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12.04.2019

Ebola im Kongo – internationaler Gesundheitsnotstand?

Das Notfallkommittee der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat am 12. April 2019 entschieden, den aktuellen Ebola-Ausbruch in der Demokratischen Republik Kongo noch nicht als „Internationalen Gesundheitsnotstand“ (Public Health Emergency of International Concern, PHEIC) zu deklarieren (siehe Primärquelle). Diese Entscheidung hat ein Notfallgremium aus externen Experten getroffen, das eine Empfehlung auf Grundlage der Internationalen Gesundheitsvorschriften [1] an den Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation ausspricht.

Seit dem 1. August 2018 sind in der Demokratischen Republik bisher über 1100 bestätigte Ebola-Fälle, davon 698 bestätigte Todesfälle gezählt worden. Jeden Tag kommen neue Fälle und Todesfälle hinzu – am 10. April hat das Gesundheitsministerium der Demokratischen Republik Kongo beispielsweise 20 neue Todesfälle berichtet, darunter sechs, die nicht in einem Behandlungszentrum gestorben sind (community deaths) und damit potenziell weitere Menschen angesteckt haben könnten. Darüber hinaus haben sich zwei Mitarbeiter des Flughafens in Butembo mit Ebola infiziert und wurden in ein Behandlungszentrum überführt. Der aktuelle Ausbruch ist weiterhin von Unruhen und Attacken von Rebellen gezeichnet, die die Arbeit von Helfern vor Ort stark gefährden.

Schon im Oktober hatte sich das Notfallkommittee getroffen, denselben Ausbrauch aber nicht als Internationalen Gesundheitsnotstand deklariert – wahrscheinlich, weil sich das Ebolavirus in diesem Fall noch nicht über die Landesgrenzen hinaus verbreitet hatte.

Übersicht

     

  • Dr. Christina Frank, Epidemiologin in der Abteilung Infektionsepidemiologie, Robert Koch-Institut (RKI), Berlin
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  • Prof. Dr. Hansjörg Dilger, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Sozial- und Kulturanthropologie, Freie Universität Berlin
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  • Prof. Dr. Marylyn Addo, Leiterin der Sektion Infektiologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Hamburg
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  • Prof. Dr. Peter Kremsner, Direktor des Instituts für Tropenmedizin, Eberhard Karls Universität Tübingen
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Statements

Dr. Christina Frank

Epidemiologin in der Abteilung Infektionsepidemiologie, Robert Koch-Institut (RKI), Berlin

„Der Ausbruch, oder vielmehr jeder einzelne Unterausbruch in den aktuell betroffenen Zonen, muss beendet werden. Eine weitere Ausbreitung der Infektion muss verhindert werden. Der starke Anstieg der Fallzahlen in den letzten Tagen ist vermutlich eine direkte Folge der zwischenzeitlich starken Einschränkungen der Ausbruchsbekämpfung durch den Bevölkerungswiderstand im Raum Katwa/Butembo. Wenn sich jetzt verstärkt Erkrankte zu erkennen geben und der Behandlung in einem Zentrum zustimmen, oder Familien an Ebola Verstorbene melden, wäre das trotz der hohen Fallzahlen eine positive Entwicklung, da dieses zwischendurch vermutlich oftmals unterblieb. Der Widerstand richtet sich zum Teil gar nicht konkret gegen die Bekämpfung des Ebola-Ausbruchs, sondern es schwingt viel generelle Unzufriedenheit und Misstrauen gegenüber Institutionen mit. Es ist zu hoffen, dass die stark intensivierte Kommunikation mit der Bevölkerung über Ebola und die Integration von Menschen vor Ort in die Bekämpfung helfen, den Widerstand abzuschwächen. Kommunikation zur Wirksamkeit der Impfungen und nachweisliche Erfolge der Behandlung sollten helfen, Skeptiker zu überzeugen. Zum Hintergrund: Unter den Patienten, die innerhalb von drei Tagen nach Erkrankungsbeginn behandelt werden, überleben circa 80 Prozent, insgesamt sind es eher 30 bis 40 Prozent der Patienten.“

