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14.05.2019

Infektionen mit Erreger Pseudomonas aeruginosa in Köln, Ermittlung wegen Todesfalls

Ein Ausbruch von krankmachenden Bakterien in einer Kölner Radiologie-Praxis sorgt für mediales Aufsehen, nachdem der Kölner Stadt-Anzeiger in seiner Ausgabe vom 14. Mai von einem Todesfall berichtete [I]. 28 Patienten hätten sich innerhalb von zweieinhalb Wochen im Frühjahr dieses Jahres in einer Radiologie-Praxis während einer invasiven Behandlung mit dem Erreger Pseudomonas aeruginosa angesteckt. Die deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene bezeichnete die Vorkommnisse dem Kölner Stadt-Anzeiger gegenüber als „schwersten Ausbruch mit diesem Erreger in einer ambulanten medizinischen Einrichtung überhaupt“ [I].

Der Erreger Pseudomonas aeruginosa kommt im Trinkwasser vor und hat natürlicherweise einige Resistenzen gegen viele Antibiotika. Das bedeutet nicht, dass diese Erreger nicht mehr mit Antibiotika behandelbar sind. Vor allem in Krankenhäusern kann er für ein Spektrum von Erkrankungen verantwortlich gemacht werden, an denen vor allem immunsupprimierte Patienten erkranken, beispielsweise Lungenentzündungen, Harnwegs- und Wundinfekte bis hin zu lebensgefährlichen Blutstrominfektionen (Sepsis). Zur Infektion benötigt der Erreger meist eine Eintrittsstelle in den menschlichen Körper, wie eine Wunde, einen Katheter oder Schläuche zur Beatmung. Außerhalb von Krankenhäusern verursacht der Erreger meist weniger schlimme Erkrankungen wie eine Außenohrentzündung, Hornhautentzündung des Auges oder Wundinfektionen [II].

Im Zeitraum von Januar bis März 2019 hatten sich laut Angaben des Kölner Stadt-Anzeigers knapp 300 Patienten in dem Kölner Medizinischen Versorgungszentrum wegen Rückenschmerzen behandeln lassen. Mit einem per Computer-Tomographie geleiteten Verfahren wurden ihnen Schmerzmittel und Entzündungshemmer via Nadel an die Wirbelsäule injiziert, beispielsweise zur Behandlung von Bandscheibenvorfällen. Bei dieser Prozedur hatten sich offenbar 28 Patienten mit dem Erreger angesteckt. Die genaue Ursache ist noch ungeklärt. Die Praxis hätte selbstständig die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, welche nun auch aufgrund eines Todesfalls ermittelt: Ein Mann war nach einer Operation an Multiorganversagen gestorben und gleichzeitig mit dem Erreger infiziert. Weitere Patienten seien laut Kölner Stadt-Anzeiger an einer Hirnhautentzündung, Meningitis, erkrankt.

Die Stadt Köln hat am 15. Mai ein Pressegespräch mit Prof. Dr. Gerhard A. Wiesmüller vom Gesundheitsamt Köln veranstaltet und die Angaben bestätigt. 

Übersicht

  • Prof. Dr. Sören Gatermann, Leiter des Nationalen Referenzzentrums (NRZ) für gramnegative Krankenhauserreger, Ruhr-Universität Bochum
  • Prof. Dr. Gerd Fätkenheuer, Leiter der Infektiologie, Klinik I für Innere Medizin, Uniklinik Köln, und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI)
  • Prof. Dr. Alexander Friedrich, Inhaber und Direktor des Lehrstuhls Medizinische Mikrobiologie und Infektionsprävention, Universität Groningen, Niederlande

Statements

Prof. Dr. Sören Gatermann

Leiter des Nationalen Referenzzentrums (NRZ) für gramnegative Krankenhauserreger, Ruhr-Universität Bochum

Pseudomonas aeruginosa kommt in vielen Quellen von Wasser, auch im häuslichen Trinkwasser vor. Normalerweise verursacht er keinerlei Infektionen, wenn nicht besondere Umstände vorliegen. Solche besonderen Umstände sind typisch bei Patienten in Krankenhäusern und auf Intensivstationen gegeben, weswegen Infektionen dort auch häufiger sind. Treten Infektionen mit dem Erreger in einer Arztpraxis wie berichtet auf, ist man geneigt, Hygienefehler bei dem durchgeführten Eingriff zu vermuten. Ich gehe davon aus, dass die Staatsanwaltschaft mögliche Quellen untersuchen wird. Weitere Äußerungen hierzu wären allerdings Spekulation.“

„Sobald der Eingriff, nachdem die Infektionen aufgetreten sind, unterlassen wird, besteht für weitere Personen keine Gefahr mehr.“

„Wohl wird dieser Erreger, die Spezies P. aeruginosa, als bedrohlicher Keim auf der Liste der WHO geführt [1], allerdings in der gegen Antibiotika resistenten Form, die hier ausweislich der Veröffentlichung nicht vorliegt – es ist von einem ‚pansensiblen‘ Isolat die Rede, das ist das absolute Gegenteil von ‚resistent‘ (das bedeutet, dass diese Erreger noch nicht gegen alle verfügbaren Antibiotika resistent sind und behandelbar sind, aber durchaus natürliche Resistenzen tragen können; Anm. d. Red.).

