungsgruppe Immuno-Epidemiologie, Institut für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM), Universität Bern, Schweiz

„Für Risikogruppen und Personen ab 60 oder 70 Jahren sind Booster wohl langsam angebracht, je nachdem wann die zweite Impfung abgeschlossen wurde. Zusätzlich macht es natürlich Sinn, die gewohnten Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten. Also vielleicht nicht gerade das Geburtstagsfest mit ungeimpften Personen. Mit der 3G-Regelung kann aber zum Beispiel im Gastrobereich das Risiko einer Ansteckung deutlich reduziert werden.“

„Von einer 2G-Regelung halte ich persönlich nicht viel. Stattdessen würde ich die PCR-Tests weiterhin kostenfrei anbieten, aber die Gültigkeitsdauer auf 48 oder sogar 24 Stunden reduzieren.“

„Im Idealfall können 3G-Regelungen und Masken diesen Winter – zumindest in Ländern mit einer hohen Impfrate – weitere Maßnahmen unnötig machen und eine Überlastung des Gesundheitssystems verhindern. Man sollte jedoch darauf vorbereitet sein, dass erneut eine Reduktion der Kontakte nötig sein wird, um nicht in eine Situation mit Triage zu geraten. Ob diese Kontaktreduktion allein durch individuelles Verhalten oder gezielte Maßnahmen erreicht werden kann, wird sich zeigen.“

Prof. Dr. Ralf Reintjes

Professor für Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW), Hamburg

„Es ist wichtig zu realisieren, dass ein Impfschutz gegen COVID-19 zwar ein wichtiger Baustein zum Schutz vor einer schweren Erkrankung ist, diese allein jedoch keine absolute Sicherheit gibt. Der Impfschutz liefert einen relativen Schutz, abhängig vom gesamten Infektionsrisiko. Wenn also im Sommer das allgemeine Infektionsrisiko niedrig war, war es für geimpfte Personen sehr niedrig. Mit steigendem Infektionsdruck in der Gesellschaft (deutlich steigenden Zahlen gemeldeter Fälle) steigt somit im gleichen Maße auch das Risiko für Geimpfte. Dieses erhöht sich natürlich mit steigenden ungeschützten Kontakten (wie zum Beispiel dem Wegfall der Maskenpflicht in Schulen, vollen Fußballstadien, Großveranstaltungen in Innenräumen).“

„Daher wird das Infektionsrisiko gerade in den kommenden Monaten für alle deutlich höher sein als noch vor einigen Monaten oder im vergangenen Winter. Somit ist gerade in diesem Winter das eigenverantwortliche Handeln wichtig. Wenn Sie sich vor einer Infektion schützen wollen, machen Sie es also so weit es geht wie im letzten Winter. Halten Sie Ihren Impfschutz effektiv (gegebenenfalls durch eine Boosterimpfung) und vermeiden Sie ungeschützte Kontakte. Die AHA-Regeln und das Lüften haben auch in diesem Winter ihre Bedeutung.“

Dr. Till Koch

Facharzt für Innere Medizin, I. Medizinische Klinik und Poliklinik - Sektion Infektiologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)

„Die Impfungen schützen vor den schweren Verläufen, höhere Inzidenzen sind deshalb per se erstmal nicht unbedingt gefährlich. Natürlich steigen aber auch ab einem bestimmten Wert wieder die Krankenhausaufnahmen drastisch, und das müssen wir verhindern. Deshalb bleibt der Inzidenzwert trotzdem ein entscheidendes Messinstrument zur Vorhersage des Pandemiegeschehens.“

„Die Boosterimpfungen können hierbei hilfreich sein, aber nicht unbedingt nur aufgrund ihres Schutzes vor schweren Verläufen, denn diesen haben die allermeisten Geimpften wohl auch noch lange nach den ersten Impfungen. Ausnahmen sind hier Hochbetagte und Immunsupprimierte, die auch hinsichtlich eines schweren Krankheitsverlaufs direkt von einer Auffrischimpfung profitieren. Die Booster können vielmehr auch sehr kurzfristig das Infektionsgeschehen positiv beeinflussen und weitere Ansteckungen verhindern, was gerade jetzt im Herbst und Winter wichtig ist. Grundsätzlich kann man sagen, dass es bei Geimpften im Vergleich zu Ungeimpften 70 Prozent weniger wahrscheinlich ist, dass sie das Virus bei einer Infektion weitergeben.“

„So wichtig die Booster aber auch sind, sollte man ihre Bedeutung nicht allzu hoch hängen. Mindestens genauso wichtig, wenn nicht noch wichtiger, ist die Einhaltung der Kontaktmaßnahmen und das Tragen der Masken, gerade für Ältere, selbst wenn sie geimpft sind. Also Risikoreduktion durch Kontaktreduktion. Das muss nicht die eigens gewählte Quarantäne daheim sein, aber mit Blick auf die Feiertage sollte man sich schon fragen, mit wem man ein Familienfest plant.“

„Global betrachtet wäre es zudem vermutlich schlauer, die Impfungen, die hierzulande als Drittimpfungen eingesetzt werden, im globalen Süden als Erstimpfung einzusetzen. So würde man die Pandemie weltweit noch schneller in den Griff bekommen.“

„Die Gruppe der Ungeimpften ist für die Belegung der Intensivstationen entscheidend. Die große Mehrheit der Patienten, die auf den Intensivstationen behandelt werden, ist nicht geimpft. Also sollte man diese Gruppe noch effektiver ansprechen.“

„2G ist natürlich besser als 3G. Die geimpfte, aber ungetestete Person ist deutlich sicherer für die Gesellschaft als die getestete aber ungeimpfte, weil die Sensitivität von Schnelltests bei Menschen ohne Symptome nur bei 80 bis 90 Prozent liegt. Ob aber solch drastische 2G-Regeln wie derzeit in Österreich (Lockdown für Ungeimpfte bei hoher Intensivbettenbelegung; Anm. d. Red.) helfen können, die Gruppe der Ungeimpften effektiver zur Impfung zu drängen, ist fraglich. Gut möglich, dass auch genau der gegenteilige Effekt einsetzt und sich die Impfskeptiker noch mehr zurückziehen.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Alle: Keine Angaben erhalten.