„Ein PHEIC ist eine Gesundheitsnotlage internationaler Tragweite (‚public health emergency of international concern‘). Sie wird formell nicht erklärt, um die Lage zu verändern, sondern ist an das Vorliegen bestimmter Kriterien gebunden, die auf den Internationalen Gesundheitsvorschriften (IHR) [1] basieren. Das Hauptkriterium ist das Risiko einer internationalen Ausbreitung. Das IHR Emergency Committee tagt bezüglich der Gesundheitsnotlage und berät dann den Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezüglich der Einstufung als PHEIC. Bei der vergangenen derartigen Beratung im Oktober 2018 hat man sich gegen eine Einstufung des Ausbruches als PHEIC entschieden. Seither ist der Ausbruch zwar nicht beendet worden – und aktuell werden auch vergleichsweise hohe Fallzahlen berichtet – jedoch ist es bislang auch nicht zu einer massiven Ausbreitung innerhalb der Region oder in die Nachbarländer gekommen, wie man sie zum Beispiel bei dem großen Ebola-Ausbruch in Westafrika 2014/2015 erlebt hat. Ein weiteres Kriterium ist die Notwendigkeit, gegen die Notlage international koordiniert vorgehen zu müssen. Dies geschieht bei dem aktuellen Ausbruch bereits auf vielen Ebenen und zu vielen Aspekten.“

„Die Ring-Impfstrategie ist speziell für Ebola sehr effektiv, da es – im Gegensatz zum Beispiel zu den Masern – eines engeren Kontakts zu Personen bedarf, um zu einer Übertragung zu führen, und sich Infektionsketten oftmals gut darstellen lassen. Wenn dann ein wirksamer Impfstoff zur Verfügung steht und sich die Ringe zu impfender Personen definieren lassen, ist diese Impfstrategie effizienter als beispielsweise eine Massenimpfung und geht sparsamer mit dem eher begrenzt zur Verfügung stehenden Impfstoff um. Geimpft werden müssen Personen, die rund um bekannte Ebola-Erkrankte möglicherweise gegenüber der Infektion exponiert waren, und die bei eigener Erkrankung die Infektion weitergeben könnten. Ein Einsatz des gleichen Impfstoffes 2015 in Guinea hat gezeigt, dass sogar schon infizierte Personen durch eine frühzeitige Impfung vor Ausbruch der Krankheit geschützt waren. Die Impfung ist nur eine Komponente der Ausbruchsbekämpfung. Die schnelle Identifizierung neuer Fälle durch die Beobachtung von Kontaktpersonen, die Isolierung und sichere Pflege der Kranken und die sichere und würdevolle Bestattung von an Ebola Verstorbenen, sind weitere wichtige Maßnahmen neben und in Kombination mit der Impfung. Der Ausbruch lässt sich aber erst beenden, wenn die Impfung und die anderen Maßnahmen einen größeren Anteil der Fälle und Kontaktpersonen als bislang erreichen. Kontaktpersonen oder Infizierte, die die Impfung verweigern, sich nicht beobachten lassen, sich bei Erkrankung nicht in den Zentren behandeln lassen und womöglich in ihren Familien an Ebola versterben, tragen die Infektion noch zu häufig weiter. Konkrete Zahlen zur Impf-Effektivität in diesem Ausbruch wurden noch nicht veröffentlicht. Aber die im Vergleich zu anderen Ebolaausbrüchen bislang eher gebremst ansteigenden Fallzahlen deuten auf einen stark schützenden Einfluss der Impfungen und der anderen Maßnahmen hin. Frühere Studien und Anwendungserfahrungen haben zudem gezeigt, dass der Impfstoff gut verträglich ist.“