„Wie viele andere Bakterien kann Pseudomonas aeruginosa Infektionen verursachen, wenn er in Regionen des Körpers – Gewebe, Blut, Liquor – gelangt, die normalerweise bakterienfrei sind. Je nach Ort und Menge der eingebrachten Bakterien kann es dann unterschiedlich lange dauern, bis Krankheitszeichen auftreten. Insofern sind die geschilderten Erkrankungen, einschließlich einer Meningitis, durchaus erklärbar.“

„Für andere Personen, auch für Menschen, die in direkten Kontakt mit den Erkrankten stehen, besteht keine Gefahr.“

Prof. Dr. Gerd Fätkenheuer

Leiter der Infektiologie, Klinik I für Innere Medizin, Uniklinik Köln, und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI)

„Die Umstände und der Umfang des Ausbruches sprechen dafür, dass in der betroffenen Praxis ein Hygieneproblem im Rahmen der angewendeten medizinischen Maßnahme aufgetreten ist. Worin dieses Problem genau bestand, ist bisher nicht bekannt. Aus meiner Sicht spielt es dabei keine Rolle, dass es sich um eine Praxis und nicht um eine Klinik handelte, da sowohl hier wie dort dieselben hygienischen Anforderungen für medizinische Eingriffe gelten.“

„Die genaue Ursache für den Ausbruch ist bisher nicht bekannt. Unter Leitung des Gesundheitsamtes wird nach möglichen Fehlern gesucht, die den Ausbruch verursacht haben könnten.“

„Die Infektion mit dem Bakterium Pseudomonas aeruginosa ist grundsätzlich eine ernste Erkrankung. Für die Behandlung sind eine frühzeitige Diagnose und der Einsatz effektiver Antibiotika von großer Bedeutung. Wenn keine Resistenzen bestehen, kommt zur Therapie von Pseudomonas-Infektionen eine Handvoll Antibiotika infrage. Beim vorliegenden Ausbruch wurden meines Wissens keine resistenten Bakterien gefunden, die Behandlungsmöglichkeiten sind damit grundsätzlich gut. Wenn sich Abszesse gebildet haben, werden auch operative Eingriffe notwendig, um die Infektion vollständig zu beseitigen.“ 

„Zum konkreten Verlauf des verstorbenen Patienten kann ich keine Aussage treffen. Grundsätzlich ist zu sagen, dass Infektionen mit Pseudomonas-Bakterien häufig schwer verlaufen und eine Sepsis oder einen septischen Schock hervorrufen können. Ein Multiorgansversagen ist eine typische Komplikation eines septischen Schocks. Eine Meningitis durch Pseudomonas-Bakterien kommt selten vor, ist aber immer eine sehr schwere und ernste Erkrankung.“

Prof. Dr. Alexander Friedrich

Inhaber und Direktor des Lehrstuhls Medizinische Mikrobiologie und Infektionsprävention, Universität Groningen, Niederlande

„Es handelt sich um ein Ausbruchsgeschehen, das leider immer wieder in Europa beschrieben wird. Meist betrifft es einen einzelnen Patienten, in den meisten publizierten Fällen weniger als zehn Patienten, selten aber auch mehr. Eigentlich macht es keinen Unterschied, ob eine ambulante oder stationäre Einrichtung betroffen ist. Ein Patient muss davon ausgehen können, dass er vor einem solchen Risiko durch bekannte Hygienemaßnahmen und Qualitätssicherungsmaßnahmen geschützt wird. In Kliniken finden sich zudem Patienten mit viel schwereren Grunderkrankungen und sehr geschwächtem Immunsystem, sodass es zu noch gravierenderen Folgen von Infektionen kommen kann als im ambulanten Bereich. Bei direkter Injektion von Erregern – wobei in diesem Fall noch nicht bewiesen ist, ob dies wirklich erfolgt ist – macht es keinen Unterschied, ob eine ambulante Praxis oder ein Krankenhaus betroffen ist.“

„Zuerst muss wirklich festgestellt werden, ob die Ursache der Pseudomonas-Infektion bei allen Patienten identisch ist. Der alleinige Erregernachweis Pseudomonas aeruginosa bei den Patienten ist ein deutlicher Hinweis, jedoch kein Beweis. Dies muss durch Keimnachweis und genetischen Fingerprint der Erreger erfolgen. Erst dann ist bewiesen, dass es sich um einen wirklichen Ausbruch handelt. Außerdem muss der Erreger mit identischem Fingerprint in der Umwelt gefunden werden, um die Vermutung einer exogenen Infektionskette sicher aufklären zu können.“

„Der Erreger Pseudomonas aeruginosa ist ein Erreger, der sein Reservoir bevorzugt in feuchter Umgebung, Wasser und wässrigen Lösungen hat. Solche Reservoirs sind in der betroffenen Praxis zu untersuchen und P. aeruginosa muss dort aus der Umgebung mikrobiologisch isoliert und molekular typisiert werden. Nur bei identischem Erreger, inklusive Fingerprint, ist eine Übertragung wahrscheinlich, eine exogene Infektion von Patienten nur bewiesen, wenn der Übertragungsweg nicht auch von betroffenen Patienten auf die Umwelt erklärbar ist. Ein bloßer Nachweis also von P. aeruginosa in der Umwelt, also auf Oberflächen, Geräten und Flüssigkeiten einer Praxis oder Klinik, sagt noch nicht viel aus, da es sehr viele verschiedene P. areuginosa gibt.“

„Außerdem muss der Erreger auf bestehende Antibiotikaresistenzen getestet werden. Wenig oder nicht resistente Erreger sind vorteilhaft, da Patienten dann noch häufig behandelt werden können. Das ist auch ein Hinweis darauf, dass es eher nicht ein Erreger ist, der von anderen Patienten stammt oder ein typischer Krankenhauserreger ist, sondern eher ein Bakterienstamm, der natürlicherweise in der Umwelt vorkommt.“

„In der Aufklärung dieser Infektionen werden unter anderem alle Abläufe in Bezug auf den Patienten, auf Personal und verwendeten Materialien untersucht, die vor, während oder nach den invasiven Eingriffen beteiligt waren. Materialien und Flüssigkeiten, die zur invasiven Behandlung genutzt wurden, müssen sichergestellt und untersucht werden – sowohl benutzte als auch unbenutzte. Eine Kontamination mit P. aeruginosa kann auch bereits geöffnete Injektionslösungen (beispielsweise Kortison, Lokalanästhetikum, Injektionsflüssigkeiten) oder andere Flüssigkeiten betreffen, die zum Beispiel bei Zimmertemperatur, aber auch in Kühlschränken über längeren Zeitraum aufbewahrt werden. Eine bakterielle Kontamination mit Erregern wie P. aeruginosa erfolgt in den in der Literatur bekannten und vergleichbaren Fällen fast immer durch Gebrauch und nachdem die sterilen Materialien und Flüssigkeiten bereits geöffnet wurden. Ebenfalls könnten Desinfektionsmittel oder Wasser/wässrige Lösungen, mit denen Oberflächen, Gerätschaften oder Behälter gereinigt oder (vor)gespült werden, kontaminiert sein. Außerdem können alle mehrmals verwendbaren und zu sterilisierenden Materialien und Geräte möglicherweise kontaminiert worden sein. Diese sind ebenfalls zu untersuchen. Die Wirksamkeit der Aufbereitungsform ist zu überprüfen.“

„Wenn die Eingriffe und bisherigen Prozeduren gestoppt wurden – wie in der Presse zu lesen ist –, ist auch eine Infektionsgefahr für Patienten beendet. Vor der Wiederaufnahme der Eingriffe sollte deutlich analysiert worden sein, was die Ursache für die Infektion der Patienten war beziehungsweise, ob die Prozesse so verändert sind, dass Infektionen so gut wie ausgeschlossen werden können.“

Pseudomonas aeruginosa kann sowohl für eine iatrogen (durch die Einwirkung von Ärzten; Anm. d. Red.) verursachte Sepsis als auch für eine Meningitis die Ursache sein. Die Folge einer Sepsis kann ein Multiorganversagen mit Todesfolge sein. Ob diese in diesem Fall durch den Erreger P. aeruginosa mit identischem Fingerprint erfolgt ist, ist nicht bekannt. Dieser Nachweis muss erst geschehen, da eine Sepsis und Multiorganversagen auch andere Gründe haben kann, beispielsweise eine Infektion mit anderen Erregern. Der Infektionsweg über eine direkte Injektion kann ein solches Krankheitsbild erklären, wenn der Erreger direkt in primär sterile Bereiche des Körpers gelangt. Ebenfalls ist aufgrund der spezifischen Behandlungsform – mit einer Nadel in die Nähe des Rückenmarks – anatomisch gesehen eine Infektion mit einer Ausbreitung auf die Hirnhäute, also eine Meningitis, möglich. Auch hier gilt, dass der Erreger im Liquor des Patienten derselbe sein muss.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Alle: Keine Angaben erhalten. 

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] World Health Organization (2017): WHO publishes list of bacteria for which new antibiotics are urgently needed.

Quellen, die vom SMC zitiert wurden

[I] Uli Kreikebaum und Detlef Schmalenberg (14.05.2019): Keime in Kölner Praxis. 28 Patienten nach Spritze erkrankt – Todesfall wird untersucht. Kölner Stadt-Anzeiger. 

[II] Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (2016): Gesundheitliche Bedeutung, Prävention und Kontrolle Wasser-assoziierter Pseudomonas aeruginosa-Infektionen. Hygiene & Medizin; 41; 2. ISSN: 0172-3790.