Prof. Dr. Hansjörg Dilger

Geschäftsführender Direktor des Instituts für Sozial- und Kulturanthropologie, Freie Universität Berlin

„Neuinfektionen mit dem Ebola-Virus in der Demokratischen Republik Kongo nehmen – trotz der Erfolge bei den Impfungen – weiter zu. Erschwert wird die medizinische Arbeit nicht nur durch die Tatsache, dass sich die Epidemie in einer Konfliktregion an den Grenzen zu Rwanda und Uganda ausbreitet. Auch kam es gehäuft zu gewaltsamen Angriffen auf Gesundheitszentren und das lokale beziehungsweise internationale Gesundheitspersonal, das mit der Prävention und Behandlung von Ebola befasst ist.“

„Die Ebola-Epidemien in West- und Zentralafrika in den Jahren 2014/2015 haben gezeigt, wie wichtig der Abbau von lokalem Misstrauen für den Erfolg und die Akzeptanz von Präventions- und Fürsorgemaßnahmen im Kontext der Krankheit ist. Die damals erprobten Formen medizinischer Intervention – der Einsatz lokaler Schlüsselakteure, vertrauensbildende Kommunikationsstrategien und die systematische Einbindung der Ziel-Communities – sollten auch jetzt gezielt eingesetzt werden.“

„Die Entscheidung der WHO über einen Internationalen Gesundheitsnotstand lenkt den Blick auf diese hochkomplizierte Gemengelage, in der sich Ebola im Kontext von Gewalt und lokalem Misstrauen gegenüber medizinischen und Public Health-Maßnahmen ausbreitet. Sie fordert zudem das dringend benötigte Engagement der globalen Gemeinschaft im Hinblick auf Ressourcen und Expertise ein.“

Prof. Dr. Marylyn Addo

Leiterin der Sektion Infektiologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Hamburg

„Bezüglich der Eindämmung des aktuellen Ebola-Ausbruchs in der Demokratischen Republik Kongo wagt man es eigentlich nicht in kurzen Zeiträumen zu denken. Wir hoffen, dass wir den aktuellen Ausbruch im Kontext von Monaten eindämmen können. Niemand erwartet zurzeit eine Ausbreitung wie in Westafrika 2014. Wir haben ja momentan noch Zahlen, die noch relativ moderat sind.“

„Vor allem erschwert derzeit die schwierige Sicherheitslage vor Ort die Arbeit der Helfer enorm. Sie werden häufig attackiert, ganze Behandlungszentren sind in Flammen aufgegangen. Das Misstrauen in der Bevölkerung – beispielsweise auch gegenüber dem Militär, das zwischenzeitlich hart eingeschritten ist – ist teilweise groß. Deshalb ist die Vertrauensbildung vor Ort auch so enorm wichtig.“

„Es ist erstaunlich, dass trotz dieser prekären Sicherheitslage so viele Impfungen – fast 100.000 – verabreicht werden konnten. Es gibt zwar keine belastbaren Zahlen zur Wirksamkeit aus dem Feld, aber die Fallzahlen des Ausbruchs sind noch nicht katastrophal explodiert. Bisher scheinen das Aufspüren der Fälle und die Impfstrategie also gut zu greifen. Es laufen zeitgleich auch klinische Studien vor Ort, deren Zahlen jedoch noch nicht veröffentlicht sind. Daten aus dem Feld belegen aber, dass die Impfung bisher gut verträglich ist.“

„Ein Internationaler Gesundheitsnotstand muss ja bestimmte Bedingungen erfüllen. Zum Beispiel müssen weitere Länder betroffen sein. Nun ist es ja so, dass die Demokratische Republik Kongo (DRC) ganz nah an Rwanda und Uganda liegt. Diese Länder bereiten sich derzeit auch auf einen möglichen Ausbruch vor, sie impfen beispielsweise ihr Gesundheitspersonal. Ein Internationaler Gesundheitsnotstand (PHEIC) würde der WHO eher ein Mandat geben, das aktuelle Geschehen aktiver zu gestalten. Bisher liegt die Verantwortung noch beim Gesundheitsministerium der DRC, gemanagt, die WHO nimmt eine beratende Rolle ein. In einem PHEIC könnten außerdem weitere Ressourcen mobilisiert werden.“

Prof. Dr. Peter Kremsner

Direktor des Instituts für Tropenmedizin, Eberhard Karls Universität Tübingen

„Man kann momentan überhaupt nicht abschätzen, wie der Ausbruch weitergehen wird. Es ist sehr vieles möglich. Der aktuelle Ausbruch ist einzigartig, denn er passt überhaupt nicht ins Bild der vorherigen über 20 Ausbrüche – mal abgesehen von dem großen Ausbruch in 2014. Er verschwindet nicht, wie alle anderen, von selbst und obwohl wir mit der Impfung eine Waffe haben, die sehr gut wirkt, ändert sich nichts.“

Wir wissen aus den klinischen Studien zu dem Impfstoff, dass er sehr gut wirkt und verträglich ist. Er hat bei allen betrachteten Bevölkerungsgruppen eine gute Immunantwort hervorgerufen: Wir fanden neutralisierende Antikörper. In der einzigen Studie, die die Wirksamkeit untersucht hat, erzielte der Impfstoff gute Ergebnisse. Auch wenn die Fallzahl mit 20 sehr klein war, konnten die Ergebnisse deutlicher nicht sein.“

„Auch momentan werden im Feld weiter Daten zum eingesetzten Impfstoff gesammelt, die sind allerdings noch nicht veröffentlicht. Aber es zeigt sich, dass auch ein Impfstoff allein nicht die Lösung zur Beendigung eines Ausbruchs zu sein scheint. Ich vermute, man müsste eine gesamte Region durchimpfen, um der Ausbreitung Herr zu werden, aber das beträfe Millionen und so viel Impfstoff gibt es nicht. Daher ist die Ring-Impfung, wie sie derzeit eingesetzt wird, das richtige Mittel.“

„Die Personen vor Ort sind sehr mobil und stecken weitere Menschen an – das ist ein Problem. Die Krankheit wird auch von Infizierten weitergetragen, die unsymptomatisch sind. Das war aber auch bei alles Ausbrüchen vorher der Fall, zum Beispiel in Gabun. Aber auch diese sind irgendwann, böse gesprochen ‚von selbst‘ zum Erliegen gekommen, was aktuell nicht passiert.“

„Ein Internationaler Gesundheitsnotstand hätte mehr Aufmerksamkeit und mehr Ressourcen für den Ausbruch mobilisieren können. Es wird aber nicht viel ändern, denn generell ist die Bereitschaft der internationalen Gesellschaft weiterhin hoch.“

„Ich wundere mich selbst über Ebola, ich verstehe nicht, wie die beiden Ausbrüche – der aktuelle und der aus 2014 – auf ihre jeweils eigene Art so aus dem Raster fallen können.“

Angaben zu möglichen Interessenkonflikten

Alle: Keine Angaben erhalten.

Primärquelle

World Health Organization (12.04.2019): Statement on the meeting of the International Health Regulations (2005) Emergency Committee for Ebola virus disease in the Democratic Republic of the Congo on 12th April 2019. 

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] World Health Organization (2005): International Health Regulations.

Weitere Recherchequellen

Robert Koch-Institut: Aktuelle Informationen zum Ebolafieber-Ausbruch in der Demokratischen Republik Kongo, Provinzen Nord-Kivu und Ituri.

Ministère de la Santé (11.04.2019): SITUATION ÉPIDÉMIOLOGIQUE DANS LES PROVINCES DU NORD-KIVU ET DE L'ITURI(Aktuellste Ausbruchsinformationen des Gesundheitsministeriums auf Französisch)